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Antivietnamesische Hetzschriften in kambodschanischer Botschaft

13. Mai 1970
Information Nr. 496/70 über antivietnamesische Hetzschriften in der kambodschanischen Botschaft in der Hauptstadt der DDR

Vom MfS wurde festgestellt, dass im Gebäude der kambodschanischen Botschaft in der Hauptstadt der DDR Hetzschriften angebracht sind bzw. ausliegen, die in ihrem Inhalt gegen die vietnamesische Befreiungsbewegung und die progressiven Kräfte Kambodschas1 unter Führung des Prinzen Sihanouk2 gerichtet sind.

Bei den an den Wänden im Treppenhaus der Botschaft angebrachten Hetzschriften handelt es sich um drei verschiedene Bildplakate, ein sogenanntes Manifest, eine Kurzbiographie des reaktionären Generals Lon Nol,3 die Ende April 1970 eigenhändig vom Geschäftsträger a. i. Thaim, Khieu4 angebracht wurden.

Die drei Bildplakate, die zur physischen Vernichtung der Befreiung Vietnams aufrufen, haben die Größe von jeweils ca. 60 × 40 cm und beinhalten

  • einen körperlich groß dargestellten Kambodschaner, welcher in der erhobenen Hand eine Herkuleskeule hält und von einer Reihe klein dargestellter Vietnamesen umringt ist,

  • ein ebenfalls groß dargestellter Kambodschaner umschlingt mit einer Hand den Hals eines wiederum klein dargestellten Vietnamesen, den er mit einem Dolch zu erstechen beabsichtigt,

  • eine Gruppe kambodschanischer Jugendlicher, welche die Fahne ihres Jugendverbandes hochhält. In der Fahne wird in der Landessprache Khmer zum Kampf für nationale Einheit und gegen die vietnamesische Befreiungsbewegung aufgerufen.

Das sogenannte Manifest ist in der Landessprache Khmer abgefasst und besteht aus insgesamt elf Seiten jeweils ca. 30 × 20 cm. Dieses Manifest wurde vom sogenannten Komitee der Intellektuellen zur Unterstützung der Regierung der nationalen Errettung5 herausgegeben. Es enthält nach Angaben des Thaim heftige Angriffe gegen den Prinzen Sihanouk und unterstützt in vollem Maße die Regierung um den General Lon Nol. Es erhebt die Forderung, den um den Prinzen Sihanouk bestehenden Mythos endgültig zu zerstören und bezichtigt ihn des Landesverrats. Im Einzelnen wird darin angeführt, dass Prinz Sihanouk

  • systematisch den kambodschanischen Staat zum Wohle seiner Familie und seines privaten Eigentums ausgeplündert habe,

  • die Wirtschaft des Landes ruiniert habe,

  • die Seele, das Bewusstsein und die Vitalität des Volkes der Khmer gemordet habe,

  • das ganze Volk auf die Universität gezwungen, es bewusst in innere Streitigkeiten verwickelt und in eine Verzweiflung ohne Ende gestürzt habe.

Die Kurzbiographie – Größe ca. 30 × 40 cm – enthält ein Bildnis und in Khmer abgefasst einen gedrängten Lebensabriss des Generals Lon Nol. Es enthält vermutlich auch programmatische Gedanken Lon Nols.

Ein in französischer Sprache abgefasstes Exemplar des »Manifestes« liegt auf einem Tisch aus und kann von Besuchern der Botschaft eingesehen werden.

Im Arbeitszimmer des Geschäftsträgers a. i. Thaim befinden sich weitere 40 bis 50 Exemplare des »Manifestes« in der Sprache der Khmer, 40 bis 50 Exemplare des »Manifestes« in französischer Sprache, ca. 15 bis 20 Exemplare der drei verschiedenen Bildplakate.

Die angeführten Materialien brachte der Geschäftsträger a. i. Thaim von einer Reise nach Paris (22.–28.4.1970) mit. Dem MfS liegen Hinweise vor, wonach Thaim in Paris an einer Zusammenkunft der kambodschanischen Botschafter, die sich zu Lon Nol bekennen, teilgenommen haben soll.

