Firma Schüngel-Chemie KG in Burkhardtsdorf, Bezirk Karl-Marx-Stadt
11. August 1970
Information Nr. 802/70 über die Firma Schüngel-Chemie KG, Burkhardtsdorf, Bezirk Karl-Marx-Stadt
Die Firma Schüngel-Chemie KG, Burkhardtsdorf (Erzgebirge), wurde mit Aufnahme der staatlichen Beteiligung am 1.7.1958 gebildet.1
Sie ging aus der 1946 gegründeten Firma Schüngel hervor, die sich mit der Herstellung chemisch-technischer und chemisch-pharmazeutischer Artikel beschäftigte. Aufgrund rückläufiger Umsätze beantragte Schüngel 1957 die Aufnahme der staatlichen Beteiligung. Diese wurde zum damaligen Zeitpunkt zunächst abgelehnt, da die genannte Produktion nicht im volkswirtschaftlichen Interesse lag. Daraufhin stellte Schüngel die Produktion auf Verpackungsmittel aus Kunststoff um und beantragte erneut die staatliche Beteiligung, die dann – wie angeführt – wirksam wurde.
Komplementär und Betriebsleiter der Firma ist der frühere Eigentümer und Kaufmann Schüngel, Otto,2 geboren am [Tag, Monat] 1922 in Köln, wohnhaft Burkhardtsdorf, [Straße, Nr.], Mitglied der CDU, Mitglied des CDU-Hauptvorstandes, CDU-Bezirkstagsabgeordneter in Karl-Marx-Stadt.
Kommanditist der Firma Schüngel-Chemie KG ist die Industrie- und Handelsbank, Kreisfiliale Karl-Marx-Stadt.3
Mithilfe und in Ausnutzung zahlreicher Verbindungen zu Persönlichkeiten im Staats- und Wirtschaftsapparat der DDR, durch seine intensiven privaten und geschäftlichen Kontakte zu westlichen Firmen, speziell zur Farbenfabrik Bayer AG, Leverkusen, war es Schüngel möglich, insbesondere durch die Aufnahme der Produktion von Polyurethan (Pur)-Schaumstoff, die Firma Schüngel-Chemie KG zum größten halbstaatlichen Betrieb in unserer Republik zu entwickeln.
In der Firma Schüngel-Chemie KG sind zurzeit 450 Arbeitskräfte tätig.
Der Komplementär Schüngel leitet die Firma von Anfang an nach kapitalistischen Grundsätzen und Praktiken und wendet in seiner Leitungs- und Führungstätigkeit typische Managermethoden an. Dafür gibt es unter anderem folgende Beispiele:
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Durch Gewährung großzügiger Vergünstigungen (u. a. haben 18 Mitarbeiter personenbezogene Pkw, Beschaffung von Wochenendhäusern, Gewährung höherer Gehälter und Zuschläge) hat er sich einen Kreis qualifizierter Ingenieure und anderer Fachleute geschaffen. Einen Teil dieser Fachkräfte zog er durch materielle Besserstellung aus volkseigenen Betrieben und staatlichen Institutionen ab.
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Das Mitbestimmungsrecht der Werktätigen nimmt Schüngel nicht ernst.
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Schüngel verstand es, die auf gesellschaftlichem Gebiet in der Firma Schüngel-Chemie KG tätigen Funktionäre (Parteisekretär, BGL-Vorsitzender) so zu beeinflussen bzw. zu korrumpieren, dass es ihm gelang, die schwache gesellschaftspolitische Arbeit unter seine Kontrolle zu bringen.
Während er in der Öffentlichkeit vorgibt, aus volkswirtschaftlichem Interesse die Betriebs- und Produktionserweiterungen durchzuführen, liegen seiner Handlungsweise in Wirklichkeit kapitalistische Motive zugrunde. Diese zeigen sich in persönlichem Machtstreben, persönlicher Bereicherung und in der Erlangung von Vorteilen sowie in der angestrebten Verstärkung seines Einflusses.
Aufgrund des dem MfS vorliegenden Materials ist einzuschätzen:
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Schüngel gelang es durch Manipulation und mit Unterstützung einiger Wirtschaftsfunktionäre des Bezirkes, von VVB und des damaligen Volkswirtschaftsrates sowie seiner engen geschäftlichen und persönlichen Kontakte zur Firma Bayer AG, Leverkusen, eine Monopolstellung auf dem Gebiet der Produktion von Pur-Schaumstoffen (Blockware) zu erreichen.
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Durch seine Aktivität war es ihm möglich, den sozialistischen Sektor der Volkswirtschaft aus dieser bedeutenden und gewinnintensiven Produktion auszuschalten.
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Schüngel verursachte einen ökonomischen Schaden für die Volkswirtschaft, indem er zusagte, die Produktion von geschaumten Dämmplatten zu organisieren, führte mit den dafür erhaltenen Forschungsgeldern jedoch Neubauten durch bzw. bezog Anlagen, ohne dass die vorgesehene Entwicklung der von Schüngel hergestellten Dämmplatte abgeschlossen und durch das DAMW genehmigt war.
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Da Schüngel die vom DAMW erforderten technischen Parameter im Ergebnis der Entwicklung nicht erreichte und sich die Dämmplattenproduktion für ihn als nicht ökonomisch erwies, ließ er die mit den Forschungsgeldern beschafften Anlagen außer Betrieb setzen. Dies geschah offenbar in dem Bestreben, in der neuerrichteten Halle die gewinnbringendere Schaumstoffproduktion durchzuführen.
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Schüngel war in der Vergangenheit ständig bestrebt, durch Manipulation mit dem Bezirkswirtschaftsrat Karl-Marx-Stadt seine Produktionskapazität zu erweitern, um seinen Einfluss auf die Volkswirtschaft zu vergrößern und, bedingt durch seine Monopolstellung, weitere Betriebe in Abhängigkeit zu bringen.
