Verhalten der Leichtathletin Löhnert
1. März 1968
Einzelinformation Nr. 247/68 über das Verhalten der Leistungssportlerin Löhnert, Bärbel/Sektion Leichtathletik
Dem MfS wurden einige Hinweise bekannt, wonach die Spitzensportlerin Löhnert, geborene Geißler, Bärbel,1 geboren am 23.9.1942 in Ruhland, wohnhaft Frankfurt/O., [Straße], tätig als Lehrerin an der 10. Oberschule in Frankfurt/O., Mitglied der SED seit 1962, verheiratet, ein Kind, SC Frankfurt/O., Sektion Leichtathletik, Mitglied der Nationalmannschaft des Deutschen Verbandes für Leichtathletik der DDR, des Öfteren mit politisch negativen Äußerungen in Erscheinung trat und sowohl durch ihr Verhalten als auch in internen Gesprächen eine indifferente und ablehnende Haltung zur Politik der DDR zum Ausdruck brachte.
Bärbel Löhnert wurde wegen ihrer überdurchschnittlichen sportlichen Leistungen nach Absolvierung der KJS vom SC Frankfurt/O. übernommen. Ihre Spezialdisziplinen sind der Weitsprung und die Sprintstrecken. Sie zählt zu den besten Fünfkämpferinnen der DDR und nahm bereits mehrmals an Wettkämpfen im sozialistischen und nichtsozialistischen Ausland teil.
Nach ihrer 1964 erfolgten Eheschließung mit Löhnert, Reinhardgeboren am [Tag, Monat] 1941, tätig als Werkzeugmacher im VEB Halbleiterwerk Frankfurt/O., parteilos, machte sich bei L., Bärbel eine negative Einflussnahme bemerkbar. In sportlicher Hinsicht waren ein starker Leistungsabfall und eine ungenügende Trainingsmoral festzustellen. Erst mehrere Aussprachen durch die Leitung des SC führten zu einer Verbesserung ihrer sportlichen Leistungen.
Zum gleichen Zeitpunkt mehrten sich Hinweise politisch negativer Äußerungen und desinteressierter Verhaltensweisen der L., Bärbel. Sie beteiligt sich trotz wiederholter Aufforderungen und Aussprachen nicht am Parteileben ihrer Grundorganisation. Anlässlich der Mitgliederversammlungen entschuldigt sie sich ständig mit Krankheit – auch dann, wenn sie kurz vor der Versammlung noch in der Stadt gesehen wurde – oder mit sportlichen Wettkämpfen, auch wenn zum Zeitpunkt der Veranstaltungen keine Wettkämpfe oder Trainingsstunden angesetzt sind. Eine Teilnahme am Parteilehrjahr oder anderen Seminaren zur gesellschaftswissenschaftlichen Weiterbildung der Lehrer lehnt sie mit gleichen Begründungen ab. Anlässlich einer Parteigruppenwahlversammlung, während der sie nach Hause geschickt werden musste, um ihr vergessenes Parteidokument zu holen, äußerte sie sich in einem individuellen Gespräch äußerst abfällig über während der Versammlung behandelte Referate führender Genossen des SED-Zentralkomitees sowie über ihr Parteidokument.
In der Vergangenheit gab es mit der L. häufig Auseinandersetzungen wegen ihrer Säumigkeit beim Zahlen der Parteibeiträge, wobei sie erst nach monatelangem Rückstand nach entsprechender Aufforderung die Beträge einzahlte. Als Grund für die Rückstände gab die L. jeweils Vergesslichkeit an.
Die L. hört fast ausschließlich Westrundfunk und -fernsehen. Politischen Diskussionen in ihrem beruflichen und sportlichen Tätigkeitsbereich geht sie grundsätzlich aus dem Wege, auch dann, wenn sie konkret zu einer Stellungnahme aufgefordert wird.
Ihre sportlichen Leistungen werden gegenwärtig als sehr gut eingeschätzt; sie zeigt auch eine hohe Trainingsmoral. Dabei wird jedoch von der Leitung des SC Frankfurt/O. vermerkt, dass der Leistungsanstieg der L. lediglich materiell begründet sei.
Der Ehemann der L., Bärbel übt einen negativen politischen Einfluss auf seine Ehefrau aus. Er äußerte wiederholt, er lege keinen Wert auf eine Spitzensportlerin als Ehefrau. Besonders auf seiner Arbeitsstelle tritt Löhnert, Reinhard mit politisch negativen Diskussionen in Erscheinung. So begrüßt er offen die USA-Aggression in Vietnam und stellt diese ebenso wie die Aggression Israels gegen die VAR als gerecht dar. In verleumderischer Weise sprach er sich gegen die Staatsform der DDR, gegen die Sicherungsmaßnahmen an unserer Staatsgrenze sowie gegen führende Genossen unserer Partei und Regierung aus. Als Mitglied der Fußballmannschaft der BSG Motor Frankfurt/O. bekam L. im April/Mai 1967 mit der Fußballmannschaft aus Guntersdorf/WD, die zum damaligen Zeitpunkt im Rahmen des Sportverkehrs zur Austragung eines Fußballspiels in Frankfurt/O. weilte, Kontakt. L. war dabei bestrebt, speziell zu dem Fußballspieler [Name, Vorname], Herbom/Dill, [Straße, Nr.], persönliche Beziehungen herzustellen. Dabei bestellte er sich Nylonhemden, Zündkerzen u. a. Gegenstände. Die postalische Verbindung zu dieser Person wird auch gegenwärtig noch aufrechterhalten. Mehrfach prahlte L. damit, er bekäme von seinem Bekannten regelmäßig die westdeutsche Fußballzeitung »Kicker« übersandt, wobei auch festgestellt wurde, dass diese Zeitung in der Wohnung des Löhnert offen auf dem Tisch liegt.
Dem MfS wurde weiter intern bekannt, dass sich L. in einem persönlichen Gespräch äußerte, er würde bei Gelegenheit des Rückspiels in Westdeutschland gern republikflüchtig werden, während seine Frau ja bei Starts im Ausland ausreichend Gelegenheit dazu habe. Schwierigkeiten würde es bei einem solchen Vorhaben nur dadurch geben, dass dann der Sohn [Vorname 1] nicht mitgenommen werden könne, seine Frau aber sehr an dem Kind hänge.
Gegenwärtig kann eingeschätzt werden, dass bei der Löhnert, Bärbel aufgrund ihrer engen Bindung an ihren 19642 geborenen Sohn [Vorname 1] und an ihren Ehemann keine Gefahr einer Republikflucht während ihres Aufenthaltes im nichtsozialistischen Ausland besteht, solange sich diese beiden Personen in der DDR befinden. Soweit bisher bekannt, ist eine Reise des Löhnert, Reinhard eventuell mit einer Sportdelegation nach Westdeutschland auch nicht geplant.
Nachdem die Löhnert, Bärbel 1967 nicht im kapitalistischen Ausland gestartet ist, besteht zzt. keine dringende Notwendigkeit, sie für Auslandsstarts in kapitalistischen Ländern, wie z. B. Anfang März 1967 für Spanien, zu sperren. Wir halten es aber für unbedingt notwendig, die in vorliegender Information enthaltenen Angaben in der politisch-ideologischen Erziehungsarbeit entsprechend zu berücksichtigen.
Diese Information darf im Interesse der Sicherheit der Quellen nicht öffentlich ausgewertet werden.