Veranstaltungen anlässlich der 1000-Jahr-Feiern des Bistums Meißen
13. September 1968
Einzelinformation Nr. 1033/68 über Veranstaltungen anlässlich der 1000-Jahr-Feiern des Bistums Meißen und des Erzbistums Magdeburg in der ersten Septemberhälfte 1968
Vom Bistum Meißen und vom Erzbistum Magdeburg wird das Jahr 1968 als Gründungsjahr dieser Bistümer1 begangen, wobei sich die Feierlichkeiten über das gesamte Jahr erstrecken. (Über die 1000-Jahr-Feiern des katholischen Bistums Meißen wurde bereits in der Einzel-Information Nr. 61/68 vom 22. Januar 1968 berichtet.) Für den September sind die Hauptfeierlichkeiten vorgesehen.
Festzustellen ist, dass das ursprünglich festgelegte große Festprogramm des Bistums Meißen weitgehend eingeschränkt wurde, hauptsächlich die vorgesehene Teilnahme westdeutscher und ausländischer kirchlicher Persönlichkeiten betreffend. Ursprünglich waren die Teilnahme und das Auftreten z. B. von Kardinal Franz König2 (Wien/Österreich), Kardinal Julius Döpfner3 (München/Westdeutschland), zwei Bischöfen aus der ČSSR, darunter Erzbischof Tomášek,4 u. a. im September 1968 in Meißen und Umgebung vorgesehen. Da diese Einladungen im Ergebnis entsprechender Aussprachen seitens staatlicher Organe mit Verantwortlichen des Bistums nicht aufrechterhalten wurden, sind auch die vorgesehenen großen kirchlichen Veranstaltungen zum Teil eingeschränkt worden.
Alle Vorbereitungen der Bistümer auf die Feierlichkeiten waren jedoch darauf ausgerichtet, die Teilnehmerzahl aus dem Bereich des Bistums möglichst hoch zu halten.
Am 1.9.1968 begannen die Hauptfeierlichkeiten des Bistums Meißen mit einem Festhochamt in der katholischen Hofkirche zu Dresden mit ca. 2 500 Teilnehmern. Anwesend waren alle katholischen Bischöfe der DDR und als Gäste die evangelischen Bischöfe Noth5/Dresden und Jänicke6/Magdeburg. Kardinal Bengsch7/Berlin hielt eine kurze Predigt, in der er einen historischen Überblick über das Wirken der katholischen Kirche in den 1000 Jahren des Bestehens des Bistums Meißen gab. Die Ausführungen hatten rein theologischen Charakter und bezogen sich nicht auf Gegenwartsereignisse. Anschließend wurde für Völkerverständigung und Frieden gebetet.
Am Nachmittag des 1.9.1968 fand in der Hofkirche zu Dresden eine Festakademie mit einer Beteiligung von ca. 2 000 Katholiken statt. Den Festvortrag hielt der Akademiker-Seelsorger Dr. Sonntag8/Dresden. Er gab einen geschichtlichen Abriss der Entwicklung des Bistums Meißen. In seinem Vortrag brachte er weiter sein »Bedauern« zum Ausdruck, dass die Gäste aus Polen, der ČSSR, Westdeutschland und Österreich nicht hätten kommen können, betonte aber, von ihnen seien »Grußadressen« eingegangen. (Diese Grußadressen wurden nicht verlesen.) Nach Dr. Sonntag ergriff Bischof Noth/Dresden das Wort. Er appellierte an die Gläubigen, durch Gebete zur Linderung der Not der Armen und zur Einheit des Christentums beizutragen. Anschließend sprach Bischof Spülbeck9/Bautzen. Er hielt einen ausgesprochen theologischen Vortrag. Abschließend wurde eine vom 29.7.1968 datierte handschriftliche Grußadresse von Papst Paul VI10 verlesen, die im Wesentlichen Folgendes beinhaltet:
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Alle Gläubigen werden aufgefordert, in schwerer Zeit treu zum Glauben zu stehen;
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viele Völker würden dem Glauben fremd gegenüberstehen;
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es bestehe eine Glaubenskrise;
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durch Gebete solle diese Entwicklung aufgehalten werden.
