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Kritik an der »Lausitzer Rundschau«

30. Juni 1970
Information Nr. 668/70 über hervorgetretene politisch-ideologische Unklarheiten und Erscheinungen der politisch-ideologischen Diversion in Verbindung mit »Kritiken« an der inhaltlichen Gestaltung der »Lausitzer Rundschau«

Nach dem MfS vorliegenden Hinweisen traten in zwei Fällen bei Diskussionen in GO-Versammlungen über die inhaltliche Gestaltung der »Lausitzer Rundschau«1 politisch-ideologische Unklarheiten zutage. Einzelne Genossen erhoben dabei Forderungen nach einer sogenannten offeneren Berichterstattung des Bezirksorgans, einer ausführlicheren Berichterstattung über Schwierigkeiten und ihre Ursachen sowie einer stärkeren Auseinandersetzung mit »Argumenten« des Gegners. Bei den bekannt gewordenen zwei Grundorganisationen handelt es sich um die WPO 2 in Doberlug-Kirchhain (in der großen Mehrzahl Rentner) und um die GO der NVA-Bauunterkunftsabteilung Cottbus (fast nur Zivilangestellte).

Im Einzelnen ist bisher Folgendes bekannt:

Um die diskutierten Probleme an die Redaktion der »Lausitzer Rundschau« heranzutragen, beauftragten die Mitglieder der WPO 2 in Doberlug-Kirchhain einen Genossen mit der Abfassung eines Schreibens an die »Lausitzer Rundschau« (am 5.6.1970 übersandt), während sich die GO der NVA den stellvertretenden Chefredakteur und einen Abteilungsleiter zur Beantwortung entsprechender Fragen, die vorher schriftlich eingereicht worden waren, für den 11.6.1970 einlud.

In beiden Fällen wurden Forderungen nach einer »objektiven« Berichterstattung erhoben. Es soll nicht nur über Erfolge, sondern breiter Mängel und Schwierigkeiten, ihre Ursachen und die Wege zu ihrer Überwindung geschrieben werden. Begründet wird das u. a. damit, dass über die negativen Erscheinungen in den imperialistischen Ländern auch ausführlich berichtet werde. Die Zeitung müsste offener für Kritik werden.

So schreibt der Verfasser der Zuschrift aus Doberlug-Kirchhain, [Name, Vorname] – Ingenieurökonom bei Schumann KG2 Doberlug-Kirchhain, u. a.: »Wir, als Mitglieder unserer Partei, dürfen nicht den Fehler machen und annehmen, dass das, was wir als Erfolg und Fortschritt verbuchen, von der Masse unserer Bevölkerung genauso eingeschätzt wird.« An anderer Stelle heißt es: »… es (ist) gut, wenn über Erfolge berichtet werden kann. Doch darf man darüber Schwierigkeiten nicht wie bedeutungslose Nebenerscheinungen behandeln. Zurzeit stehen wir in unserer Wirtschaft vor großen Schwierigkeiten, die wir nur überwinden können, wenn sie bekannt sind, wenn man sie richtig einschätzt … Die nachweisliche Beseitigung von Missständen würde für die Bevölkerung als größerer Erfolg stehen, als es die Verkündung von Vorhaben und Verpflichtungen sein können, die für den Nichteingeweihten sowieso in ihrer Erfüllung nicht nachprüfbar sind.«

In der Fragestellung der Zivilangestellten der NVA kommen ähnliche Auffassungen zum Ausdruck.

Eine »objektivere« Information wird in beiden Beispielen auch zum politischen Weltgeschehen gewünscht.

So schreibt der Gen. [Name], der offensichtlich vorwiegend seine persönliche Meinung wiedergibt, dass internationale Meldungen ausführlicher gebracht werden müssten. »Bessere Berichterstattung von den Kriegsschauplätzen« könne viele heiße und unnötige Diskussionen ersparen.

Weiter solle das Verhalten Rumäniens3 zu bestimmten politischen Problemen kommentiert werden. Ein »Totschweigen von Ereignissen schafft keine Probleme aus der Welt«. So sei es betreffs Chinas besser, sich mit dem »roten Buch«4 und anderen Schriften auseinanderzusetzen, um zu beweisen, dass unser Weg richtig, derjenige der Mao5-Clique falsch sei.6 Ebenso würden Auseinandersetzungen mit den Auffassungen von Marcuse,7 Sartre,8 Garaudy,9 Fischer10 u. a. fehlen.

Die Berichte über den Klassenkampf in Westdeutschland und anderen kapitalistischen Staaten würden auf die Bevölkerung oft negativ wirken, weil mancher nicht einsehe, warum z. B. Lohnforderungen in diesen Ländern, nicht aber bei uns gestellt werden dürften, obwohl es auch bei uns Preissteigerungen gäbe.

(Gen. [Name] erarbeitete die sechs Seiten umfassende Zuschrift an die Redaktion der »Lausitzer Rundschau« allein, ließ sie sich jedoch von der Leitung der GO bestätigen. Während die Genossen viel über Mängel und Schwierigkeiten diskutieren, wird die politisch-ideologische Arbeit vernachlässigt.)

Unter den Zivilangestellten der NVA-Dienststelle kommt die Tendenz zu »objektiverer« Information durch die Publikationsorgane u. a. in solchen Fragestellungen bzw. Meinungen zum Ausdruck:

  • »Warum spricht man in den Publikationsorganen immer von Westdeutschland, obwohl amtlicherseits von BRD und DDR gesprochen wird?«

  • »Parteiliche Berichterstattung ist nicht immer ausreichend. Informationen, die vom Westen gesendet und von einem Teil der Bevölkerung gehört werden, kursieren schneller als eine Zeitungsnotiz … bei uns informieren kann.«

  • Die Zeitung müsste mehr auf das eingehen, was der Westen über Fernsehen und Rundfunk veröffentlicht. »Ihr müsst schneller sein als die anderen, damit die Leute ihre Informationen nicht erst von drüben holen müssen.«

  • »Warum wird nicht alles veröffentlicht (Inhalt der Beratungen der bezirklichen Organe; Abstürze von Flugzeugen der NVA)?«

Die Bezirksleitung der SED Cottbus, die BPKK und die zuständige KPKK sind ausführlich informiert.

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    30. Juni 1970
    Information Nr. 675/70 über das geplante Verhalten sudanesischer Studenten in der DDR anlässlich des Staatsbesuches von Generalmajor Nimeri

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    30. Juni 1970
    Information Nr. 667/70 über eine Störung im VEB Petrolchemisches Kombinat Schwedt, Stammwerk Schwedt, [Bezirk] Frankfurt/O., am 25. Juni 1970