Androhungen eines Anschlages gegen S-Bahn in Westberlin
2. Juli 1970
Information Nr. 678/70 über weitere anonyme Androhungen eines Anschlages gegen S-Bahn-Einrichtungen in der besonderen politischen Einheit Westberlin
Ergänzend zu unserer Information 662/70 vom 29.6.1970 wurde dem MfS bekannt, dass am 30.6. und 1.7.1970 in zwei Fällen gegenüber der Direktion der Deutschen Reichsbahn des Bahnhofes Zoologischer Garten in Westberlin1 weitere anonyme Drohungen der Begehung eines Anschlages gegen S-Bahn-Einrichtungen in Westberlin ausgesprochen wurden.
Am 30.6.1970, um 21.58 Uhr, erhielt der am Reisegepäckschalter des Bahnhofes Zoologischer Garten tätige Reichsbahn-Angestellte über das öffentliche Telefonnetz einen anonymen Anruf. Eine unbekannte männliche Person übermittelte folgenden Text:
»Die Summe hat sich auf 80 000 Mark erhöht, weil ihr die Polizei eingeschaltet habt.«
Auf die Rückfrage des Reichsbahn-Angestellten, um was es sich dabei handelt, erwiderte der anonyme Anrufer:
»Die Direktion von euch weiß schon Bescheid, sie hat einen Brief bekommen. Sie würden mir einen großen Gefallen tun, wenn sie das der Direktion weiterleiten.«
Ohne weitere Äußerungen unterbrach der Anrufer das Gespräch.
Am 1.7.1970, gegen 10.00 Uhr, stellte der Dienstvorsteher des Bahnhofes Zoologischer Garten bei der Durchsicht der Eingangspost einen erneuten anonymen Drohbrief mit folgendem Text fest:
»An die Deutsche Reichsbahn.
Ihr habt ja doch die Bullen alarmiert, wartet neue Anweisung ab. Die Schwelle beim Bahnhof Pichelsberg war eine Warnung, die ihr nicht verstanden habt. Wir melden uns bald.«
Der anonyme Täter bezieht sich dabei offensichtlich auf eine am 28.6.1970, gegen 20.30 Uhr, auf der S-Bahn-Strecke Pichelsberg – Spandau in Westberlin bereitete Hindernislegung. Zu dieser Zeit fuhr in Höhe des Signals 265 ein S-Bahn-Zug auf eine über das S-Bahn-Gleis gelegte Holzschwelle auf. Sach- oder Personenschaden entstand nicht.
Durch das MfS wurden Maßnahmen zur weiteren Aufklärung des angedrohten Anschlages sowie der verstärkten Kontrolle des betreffenden S-Bahn-Abschnittes getroffen.
Es wird vorgeschlagen, aufgrund der mehrmaligen anonymen Androhung eines Anschlages sowie der durchgeführten Hindernisbereitung auf S-Bahn-Einrichtungen in Westberlin sowie der damit verbundenen Gefährdung der Sicherheit von Menschenleben im S-Bahn-Verkehr Westberlins eine Pressenotiz zu veröffentlichen (eine entsprechende Fassung wird vom MfS vorbereitet).