Direkt zum Seiteninhalt springen

Politisch-operative Situation im Bezirk Gera

[ohne Datum]
Hinweise zur politisch-operativen Situation im Bezirk Gera [K 2/3]

1. Die wesentlichsten politisch-operativen Schwerpunkte bestehen

  • in der komplexen Absicherung strukturbestimmender Industriezweige, insbesondere wissenschaftlicher Gerätebau und Mikroelektronik/Elektrotechnik. Dazu gehören solche Objekte wie

  • VEB Carl Zeiss Jena, VEB Keramische Werke Hermsdorf, VEB Kunstfaser Rudolstadt, VEB Kombinat WMW Union Gera.

    Verhinderung der Störtätigkeit gegen diese Objekte.

  • im Schutze der Staatsgrenze vor feindlichen Angriffen von außen und innen (Grenzbezirk: 66 km Staatsgrenze zu Westdeutschland, drei GÜST, Transitstrecken) (Aufklärung westliches Vorfeld, Verhinderung von Grenzprovokationen und -durchbrüchen, Schutz der GÜST und Transitstrecken)

  • im Schutze der im Bezirk dislozierten militärischen Objekte und Einrichtungen, Einheiten und Übungen vor allen feindlichen Angriffen (Sowjetarmee, NVA einschließlich NVA/Grenze)

  • in der komplexen Absicherung der »Friedrich-Schiller-Universität« Jena (ca. 10 000 Beschäftigte, gehört zu drei Modell-Universitäten der DDR) und der vorhandenen Fachschulen

  • in der Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion1 und der Kontaktpolitik des Gegners und ihrer Wirksamkeit insbesondere unter politisch-operativ interessanten Personenkreisen.

  • in der konzentrierten Aufklärung der staatsfeindlichen Propaganda und Hetze sowie der angrenzenden Kriminalität (z. B. Rowdytum, Waffendelikte, Dekadenz usw.)

2. Politisch-ideologische Situation der Bevölkerung des Bezirkes Gera unter besonderer Berücksichtigung der gegnerischen Beeinflussung durch die politisch-ideologische Diversion

2.1. Die politisch-ideologische Grundhaltung der Bevölkerung des Bezirkes Gera ist überwiegend als positiv einzuschätzen. Höheres Staatsbewusstsein drückt sich u. a. aus in der Zustimmung zur Politik von Partei und Regierung, in der Unterstützung der Haltung der Delegation der DDR zum Erfurter Treffen2 usw., in der Abgabe und Realisierung von zahlreichen Verpflichtungen zu politischen Höhepunkten, im Aufholen von Planrückständen in der Volkswirtschaft.

2.2. Trotz überwiegend positiver politischer Grundhaltung bei einer Reihe von Bürgern aus allen Schichten der Bevölkerung politisch unklare, schwankende, negierende und zum Teil auch feindliche Auffassungen.

Die politisch-ideologischen Angriffsrichtungen des Gegners spiegeln sich in der Reaktion der Bevölkerung wider.

Infolge Abhörens von Westfunk, -fernsehen Unklarheiten, Schwankungen etwa seit Februar 1970 – Erfurter Treffen – verstärkt:

  • falsche Beurteilung bzw. Nichterkennung der Aggressivität des westdeutschen Imperialismus,

  • Überschätzung der Position der SPD/FDP-Regierung,3

  • Aufwertung der Person Brandts,4

  • Zweifel an der Festigung des sozialistischen Weltsystems.

Auftretende negative Haltungen richten sich:

  • gegen die Politik von Partei und Regierung,

  • gegen die SU,

  • gegen die Staatsgrenze der DDR, gegen Schutzmaßnahmen (verstärkt unter Bevölkerung des Sperrgebietes),5

  • gegen die Haltung unserer Regierung zum Erfurter Treffen (gegen eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR),

  • gegen den »Aufwand« zu den Feierlichkeiten anlässlich des 20. Jahrestages der DDR,6

  • gegen die Wirtschaftspolitik der DDR (im Zusammenhang mit zeitweise auftretenden Mängeln im Handel und in der Versorgung).7

In politischen Spannungszeiten erhöhen sich im Gesamtbild der Reaktion der Bevölkerung politische Forderungen auf:

  • Erleichterungen im Reiseverkehr, Schwerpunkt Grenzkreise,

  • Aufhebung des Sperrgebietes,

  • »freie Wahlen«,

  • Verbesserung der Handelstätigkeit und des Angebotes.

