Brände in Industrie und Landwirtschaft
27. Januar 1970
Information Nr. 92/70 über eine Reihe von Bränden in Industrie und Landwirtschaft infolge unsachgemäßem Auftauen von Wasser- bzw. Dampfleitungen in den Monaten Dezember 1969 und Januar 1970
Seit Beginn des Kälteeinbruchs im Dezember 1969 ereigneten sich in der Zeit vom 10.12.1969 bis 21.1.1970 in den Bereichen der Industrie und der Landwirtschaft eine Reihe von Bränden infolge fahrlässigen Verhaltens beim Auftauen gefrorener Wasser- bzw. Dampfleitungen.
Insgesamt wurden zwölf Brände dieser Art mit einem Gesamtschaden von 1 755 000 Mark registriert.
Geschädigt wurden neun sozialistische Landwirtschaftsbetriebe, zwei volkseigene und ein Privatbetrieb.
Diese Brände entstanden bei Versuchen, eingefrorene Leitungen entgegen den Vorschriften aufzutauen. Statt der vorgeschriebenen Verwendung von Dampf oder heißem Wasser wurden Lötlampen, Schweißbrenner, offenes Feuer oder Elektroheizgeräte benutzt und damit die Brände ausgelöst.
In Zusammenarbeit mit der VP untersuchte das MfS die wichtigsten Vorkommnisse und möchte auf einige charakteristische Beispiele dieser Art aufmerksam machen:
Am 19.12.1969 brannte ein Schweinestall der LPG Typ III1 in Sörnewitz, [Kreis] Oschatz, [Bezirk] Leipzig, nieder, wobei 100 Schweine vernichtet wurden. Es entstand Schaden in Höhe von 100 000 Mark. Der Brand wurde von dem Genossenschaftsbauern [Vorname Name 1], Mitglied der SED, verursacht, als er versuchte, eine eingefrorene Wasserleitung mittels einer Lötlampe aufzutauen. EV wegen fahrlässiger Brandverursachung wurde eingeleitet.
Am 20.12.1969 kam es zu einem Brand in einem Jungviehstall der LPG Typ III in Klossa, [Kreis] Jessen, [Bezirk] Cottbus. Durch schnelles Eingreifen konnten größere Auswirkungen verhindert werden, sodass der Schaden auf 3 000 Mark begrenzt blieb. Brandverursacher war der [Vorname Name 2], da auch er versuchte, eine Wasserleitung mittels Lötlampe aufzutauen. ([Name 2] ist Bezirkstagsabgeordneter, Brandschutzbeauftragter und Vorsitzender des Kollektivs für Ordnung und Sicherheit.) EV wurde eingeleitet.
Am 8.1.1970 brach in einer Montagehalle des Kreisbetriebes für Landtechnik Bergen, [Bezirk] Rostock, in Lankensburg ein Brand aus. (Sachschaden 35 000 Mark)
Der Schweißer [Vorname Name 3] und der Schlosser [Vorname Name 4] hatten versucht, eine Wasserleitung unter Zuhilfenahme eines Schweißbrenners aufzutauen. Beide sind Mitglied der SED und im Rahmen der Zivilverteidigung bzw. Kampfgruppe aktiv tätig. EV wurde eingeleitet.
Am 20.1.1970 brannte das Materiallager des VEB Luwal Hausschuhfabrik Luckenwalde, [Bezirk] Potsdam, nieder. Dieser Brand führte zu einem Sachschaden in Höhe von insgesamt 1 281 000 Mark, davon 1 Million an Materialien für die Hausschuhproduktion. Der Betriebsmechaniker [Vorname Name 5] wurde als Brandverursacher festgestellt, welcher entgegen der Weisung des Brandschutzverantwortlichen eine Lötlampe zum Auftauen einer eingefrorenen Leitung benutzte.
Gegen [Name 5] wurde ein EV mit Haft wegen fahrlässiger Brandverursachung im schweren Fall eingeleitet.
Am 21.1.1970 brannte die Schlossmühle in Bad Liebenwerda, [Bezirk] Cottbus, nieder, welche vom VEB Getreidewirtschaft Jessen des Kombinates für Getreidewirtschaft Cottbus als Lager genutzt wird. Die zur Zeit des Brandes im Objekt lagernden 350 t Roggen und 35 t Mischfutter wurden teilweise vernichtet bzw. wertgemindert, sodass ein Gesamtschaden in Höhe von 135 000 Mark eintrat.
Der Brand ist durch den Lagerleiter [Vorname Name 6] und den Kraftfahrer [Vorname Name 7] fahrlässig verursacht worden. Beide hatten über einer eingefrorenen Wasserleitung eine elektrische Garagenheizung installiert, diese mit Säcken abgedeckt und nicht beaufsichtigt, sodass es in den Nachtstunden zum Brandausbruch kam. EV wurde eingeleitet.
In Anbetracht der Häufigkeit der durch fahrlässigen Umgang mit offenem Feuer auftretenden Brände und des damit verbundenen hohen Schadens erscheint es zum gegenwärtigen Zeitpunkt notwendig, durch geeignete Maßnahmen u. a. auch durch nochmalige Veröffentlichungen in Presse, Rundfunk und Fernsehen vorbeugend zu dieser Problematik zu wirken und auch auf strafrechtliche Konsequenzen hinzuweisen.