Wie im Programm für die Feierlichkeiten zum 1000-jährigen Bestehen des Bistums Meißen vorgesehen, fand am 8.9.1968 um 15.00 Uhr im St. Petri-Dom/Bautzen ein Gottesdienst statt, an dem ca. 1 300 Personen teilnahmen. Unter den Anwesenden befanden sich zwölf Vertreter der evangelischen Kirche. Die Predigt hielt Pfarrer Dr. Sonntag/Dresden. Er betonte u. a. die Notwendigkeit der »Einheit der Christen« und wies auf Schwierigkeiten hin, die die Kirche bei der Erfüllung ihres Auftrages im atheistischen Staat habe. Die Messe, gehalten von Erzpriester Andritzki11/Bautzen, und die »Dankesworte« von Bischof Spülbeck/Bautzen befassten sich mit rein theologischen Problemen.
Zum Verlauf der Festveranstaltungen (Hauptfeierlichkeiten) am 7. und 8.9.1968 in Magdeburg wurde im Einzelnen Folgendes bekannt:
Vor den obengenannten Festveranstaltungen führten am 3.9.1968 der Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres und der Referent für Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Magdeburg mit Weihbischof Rintelen12/Magdeburg eine Aussprache. Dabei brachte Rintelen zum Ausdruck: Die im Zusammenhang mit der ČSSR eingeleiteten Maßnahmen13 könne er persönlich zwar nicht billigen, er stehe aber auf dem Standpunkt, auch die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Staaten könnten es von der strategischen Lage her nicht dulden, dass die ČSSR aufgegeben werde. Rintelen erklärte weiter, die Problematik der ČSSR werde bei der Durchführung der 1000-Jahr-Feiern keine Rolle spielen. Er sei sich dessen bewusst, dass die 1000-Jahr-Feier, wie sie jetzt in Magdeburg durchgeführt werde, nur stattfinden könne, weil die katholische Kirche vom Rat des Bezirkes Magdeburg und vom Rat der Stadt in großzügiger Weise unterstützt worden sei. Er würde es deshalb als einen »Vertrauensbruch« betrachten, wenn die Veranstaltungen am 7. und 8.9.1968 einen politischen Aspekt erhielten. Rintelen übernahm die Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass bei den Veranstaltungen alle Redner sich streng an seine Weisungen halten und nur auf theologische Probleme eingehen.14
Der 7.9.1968, der als Laienvertretertag deklariert worden war, wurde mit einer Eucharistiefeier, an der ca. 600 Personen teilnahmen, eröffnet. Auf dieser Feier betonte Weihbischof Rintelen in einem Bittgebet, »der Herr möge alle Regierungen erleuchten, das Rechte zu tun«.
In der anschließenden Predigt, die der Kommissariatsrat für Männer- und Frauenseelsorge, Vikar Kraning15/Magdeburg hielt, erklärte Kraning, dass die Kirche vor der Aufgabe stehe, sich zu erneuern. Gott habe den Auftrag gegeben, in der heutigen Welt zu wirken, Kritik an uns selbst und damit auch an der Gesellschaft zu üben. Die Aufgabe bestehe in Folgendem:
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Protest zu erheben, sonst würde die Kirche mitschuldig an Vietnam, Biafra16 und der ČSSR;
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man müsse weg von der bisherigen Isolierung der Kirche;
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die Kirche könne keine programmierten Menschen gebrauchen;
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die Kirche sei zur Tat und Kommunikation aufgerufen;
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wir müssen dem heißen und dem kalten Krieg entgegentreten.