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Schüngel unterhält zur Durchsetzung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Interessen eine Vielzahl von ihm geschaffener Verbindungen zu leitenden Staats- und Wirtschaftsfunktionären und versucht, diese auf vielfältige Art und Weise zu korrumpieren. Er renommiert bei allen sich bietenden Gelegenheiten damit, private Verbindungen zu führenden Funktionären unserer Republik zu unterhalten.
Im Einzelnen liegen dazu dem MfS folgende Hinweise vor:
Durch Irreführung staatlicher Institutionen sowie Manipulationen erreichte Schüngel, dass die Entscheidung des Volkswirtschaftsrates vom März 19644 und die Anordnung Nr. 03–23-64 des Vorsitzenden des Ministerrates,5 Genossen Stoph,6 vom 15.10.1964 nicht wirksam wurden. Beide Dokumente beinhalteten die Vorbereitung und den Aufbau eines umfangreichen Investvorhabens zur Aufnahme der Großproduktion von Pur-Schaumstoff im volkseigenen Sektor, speziell im VEB ELGUWA, Leipzig. Das Investvorhaben sollte mit Aufnahme der Produktion bis 1968 im VEB ELGUWA, Leipzig, realisiert werden.
Bis zur Aufnahme der Großproduktion war vorgesehen, eine Handverschäumungsanlage mit einer Kapazität von 300 t zu errichten. Damit sollte der wichtigste volkswirtschaftliche Bedarf des Automobilbaues, Waggonbaues und der Möbelindustrie gedeckt werden.
In Kenntnis dieser zentralen Festlegungen verpflichtete sich Schüngel, diese Handverschäumungsanlage in seinem Betrieb zu errichten.
Im November 1964 fand eine gemeinsame Dienstreise von Vertretern der VVB Gummi und Asbest, des VEB ELGUWA, Leipzig, und des damaligen Technischen Leiters der Firma Schüngel-Chemie KG, Riedel,7 nach Westdeutschland zur Firma Bayer AG, Leverkusen, statt, um dort konkrete Absprachen für die Vorbereitung und Aufnahme der Pur-Schaumstoffproduktion im VEB ELGUWA, Leipzig, zu treffen. Die Teilnahme des Riedel erfolgte unter dem Aspekt, der Firma Schüngel-Chemie KG Erfahrungen für die Aufnahme der Produktion von Pur-Schaumstoffen mit der sogenannten Handverschäumungsanlage zu vermitteln. Durch Riedel erhielt Schüngel detaillierte Informationen vom geplanten Vorhaben im VEB ELGUWA.
Im Ergebnis dieser Reise kam es zu keinen vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem VEB ELGUWA, Leipzig, und dem Bayer-Konzern, weil seitens der VVB Gummi und Asbest erkannt wurde, dass sich die DDR bei Abschluss eines Vertrages in ökonomische Abhängigkeit dieses IG-Nachfolgekonzerns begeben hätte.
Nach dieser Dienstreise zeigte Schüngel auffallendes Interesse daran, selbst die Basis für eine Schaumstoffproduktion in seinem Betrieb zu schaffen. Er baute daraufhin die bereits seit 1954 bestehenden intensiven geschäftlichen und persönlichen Beziehungen zu leitenden Personen des Bayer-Konzerns aus, indem er mehrere Reisen nach Westdeutschland durchführte und dabei seine Verbindungen aktivierte.
Aufgrund dieser Verbindungen war es ihm möglich, mit allseitiger Hilfe und Unterstützung des Bayer-Konzerns sowie der Firma Metzeler,8 Memmingen, eine eigene Anlage für die Pur-Schaumstoffproduktion zu errichten und sie Mithilfe von Spezialisten der Firma Bayer AG erfolgreich einzufahren und in Betrieb zu nehmen.
Schüngel gelang es ferner, Vereinbarungen mit der Firma Bayer AG, Leverkusen, dahingehend zu treffen, dass ihm die erforderlichen Rohstofflieferungen für die Schaumstoffproduktion zugesagt wurden.
Die vom Bayer-Konzern der Firma Schüngel-Chemie KG gewährte Unterstützung beim Aufbau der Anlagen und der reibungslosen Fortsetzung der Produktion von Pur-Schaumstoffen lassen den Verdacht zu, dass Schüngel vom westdeutschen Konzern Bayer als Stützpunkt ausgebaut wurde, um durch ihn die unbedingte Abhängigkeit unserer Volkswirtschaft in dieser speziellen Produktion von Westdeutschland zu wahren.
Dieser Verdacht wird besonders dadurch erhärtet, in dem der Bayer-Konzern trotz zeitweiliger Schwierigkeiten bei der Deckung des Bedarfs an Pur-Rohstoffen der Kunden in Westdeutschland sowie im kapitalistischen Ausland alles unternahm, um die Lieferungen der von der Firma Schüngel-Chemie KG benötigten Rohstoffe regelmäßig vorzunehmen und abzusichern. Dies trifft auch heute noch zu. In einem Fall wurde sogar bekannt, dass in diesem Zeitraum von Schüngel ein zusätzlicher Vertrag über Rohstofflieferungen bei der Firma Bayer AG untergebracht wurde.
Es wird eingeschätzt, dass die engen persönlichen und geschäftlichen Verbindungen zum Bayer-Konzern offensichtlich durch geschäftliche Manipulationen Schüngels zustande gekommen sind.
Die von Schüngel durchgeführte Täuschung staatlicher Institutionen findet darin ihren Ausdruck, dass er bis Mai 1965 allen kompetenten staatlichen Stellen erklärte, dass die von ihm im Eigenbau errichtete Anlage zur Herstellung von Pur-Schaumstoff nur 500 t jährlich bringen wird.
Im September 1965 verbreitete er die Information, dass er in der Lage sei, jährlich 3 000 t Pur-Schaumstoff zu produzieren.
