Havarie eines Triebwerkes des Flugzeuges der Interflug
11. Juli 1970
Information Nr. 714/70 über die Havarie eines Triebwerkes des Flugzeuges der Interflug IL 18 DM – STL am 6. Juli 1970
Am 6.7.1970 startete das Flugzeug der Interflug IL 18 DM – STL um 23.38 Uhr zum Passagiercharterflug IF – 426 Zentralflughaben Berlin-Schönefeld – Varna/Bulgarien.
Um 23.53 Uhr wurde von der Flugzeugbesatzung ein harter Schlag wahrgenommen und der Ausfall des Triebwerkes II – inneres linkes Triebwerk – festgestellt.
Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Interflug-Maschine im Raum Cottbus.
Die Flugzeugbesatzung leitete sofort den Rückflug zum Zentralflughafen Berlin-Schönefeld ein und landete dort mit den drei funktionstüchtigen Triebwerken ohne besondere Vorkommnisse.
Personen wurden durch die Havarie nicht geschädigt.
Durch die eingeleiteten Untersuchungen der Experten der HV Zivile Luftfahrt und des MfS über die Ursachen der Havarie wurde folgender Sachverhalt festgestellt:
Vor dem Start des Flugzeuges übernahm die Besatzung ordnungsgemäß die Maschine und führte die sicherheitstechnischen Kontrollen durch.
Bei der Übernahme der IL 18 wies der Ingenieur vom Startdienst [Name 1] den Bordingenieur [Name 2] auf eine Beanstandung der Start- und Reiseleistung des Triebwerkes II hin. Die anderen Parameter (Steig- und Landleistung) des Triebwerkes II seien jedoch normal gewesen.
Zur Ermittlung der Ursache des Leistungsabfalls vereinbarten beide entsprechend den bestehenden Anordnungen, dass Bordingenieur [Name 2] während des Fluges ein Protokoll über die Parameter des Triebwerkes II anfertigt.
Die Freigabe und der Start der IL 18 wurde zugelassen, da die Temperaturabweichungen noch im Bereich der zulässigen Normwerte lagen.
Beim Anlassen der Triebwerke wurde durch den Bordingenieur ein normales Ansteigen der Abgastemperaturen an den Triebwerken I, III und IV auf die Temperatur von 700 °C beobachtet. Die Abgastemperatur des Triebwerkes II stieg jedoch auf 740 °C an.
Auch beim Erreichen der Leerlaufdrehzahl betrug die Abgastemperatur des Triebwerkes II bereits 350 °C, entgegen den sonst üblichen 300 °C.
Bis zum Eintreten der Havarie seien nach Angaben der Besatzungsmitglieder keine Normalabweichungen am Triebwerk II bzw. an einem der anderen drei Triebwerke feststellbar gewesen.
Bei der Demontage der äußeren Verkleidung des Triebwerkes II wurde die vollkommene Zerstörung des Triebwerkverdichters erkannt.
Die Deformationsspuren am Verdichter und an den Verkleidungsteilen des Triebwerkes II sowie der Zustand innerhalb des Verdichters lassen nach Angaben der Experten die eindeutige Aussage zu, dass die Zerstörung des Triebwerkes von innen heraus erfolgte. Ein gewaltsames Einwirken von außen wird ausgeschlossen.
Es liegen auch keine Anzeichen für das Einwirken von Fremdkörpern vor.
Nach den bisherigen Erkenntnissen der Untersuchungen kommen als Ursachen der Havarie nur eine Überhitzung des Triebwerkes oder die Alterung des Materials in Frage.
Die Klärung der Ursache wird entsprechend einer Vereinbarung der HV Zivile Luftfahrt mit den sowjetischen Dienststellen durch eine Untersuchung des havarierten Triebwerkes II im Herstellerwerk erfolgen.
Außerdem werden technische Materialuntersuchungen einiger sichergestellter Bruchstücke des Verdichters durch die Prüfstelle für Luftfahrtgeräte Dresden vorgenommen.