2.3. Bevölkerungskreise mit erheblichen politisch-ideologischen Unklarheiten, negativen Einstellungen:

  • junge Intelligenz/Studenten- und Schülerkreise (besonders Studenten, Berufsschüler, EOS, POS, pädagogische Intelligenz),

  • Jugendliche mit dekadenten Verhaltensweisen,

  • konfessionell gebundene Personenkreise (darunter eine Reihe Jugendlicher),

  • Handwerker und Gewerbetreibende,

  • Bewohner der Grenzsperrgebiete,

  • Rentner (besonders solche, die nach WD/WB reisen) und andere Personen mit aktiver Westverbindung.

Das Abhören von Westrundfunk und -fernsehen wird als umfangreich eingeschätzt.

Gewinnt besondere Bedeutung während politischer Spannungszeiten. Insgesamt ansteigende Tendenz. (Schwerpunkte: Jugendliche, Angehörige der Intelligenz, feindlich-negative Personen, die bereits operativ bearbeitet werden)

2.4. Aktivitäten der Kirche beider Konfessionen vorhanden. Schwerpunkt: negativ und oppositionell eingestellte evangelische Kreise.

  • Seit 1969 – besonders mit Bildung des »Bundes evangelischer Kirchen in der DDR«8/Trennung von der westdeutschen evangelischen Kirche – verstärkte oppositionelle Bestrebungen und Versuche, progressive Kräfte auszuschalten und Positionen der reaktionären Kräfte zu stärken.

    Ziel: 1970 neu zu wählenden Landesbischof (Mitzenheim9 tritt zurück) aus Reihen reaktionärer Kräfte zu delegieren.

    Damit Hintertreibung der staatlichen Kirchenpolitik.

  • Verstärkte Konzentrierung auf Beeinflussung und Gewinnung der Jugend, besonders intellektueller Kreise. (ESG, KSG) – Schwerpunkt: Universität Jena –;

  • Durchführung von »Jungakademikertagungen«, Bestrebungen zur Bildung einer »ASO« (»Außersynodale Opposition« nach Beispiel der »APO« Westdeutschlands10);

  • Organisierung »jugendgemäßer« Veranstaltungen;

  • Konzentrierung auf die Laienbewegung;

  • Entwicklung der »Patenschaftsarbeit« (Aufrechterhaltung der Verbindung zu grenznahen Kirchengemeinden in Westdeutschland);

  • Durchführung politisch verbrämter kirchlicher Veranstaltungen.

2.5. Wirken der Sekten:

Schwerpunkt: illegale Sekte »Zeugen Jehovas«.11

Entwickelt etwa seit Anfang 1969 starke Aktivität mit Erfolg: ständiges Anwachsen der Mitgliederzahl. (typisch für südliche Bezirke der DDR) Damit Zunahme der Zahlen der Nichtwähler.

2.6. Bezirk Gera kein Schwerpunkt auf dem Gebiet der Kunst- und Kulturschaffenden

  • Es bestehen jedoch ideologische Unklarheiten im Bezirksverband der bildenden Künstler.

    Besonders von jüngeren Künstlern, die von den Hochschulen kommen, werden zum Teil revisionistische Auffassungen zur sozialistischen-realistischen Kunst vertreten.

    Erscheinungen der Dekadenz.

    Ablehnung der Zusammenarbeit und Auftragserteilung an Volkskunstkollektive.

  • Lyriker Kunze, Reiner12 (Greiz).

    Verfasser von »Sensible Wege«,13 hohe Auflage in WD (revisionistischer, zum Teil parteifeindlicher Gedichtband). Einflussmöglichkeiten des K. auf die Bevölkerung des Bezirkes Gera nicht wesentlich. Jedoch zahlreiche Verbindungen zu Schriftstellern der DDR, ČSSR und WD, vorwiegend zu solchen, die die Kulturpolitik der DDR ablehnen. (K. wird operativ bearbeitet)

2.7. Kontakttätigkeit

  • Über gezielte personifizierte Kontakttätigkeit im Rahmen der politisch-ideologischen Diversion von westlicher Seite her ungenügende Aufklärungsergebnisse vorliegend.

  • Kontakte zu westlichen Zentren der politisch-ideologischen Diversion (Westsender, Starclubs) im Zusammenhang mit Musik u. a. Sendungen, nach bisherigen Erkenntnissen überwiegend aus eigener Initiative von

    • Studenten der Hoch- und Fachschulen des Bezirkes

    • Schülern der oberen Klassen der POS/EOS (z. B. schreiben Klassen gemeinsam)

    aufgenommen und unterhalten.

  • -

    Außer Musik- und Autogrammwünsche werden zum Teil negativ­feindliche Meinungen zu politischen Problemen und zur Entwicklung in der DDR übermittelt.