Als die VVB Gummi und Asbest davon Kenntnis erhielt, dass bei der Firma Schüngel-Chemie KG in Zusammenarbeit mit der Firma Bayer AG, Leverkusen, eine gemeinsame Anlage zur Produktion von Pur-Schaumstoff errichtet wird, scheiterten mehrfache Versuche der VVB, nähere Angaben von Schüngel darüber zu erhalten. Schüngel verwehrte Mitarbeitern genannter VVB den Zutritt zu seinen Produktionsräumen.
Mit der von ihm in aller Stille vorgenommenen Kapazitätserweiterung auf 3 000 t jährlich stellte Schüngel die volkseigene Industrie vor vollendete Tatsachen, sodass im Endergebnis am 6.10.1965 auf Vorschlag der VVB Gummi und Asbest vom Volkswirtschaftsrat entschieden wurde, das ursprünglich geplante Investvorhaben zur Produktion von Pur-Schaumstoffen im VEB ELGUWA, Leipzig, einzustellen.
Es muss eingeschätzt werden, dass Schüngel nur mit Unterstützung des Bayer-Konzerns eine derartige Monopolstellung auf dem Gebiet der Pur-Schaumstoffproduktion in der Volkswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik errichten konnte.
Eine wesentliche und noch undurchsichtige Rolle spielt die persönliche Verbindung des Schüngel zu Dr. Hauptmann,9 der im Bayer-Konzern Experte auf dem Gebiet des Pur-Schaumstoffes und gleichzeitig Chef des Kundendienstes ist. Es wurde festgestellt, dass Dr. Hauptmann 1950 die DDR illegal verlassen hat und seit dieser Zeit bei der Firma Bayer AG arbeitet. Schüngel setzt seine ganze Kraft und seine Verbindungen dafür ein, mehrmalige Reisen des Dr. Hauptmann zu ihm zu ermöglichen.
Schüngel beantragte einige Male Aufenthaltsgenehmigungen für Dr. Hauptmann und begründete seine Anwesenheit mit betrieblichen Erfordernissen.
Es ist bekannt, dass diese Angaben nicht in jedem Fall den Tatsachen entsprechen. Dr. Hauptmann hat seinen Aufenthalt in der DDR unter anderem dazu benutzt, sich mit seinen in der DDR wohnhaften Eltern zu treffen. Dass das zwischen Dr. Hauptmann und Schüngel bestehende Verhältnis sehr eng und persönlich ist, geht u. a. daraus hervor, dass Dr. Hauptmann bei seinen Aufenthalten in der DDR in der Wohnung des Schüngel verkehrt.
Eine Unterstützung erfuhr die Firma Schüngel-Chemie KG bezüglich des Aufbaues einer Schaumstoffproduktion von der VVB Automobilbau. Im Juni 1964 kam es zum Abschluss einer Vereinbarung zwischen genannter VVB und Schüngel. Es wurde festgelegt, dass die Firma Schüngel-Chemie KG eine finanzielle Unterstützung in Höhe von 100 000 M für anfallende Entwicklungskosten bei der Aufnahme der Pur-Schaumstoffproduktion erhält. Die Vereinbarung war so gehalten, dass Schüngel diesen Betrag nicht zurückerstatten braucht, wenn die Produktion nicht in Gang kommt.
Besondere Unterstützung erhielt Schüngel in seinem Bestreben, die Produktion von Pur-Schaumstoffen in Blöcken und Platten zu steigern, vom ehemaligen Generaldirektor der VVB Elektrochemie und Plaste, Dr. Nette.10 Schüngel war bestrebt, dass der von ihm geleitete Betrieb erzeugnisgruppenmäßig dieser VVB zugeordnet wird, da er sich davon Vorteile für die Garantierung der benötigten Rohstofflieferungen aus Westdeutschland versprach. Hinzu kam, dass Schüngel damals enge persönliche Beziehungen zum damaligen Generaldirektor Dr. Nette unterhielt. Dr. Nette schlug dem Generaldirektor der VVB Gummi und Asbest vor, das Investvorhaben beim VEB ELGUWA, Leipzig, einzustellen, da Schüngel durch die inzwischen organisierte enorme Kapazitätserweiterung in der Lage war, den damaligen Bedarf der Volkswirtschaft der DDR an Pur-Schaumstoffen (Blockware) abzudecken. Aufgrund der Empfehlung des Dr. Nette wurde der VEB ELGUWA seitens der VVB Gummi und Asbest auf die Produktion von Pur-Schaumstoffen (Formteile) spezialisiert.
Mit dieser Entscheidung erwarb der VEB ELGUWA, Leipzig, die bei Schüngel vorhandene Formteilanlage sowie die Rezeptur für die Pur-Schaumstoffproduktion. Während der Produktion stellte sich heraus, dass die übernommene Anlage technisch nicht ausgereift war und den Anforderungen nicht genügte (hohe Ausschussquote). Der VEB ELGUWA, Leipzig, war aufgrund dieser Umstände gezwungen, eine eigene Anlage sowie eigene Rezepturen zu entwickeln. Die von der Firma Schüngel-Chemie KG übernommene Anlage wurde Ende 1968 verschrottet. Dem VEB ELGUWA entstand daraus ein materieller Schaden in Höhe von ca. 80 000 Mark. die Kosten für die Anschaffung einer neuen Anlage einschließlich der Montage betrugen ca. 65 000 M.
Ein Ausdruck des Manipulierens des Schüngel ist, dass er sich auf die Erweiterung der Produktion von Pur-Schaumstoff (Blockware) konzentrierte, da er erkannte, dass diese Produktion gewinnintensiver ist. Schüngel erzielte in der Zeit von 1959 bis 1969 ein Netto-Einkommen in Höhe von 2 085,1 TM.