Im weiteren Verlauf des 7.9.1968 tagten die Arbeitsgruppen
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A »Priester und Laie« – Pfarrsaal St. Sebastian,
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B »Familie« – Kindergarten Sudenburg,
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C »Ökumene« – Sebastianeum, Porsestraße,
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D »Jugend« – Piushaus I, Sudenburg,
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E »Christ und Beruf« – Pfarrsaal Neustadt,
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F »Religiöse Erwachsenenbildung – Pfarrsaal Buckau,
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G »Dialog mit Andersdenkenden – Mathildenheim, Klausenerstraße,
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H »Frieden und Brüderlichkeit« – Seminar Oststraße,
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I »Brüderlicher Dienst in der Gemeinde« – Piushaus II, Sudenburg.
Interessantester Arbeitskreis war der Arbeitskreis D »Jugend«, an dem 81 Personen teilnahmen. Geleitet wurde er vom Jugendseelsorger Herold17 und vom Kommissariatsjugendführer Garstecki18/Magdeburg.
Zu Beginn der Tagung des Arbeitskreises D wurde an die Delegierten Material ausgegeben, dass auf einer Jugendvertretertagung am 1.6.1968 in Roßbach erarbeitet und anschließend von Jugendseelsorger Herold und Kommisariatsjugendleiter Garstecki überarbeitet worden war. In diesem Material mit dem Thema »Wo leben wir? – Die Gesellschaft der DDR (nach dem Verfassungsvolksentscheid vom 6.4.1968) im Spiegel ihrer Dokumente« befinden sich u. a. Erläuterungen zu solchen Problemen wie:
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Welche persönlichen Erfahrungen machen wir zurzeit mit dieser Gesellschaft und ihren maßgeblichen Organen?
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Welche Trends werden ausgeprägter werden, welche werden nachlassen? (Unter anderem wird festgestellt, dass der Trend zur Verschärfung und »Faschisierung« zunimmt. Demokratisierungstendenzen gibt es nicht.)
Alle übrigen Arbeitsunterlagen waren den Delegierten des Arbeitskreises D vorher mit der Post übersandt worden.
Kommissariatsjugendleiter Garstecki machte vor dem Arbeitskreis D u. a. folgende Ausführungen:
Die Kirche sei reformbedürftig. An der Spitze der Reformbewegung müsse die Jugend stehen. Ihre Arbeit müsse sich von der Information über die Kritik und Diskussion »bis zum Protest« erstrecken. Ziel sei es, einen erwachsenen Menschen heranzubilden, der seine Rolle in der Gesellschaft kenne und sie heute schon ausübe. Die kritische und praktische Auseinandersetzung mit der Welt von morgen müsse schon heute geführt werden. Die Welt von heute sei gekennzeichnet von einer »Geschlossenheit und einem Hass«. Das hätten auch die Weltfestspiele in Sofia gezeigt.19 Die Welt von heute sei weiter dadurch gekennzeichnet, dass »mithilfe von Gewalt und Macht auf Entwicklungen eingewirkt« wird. Das würden die Ereignisse in der ČSSR zeigen.
Die Entwicklung der Jugend geschehe in der DDR »nicht freiwillig«, sondern werde von unserer Gesellschaft »diktiert« (Berufs- und Bildungsfrage). Vor der Jugendseelsorge der DDR stehe »die Aufgabe, genau das Gegenteil von dem zu tun, was der Staat vorschreibt«. Je antidemokratischer der Staat sei, desto demokratischer müsse die Jugendarbeit verstanden werden. In den Jugendgruppen müssten kleine Intensivgruppen aufgebaut werden, die die gesamte kirchliche Jugendarbeit in Angriff nehmen und im kirchlichen Sinne durchführen würden. Diese Intensivgruppen müssten die »Mängel der sozialistischen Ordnung« erkennen, analysieren und aufdecken. Es müsse heute eingeschätzt werden, dass sich das sozialistische Lager in einer »rückläufigen Entwicklung« befände, was eventuell zum Mittelalter führen würde. Die Kirche, an der Spitze die Jugend, müsse dieser Entwicklung entgegenwirken. Die Intensivgruppen müssten perfekt die Technik der Organisation beherrschen, auch solche Fragen: Wie bildet man Meinung, wie macht man Meinung? Die Mitglieder der Intensivgruppen müssten folgende Fähigkeiten entwickeln:
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die Fähigkeit zum Kompromiss,
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die Fähigkeit zum Arrangement,20
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die Fähigkeit zum Protest sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft.