  • An der durch den Bezirk führenden Transitstrecke suchen westlich beeinflusste Jugendliche verstärkt persönliche Kontakte zu Westbürgern oder sympathisieren mit ihnen durch Zuwinken.

    Zum Teil erhalten sie Zigaretten, Schokolade und Genussmittel.

  • Negativ-feindlich eingestellte Kultur- und Kunstschaffende suchen und unterhalten Kontakte

    • zur Beschaffung westlicher, dekadenter Kunsterzeugnisse

    • um eigene »Kunstwerke« in WD verlegen zu lassen, weil in DDR wegen falscher Tendenzen nicht gedruckt.

    • Westarbeit der FDJ wirkt sich zum Teil so aus, dass FDJ­Funktionäre von politisch-ideologischer Diversion stärker beeinflusst als Westpartner von sozialistischer Ideologie und Entwicklung in DDR.

2.8. Schlussfolgerungen:

  • Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion muss wesentlich verstärkt, zielgerichteter und systematischer geführt werden;

  • Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion stärker mit Lösung der Frage »Wer ist wer?« verbinden – auf diesem Gebiet große Anstrengungen notwendig, um zu systematischer, schwerpunktmäßiger Arbeit zu gelangen;

  • gründlichere Herausarbeitung, welche Personenkreise der Gegner wie angreift;

  • Wirksamkeit und Auswirkungen der politisch-ideologischen Diversion einschätzen und Träger aufklären;

  • Herausarbeitung der Wechselwirkung und Zusammenhänge zwischen der politisch-ideologischen Diversion, den anderen Arten der Feindtätigkeit und negativen Vorkommnissen;

  • schwerpunktmäßige, systematische und differenzierte Aufklärung kontaktinteressierter bzw. kontaktverdächtiger Personen (»Wer ist wer?«) und des Charakters der Kontakte mit inoffiziellen Kräften und Möglichkeiten;

  • analytische Untersuchung und Einschätzung der Kontakttätigkeit nach Charakter und Wirksamkeit der Kontakte, angefallenen Personenkreisen, Ursachen und begünstigenden Bedingungen der Kontaktaufnahme;

  • Einleitung konkreter Maßnahmen auf Grundlage der Aufklärungs- und analytischen Ergebnisse zur wirksamen Zurückdrängung der Kontakttätigkeit und der sie begünstigenden Bedingungen unter Einschaltung anderer staatlicher Organe und gesellschaftlicher Kräfte.

2.9. Einschleusung von Hetzschriften

  • erheblicher Rückgang gegenüber Vorjahren bei Balloneinflug

    • 1969 – 70 000 Stück

    • 1968 – 282 000 Stück

    • 1967 – 568 000 Stück

  • größten Anteil haben

    • »Volksarmee«

    • »Mitteldeutsche Arbeiterzeitung«

    • »Information – Berlin Edition«

    • verschiedene »Dokumente«

    • »Grundlagenmaterial für den Politunterricht«

  • auf dem Postwege annähernd gleichbleibende Tendenz (2. Halbjahr 1968 – 23 000, 1. Halbjahr 1969 – 21 000, 2. Halbjahr 1969 – 19 000)

    Großer Teil stammt aus Zentren der Bundeswehr.

  • Im März 1969 – während Leipziger Frühjahrsmesse – erstmals auf Parkplätzen, Autobahn – Leipzig – Hirschberg Ablage von Hetzschriften in größerer Zahl (3 500 »Mensch oder Maschine«)

3. Äußere Abwehr

Entsprechend meinem Auftrag wurde die äußere Abwehrarbeit der BV Gera durch eine Brigade der ZAIG in der Zeit vom 1. bis 17. Dezember 1969 überprüft. Die Überprüfung brachte folgendes Ergebnis:

3.1. Zur Schaffung und Durchsetzung leitungsmäßiger Voraussetzungen für die Organisierung der äußeren Abwehr durch den Leiter der BV, dessen Stellvertreter Operativ und die Leiter der Abteilungen (siehe Bericht Gera S. 4–814)

3.2. Leiter der BV

Insgesamt ist einzuschätzen:

  • Die Entwicklung und die Ergebnisse der äußeren Abwehr der BV Gera entsprechen nicht den Erfordernissen.

    Hauptursache:

  • Leiter der BV hat nicht die erforderlichen leitungsmäßigen Voraussetzungen geschaffen, um die äußere Abwehr auf die von mir und meinen Stellvertretern wiederholt geforderte Qualität zu heben.