Von 1961 bis 1965 beschäftigte sich der zum damaligen Zeitpunkt beim Wohnungsbaukombinat Leipzig tätige Ingenieur [Name 1] mit der Entwicklung von Dämmplatten aus geschäumten Kunstharzen. Er erhielt 1965 von seinem Betrieb den Auftrag, die produktionstechnischen Voraussetzungen zur Herstellung von Dämmplatten für das gesamte Bauwesen zu schaffen. Von diesem Zeitpunkt an bemühte sich Schüngel darum, die Produktion dieser Dämmplatte zu übernehmen. Das Wohnungsbaukombinat Leipzig finanzierte den Bau einer freitragenden Halle bei der Firma Schüngel-Chemie KG.
Das Patent des Ingenieurs [Name 1] sah vor, die Dämmplatten aus in der DDR anfallenden Industrierohstoffen (Alttextilien, Rückstände aus der Gummi- und Papierindustrie sowie Kunstharz aus dem VEB Leuna-Werk »Walter Ulbricht«) herzustellen.
Im Jahre 1966 gab es Bestrebungen seitens des Schüngel, den Ingenieur [Name 1] durch Manipulationen aus dem Entwicklungsvorhaben auszuschalten, indem er das Patent von [Name 1] für ca. 100 000 M zur alleinigen Nutzung abkaufen wollte. als Ingenieur [Name 1] dieses Angebot ablehnte, weigerte sich Schüngel, weiter mit Ingenieur [Name 1] zusammenzuarbeiten.
Schüngel begründete seine Haltung damit, dass [Name 1] ein volkswirtschaftlicher Phantast sei und bei der Entwicklung nur seine Vorteile sehe. In der Folgezeit wurde festgestellt, dass sich die Firma Schüngel-Chemie KG nicht mehr um die Aufnahme der Dämmplattenproduktion nach dem Verfahren des Ingenieurs [Name 1] bemühte. Eine objektive Begründung, warum das von Ingenieur [Name 1] entwickelte Verfahren für die Herstellung einer Dämmplatte nicht realisierbar ist, liegt nicht vor.
Im Oktober 1967 teilte Schüngel den infrage kommenden Institutionen mit, dass er eine Dämmplatte nach dem Verfahren eines gewissen [Name 2] entwickelt. Bei [Name 2] handelt es sich um einen selbstständigen Orthopädie-Schuhmachermeister, der sich aus beruflichen Gründen mit ähnlichen Entwicklungen beschäftigte. Es ist bekannt, dass [Name 2] von Schüngel eine Abfindung von 30 000 Mark für seine Entwicklung erhielt.
Mit der Weiterführung der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten wurde der im Betrieb beschäftigte Diplom-Ingenieur [Name 3] von Schüngel beauftragt.
Der bestehende Vertrag zwischen dem Wohnungsbaukombinat Leipzig und der Firma Schüngel-Chemie KG besagte, dass Neuentwicklungen der gegenseitigen Absprache bedürfen. Schüngel hielt sich nicht daran, sondern teilte lediglich dem Wohnungsbaukombinat Leipzig mit, dass die Entwicklung und Produktionsaufnahme einer Dämmplatte nach einem eigenen Verfahren durchgeführt wird.
Durch den Stellvertretenden Minister für Bauwesen, Eichhorn11 (CDU), wurde der Firma Schüngel-Chemie KG am 1.11.1967 der Forschungsauftrag Nr. 82013–11/6–02/5 »Entwicklung und Herstellung von Dämmstoffen aus geschäumtem Material«12 übertragen.
Diesem Forschungsauftrag lag der Ministerrats-Beschluss Nr. 02–11/1/67 VMS Nr. 1091/67/10 vom 5.10.1967 zugrunde.13 Dieser Entwicklungsauftrag sah vor, unter möglicher Verwendung von Industrieabfallstoffen einen preiswerten und den Qualitätsbedingungen entsprechenden Dämmstoff für die Bauindustrie zu entwickeln.
Schüngel war die Bedeutung und Dringlichkeit des Forschungsauftrages bekannt. Dies geht unter anderem auch daraus hervor, dass er mehrfach bei Aussprachen mit Persönlichkeiten des Partei- und Staatsapparates die enorme ökonomische Bedeutung dieser Entwicklung für unsere Republik herausstellte.
Anlässlich des VII. Parteitages der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands14 gab Schüngel im Namen seiner Firma die Verpflichtung ab, eine Mio. m² Dämmplatten zu produzieren.
Aus Forschungsmitteln des Staatshaushaltes wurden ihm für die Entwicklung und den Aufbau einer Anlage über 1,6 Mio. M zur Verfügung gestellt, mit welchen er ungesetzliche, jedoch durch das WTZ Komplexer Wohnungsbau des Ministeriums für Bauwesen Berlin genehmigte Bauten und Anschaffungen von Ausrüstungen für die Aufnahme der Dämmplattenproduktion durchführen ließ.
Gegen Ende 1968 wurde in der Firma Schüngel-Chemie KG mit der Versuchsproduktion von Dämmplatten begonnen. Den zuständigen Organen wurde erklärt, dass Anfang 1969 die Produktion von Dämmplatten aufgenommen wird. Der Planvorschlag der Firma Schüngel-Chemie KG sah für das Jahr 1969 8 000 t vor.
Die von der Firma Schüngel-Chemie KG im Rahmen der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten experimentell hergestellten Dämmplatten wurden im Dezember 1968 vom DAMW Dresden erstmalig begutachtet. Vom DAMW wurden im Ergebnis der Überprüfungen Forderungen zur Verbesserung technischer Parameter erhoben. Am 8.5.1969 fand beim DAMW eine Beratung zu den von der Firma Schüngel-Chemie KG erneut zur Begutachtung eingereichten Dämmplatten statt. Hierbei wurde festgestellt, dass der von der Firma Schüngel-Chemie KG entwickelte Dämmstoff erhebliche bauphysikalische Mängel, unter anderem Verrottungsgefahr, Rissbildung, starke Geruchsbelästigung, aufweist. Es wurde ferner beanstandet, dass bei den durchgeführten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten keine Variantenuntersuchung erfolgte, um die volkswirtschaftlich effektivste Lösung zu finden. Der Firma Schüngel wurde untersagt, die mit den genannten Fehlern behafteten Dämmplatten in die Serienproduktion zu überführen.