Alle anderen Arbeitsgruppen befassten sich nur mit innerkirchlichen bzw. theologischen Problemen. (In der Anlage befindet sich eine kurze Zusammenfassung der in den einzelnen Arbeitskreisen behandelten Materialien und Probleme.)
Zum Abschluss des sogenannten Laienvertretertages fand im evangelischen Gemeindesaal, Helmholtzstraße, eine Vollversammlung der Teilnehmer aller Arbeitsgruppen statt, während der die Arbeitsgruppenleiter Bericht über das Ergebnis der Beratungen in den Arbeitsgruppen erstatten. Anwesend waren 500 Delegierte und als Gast der Leiter der evangelischen »Aktion Sühnezeichen«,21 Präses Kreyssig22/Berlin. Außerdem nahmen Weihbischof Rintelen, Geistlicher Rat Schäfer23 und die Jugendseelsorger Gerstecki und Lawetzki24 daran teil. Der Geistliche Rat Schäfer führte in einleitenden Worten u. a. aus, es würde der Tag kommen, wo Panzer zu Weinfässern und Kriegsmaterial zu harmlosem Gebrauch umgebaut würden, wo Gewalt nicht mehr vor Recht gehe, Kriege als verabscheuungswürdig und eine Aggression als sinnlos abgelehnt würden, wo Handfeuerwaffen lediglich das einzelne Individuum vor Verbrechergruppen schützten. Auf die Ereignisse in der ČSSR bezogen, erklärte Schäfer, das die Katholiken keine Aggression anerkennen würden und dass es Gott sei Dank auch Soldaten gegeben habe, die mit den Menschen diskutiert und nicht nur auf die Menschen gezielt hätten.
Am 7.9.1968, 20.00 Uhr, fand im Maxim-Gorki-Theater eine Festveranstaltung statt, an der außer den Delegierten zum Laienvertretertag noch ca. 500 Gäste teilnahmen. Neben den katholischen Bischöfen Dr. Schräder25 /Schwerin, Aufderbeck26/Erfurt, Theissing27/Berlin waren von der evangelischen Kirche anwesend:
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Bischof Jänicke/Magdeburg,
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Kirchenpräsident Dr. Müller28/Dessau,
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Oberkonsistorialrat Dr. Koch29/Magdeburg,
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Propst Fleischhack30/Magdeburg,
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Präses Waitz31/Magdeburg,
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Superintendent Neumann32/Magdeburg,
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Präses Dr. Kreyssig/Magdeburg.
Der katholische Propst Hohberg33/Magdeburg sprach den staatlichen und örtlichen Organen den Dank für die Unterstützung bei der Durchführung der Feierlichkeiten aus. Dr. Sonntag/Dresden gab eine historische Abhandlung über die Entwicklung des Bistums Magdeburg. Des Weiteren wurde bei dieser Veranstaltung ein Brief des Papstes verlesen, der folgenden Inhalt hat:
»Brief des Heiligen Vaters an den Bischof und die Gläubigen. Vor 1 000 Jahren wurde das Erzbistum in Magdeburg errichtet. Die Saat des Glaubens ist überall aufgegangen. Es lebt die alte Tradition. Die Priester und Gläubigen haben mit großer Hingabe das Wort Gottes erfüllt. Es ist deshalb ein Grund, diesen Tag zu feiern. Aus diesem Anlass möchte ich mit väterlicher Liebe alle grüßen. Auch unsere getrennten Brüder sowie die örtlichen Stellen, die heute erschienen sind. Auch bei euch bestehen Unruhe und Unsicherheit. Ihr fühlt den Sturm, der sich zusammenbraut. Fürchtet euch nicht, bleibt bei dem Glauben gestern, heute und in Ewigkeit. Wir legen euch ans Herz Festigkeit und Treue zum Glauben. Habt immer Vertrauen auf Gott. Alle Brüder sollen gesegnet sein. Aus dem Vatikan euer Paulus der VI.«
Am 8.9.1968 fand in der Zeit vom 10.00 bis 12.00 Uhr auf den Rennwiesen des Herrenkruggeländes in Magdeburg ein Festgottesdienst mit ca. 20 000 Teilnehmern statt. Dieser Festgottesdienst stand unter dem Thema »Glauben zwischen gestern und morgen«.