  • (Siehe meine grundsätzlichen Orientierungen und Aufgabenstellungen:

    • Zentrale Dienstkonferenz vom 30.11.196615

    • Zentrale Dienstkonferenz vom 24.5.196816

    • Zentrale Dienstkonferenz vom 12.6.1968

    • Zentrale Dienstkonferenz vom 13./14.3.1969

    • Befehl 40/6817 und andere dienstliche Bestimmungen)

  • Leiter der BV und Stellvertreter Operativ verfügen nur über äußerst unzureichende Leitungsdokumente zur Organisierung der äußeren Abwehr.

  • Keine einheitliche Orientierung für Diensteinheiten gegeben, wie äußere Abwehr komplex und koordiniert entwickelt werden muss.

    (Mangelnde Konkretheit und Zielstrebigkeit brachte mit sich, dass die einzelnen Linien18 bisher isoliert voneinander arbeiteten.)

  • Im Leitungskollektiv der BV keine generellen Absprachen und Festlegungen zur äußeren Abwehr – 1969 keine einzige Leitungssitzung zu diesem wichtigen Gebiet unserer tschekistischen Arbeit.

  • Leiter der BV erließ bisher keine speziellen und komplexen Weisungen zur Organisierung der äußeren Abwehr.

  • Führungskonzeption des Leiters der BV für 1970 nur unzureichende Vorgaben – nicht durch spezielle Festlegungen konkretisiert.

  • Mein Befehl 40/68, Richtlinie 2/6819 und Dienstkonferenz vom 13./14.3.1969 nicht zum Anlass genommen, konkrete Aufgaben zu entwickeln.

    • (Nur wörtliche Wiedergabe meiner Orientierungen und Aufgabenstellungen – keine konkrete und schöpferische Umsetzung.

    • Wesentliche Aufgaben der Dienstkonferenz vom 13./14.3.1969 nicht realisiert; z. B. Bestandsaufnahme der auf dem Gebiet der äußeren Abwehr tätigen IM erfolgte nicht.)

  • Die im Bezirk Gera objektiv vorhandene große inoffizielle und offizielle Basis für die Organisierung der äußeren Abwehr wurde bisher – trotz meiner wiederholten Weisungen – nicht bzw. nur äußerst mangelhaft genutzt.

3.3. Stellvertreter Operativ

  • Genosse Weigelt20 und Genosse Kairies21 haben versucht, auf ihren Linien Ordnung zu schaffen.

    (Beginn der Säuberung des IM-Netzes, Erhöhung der Konspiration, zielgerichtete Aufträge, Anfänge der Koordinierung, mündliche Orientierungen an Abteilungsleiter).

  • Weitere Anstrengungen notwendig.

    Mehr Systematik – Planmäßigkeit – Exaktheit.

3.4. Abteilungsleiter (II,22 VII,23 XVIII,24 XIX,25 XX26) siehe Bericht Gera S. 8–10

  • Hier Bemühungen zur Verbesserung der äußeren Abwehr spürbar (mit Ausnahme der Abteilungen VII und XIX).

  • Gestützt auf meine dienstlichen Bestimmungen und die Orientierungen der HA werden durch Abteilungsleiter – wenn auch noch mit unterschiedlicher Qualität – Vorstellungen zur Hebung der Effektivität der äußeren Abwehr entwickelt.

  • Abteilungsleiter haben gute und brauchbare Gedanken zur Verbesserung der Arbeit – jedoch sichtbarer Widerspruch zu den Arbeitsergebnissen.

  • Hauptsächliche Ursachen:

    • Das Fehlen einer gründlichen Analyse des Standes der äußeren Abwehr – dadurch wird in den Abteilungen eine systematische und zielstrebige Entwicklung der äußeren Abwehr wesentlich erschwert.

    • Die in der bisherigen Arbeit unzureichende qualitative und quantitative Entwicklung der IM-Basis in Verbindung mit der nicht durchgeführten objektiven Bestandsaufnahme der IM – äußere Abwehr.

    • Die nicht zielstrebige und allseitige Feststellung und Nutzung der operativen Basis des Bezirkes – bis in KD – und nicht zuletzt

    • die fehlende spezielle und komplexe Orientierung zur Gestaltung der äußeren Abwehr durch den Leiter der BV.

  • Leiter der Abteilungen waren somit vorwiegend von der Anleitung und Hilfe durch HA abhängig.