Es gibt Hinweise, dass die im Dezember 1968 vom DAMW Dresden erteilte Auflage bei den weiteren Entwicklungsarbeiten der Dämmplatte nicht berücksichtigt wurde.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich Schüngel gegenüber seiner Belegschaft dahingehend äußerte, kein Interesse an der Weiterführung dieser Entwicklung und Aufnahme der Dämmplattenproduktion zu haben. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass er seinen verantwortlichen Mitarbeiter, Diplom-Ingenieur [Name 3], beauftragte, die Entwicklungsarbeiten einzustellen und die vorhandenen Anlagen zu demontieren.
Durch den Ausfall der Dämmplatten entstehen unmittelbar bei den Bedarfsträgern Lücken, da teilweise durch Vorverhandlungen mit dem Einsatz der Dämmplatten gerechnet wurde. Der in diesem Zusammenhang errechnete volkswirtschaftliche Nutzen von ca. einer Mio. Mark im Wohnungsbaukombinat Karl-Marx-Stadt wurde hinfällig.
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die an die Firma Schüngel-Chemie KG ausgereichten Mittel für die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten weder vom Bezirksbauamt Karl-Marx-Stadt noch vom WTZ Komplexer Wohnungsbau beim Ministerium für Bauwesen auf ihre ordnungsgemäße Verwendung kontrolliert wurden.
In der Folgezeit versuchte Schüngel, in raffinierter Art und Weise, die tatsächlichen Ursachen für die Einstellung der Dämmplattenproduktion auf Zulieferbetriebe, Institutionen und staatliche Dienststellen abzuwälzen, um die eigenen Unzulänglichkeiten und Mängel in der Bearbeitung dieses Forschungsthemas nicht offensichtlich werden zu lassen.
Fakt ist, dass Schüngel das geplante Forschungsthema nicht realisiert hat und die verausgabten Forschungsgelder in Höhe von ca. 1,3 Mio. M zweckwidrig dazu nutzte, seine Produktionskapazität auf dem Gebiet der Pur-Schaumstoffproduktion zu erweitern. Die verbleibenden ca. 300 000 M werden von Schüngel als sogenannter Forschungsaufwand bezeichnet, wofür ein Nachweis bisher nicht erbracht werden konnte.
Unter Umgehung eines Beschlusses der zuständigen örtlichen Volksvertretung verfügte der Bezirksdirektor Friedrich,15 zu dem Schüngel gute Beziehungen unterhält, dass die für die Errichtung einer Kinderkrippe geplante Baukapazität in Höhe von 200 000 M im Rahmen des Bauvorhabens der Firma Schüngel-Chemie KG eingesetzt wurde. Dadurch konnte der Bau einer dringend benötigten Kinderkrippe nicht wie vorgesehen im Jahre 1969 realisiert werden. (Zu bemerken ist hier, dass der Stadtbezirk Karl-Marx-Stadt/Mitte-Nord den größten Bedarf an Kinderkrippenplätzen in Karl-Marx-Stadt aufweist.)
Umfangreiche Manipulationen seitens des Schüngel gab es im Zusammenhang mit dem Einsatz einer Feierabendbrigade16 in seinem Betrieb, der nicht auf der Grundlage der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen erfolgte.
Als ein weiteres Beispiel des Bestrebens Schüngels, seine Produktionskapazität sowie Einflusssphäre ständig zu vergrößern und im Ergebnis einen Teil der dem Bezirkswirtschaftsrat unterstellten bzw. zugeordneten Betriebe von seiner Produktion abhängig zu machen, muss der im Monat März 1969 abgeschlossene Vertrag zwischen der Schüngel-Chemie KG und dem Wirtschaftsrat des Bezirkes Karl-Marx-Stadt, vertreten durch den Vorsitzenden des Bezirkswirtschaftsrates, Dr. Zschunke,17 gewertet werden.
Der Firma Schüngel-Chemie KG wurden deshalb vom Bezirkswirtschaftsrat Karl-Marx-Stadt bereits Investmittel in Höhe von 250 TVM zur Verfügung gestellt, die hauptsächlich für den Kauf einer Langspaltanlage aus Norwegen bestimmt sind.
Damit würde die Fa. Schüngel-Chemie KG auf dem Gebiet der Weichschaumfolieherstellung eine Monopolstellung erreichen. Die Textilindustrie der DDR würde damit bei der Zulieferung von Folie von der Fa. Schüngel-Chemie KG abhängig.
(Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass ein erheblicher Teil dieses Rohstoffes für die Herstellung von Uniformen für die bewaffneten Organe der DDR sowie der Warschauer Vertragsstaaten verwendet wird.)
Einer vorliegenden Information von Fachleuten des Synthesewerkes Schwarzheide vom 15. Mai 1970 über Probleme im Zusammenhang mit der Fa. Schüngel-Chemie KG sind folgende bemerkenswerte Fakten zu entnehmen:
Laut Mitteilung vom 5.11.1969 des zuständigen Bilanzierungsorgans für PU-Weichschäume, VVB Plast- und Elastverarbeitung, wurde für die Fa. Schüngel-Chemie KG für 1970 eine Menge von ca. 5 450 t im Werte von 19,9 Mio. Mark vorgegeben.
Nach erneuter Aufteilung durch vorgenanntes Organ sollte die Zuweisung für die Fa. Schüngel-Chemie KG zulasten anderer Bedarfsträger beträchtlich erhöht werden.