Kardinal Bengsch zelebrierte die Messe. Die Festpredigt wurde von Weibischof Rintelen gehalten.
In seiner Predigt ging Rintelen von dem Katholikentag 192834 aus, der in Magdeburg stattfand, und behandelte Fragen der Laienarbeit. Der Laie habe in der Urkirche eine bedeutende Rolle gespielt, die er in der heutigen Kirche wieder erlangen müsse. Einen großen Teil seiner Festpredigt widmete Rintelen der Frage des Glaubens. Er sprach u. a. davon, dass die »Wirren der heutigen Zeit« auch in der Kirche vorhanden seien und schon Theologieprofessoren ergriffen hätten.
Am Nachmittag des 8.9.1968 fanden drei Abschlussveranstaltungen der Hauptfeierlichkeiten im Erzbistum Magdeburg statt (in der katholischen Kirche St. Sebastian, im evangelischen Dom und im Kloster Unser Lieben Frauen). Kardinal Bengsch, Weihbischof Rintelen und Bischof Jänicke statteten jeder dieser gleichlaufenden Veranstaltungen einen kurzen Besuch ab. Die Ausführungen, die Bengsch, Rintelen und Jänicke dabei machten, beinhalteten u. a., beide Konfessionen hätten viele Gemeinsamkeiten und müssten sich im Glauben und im Christentum zusammenfinden.
Die Veranstaltungen im Kloster Unser Lieben Frauen stand unter der Losung »Stunde der Jugend«. Der Jugendseelsorger Herold, der hier die Predigt hielt, erklärte u. a., Weihbischof Aufderbeck/Erfurt, der 1938 in Magdeburg für die Jugendseelsorge verantwortlich war, habe damals »vor denselben Schwierigkeiten« gestanden wie er heute als Jugendseelsorger.
Zum Schluss dieser Veranstaltung im Kloster Unser Lieben Frauen wurden kirchliche Lieder, begleitet von einer Gitarrengruppe, gesungen. Diese Lieder hatten teilweise politische Aspekte. So kam z. B. in einem Song zum Ausdruck,
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dass kein Friede möglich wäre ohne die Jugend,
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dass kein Friede möglich wäre gegen die Jugend,
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dass kein Friede nur möglich sei mit der Jugend,
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dass Friede nur möglich sei unter Mithilfe der Jugend von Ost und West.
Ministerium für Staatssicherheit | Anlage zur Information Nr. 1033/68
Zu den Berichten der einzelnen Arbeitskreise
Arbeitskreis A »Priester und Laie«
Es wurde erklärt, dass die Kirche zurzeit zu »klerikal« sei. Der Arbeitskreis forderte eine »Synode von Priestern und Laien auf DDR-Ebene«. Im nächsten halben Jahr wollen sich die Mitglieder des Arbeitskreises erneut treffen.
Arbeitskreis B »Familie«
(An diesem Arbeitskreis haben Mitglieder der Evangelischen Akademie teilgenommen.) Die letzte Enzyklika des Papstes über die Geburtenregelung35 wurde abgelehnt und eine dementsprechende Resolution an Weihbischof Rintelen verfasst. Der katholische Pfarrer Holzem aus Weißenfels erklärte, ein Arbeitskreis sei nicht berechtigt, die Enzyklika des Papstes zu verurteilen und eine Resolution zu verfassen. Man müsse damit rechnen, dass dies durch Presse und Funk bekannt werde. Er beantragte eine Abstimmung in der Vollversammlung, die in jeder Gemeinde fortgeführt werden sollte. Pfarrer Holzem wurde von den Delegierten ausgezischt. Er versuchte nochmals das Wort zu ergreifen, wurde aber von Weihbischof Rintelen unterbrochen, der einen Kompromiss vorschlug. Rintelen sagte, dass man die Enzyklika nicht verurteilen könne, ohne sie genau gelesen zu haben. In den nächsten Tagen wird die Enzyklika allen Gemeinden bekannt gegeben werden, dann sollten sich die Delegierten noch einmal zusammensetzen und reiflich überlegen, ob eine derartige Resolution notwendig sei.
