Verhalten des Fußballtorwarts Gert Jüsgen, 1. FC Magdeburg
30. Mai 1968
Einzelinformation Nr. 590/68 über das Verhalten des Fußballtorwarts Jüsgen, Gert des 1. FC Magdeburg
Dem MfS wurde bekannt, dass der Fußballtorwart Jüsgen, Gert,1 geboren am 5.3.1941 in Cottbus, beschäftigt als Bau-Ingenieur im VEB Schwermaschinenbau »Ernst Thälmann« in Magdeburg, wohnhaft Magdeburg, [Straße, Nr.], verheiratet; kinderlos, parteilos, aktive Verbindung zu dem westdeutschen [Name 1, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1929 in Hau, Kreis Kleve, beschäftigt als Trainer des Westberliner Fußballclubs »Blau – Weiß 90«, wohnhaft Bottrop, [Straße, Nr.], Zweitwohnung 1 Berlin 45, [Straße, Nr.], unterhält und bemüht ist, diese Verbindung noch auszubauen. Zu der Person [Name] ist u. a. bekannt, dass er eine negative Einstellung zur DDR besitzt und in dieser Richtung auch auf Jüsgen sowie auf dessen Ehefrau einwirkt.
Jüsgen ist seit August 1967 Mitglied des 1. FC Magdeburg. Vorher gehörte er der BSG Post Neubrandenburg an. Aufgrund seiner guten sportlichen Leistungen genießt er im Mannschaftskollektiv und bei den Magdeburger Fußballanhängern ein großes Ansehen.
Zur Aufnahme und zur Aufrechterhaltung der Verbindung durch Jüsgen wurde vom MfS bisher Folgendes ermittelt:2
Jüsgen lernte [Name 1] während seines Aufenthaltes mit der Fußballmannschaft des 1. FC Magdeburg im September 1967 in Varna/Bulgarien kennen. Zur damaligen Zeit weilte [Name 1] gleichfalls mit der Mannschaft des 1. FC Nürnberg in Varna in Urlaub. Während des gemeinsamen Aufenthaltes bildete sich ein freundschaftliches Verhältnis zwischen beiden Personen heraus.
Obwohl Jüsgen durch den Klubsekretär des 1. FC Magdeburg, Genosse [Name 2], bereits in Varna aufgefordert wurde, diesen Kontakt sofort abzubrechen, setzte Jüsgen die Zusammenkünfte fort.
Nach dem Aufenthalt in Varna setzte Jüsgen die Verbindung zunächst auf postalischem Wege aktiv fort. Außerdem wurde festgestellt, dass Jüsgen seit diesem Zeitpunkt häufig nach Berlin, Hauptstadt der DDR, fuhr. Auch [Name 1] reiste mehrmals in die Hauptstadt der DDR ein. Dabei kam es erwiesenermaßen auch zu Begegnungen zwischen beiden Personen.
Am 26.2.1968 z. B. gab [Name 1] bei der Einreise in die Hauptstadt der DDR an der GÜSt Friedrichstraße gegenüber der Zollverwaltung an, dass er an diesem Tage mit Jüsgen zusammentreffen und diesem die von ihm mitgeführten westdeutschen Sportzeitungen aushändigen wolle. (Von dieser Zusammenkunft hat die Leitung des 1. FC Magdeburg keine Kenntnis.)
Ein weiteres Zusammentreffen fand anlässlich des Punktspieles des 1. FC Union gegen den 1. FC Magdeburg am 2.3.1968 in Berlin statt. (Diese Feststellung traf der Cheftrainer des 1. FC M[agdeburg], Genosse Heinz Krügel.3)
Zu einer weiteren mehrstündigen Begegnung zwischen [Name 1] und Jüsgen sowie der Ehefrau des Jüsgen kam es am 12.4.1968 im Lindenhotel Berlin. Anlässlich dieser Begegnung kaufte [Name 1] im Intershop des Lindenhotels für das Ehepaar Jüsgen diverse Genussmittel ein.4
Gegenüber der Leitung des 1. FC Magdeburg hatte Jüsgen seine Reise am 12.4.1968 nach Berlin mit der Variante abgedeckt, er wolle seine Verwandten in Waren/Müritz besuchen. Aus internem Kreise ist dem MfS bekannt, dass Jüsgen außerordentlich großes Interesse zeigt, mit [Name 1] in Kürze wiederum zusammenzutreffen. Dabei ist er bemüht, für Pfingsten 1968 ein Treffen in Magdeburg zu organisieren unter Ausnutzung einer von [Name 1] für diesen Zeitpunkt geplanten Reise nach Görlitz.5
Am 22.4.1968 überreichte Jüsgen dem Klubsekretär, Genossen [Name 2], einen an Jüsgen adressierten Brief des [Name 1]. In diesem Brief hatte [Name 1] einen Ausschnitt aus der Sportzeitung »Kicker« übersandt. In diesem Ausschnitt wurde ein Mannschaftsfoto des 1. FC Magdeburg veröffentlicht, wobei über dem Foto handschriftliche Grüße der Magdeburger Mannschaft an die »Kickerleser« übermittelt waren. (Durch das MfS wurde festgestellt, dass es sich bei den handschriftlichen Grüßen nicht um die Handschrift des Jüsgen handelt.) In der durch die Klubleitung des FC Magdeburg von Jüsgen geforderten Stellungnahme gab Jüsgen an, er habe das Foto dem [Name 1] lediglich als Freundschaftsgeste übersandt; er hätte jedoch keine Kenntnis von der beabsichtigten Veröffentlichung im »Kicker« und von dem handschriftlichen Text auf dem Foto gehabt. Obwohl Jüsgen nach Überreichung des Briefes von [Name 1] und im Zusammenhang mit der von ihm geforderten Stellungnahme erneut durch die Klubleitung aufgefordert wurde, die Verbindung zu [Name 1] endgültig abzubrechen, unterhält Jüsgen den Kontakt weiterhin aufrecht.6
Da der 1. FC Magdeburg für die Intercup-Runde nominiert wurde und sich daraus Spiele im nichtsozialistischen Ausland (zunächst Dänemark) ergeben, erachtet es das MfS als notwendig, auf die Möglichkeiten des illegalen Verlassens der DDR bzw. einer gezielten Abwerbung des Jüsgen durch [Name 1] oder andere Personenkreise aufmerksam zu machen, falls er für die Spiele eingesetzt wird.7
Das MfS erachtet es aufgrund der geschilderten Situation als erforderlich, die Auseinandersetzungen mit J. weiterzuführen, wobei sein falsches Verhalten sowie seine Unehrlichkeit über die weitere Aufrechterhaltung der Verbindung zu [Name 1] dargelegt werden könnten. Weiterhin wäre erforderlich, eventuell zu prüfen, Jüsgen im Ergebnis dieser Aussprache aus dem Sportclub und damit von weiteren Cupspielen und vom Urlaubsaufenthalt des 1. FC Magdeburg in Bulgarien (ab 4.6.1968) auszuschließen. Es sollte weiter geprüft werden, vorläufig die Ausreisen des Jüsgen in das kapitalistische und sozialistische Ausland völlig zu sperren.
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