Im Verlaufe der Vorbereitung langfristiger Wirtschaftsverträge wurden dem VEB Synthesewerk Schwarzheide am 10.2.1970 von der VVB Plast- und Elastverarbeitung folgende bestätigte Zahlen über die Zuweisung an PU-Rohstoffen genannt:
[Betrieb] | 1971 | 1972 | 1973 | 1974 | 1975 |
---|---|---|---|---|---|
VEB ELGUWA | 2 100 | 4 600 | 7 800 | 8 400 | 9 400 |
Fa. Schüngel-Chemie KG | 14 000 | 18 500 | 19 000 | 19 500 | 20 000 |
(Angaben in t)
Dieses Verhältnis sei nach Auffassung entsprechender Experten nicht vertretbar.
Die Verwirklichung dieser Zuweisung ließe das derzeitige Produktionsvolumen der Fa. Schüngel-Chemie KG von ca. 120 Mio. M auf ca. 300 Mio. M anwachsen.
Der VEB Synthesewerk Schwarzheide führt in seiner Information weiter an, dass laut VVB Plast- und Elastverarbeitung (2. März 1970) außer den PU-Weichschaumstoffen für die Fa. Schüngel-Chemie KG die Bereitstellung von Hartschaumstoffen durch den VEB Synthesewerk Schwarzheide in folgender Höhe vorgesehen ist:
1971 | 1972 | 1973 | 1974 | 1975 | 1980 |
---|---|---|---|---|---|
600 | 3 000 | 4 000 | 5 000 | 6 000 | 10 000 |
(Angaben in t)
In der vorliegenden Koordinierungsvereinbarung zwischen der Fa. Schüngel-Chemie KG und dem VEB Synthesewerk Schwarzheide seien jedoch keine Hartschaumstoffe enthalten. Aus diesem Grunde werde der VEB auch nicht liefern.
Von Fachleuten des VEB Synthesewerk Schwarzheide wird dazu bemerkt, dass eine Zuweisung in der geforderten Größenordnung den VEB Synthesewerk Schwarzheide bezüglich des Absatzes beträchtlich von der Fa. Schüngel-Chemie KG abhängig mache. Darüber hinaus sei dadurch die Einhaltung von Lieferverpflichtungen gegenüber anderen Vertragspartnern nicht mehr gewährleistet.
Bei allen sich bietenden Gelegenheiten brüstet sich Schüngel damit, private Verbindungen zu führenden Partei- und Staatsfunktionären unserer Republik zu unterhalten. Schüngel treibt in dieser Beziehung Missbrauch mit den Namen der Politbüros-Mitglieder des ZK der SED, Genossen Hermann Matern18 und Dr. Mittag.19 Diese Äußerungen nutzt er unter anderem dazu aus, seine Stellung weiter zu festigen, seinen Einfluss zu vergrößern, Kritik an seiner Person zu unterbinden und auf örtliche Organe Druck auszuüben, wenn seinen Forderungen nicht nachgekommen wird.
Die egoistische Einstellung und Verhaltensweise des Schüngel lässt sich am besten damit charakterisieren, dass er stets darauf bedacht ist, ihm »nützlich« erscheinende Partei- und Staatsfunktionäre zu korrumpieren.
Diese Feststellungen werden durch folgende bekannte Fakten bestätigt:
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Schüngel ließ für den Rat des Bezirkes Karl-Marx-Stadt auf einem Grundstück in Pfaffroda ein Wochenendhaus im Werte von ca. 60 000 M bauen und auf das Modernste einrichten. Den Auftrag dazu erhielt Schüngel vom Vorsitzenden des Rates des Bezirkes, Genossen Arnold,20 über den auch die Abwicklung lief. Das Haus wird vom Rat des Bezirkes und von der SED-Bezirksleitung Karl-Marx-Stadt genutzt.
Eigentümer des Wochenendhauses ist Schüngel!
Im September 1968 ließ Schüngel durch Handwerker seiner Firma Verschönerungsarbeiten im Wohnhaus des Genossen Arnold durchführen. Der Boden des Wohnhauses wurde mit Dämmplatten ausgelegt.
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Dem Stellvertretenden Vorsitzenden des Bezirkswirtschaftsrates Karl-Marx-Stadt, Steinigt,21 stellte Schüngel sein Landhaus in Kriebstein für dessen Urlaub zur Verfügung.
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Als in Burkhardtsdorf durch Zusammenlegung volkseigener Betriebe Gewerberaum frei wurde, wandte sich Schüngel an den damaligen Mitarbeiter der SED-Bezirksleitung Karl-Marx-Stadt, Genossen Pfüller,22 dass dieser seinen Einfluss geltend macht, damit anstelle der vorgesehenen volkseigenen Betriebe die Firma Schüngel-Chemie KG diese Gewerberäume zugesprochen bekommt.
Darüber hinaus hat Schüngel im Bezirk Karl-Marx-Stadt zu weiteren einflussreichen Personen Verbindungen aufgenommen, die er in seinem Interesse zur Erlangung von persönlichen Vorteilen nutzt.
Enge Beziehungen unterhält Schüngel zu leitenden Funktionären in wirtschaftsleitenden Organen, die er ebenfalls in der Absicht angebahnt hat, Nutzen für sich und die Entwicklung des Betriebes zu ziehen.
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Es wurde bereits ausgeführt, dass Dr. Nette als ehemaliger Generaldirektor der VVB Elektrochemie und Plaste großen Anteil daran hatte, dass Schüngel eine Monopolstellung auf dem Gebiet der Pur-Schaumstoffproduktion mit einnehmen konnte. Nach Ablösung von seiner damaligen Funktion als Generaldirektor beabsichtigte Schüngel, Dr. Nette in seinem Betrieb einzustellen.
