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Grenzdurchbruch Bernd Geis bei Henneberg, Bezirk Suhl

3. Januar 1970
Information Nr. 5/70 über einen erfolgten Grenzdurchbruch DDR – Westdeutschland im Raum Henneberg Kreis Meiningen, Bezirk Suhl

Am 1.1.1970, gegen 20.30 Uhr versuchte der Geis, Bernd,1 geboren [Tag, Monat] 1952, wohnhaft Meiningen, [Bezirk] Suhl, [Straße, Nr.], Zimmermann bei der Fa. Schäfer KG in Meiningen, im Bereich der 1. Grenzkompanie Hermannsfeld, Grenzregiment Hildburghausen, die Staatsgrenze nach Westdeutschland zu durchbrechen. Er geriet dabei ca. 50 m vor dem Streckmetallzaun auf eine Mine, durch deren Explosion ihm der rechte Fuß abgerissen wurde.

Die in diesem Zusammenhang durch das MfS geführten Untersuchungen ergaben Folgendes:

Angehörige der westdeutschen Grenzsicherungskräfte (BGS und BGP), die sich zum angegebenen Zeitpunkt in der Nähe der Detonationsstelle befanden, sahen, nachdem sie Leuchtkugeln abgeschossen hatten, den G. in der bereits genannten Entfernung hinter dem Streckmetallzaun liegen.2

Drei Angehörige des BGS entledigten sich der Waffen und gruben mittels Brechstangen ein Loch unter dem Streckmetallzaun, drangen rechtswidrig in das Territorium der DDR ca. 50 m ein und schleppten den verletzten G. auf westdeutsches Territorium.

Diese Fakten werden auch in westlichen Verlautbarungen offen genannt.

Zuvor wäre – nach weiteren westlichen Verlautbarungen – versucht worden, mit Grenzposten der NVA/G durch Zuruf Verbindung aufzunehmen, welches jedoch, da sich keine Posten zur angegebenen Zeit in der Nähe des Ereignisortes befanden, gescheitert sei.

Der G. ist danach in das Krankenhaus Mellrichstadt, Unterfranken eingeliefert worden und befindet sich außer Lebensgefahr.

Die Untersuchungen ergaben weiter, dass Geis, dessen Eltern verstorben sind (Vater 1968, Mutter 1967) von seiner Arbeitsstelle als [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben] eingeschätzt wird, der öfters der Arbeit fernblieb und fachlich eine schlechte Arbeit leistete. In seinem Arbeitskollektiv ist er deshalb unbeliebt.

Nach dem Tode der Eltern wurde das Erziehungsrecht dem [Bruder] des Geis, [Name 1, Vorname], übertragen, der keinen positiven Einfluss auf den Geis, Bernd, ausübte. ([Name 1, Vorname], ist selbst wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt vorbestraft, [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben]

In der Zeit vom 18.12.1969 bis 28.12.1969 weilte die Schwester des Geis, [Name 2, Vorname], wohnhaft in Bür, [Kreis] Hassel/Ruhrgebiet, [Straße, Nr.], auf Aufenthaltsgenehmigung bei dem [Name 1, Vorname].

Aus den bisherigen Untersuchungen ist noch nicht klar erkennbar, aus welchen Motiven und Beweggründen heraus der G. den Entschluss zum Grenzdurchbruch fasste.

Das Vorkommnis wurde durch folgende Faktoren begünstigt:

Entgegen bestehender Befehle wurde durch eigenmächtige Entscheidung der Leitung des für die Grenzsicherung verantwortlichen Zuges der NVA/G die Posteneinteilung verändert, sodass die Durchbruchstelle zum angegebenen Zeitpunkt nicht gesichert war.

Im Nachbarpostenbereich eingesetzte Grenzposten meldeten das Auslösen des Signalzaunes nicht, wie vorgeschrieben, an den Führungspunkt.

Eine Kontrollstreife der NVA/G, die das Abschießen von Leuchtkugeln auf westdeutschem Territorium wahrnahm, erstattete darüber im Führungspunkt der Kompanie Meldung. Vom Leiter des Führungspunktes wurden aufgrund dessen keine Maßnahmen eingeleitet.

Die gleiche Kontrollstreife nahm auch die Minendetonation zum angegebenen Zeitpunkt wahr, erstattete aber darüber keine Meldung, da sie der Auffassung gewesen sei, dass es sich nur um einen »Knall« handelt.

Die Untersuchungen zur Aufklärung aller begünstigenden Umstände, Motive und Beweggründe werden fortgesetzt.

  1. Zum nächsten Dokument Vorkommnis in einer Einheit der Streitkräfte der Sowjetarmee

    7. Januar 1970
    Information Nr. 8/70 über ein Vorkommnis in einer Einheit der Gruppe der zeitweilig in der DDR stationierten Streitkräfte der Sowjetarmee, Standort Borstel, Kreis Stendal, Bezirk Magdeburg, am 31. Dezember 1969