Am 30.4.1970 wollte Thaim beim Dienstleistungsamt für ausländische Vertretungen (DAV) in der Hauptstadt der DDR ein Pressekommuniqué der Regierung Lon Nol in 100 Exemplaren vervielfältigen lassen. Da darin die nationale Befreiungsarmee Vietnams u. a. beschuldigt wird, in Kambodscha eingedrungen zu sein und die Öffentlichkeit aufgefordert wird, zur Beendigung dieser angeblichen Aggression gegen Kambodscha und das Khmer-Volk beizutragen, wurde vom MfAA die Vervielfältigung abgelehnt.

Thaim beabsichtigt, diese Kommuniqué allen in der DDR aufhältlichen kambodschanischen Bürgern, von denen sich nach wie vor ca. die Hälfte zu Norodom Sihanouk bekennt, und in die Hauptstadt der DDR akkreditierten Botschaften zuzustellen.

Kurz nach seiner Rückkehr aus Paris bestellte Thaim kurzfristig den Vorsitzenden der »Vereinigung der Kambodschanischen Jugend in der DDR«6 (VKJ) Huer Penn7 zu sich. Gleichzeitig wurden alle in der DDR weilenden kambodschanischen Studenten und Aspiranten in die Botschaft zu einer Versammlung am 16.5.1970, 10.00 Uhr, eingeladen, wo Thaim zu den Eingeladenen sprechen will und auch die Wahl der neuen Leitung der KJ stattfinden soll, deren Durchführung an der TH Leuna-Merseburg geplant gewesen war.

Daraus ist abzuleiten, dass Thaim auf diesen Personenkreis zur Unterstützung der Regierung Lon Nol Einfluss nehmen und hierbei die vorliegenden Hetzschriften aushändigen will.

Die progressiven Kräfte unter den kambodschanischen Studenten und Aspiranten rechnen bei der Wahl der neuen Leitung der VKJ mit einem Sieg der Anhänger Norodom Sihanouks, da etwa drei Viertel aller in der DDR aufhältlichen kambodschanischen Studenten eine neutrale Haltung einnehmen und zu gewinnen seien.

Der progressive Teil der Studenten beabsichtigte am 16.5.1970 an der TH Leuna-Merseburg eine Gegenkonferenz durchzuführen.

Um eine Spaltung zu vermeiden und eine Übernahme der Leitung durch Lon-Nol-Anhänger zu verhindern, wollen einige progressive Kambodschaner in Erwartung einer Niederlage der Lon-Nol-Anhänger erreichen, dass die geplante Gegenkonferenz nicht durchgeführt wird.

Nach letzten Informationen soll am 15.5.1970 an der TH Leuna-Merseburg eine Vorbesprechung der progressiven kambodschanischen Studenten und Aspiranten zur Vorbereitung der Zusammenkunft in der Botschaft stattfinden.

Vom MfS wurden die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet, um eine mögliche Weiterverbreitung der in der kambodschanischen Botschaft vorliegenden Hetzmaterialien durch kambodschanische Studenten zu unterbinden.

  1. Zum nächsten Dokument Absichten reaktionärer Kräfte zum Besuch in Kassel (I)

    14. Mai 1970
    Information Nr. 498/70 über Absichten, Pläne und Maßnahmen reaktionärer Kräfte zum Treffen des Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Genossen Stoph, mit dem Bundeskanzler der BRD Brandt am 21. Mai 1970 in Kassel

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    6. Mai 1970
    Information Nr. 464/70 über Probleme des Reise- und Touristenverkehrs in der DDR, die im Zusammenhang mit der Direktive des Ministers für Handel und Versorgung über die »Veränderung der Zimmerpreise und Dienstleistungspreise gegenüber ausländischen Besuchern sowie Besuchern aus Westdeutschland und Westberlin« zu nachteiligen Auswirkungen geführt haben