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Bahnbetriebsunfälle bei der Deutschen Reichsbahn

5. August 1970
Information Nr. 785/70 über Bahnbetriebsunfälle bei der Deutschen Reichsbahn am 2. August, 4. August und 5. August 1970

Am 2.8., 4.8. und 5.8.1970 ereigneten sich Bahnbetriebsunfälle bei der Deutschen Reichsbahn, bei denen

  • zwei Personenzüge frontal mit Güterzügen zusammenstießen und

  • ein Güterzug auf einen Kesselwagenzug auffuhr.

Bei diesen Bahnbetriebsunfällen wurden insgesamt

  • zwei Personen getötet,

  • 43 Personen leicht bis mittelschwer verletzt und

  • es entstand ein vorläufig geschätzter Sachschaden in Höhe von 3,3 Mio. Mark.

Bei den Sachbeschädigungen wurden

  • drei Diesellokomotiven (zwei V 200 und eine V 180),

  • insgesamt 45 Waggons, Kesselwagen und Reisezugwagen sowie

  • ca. 300 bis 400 m Gleisanlagen

total bzw. erheblich zerstört.

Zu den Bahnbetriebsunfällen im Einzelnen:

Am 2.8.1970, gegen 22.28 Uhr, stieß der vom Hauptbahnhof Potsdam abfahrende Personenzug P 1240 (Berlin – Werder/Havel) und der aus Richtung Bahnhof Golm kommende Güterwagenleerzug 59 706 (Stendal – Schakolm1) im Kreuzungsbereich (A/B) des Stellwerkes Abzweigung Wildpark West (Awp) frontal zusammen.

Die Untersuchungen der Experten und des MfS ergaben eindeutig, dass der Triebwagenführer der Diesellokomotive (V 200) des Güterzuges [Name 1, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1934, wohnhaft in Falkenberg, BW Falkenberg, das vor dem Kreuzungsbereich des Stellwerkes einwandfrei »Halt zeigende« Blocksignal überfahren hat und deshalb den Bahnbetriebsunfall ursächlich verschuldete.

Gegen ihn wurde ein EV mit Haft nach § 1962 – Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalls3 – eingeleitet.

Bei diesem Bahnbetriebsunfall erlitten 22 Personen leichte bis mittelschwere Verletzungen.

Es entstand ein Sachschaden von 1,3 Mio. Mark, wobei beide Diesellokomotiven (eine sowjetische V 200 und eine V 180) erheblich beschädigt wurden, 16 Güterwagen ineinander fuhren und teilweise vom Bahndamm abkippten sowie ein Doppelstockwagen stark beschädigt wurde.

Der Triebwagenführer [Name 1] motiviert in den bisherigen Untersuchungen seine Handlungsweise und Reaktion damit, dass er zu spät erkannt habe, dass das Blocksignal »Halt« zeigte und beim Bemerken eines entgegenkommenden Zuges bei ihm eine Schockwirkung ausgelöst worden sein, wodurch er nicht mehr in der Lage gewesen wäre, die Schnellbremsung des Güterwagenleerzuges einzuleiten.

Am 4.8.1970, gegen 2.30 Uhr, fuhr der Kalizug Dg 56 431 auf den vor dem Bahnhof Demker befindlichen Kesselwagenzug Dg 56 646 mit etwa 60 bis 70 km/h auf.

Durch diesen Bahnbetriebsunfall wurden

  • eine sowjetische Diesellokomotive V 200 und

  • 20 Waggons, mit Kali beladen, und acht Kesselwagen total zertrümmert bzw. brannten vollständig aus.

Es entstand ein Sachschaden in Höhe von ca. zwei Mio. Mark.

Das Lokpersonal der V 200 wurde tödlich verletzt und verbrannte in den Trümmern der Diesellok.

Bei dem tödlich verunglückten Lokpersonal des DG 56 431 handelt es sich um Lokführer Radke, Harry,4 geboren am [Tag, Monat] 1935, wohnhaft in Güsten, [Straße, Nr.], BW Güsten, Dienst bei der DR seit zwölf Jahren, und seinem Beimann Schmidt, Erhard,5 geboren am [Tag, Monat] 1929, wohnhaft in Güsten, [Straße, Nr.], BW Güsten, Dienst bei der DR seit 15 Jahren.

Beide traten am 3.8.1970 um 22.50 Uhr nach 16stündiger Ruhepause ihren Dienst an.

Sie verursachten bisher noch keinen Bahnbetriebsunfall.

Die Untersuchungen ergaben zweifelsfrei, dass die Lokbesatzung des unfallverursachenden Kalizuges Dg 56 431 durch große Pflichtverletzungen den Unfall schuldhaft verursachte.

Dem Bahnbetriebsunfall ging voran, dass das Lokpersonal zunächst auf einen Hinweis des Fahrdienstleiters des Bahnhofs Tangerhütte – Zeigen einer Langsamfahrtafel – nicht reagierte und an der Blockstelle Weißewarte6 sowohl das Vorsignal und dann auch das auf »Halt« stehende Hauptsignal mit voller Geschwindigkeit (60 bis 70 km/h) überfuhr. (Diese Blockstelle befindet sich etwa drei km vor der Unfallstelle.) Auch auf eine zusätzliche »Schutzhaltesignalgebung« der Blockstellenwärterin wurde seitens des Lokpersonals nicht reagiert. (Die Schutzhaltesignalgebung erfolgt manuell nach dem Erkennen einer Gefahrensituation u. a. beim Durchfahren von Blocksignalen.)

Am 5.8.1970, gegen 5.40 Uhr, stießen erneut ein Personenzug P 1303 (Arnstadt – Saalfeld) und ein Güterzug 66 402, von Arnstadt kommend, im Streckenbereich zwischen den Bahnhöfen Singen und Paulinzella mit ca. 20 km/h frontal zusammen) Sachschaden 6 000 M).

Durch den Auffahrunfall wurden 19 Personen leicht verletzt, die im Krankenhaus Rottenbach zur Behandlung eingeliefert wurden. Unter den Verletzten befinden sich drei westdeutsche Bürger.

Nach den bisherigen Untersuchungen über die Unfallursachen hat der Fahrdienstleiter [Name 2] zusammen mit dem Stellwerkwärter [Name 3] vom Bahnhof Singen die Ausfahrt des Güterzuges in das durch den Personenzug besetzte Gleis gegeben. Die Ursachen für dieses vorschriftswidrige Verhalten werden zurzeit noch ermittelt. Die bisherigen Untersuchungen ergaben keine Hinweise auf feindliche Handlungen.

Die weitere Bearbeitung aller Vorkommnisse erfolgt durch die HA Transportpolizei des MdI.

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    5. August 1970
    Information Nr. 788/70 über das Auffinden einer Pistole im Interhotel »Warnow« in Rostock am 5. August 1970

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    4. August 1970
    Information Nr. 784/70 über widerrechtliche Amtshandlungen der Westberliner Polizei auf dem Territorium der Deutschen Reichsbahn in Westberlin