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Havarie an der Ferngasleitung 98 bei Greifswald

8. Oktober 1970
Information Nr. 1041/70 über eine Havarie an der Ferngasleitung 98 bei Greifswald, [Bezirk] Rostock, am 30. September 1970

Am 30.9.1970, gegen 8.15 Uhr, wurde bei Meliorationsarbeiten, ausgeführt vom Meliorationskombinat Rostock, Betrieb Neu-Boltenhagen, mit einem Drain-Automaten vom Typ »Meliomat«, die Ferngasleitung 98 (Berliner Ring, Pasewalk – Anklam – Greifswald) bei Hohenmühl, Kreis Greifswald, erfasst und aufgerissen.

Das ausströmende Gas entzündete sich, wodurch der Drain-Automat in Brand gesetzt wurde.

Dabei wurde der Maschinist des Drain-Automaten Lembke, Harry,1 geboren 10.2.1940, wohnhaft Grimmen, [Straße, Nr.], verheiratet, zwei Kinder, infolge der schweren Verbrennungen tödlich verletzt und durch die Explosionswirkung ca. 30 m von der Unfallstelle weggeschleudert.

Der Fahrer der Zugmaschine, die den Drain-Automaten zog, [Name 1, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1934, wohnhaft Kessenbrink, Kreis Grimmen, wurde mit schweren Brandverletzungen in die Klinik Greifswald eingeliefert. Er befindet sich außer Lebensgefahr.

Außerdem entstand ein Sachschaden in Höhe von ca. 150 000 Mark, davon entfallen 130 000 Mark auf den Drain-Automaten, 10 000 Mark auf Reparaturarbeiten und ca. 10 000 Mark auf den Gasverlust.

Der infolge des ständig ausströmenden Gases anstehende Brand erlosch nach Schließen der Schieber gegen 9.30 Uhr.

In der Ferngasleitung sank der Druck von 120 cm Wassersäule auf 40 cm Wassersäule ab, sodass es zu Störungen in der Gasversorgung der Kreise Wolgast und Greifswald kam.

Nach Abschluss der sofort durchgeführten Reparatur wurde gegen 14.00 Uhr die Gasversorgung wieder stabilisiert.

Die durch die Organe des MfS und der DVP im Zusammenwirken mit den anderen zuständigen Institutionen geführten Untersuchungen ergaben Folgendes:

Durch das Meliorationskombinat war die erforderliche Schachtgenehmigung beim VEB Energieversorgung eingeholt worden und hatte eine Gültigkeit bis zum 22.1.1971. Sie lag beim verantwortlichen Bauleiter des Meliorationskombinates, [Name 2, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1940, wohnhaft Greifswald, Meliorations-Ingenieur, vor. Aufgrund dessen war ihm der Leitungsverlauf bekannt und er legte einen Sicherheitsabstand von 10 m fest (100 % über die geforderte Norm von 5 m). [Name 2, Vorname] beauftragte den Meliorationsmeister [Name 3, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1927, wohnhaft Karrendorf, dementsprechende Markierungszeichen zu setzen, überzeugte sich von deren Richtigkeit und wies die mit der Durchführung der Arbeiten beauftragten Lembke und [Name 1] an Ort und Stelle ein.

[Name 3] versäumte es, eine schriftliche Belehrung vorzunehmen, obwohl die ASAO 631/2, Arbeitsschutzanordnung: »Herstellen von Baugruben, Leitungsgräben und Verlegen von Leitungen in die Erde«,2 eine schriftliche Belehrung und die Ausfertigung eines Erlaubnisscheines für Schachtarbeiten fordert. Dieses Versäumnis steht jedoch nicht im kausalen Zusammenhang mit dem Schadensfall.

Die Begrenzung und Markierung Mithilfe von Sträuchern ist, da diese gut sichtbar waren und in der ASAO lediglich gefordert wird »gut sichtbare Markierungen anzubringen«, nicht zu bemängeln.

Die mit der Ausführung der Drainage beauftragten Lembke und [Name 1] hatten gegen 6.30 Uhr die Arbeit aufgenommen und ordnungsgemäß unter korrekter Beachtung der vorgegebenen Markierungspunkte bereits vier Plast-Saugleitungen gezogen. Beim Ziehen der 5. Leitung kam es zum Schadensfall, weil die Markierung aus Unachtsamkeit überfahren wurde. Laut Betriebsordnung, die aus der ASAO 536, § 8 (Signalordnung),3 abgeleitet ist, war der den Drain-Automaten »Meliomat« bedienende Anlagenfahrer Lembke für das Geben der Signale an den Schleppermaschinisten [Name 1] verantwortlich.

[Name 1] gibt an, dass ihm Lembke kein Signal gegeben hat und er deshalb weitergefahren ist. Offensichtlich haben sowohl Lembke als auch [Name 1] beim Ziehen der 5. Saugleitung die Markierung nicht beachtet, wobei die aus der Pflichtverletzung resultierende Schuld bei Lembke liegt. Die objektiven Feststellungen am Schadensort bestätigen den Hergang der Havarie. Die 5. Saugleitung ist 2,45 m vor der Ferngasleitung abgerissen und hat die Ferngasleitung (316 mm Durchmesser, 8 mm Wandstärke, 19 atü Druck) beiderseitig durchschlagen. Durch die damit verbundene Funkenbildung wurde das ausströmende Gas gezündet.

Dieses Vorkommnis sollte Veranlassung sein, von zentraler staatlicher Stelle, alle Betriebe, Einrichtungen, staatlichen und kommunalen Stellen, denen im Zusammenhang mit derartigen Arbeiten Aufgaben und Verantwortlichkeiten erwachsen, zur strikten Einhaltung der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen und insbesondere zur Kontrolle darüber anzufordern, um solche und ähnliche durchaus vermeidbaren Schadensfälle in Zukunft zu unterbinden. Besonderer Wert sollte darauf gelegt werden, dass die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen im jeweils konkreten Falle allen mit derartigen Arbeiten betrauten Personen erläutert und sie schriftlich belehrt und auf die Gefahren bei ihrer Nichteinhaltung hingewiesen werden.

  1. Zum nächsten Dokument Vorkommnis am Ehrenmal in Berlin-Treptow

    8. Oktober 1970
    Information Nr. 1074/70 über ein Vorkommnis während der Kranzniederlegung am Ehrenmal in Berlin-Treptow am 7. Oktober 1970

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    6. Oktober 1970
    Information Nr. 1067/70 über wiederholte technische Störungen an der Starkstromanlage des Datenverarbeitungszentrums Rostock-Südstadt