Aufenthalt des Staatssekretärs Klaus Dieter Arndt in Leipzig
11. März 1970
Information Nr. 240/70 über den Aufenthalt des westdeutschen parlamentarischen Staatssekretärs Arndt in Leipzig während der LFM 1970
Wie zuverlässig bekannt wurde, äußerte sich Arndt1 am 8.3.1970 in einer internen Unterredung zum bevorstehenden Gespräch2 zwischen dem Genossen Stoph3 und dem westdeutschen Bundeskanzler Brandt4 sowie zu Fragen des Handels zwischen der DDR und der BRD.
Auf die technischen Vorbesprechungen für das Treffen Stoph – Brandt eingehend erklärte Arndt:
»Auf keinen Fall kann Brandt einen anderen Weg nach Ostberlin nehmen als über Westberlin. In dieser Hinsicht gibt es keinen Kompromiss. Die DDR soll die Finger von Westberlin lassen.« Der SPD-Parteivorstand sei nach Ansicht Arndts in dieser Frage völlig einig. Falls es zu dem Gespräch komme, würden die Verhandlungen einen langen Zeitraum in Anspruch nehmen, ehe es zu irgendeiner Einigung kommen dürfte.5
Die gegenwärtigen Vorgespräche zum Stoph – Brandt-Treffen halte er ebenenmäßig für zu tief, obwohl Sahm6 ein guter Mann sei. Im Parteivorstand hätte man ursprünglich erwogen, ob Brandt nicht einfach einen der beiden von Stoph vorgeschlagenen Termine annehmen solle und um 11.00 Uhr vor dem Sitz des Ministerpräsidenten in Ostberlin vorfahren könnte. Dann hätte es die Debatte um den Anreiseweg wahrscheinlich nicht gegeben. Brandt, Wehner7 und er seien für ein solches Vorgehen gewesen, doch der überwiegende Teil des Vorstandes habe ein Fehlen Brandts im Bundestag für unmöglich gehalten.
Eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR, in dem Sinne, wie sie die DDR verstehe, liege vorerst nicht im Bereich der Bonner Absichten. Man wolle jedoch erreichen, dass auch andere Gespräche, wie die der Post- und Bahnverwaltungen, auf eine höhere Ebene getragen werden, damit sie zum Erfolg führten. Die mittlere Beamtenebene habe sich als schlecht erwiesen.
Für die Fortsetzung und Steigerung des Handels mit der DDR sieht Arndt auch dann keine Gefahr, wenn das Gespräch Stoph – Brandt nicht zustande kommen sollte. Er brachte aber zum Ausdruck, dass er der Entwicklung im »innerdeutschen Handel« mit gewissen Besorgnissen entgegensehe. Es müsse verhindert werden, dass die Verbindlichkeiten der DDR zu stark anwüchsen, sodass die DDR eines Tages wieder nach politischen Wegen zur Lösung dieser Frage suchen müsse (z. B. eine weitere Erhöhung der Autobahngebühren usw.).
Arndt sei bereit, der DDR über den Handel zu helfen, Engpässe zu überwinden. Man wolle keinen Druck auf die DDR ausüben. Natürlich gäbe es auch eine finanzielle Grenze, die die Verbindlichkeiten nicht überschreiten dürften, da man sonst gezwungen sei, Bremsen einzubauen. In diesem Zusammenhang wies Arndt auf einen Liefer-Stopp von NE-Metallen hin, um Valutageschäfte der DDR auf Drittmärkten zu verhindern.
An eine großzügige Kreditgewährung sei nicht zu denken, weil man in Bonn nicht einerseits den Haushalt drastisch auf Sparflamme schalten könne, um andererseits billige Gelder an die DDR zu geben. Die Industrie wäre im Grunde genommen auch weiterhin zu Krediten bereit, doch müsse auch sie die üblichen Zinsen erhalten. Auch über ein Bankenkonsortium sei ein Kredit nicht zu bekommen, da sich diese Banken das Geld ebenfalls im Ausland besorgen müssten.
Arndt hofft nicht, dass die DDR in ernsthafte Schwierigkeiten komme und sprach die Überzeugung aus, dass es der Stellvertreter des Ministers im MAW Behrendt,8 den er für einen sehr klugen Mann halte, doch noch schaffen werde, die seitens der DDR weiterhin gewünschte Steigerung des »innerdeutschen Handels« entsprechend auszubalancieren.
Auf einem improvisierten Pressegespräch mit westdeutschen Journalisten am Nachmittag des 8.3.1970 äußerte sich Arndt in ähnlicher Weise.
Ebenfalls am 8.3.1970 erklärte der Leiter der Treuhandstelle für den »Interzonenhandel«,9 Kleindienst,10 in einer Unterhaltung, dass ursprünglich geplant gewesen sei, durch Arndt neue Kredit- und Finanzierungsgespräche in Leipzig führen zu lassen und erweiterte Angebote zu unterbreiten. Da jedoch auch im Westen Politik und Handel nicht ganz voneinander getrennt werden könnten, wären solche westlichen Angebote zum gegenwärtigen Zeitpunkt »nicht am Platze«.
Kleindienst stellte insbesondere den Fakt in den Mittelpunkt, dass die DDR Brandt seinen Reiseweg vorschreiben wolle. Der Aufenthalt Brandts in Westberlin sei somit zu einer Prestigefrage geworden. Sollte es deswegen nicht zu den Gesprächen mit der DDRRegierung kommen, werde man der DDR und ihrer »sturen Haltung« die Schuld zuschieben, womit man auch vor der westdeutschen Öffentlichkeit und der CDU/CSU-Opposition »fein heraus« wäre.
Der »innerdeutsche Handel« sei zwar keine Waffe mehr gegen die DDR, aber doch eine Sache, worauf die DDR nicht verzichten könne. Kleindienst erklärte, solange die Gespräche Brandt – Stoph nicht fixiert seien, bleibe es im »innerdeutschen Handel« bei dem Swing11 von 380 Mio. VE. Die TSI werde stets darauf bedacht sein, im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten und politischen Voraussetzungen den »innerdeutschen Handel« zu fördern.
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