Arbeitskreis C »Ökumene«
Der Arbeitskreis forderte eine umfassende Information über die evangelische Kirche, einen Austausch von Veranstaltungsplänen und gemeinsames Handeln bei Hilfsaktionen. Es wurde der Vorschlag unterbreitet, die katholische Aktion »Not in der Welt« und die evangelische Aktion »Brot für die Welt« zusammenzulegen in einer Aktion »Brot für die Not in der Welt«.
Arbeitskreis D »Jugend«
Von diesem Arbeitskreis wurde festgestellt, dass die katholische Jugendarbeit erneuert werden müsse. Es müssten mehr aktive Jugendliche für den Einsatz in der Jugendarbeit gewonnen werden. Dazu sollen Intensivgruppen gebildet werden, die den Kern der Jugendarbeit bilden.
Arbeitskreis E »Christ und Beruf«
Dem Christen müssten gute Charaktereigenschaften und ein gutes Allgemeinwissen anerzogen werden. Jeder sei aufgerufen, ehrenamtliche Funktionen in den AGL, in den Konfliktkommissionen, als Schöffen, im SV-Rat usw. anzunehmen. Voraussetzung dafür sei,
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dass man ein echter Christ ist,
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dass die Bereitschaft vorhanden sei, Freizeit zu opfern,
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dass Kenntnisse in der marxistischen Lehre vorhanden sind,
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Ablehnung der Mitgliedschaft in der SED,
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Übereinstimmung von exponierten Stellungen im gesellschaftlichen und kulturellen Bereich.
Die Arbeitsgruppe beschloss, im nächsten halben Jahr erneut zu einer Beratung zusammenzukommen.
Arbeitskreis F »Religiöse Erwachsenenbildung«
Im Bericht wurde über die Verbesserung der Predigten gesprochen, wobei besonders die Ausbildung in den Priesterseminaren verbessert werden müsse. Dieser Arbeitskreis will sich in drei Teilkreise aufgliedern und im Juni 1969 erneut zusammentreffen.
Arbeitskreis G »Dialog mit Andersdenkenden«
Es wurde eingeschätzt, dass der Dialog mit dem Marxismus für die Gesellschaft in der DDR zu einer dringenden Notwendigkeit geworden sei. Aufgrund der Ereignisse in der ČSSR sei diese Notwendigkeit noch dringender geworden. Es dürfe keine Verketzerung der Marxisten geben. Bisher wäre der Marxismus prinzipiell verurteilt worden. Jetzt müsse ein Weg für die kritische Bejahung des Sozialismus freigelegt werden. Die katholische Kirche müsse an der Wiedereinführung und Weiterführung menschlicher Grundrechte in der Gesellschaft arbeiten. In dieser Arbeitsgruppe gab es einige Gegenstimmen, die der Meinung waren, aufgrund der Ereignisse in der ČSSR sei es sinnlos, den Dialog mit den Marxisten fortzusetzen, wobei sie von der These ausgingen: Dialog mit der SED – nein, mit den Atheisten – ja.
Arbeitskreis H »Frieden und Brüderlichkeit«
In diesem Arbeitskreis wurde von der Aussöhnung mit Polen und den Slawen gesprochen und die unbedingte Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze gefordert. Es wurde der Vorschlag unterbreitet, den Sonntag nach St. Hedwig36 als gemeinsamen Gebetstag für die DDR und Polen einzuführen.