Wahl von DDR-Vertretern in die westdeutsche Astronomische Gesellschaft
20. August 1968
Einzelinformation Nr. 874/68 über die beabsichtigte Wahl von DDR-Vertretern in den Vorstand der westdeutschen »Astronomischen Gesellschaft«
Im Zusammenhang mit der Tätigkeit der sogenannten gesamtdeutschen Gesellschaften wurden dem MfS folgende Absichten der westdeutschen »Astronomischen Gesellschaft« im Rahmen der feindlichen Kontaktpolitik bekannt:
Der Rendant der Astronomischen Gesellschaft und Direktor der Sternwarte Bamberg, Dr. Strohmeier,1 erklärte im Namen des Vorstandes der Astronomischen Gesellschaft, dass die Gesellschaft alles unternehmen werde, um die engere Mitarbeit vor allem junger DDR-Astronomen zu erreichen.
Der Vorstand der Gesellschaft bemüht sich gegenwärtig darum, dass von der DDR-Seite zwei Astronomen benannt werden, die auf der vom 24. bis 27.9.1968 in Nürnberg stattfindenden 50. Versammlung der Astronomischen Gesellschaft in den Vorstand gewählt werden könnten. Der Vorstand werde die Wahl der Astronomen aus der DDR garantieren.
Die Astronomische Gesellschaft und ihr Vorsitzender, Prof. Kippenhahn,2 sind sehr an einer engeren Zusammenarbeit mit DDR-Astronomen interessiert. Dies wird mit dem Argument begründet, dass auch eine enge Zusammenarbeit mit der Sowjetunion und den USA existiere, und eine solche zwischen beiden deutschen Staaten deshalb als natürlich anzusehen sei.
Bei den DDR-Vertretern müsse es sich um »brauchbare« junge und begabte Wissenschaftler handeln, die Mitglieder der SED sind. Diese Voraussetzungen würden Schwierigkeiten bei der Genehmigung der Ausreise durch die DDR-Organe ausschließen und gleichzeitig den »unpolitischen Charakter« der Astronomischen Gesellschaft demonstrieren. Die Parteimitgliedschaft würde solchen jungen Wissenschaftlern auch die Einnahme leitender Positionen in den Akademie-Instituten ermöglichen. Das könnte eine aktive Mitarbeit im Vorstand der Astronomischen Gesellschaft erleichtern, weil sich dann »Einblick und Wissen« in einer Person vereinen würden.
Dr. Strohmeier machte für die Wahl von DDR-Vertretern in den Vorstand der Gesellschaft folgende Vorschläge: Dr. Wenzel,3 Sonneberg; Dr. Schöneich,4 Potsdam.
Dr. Wenzel sei von Prof. Kippenhahn selbst vorgeschlagen und vom Vorstand bereits gebilligt worden. Dr. Schöneich, der bereits einen Antrag auf Teilnahme an der 50. Versammlung in Nürnberg gestellt hat, ist jedoch noch nicht Mitglied der Astronomischen Gesellschaft. Seine Wahl könnte daher Schwierigkeiten bereiten. Wenn Dr. Schöneich jedoch den Aufnahmeantrag stellte, würde sich der alte Vorstand und besonders Prof. Kippenhahn rückhaltlos hinter Dr. Schöneich stellen. Das Interesse an Dr. Schöneich wird auch damit begründet, dass er (Dr. Schöneich) als Parteisekretär »auf jeden Fall über jeden Verdacht erhaben« sei, »unkorrekte Verbindungen und Kontakte zu unterhalten«.
Andere DDR-Mitglieder der Gesellschaft – genannt wurden z. B. die Professoren Jäger,5 Wempe6 und Lambrecht7– seien nach Auffassung der westdeutschen Vorstandsmitglieder für den Vorstand »wertlos«, weil sie »keine eigene Meinung« hätten und »keine aktive Mitarbeit« zeigten.
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