Verlust von GVS-Dokumenten des Wehrkreiskommandos Magdeburg
23. Juli 1968
Einzelinformation Nr. 784/68 über den zeitweiligen Verlust von GVS-Dokumenten des Wehrkreiskommandos Magdeburg
Am 19.7.1968 meldete die Verkaufsstellenleiterin der Lederwarenverkaufsstelle 211 der HO-Industriewaren Magdeburg, [Name 1, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1925, über Notruf dem VP-Kreisamt Magdeburg, dass sie in einem Koffer in ihrer Verkaufsstelle eine als »Geheim« bezeichnete Mappe mit Schriftstücken gefunden habe. Es wurde festgestellt, dass es sich um GVS-Dokumente des WKK Magdeburg handelt. Es erfolgte die sofortige Übernahme der Dokumente durch verantwortliche Offiziere des WKK.
Die zur Klärung dieses Vorfalls vom MfS geführten Untersuchungen ergaben: Am 17.7.1968 wurden von dem Mitarbeiter des WKK, Genossen Major [Name 2], in der genannten Verkaufsstelle zehn Koffer zur Aufbewahrung von Dokumenten der Kreiseinsatzleitung gekauft. Am 18.7.1968 teilte der Leiter der VS-Stelle des WKK dem Genossen Major [Name 2] mit, dass drei der gekauften Koffer für eine Unterbringung im Panzerschrank zu groß sind.
Um zu überprüfen, ob auch kleinere Koffer für eine Aufbewahrung der Dokumentenmappen geeignet sind, entnahm Genosse [Name 2] seiner VS-Tasche vier Dokumentenmappen und legte sie in einen Koffer. Nachdem er festgestellt hatte, dass auch ein kleinerer Koffer dafür geeignet ist, legte er die Dokumentenmappen, ohne auf ihre Vollzähligkeit zu achten, in die VS-Tasche zurück. Diese Tasche versiegelte er und übergab sie zur Aufbewahrung dem VS-Stellenleiter, ohne zu bemerken, dass eine Mappe im Koffer liegengeblieben war. Ohne zu kontrollieren, ob die Koffer leer sind, tauschte er diese am 18.7.1968 gegen 9.30 Uhr in der Lederwarenverkaufsstelle gegen kleinere um.
Als die Verkaufsstellenleiterin in den Nachmittagsstunden des 18.7.1968 die umgetauschten Koffer aus dem Lagerraum in den Ladenraum brachte, bemerkte sie, dass ein Koffer etwas schwerer war. Sie öffnete ihn und stellte fest, dass sich darin eine Mappe mit Schriftstücken befand. Sie beließ die Mappe im Koffer und stellte ihn in den Lagerraum zurück. Sie erinnerte sich, dass diese Koffer von Angehörigen der NVA unter Vorlage eines schriftlichen Auftrages vom Rat der Stadt Magdeburg gekauft und wieder umgetauscht worden waren. Sie versuchte sofort telefonisch den Rat der Stadt von dem Fund in Kenntnis zu setzen, erhielt jedoch keine Verbindung. In den Morgenstunden des 19.7.1968 beauftragte sie ihre Verkäuferin Dammann, Margarete, geboren am [Tag, Monat] 1908, zum Rat der Stadt zu gehen und anhand der Unterschrift auf dem Kaufvertrag den Käufer der Koffer ausfindig zu machen. Nachdem diese Bemühungen ohne Erfolg blieben, setzte Frau [Name 1] das VPKA Magdeburg von dem Fund in Kenntnis. Als sie, von einem Offizier des VPKA nach konkreteren Angaben befragt, mitteilte, dass auf einem Schriftstück der Name Oberstleutnant Leuschner steht, wusste der Offizier, dass es sich um den Leiter des WKK und demzufolge um ein Dokument dieser Dienststelle handelt. Er benachrichtigte unverzüglich das WKK, von wo gegen 13.45 Uhr die Dokumentenmappe aus der Verkaufsstelle abgeholt wurde.
Der Inhalt der Dokumentenmappe umfasste u. a. ein Schema der Alarmierung der KEL, den Belegungsplan der KEL, Führungsschema der KEL, Funktionsverteilungsplan für die Planungsgruppe, Informationsschema, Schema der Stabs- und Nachrichtenverbindungen der KEL, Melde- und Signaltabellen.
Im Ergebnis der vorgenommenen Überprüfungen kann festgestellt werden, dass sich die Dokumentenmappe in der Zeit vom 18.7.1968, 9.30 Uhr, bis zur Abholung am 19.7.1968 gegen 13.45 Uhr nur im Koffer in der genannten Verkaufsstelle befunden hat. Die Überprüfung der Verkaufsstelle hat ergeben, dass außer dem Verkaufsstellenpersonal, Frau [Name 1] und Frau Dammann, keine weiteren Personen zu dem Material Zugang hatten. Die Räumlichkeiten der Verkaufsstelle sind durch Sicherheitsschlösser und Vergitterung gesichert. Schlüssel zur Verkaufsstelle hat nur die Leiterin selbst. Es kann eingeschätzt werden, dass die Kenntnis über den Inhalt und die Bedeutung der Dokumente seitens des Verkaufsstellenpersonals nur flüchtig ist. Durchgeführte Ermittlungen ergaben, dass beide Frauen weder neugierig noch schwatzhaft sind und von ihnen kein Missbrauch der Dokumente erfolgte. Für ihre Wachsamkeit und Ehrlichkeit wurden beide mit Geldprämien ausgezeichnet.
Die Vollständigkeit und Echtheit der Dokumente wurde vom Chef des Wehrbezirkskommandos Magdeburg, Genossen Oberst Bürger, überprüft und bestätigt.
Genosse Major [Name 2] wird als politisch zuverlässiger und disziplinierter Offizier eingeschätzt, der bisher – im Widerspruch zu diesem Vorkommnis – im Umgang mit Verschlusssachen als besonders gewissenhaft und sogar pedantisch galt.