Vorgänge im Republikanischen Club Westberlin
22. Juni 1968
Einzelinformation Nr. 649/68 über Vorgänge im Republikanischen Club e.V. Westberlin (RC)
Nach Angaben zuverlässiger und vertrauenswürdiger Quellen können wir Folgendes berichten:
In der letzten Zeit fand die Neuwahl des Vorstandes des RC1 statt. Hierbei gab es einige personelle Veränderungen. In der politischen Linie des RC sind keine neuen Tendenzen sichtbar geworden. Auch die ersten zwei Vorstandssitzungen des neuen Vorstandes lassen erkennen, dass die politische Linie – gesundes Verhältnis von Spontanität und bewusster Aktion – beibehalten wurde. Weiter wurden neue Aktionen gegen den RC und die APO in Westberlin bekannt.
Am 25. Mai 1968 fand im »Evangelischen Gemeindehaus« Berlin-Dahlem die Jahresmitgliederversammlung des RC Westberlin statt.
Der Rechenschaftsbericht wurde von Klaus Meschkat2 und Marianne Regensburger3 gegeben.
Marianne Regensburger wies in ihren Ausführungen darauf hin, dass der RC von einem Treff- und Informationszentrum zu einem Aktions- und Koordinationszentrum geworden sei, mit einer kurzen Unterbrechung in der Zeit der Vorbereitung des 1. Mai als sich das Zentrum nach der TU verlagerte.
Berlin habe durch die Gründung des RC eine Initialzündung ausgelöst. Im Berichtszeitraum haben sich in der Bundesrepublik ca. 30 ähnliche Clubs konstituiert.
Klaus Meschkat führte aus, dass es die Aufgabe des Clubs sei, als Organisations- und Aktionszentrum innerhalb der außerparlamentarischen Opposition (APO) zu wirken. Der Club werde als ein Aktionszentrum aufgefasst, welches progressiven linken Gruppen innerhalb und außerhalb der Parteien Hilfestellung bei der Durchführung politischer Aktionen geben soll.
Weiter stellte er fest, dass es nicht möglich sei, Bündnisse mit den Herrschenden einzugehen. Die APO müsse gegenüber den etablierten Parteien und Organisationen eine Offensivstrategie betreiben.
Seiner Meinung nach sei es an der Zeit, von der unverbindlichen Diskussion zum Aktionszentrum innerhalb und außerhalb des Clubs überzugehen. Die im Club bestehenden Arbeitskreise (8) dürften den Beginn einer neuen Arbeit darstellen.
Der Vorstand müsse in Zukunft die Arbeit der Basisgruppen befruchten. Hierbei komme es darauf an, ein gesundes Verhältnis von Spontanität und bewusster Aktion herzustellen. Dieses Problem sei in der Vergangenheit vom Club und von der APO noch nicht gelöst worden.
Weiter sprach er sich für eine punktuelle Zusammenarbeit mit der SED-Westberlin4 aus. Darüber hinaus wolle man mit der SED eine Diskussion führen. Die SED sei zu den autoritären Organisationen zu rechnen.
Abschließend unterbreitete er den Vorschlag, einen Rat der Delegierten der Aktionsgruppen und Arbeitskreise zu gründen und diesen Delegationsrat dem Vorstand beizuordnen. Bei entscheidenden Dingen sollen dann beide Gremien gemeinsam tagen.
Der Sekretär des Clubs, Sörgel,5 gab folgende Zahlen im Finanzbericht bekannt.
[Einnahmen] | [Summe] |
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Mitgliederbeiträge | 55 000 DM |
Gastkarten | 3 000 DM |
Spenden | 15 000 DM |
Fernseh- und Funkhonorare | 3 200 DM |
Erlös aus dem Verkauf von Broschüren | 2 000 DM |
Insgesamt hatte der Club im Berichtszeitraum (3/4 Jahr) Einnahmen in Höhe von 80 016 DM.
[Einnahmen] | [Summe] |
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Miete | 15 400 DM |
Steuern und Beratungen | 3 000 DM |
Gehälter | 21 600 DM |
Spesen- und Bürounterhalt | 22 700 DM |
Reisen | 5 000 DM |
Aufbau der GmbH | 15 000 DM |
Bestand | 6 520 DM |
Zum neuen Vorsitzenden wurde Jörg Huffschmid6 gewählt. Als Beisitzer wurden gewählt: Prof. Wilfried Gottschalch,7 Ulrich K. Preuß,8 Horst Mahler,9 Marianne Regensburger, Solveig Ehrler,10 Reinhard Wethekam,11 Jürgen Stiewe12 und Hellmut Lessing.13
Der neue Vorstand hat sich für die nächste Zeit folgende Vorhaben vorgenommen: Clubdiskussion über den Rätegedanken, Klausurtagung mit Mitgliedern des SDS über mögliche Organisationsformen der APO und eine Reihe weiterer Veranstaltungen u. a. soll auch Danelius14 über Arbeiterselbstbestimmung sprechen.
An einem Treffen von Vorstandsvertretern der Republikanischen Clubs der Bundesrepublik in Düsseldorf will sich der RC nicht beteiligen, da dieses Treffen nicht richtig vorbereitet sei und kein Programm existiere.
Das »Springer-Hearing« beim RC wurde aufgelöst und an seiner Stelle wurde ein Komitee für Demokratische Öffentlichkeitsarbeit konstituiert.
Der Vorstand des RC hat Verbindungen mit Prag aufgenommen. Vom Vorstand wurde ein gewisser Kuppe15 beauftragt, in Prag zu verhandeln, um gemeinsame Diskussionen über Parlamentarismus zu organisieren.
Mahler vertrat die Meinung, Mitglieder des Clubs sollten nach Prag fahren, um die Tschechen über die Zustände in der Bundesrepublik und Westberlin aufzuklären, da dort völlig falsche Vorstellungen über Parlamentarismus festzustellen seien.
Eine zuverlässige Quelle berichtete, dass der SPD-Bundestagsabgeordnete Bühling16 intensiv damit beschäftigt wäre, Material gegen den RC zu sammeln. Weiter wurde bekannt, dass Bühling ein Gespräch mit Wehner17 vereinbart hat, in dem er ihm sein Material über den RC und den Sozialistischen Club unterbreiten wird.
Er wird Wehner auffordern, alle Sozialdemokraten, die Mitglieder der APO sind, aus der Partei ausschließen zu lassen.
In seinem Bemühen, auch die evangelische Kirche gegen die Studenten, die sich an der APO beteiligen, einzuschalten, hatte er bisher keinen Erfolg. Bischof Scharf18 soll in einem Antwortbrief Bühling geschrieben haben, dass die evangelische Kirche im Dritten Reich eine Gewaltanwendung gegen den Faschismus befürwortet hätte.
Der Westberliner CDU-Funktionär Wohlrabe19 äußerte, dass es ihm gelungen ist, sich eine Quelle innerhalb der APO zu schaffen. Von dieser Quelle habe er das gesamte Adressen- und Schulungsmaterial der APO erhalten.
Anfang Juni 1968 sei dieses Material durch den CDU-Landesvorstand vervielfältigt und allen Beauftragten für Werbung der CDU und den Westberliner Kreisverbänden übergeben worden. Diese Funktionäre sollen sich intensiv damit beschäftigen, um sich auf Auseinandersetzungen mit der APO vorzubereiten. Über seine Quelle wolle er alle geplanten Maßnahmen der APO rechtzeitig erfahren, um Gegenmaßnahmen und Aktionen der »Jungen Union« zu planen und durchzuführen.
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