Versuchte Fahnenflucht eines Unterfeldwebels des 23. Panzerregiments
6. September 1968
Einzelinformation Nr. 1005/68 über eine versuchte Fahnenflucht eines Unterfeldwebels des 23. Panzerregiments der 9. Panzerdivision Eggesin, [Bezirk] Neubrandendburg
Durch das MfS wurde am 3.9.1968, 0.30 Uhr, Unterfeldwebel [Name, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1947, wohnhaft Wüstenbrand, Kreis Hohenstein-Ernstthal, Angehöriger der NVA seit 2.11.1966, Soldat auf Zeit, Dienststelle: 23. Panzerregiment, 9. Panzerdivision, ledig, Kandidat der SED seit Oktober 1967, Mitglied des FDGB, der FDJ, beim Versuch, die DDR illegal zu verlassen, an der Grenzübergangsstelle Oebisfelde festgenommen. (Gegen [Name] laufen entsprechende Fahndungsmaßnahmen.)
[Name] verließ am 1.9. gegen 22.00 Uhr unerlaubt seine Einheit, um unter Mitnahme seiner Dienstwaffe (Pistole), die er gegebenenfalls anwenden wollte, fahnenflüchtig zu werden. [Name] begab sich mittels Eisenbahn nach Berlin, wo er am 2.9. gegen 5.30 Uhr eintraf. Um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, erkundete er die Staatsgrenze im Abschnitt Ostbahnhof sowie Brandenburger Tor. Da [Name] in diesen Abschnitten angeblich »keine Möglichkeiten« zur Verwirklichung seiner Zielsetzung sah, begab er sich mit der Eisenbahn nach Leipzig, um mit einem nach Westdeutschland fahrenden Zug die Staatsgrenze zu durchbrechen.
Um 21.00 Uhr stieg [Name] in den D 118 Leipzig – Hannover. Während der Fahrt versteckte er sich in einem mannshohen Schlusslichtkasten des D-Zuges, wo er dann bei der Kontrolle des Zuges an der Grenzübergangsstelle Oebisfelde am 3.9.1968 um 0.30 Uhr entdeckt und festgenommen wurde.
[Name] hat bereits aufgrund der Einwirkung von westlichen Massenmedien im Jahre 1964 als Jugendlicher den Versuch unternommen, republikflüchtig zu werden. Zu diesem Zeitpunkt gehörte er einer negativen Gruppierung an. Charakteristisch ist überhaupt seine Neigung zur Abenteuerlust, da er bereits als Schulkind mehrere Male das Elternhaus verließ und durch die staatlichen Organe jeweils wieder zugeführt werden musste. Auch während der Lehrzeit als Former, die er nicht beendete, wechselte er bis zur Einberufung zur NVA siebenmal die Arbeitsstellen.
[Name] ist besonders der westlichen Beatmusik erlegen, war ihr ständiger Hörer – auch als Soldat. Er ist nur widerwillig zur Armee gegangen. Aus einem bestimmten Geltungsbedürfnis heraus besuchte er als Soldat die 10. Klasse und wurde im Ergebnis dieser gezeigten Leistungen im Dienstrang als auch in der Dienststellung rasch entwickelt. Die schon angeführten Motive des Abenteuertums, verbunden mit sich ständig steigernder Unlust zum Dienst, ließen [Name] den Entschluss fassen, fahnenflüchtig zu werden. Er war der Auffassung, sich auf anderem Wege nicht dem Dienst in der NVA für ständig entziehen zu können. Den Entschluss zur Fahnenflucht fasste er bereits vor den Maßnahmen am 21.8.1968.1
Durch das MfS werden weitere Untersuchungen geführt.