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Im Jahre 1965 überließ Schüngel dem damaligen Generaldirektor der VVB Verpackung »aus Gefälligkeit« seinen Pkw Tatra 603. Die genannte VVB war zu diesem Zeitpunkt bilanzierendes Organ für die Firma Schüngel-Chemie KG, und Schüngel war das Interesse des Generaldirektors an diesem Pkw bekannt.
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Gute Beziehungen bestehen zwischen Schüngel und dem Generaldirektor des VVB Gummi und Asbest, Genossen Kobbelt.23
(Die VVB Gummi und Asbest ist seit 1967 das bilanzierende Organ der Schüngel-Chemie KG.)
Von Genossen Kobbelt wurde seinerseits die Entscheidung gefällt, die Produktion von Pur-Schaumstoff (Blockware) der Firma Schüngel-Chemie KG zu übertragen.
Schüngel bemüht sich auch hier, seine Verbindungen zum Generaldirektor in vielfältiger Form auszubauen und für die Stärkung seiner wirtschaftlichen Position auszunutzen.
Aufgrund der Mitgliedschaft und der Zugehörigkeit zum Hauptvorstand der CDU unterhält Schüngel normalerweise eine Reihe von Verbindungen zu führenden Funktionären der CDU.
Ohne Kenntnis der leitenden Funktionäre der Blockpartei missbraucht er jedoch diese Beziehungen und die Namen dieser Funktionäre zur Durchsetzung seiner persönlichen Ziele und Interessen.
Offensichtlich konzentriert sich Schüngel besonders stark auf den Sekretär des Hauptvorstandes der CDU, Dr. Naumann,24 der ihm – wie bekannt – auch Unterstützung gewährt.
So ist bekannt, dass Dr. Naumann dem Schüngel wiederholt bei der Erfüllung persönlicher Wünsche und bei der Erreichung betrieblicher Belange behilflich ist.
[Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben])
Aus Gefälligkeit Dr. Naumann gegenüber stellte Schüngel die [Name 4] in seinem Betrieb als Einkäuferin ein und verhalf ihr mit Unterstützung des Bezirksvorstandes der CDU zu einer Neubauwohnung in Karl-Marx-Stadt. Die Wohnung wurde auf Kosten des Schüngel eingerichtet.
Dr. Naumann wandte sich persönlich an den Minister für Chemische Industrie, damit Schüngel eine Sondergenehmigung erhielt, mit Feierabendbrigaden Investitionsbauten durchführen zu können, da diese nach den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen nicht statthaft sind.
Auch aus jüngster Vergangenheit liegen Hinweise vor, dass Dr. Naumann die Fa. Schüngel-Chemie KG bei der Beschaffung von Investitionskrediten in Höhe von 3,5 Mio. M über die Ministerien der Finanzen bzw. für chemische Industrie aktiv unterstützt.
Schüngel wandte sich Ende 1969 mit dem persönlichen Anliegen, einen zehnwöchigen Kuraufenthalt in Westdeutschland für seine Ehefrau genehmigt zu erhalten, an Minister Sefrin.25 Dem ging voraus, dass Schüngel einen Obermedizinalrat im Krankenhaus Karl-Marx-Stadt, Leninstraße, darum bat, ein sogenanntes Gefälligkeitsgutachten für seine Ehefrau zu erstellen. In diesem Gutachten sollte die Invalidität der Ehefrau des Schüngel bestätigt werden, was dazu ausgenutzt werden sollte, eine mehrwöchige Besuchsreise zu organisieren. Als diese Manipulation des Schüngel durch die zuständigen Organe als Betrugshandlungen erkannt wurden und er seine Zielstellung nicht erreichte, wandte er sich an den Minister für Gesundheitswesen, um auf diese Weise seine Ziele Mithilfe seiner Verbindungen durchzusetzen. Im Ergebnis einer Aussprache zwischen dem Minister Sefrin und Schüngel erhielt er für seine Ehefrau die Genehmigung für den genannten Kuraufenthalt in Westdeutschland.
Diese Aufzählung der Verbindungen des Schüngel, die noch erweitert werden könnte, zeigt, dass Schüngel zielstrebig und zweckbestimmt Kontakte knüpft und diese Personen, soweit erforderlich, manipuliert oder korrumpiert.
Schüngel ist seit 1962 Mitglied des Bezirksvorstandes der CDU und gehört seit 1963 dem Hauptvorstand seiner Partei an. Seit 1960 ist er Abgeordneter des Bezirkstages Karl-Marx-Stadt.
Sein politisches Auftreten in der Öffentlichkeit erweckt den Anschein eines staatsbejahenden Bürgers. Dass er eine andere politische Einstellung hat, geht aus Äußerungen im Kreis ihm vertrauter Personen hervor.
Schüngel betitelt dort Partei- und Staatsfunktionäre global mit gemeinsten Bezeichnungen und stellt heraus, dass er das »Geld und damit die Macht« habe und alle zu ihm kämen. Nicht er brauche die Partei, sondern die Partei braucht ihn.
Schüngel ist seit einigen Jahren im Besitz eines westdeutschen Farbfernsehgerätes und er empfängt damit regelmäßig diese Sendungen.
In den Kreisen der Komplementäre wird über Schüngel so diskutiert, dass das Chemieprogramm der DDR26 nicht im Bezirk Halle, sondern in Burkhardtsdorf bei der Firma Schüngel-Chemie KG entschieden würde. Allgemein wird die Auffassung vertreten, dass Schüngel sich alles erlauben könne, da er unter »Naturschutz« stehe.
Bemerkenswert in seiner Entwicklung bis 1945 sind folgende Fakten:
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Schüngel war von 1942 bis Juli 1944 im Auftrage des faschistischen Reichsarbeitsministeriums im besetzten Wilna27 als Leiter eines Hotelbetriebes tätig. Ende 1943 bemühte sich Schüngel, das Hotel »Bristol« in Wilna käuflich zu erwerben. Er zahlte 100 000 Reichsmark dafür an. Diese Bewerbung sei durch die Treuhandverwaltung Kauen28/Litauen abgelehnt worden. Bisher ist nicht bekannt, wie Schüngel in den Besitz eines derartig hohen Reichsmark-Betrages kam.
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Schüngel bewarb sich auf Empfehlung der Kriminalpolizei-Dienststelle Chemnitz nach Rückkehr aus Wilna Ende 1944 bei der Gestapo um Anstellung. Aus gesundheitlichen Gründen (Unterschenkel amputiert) sei es nicht zur Einstellung bei der Gestapo gekommen. Schüngel erklärte sich jedoch bereit, Stimmungsberichte für die Gestapo zu liefern, was er auch in der Folgezeit verwirklichte. Wegen dieser Zusammenarbeit mit der Gestapo befand sich Schüngel vom 5.10. bis 8.11.1945 in Schutzhaft.
Ferner ist bekannt, dass sich in der Firma Schüngel-Chemie KG eine Reihe von Personen konzentriert, die wegen Staats- bzw. krimineller Verbrechen abgeurteilt wurden.
Die spekulativen Handlungen des Schüngel als Betriebsleiter der Firma Schüngel-Chemie KG waren wiederholt Anlass, dass sich verschiedene staatliche Organe mit seiner Person beschäftigen mussten. Es kam jedoch nicht zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, da es ihm sowohl durch seine Raffinesse als auch durch seine zahlreichen Verbindungen gelang, dies zu verhindern.
Schüngel ist äußerst raffiniert und ein guter Psychologe. In seiner bisherigen Tätigkeit hat er es ausgezeichnet verstanden, die Fähigkeiten, Fertigkeiten und das Wissen anderer Personen zu seinen Vorteilen auszunutzen. Durch gewährte Vergünstigungen und »großzügiges Verhalten« hat er einen Personenkreis um sich geschaffen, der ihm vollkommen ergeben ist und ohne Widerspruch seine Weisungen durchführt. Diesen Umstand nutzt er aus, indem er Verhandlungen, wo sich Komplikationen für ihn ergeben könnten, durch seine Mitarbeiter führen lässt.
Schüngel hat auch enge verwandtschaftliche Beziehungen nach Westdeutschland, so zu einem Bruder, der Besitzer eines Baugeschäftes in Köln ist, und zu einem weiteren Bruder, der als Oberinspektor bei der Bundesbahn-Direktion Köln arbeitet.
Es gibt Hinweise, dass über diese verwandtschaftlichen Beziehungen Querverbindungen zum Bayer-Konzern bestehen.
Darüber hinaus unterhält Schüngel intensive Verbindung zu seinem republikflüchtig gewordenen Schwager [Name 5, Vorname] und zu einer Familie [Name 6], die ehemals in Burkhardtsdorf wohnhaft war und im Dezember 1960 republikflüchtig wurde.
Es besteht dringender Verdacht, dass Schüngel von der Vorbereitung der Republikflucht Kenntnis hatte bzw. diese mit unterstütze.
Es wurde festgestellt, dass Schüngel von 1954 bis 1961 mindestens 15 Privatreisen nach Westdeutschland durchführte.
Es ist bekannt, dass Schüngel diese Reisen nach Westdeutschland mit dazu nutzte, verstärkte Kontakte zu Mitarbeitern der Firma Bayer-AG, Leverkusen, und der Firma Metzler, Memmingen, herzustellen.
Eine Reise im Februar 1970, die er zusammen mit Dr. Hauptmann von Bayer, Leverkusen, vorbereitete, benutzte Schüngel dazu, mit der Firma Bayer-AG über eine zusätzliche Lieferung von 500 t Rohstoffen für die Schaumstoffproduktion zu verhandeln, da man ihm »von zentraler Stelle einige Tonnen Rohstoffe für den VEB ELGUWA Leipzig abgequetscht habe«.
Außer zu Dr. Hauptmann, zu dem die engsten persönlichen Verbindungen bestehen (Dr. Hauptmann reiste von November 1962 bis jetzt zehnmal in die DDR ein), unterhält Schüngel Kontakte zu den Mitarbeitern des Bayer-Konzerns Dr. Anders,29 Herweg,30 Wieland,31 Homrighausen.32
Die umfangreichen Kontakte des Schüngel zu Mitarbeitern des Bayer-Konzerns, die von dort erhaltene Unterstützung bei Aufnahme der Polyurehtan-Produktion, die pünktliche und bevorzugte Belieferung mit Rohstoffen über die Hamburger Speditionsfirma Hoyer lassen den Verdacht zu, dass Schüngel als personeller Stützpunkt des Konzerns in der DDR aufgebaut wurde.
Wie aus dem vorliegenden Material zusammenfassend zu erkennen ist, verfügt Schüngel über außerordentlich großen Einfluss und hat im Zusammenhang mit seinen engen persönlichen und geschäftlichen Verbindungen innerhalb der DDR und nach Westdeutschland, speziell zum Bayer-Konzern, und seiner Monopolstellung in der Volkswirtschaft der DDR auf dem Gebiet des Pur-Schaumstoffes (Blockware) die Möglichkeit, störend auf die Entwicklung des sozialistischen Sektors der Volkswirtschaft einzuwirken.
Es wird empfohlen, durch die Organe der Arbeiter- und Bauern-Inspektion33 und der Staatlichen Finanzrevision beim Ministerium der Finanzen Untersuchungen führen zu lassen, inwieweit Schüngel durch Finanzmanipulationen und Korruption sowie durch Ausnutzung geschaffener Verbindungen auf andere Art gegen staatliche Interessen und Bestimmungen verstoßen hat bzw. inwieweit seine Handlungen durch Staats- und Wirtschaftsfunktionäre begünstigt wurden.