3.5. Einschätzung des Standes der äußeren Abwehr der Linien II, VII, XVIII, XIX und XX (siehe Bericht S. 10–16)

3.6. Gesamteinschätzung

  • Ergebnisse entsprechen – von Ausnahmen abgesehen – insgesamt nicht den Erfordernissen

    • (Geringe Zahl geeigneter IM, die im oder nach dem Operationsgebiet27 arbeiten;

    • ungenügende Ausnutzung der objektiv vorhandenen vielfältigen Möglichkeiten, die der Bezirk für die Organisierung der äußeren Abwehr bietet;

    • ungenügender operativer Wert der beschafften Informationen)

  • Überprüfte Linien haben insgesamt 22 IM im Operationsgebiet.

  • 100 weitere IM, davon 60 Reisekader-IM, kommen zeitweilig zum Einsatz.

    • Von den 22 IM entsprechen nur etwa die Hälfte den Anforderungen. (Bei den übrigen Abschreibungen notwendig, da Verdacht der Doppelagententätigkeit, mangelnde Möglichkeiten der IM, fehlende Bereitschaft der IM u.  Ä.)

    • Große Schwächen und Unzulänglichkeiten im Verbindungswesen – fast alle Treffs finden in der DDR bzw. in der Hauptstadt der DDR statt.

  • Ein nicht geringer Teil der IM ist dekonspiriert.

  • Keine objektive und umfassende Einschätzung und Beurteilung des Wertes, der Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit der IM.

  • Ungenügende Aufklärung der IM – Unsicherheitsfaktoren werden nicht immer gründlich erforscht und rechtzeitig beseitigt.

  • Es werden vielfach Personen geworben, die sich bei uns anboten, ins Blickfeld setzten oder moralisch nicht einwandfrei waren.

Zusammenfassung:

  • Quantität und Qualität der IM auf dem Gebiet der äußeren Abwehr entsprechen nicht den Erfordernissen.

  • Meine gegebenen Orientierungen und Aufgabenstellungen und die in der Richtlinie 2/68 enthaltenen qualitativen Anforderungen an die Arbeit mit IM sind nicht zum Tragen gekommen.

Grundaufgabe:

  • Alle operativen Diensteinheiten müssen die vorhandenen IM einer gründlichen und objektiven Analyse unterziehen – siehe meine Vorgaben auf der Dienstkonferenz vom 13./14.3.196928 – um zu einer genauen Bestandsaufnahme zu kommen, wo sie konkret stehen.

  • Basis der IM im Operationsgebiet erweitern und Grundlagen für Werbungen solcher Personen schaffen, die keine »Ostkontakte« haben – sogenannte saubere Quellen.

3.7. Im Folgenden noch einige wesentliche Gedanken zur Lage in den einzelnen Abteilungen

Abteilung II (siehe Bericht S. 17)

  • zehn IM im Operationsgebiet

  • 27 IM arbeiten mit größeren Abständen zeitweilig im Operationsgebiet.

  • IM sind qualitativ nicht geeignet, die der Abteilung obliegenden Aufgaben im Operationsgebiet zu erfüllen.

    • Verfügen nur über geringe Möglichkeiten zur Gewinnung von Informationen;

    • nur drei IM haben Voraussetzungen, Personen im Operationsgebiet aufzuklären, zu kontaktieren, abzuschöpfen usw.;

    • drei IM unzuverlässig – ein IM steht im Verdacht der Doppelagententätigkeit;

    • keinem IM ist es gelungen, in ein feindliches Objekt einzudringen bzw. an einen Mitarbeiter dieser Objekte heranzukommen.

Abteilung VII (siehe Bericht S. 18–19)

  • ein IM und ein IM-Vorlauf im Raum Bayern

    (Verbindung ist abgebrochen – weitere Zusammenarbeit nicht zweckmäßig)

  • -

    Also: Faktisch kein IM vorhanden

  • Ursachen liegen in der gesamten fehlerhaften Arbeitsweise begründet:

    • einseitige Orientierung auf Werbungen im Rahmen der gesamtdeutschen Arbeit;

    • Nichtbeachtung der Arbeitsweise imperialistischer Geheimdienste und von Gefahrenmomenten;

    • ohne Überprüfung der IM vorzeitige offensive Beauftragung;

    • Einsatz von ungeeigneten IM der inneren Abwehr zur Kontaktierung Westdeutscher.

  • -

    (Die im Zusammenhang mit der Beurlaubung des ehemaligen Leiters VII getätigten Untersuchungen erbrachten den Verdacht, dass es durch unverantwortliche Arbeitsweise des ehemaligen Leiters der Abteilung dem Gegner gelungen ist, in unser IM-System einzudringen.)

Aufgabe:

Mit Organisierung der äußeren Abwehr völlig neu beginnen.

Abteilung XVIII (siehe Bericht S. 19/20)

  • sechs IM im Operationsgebiet – alle OD29 Jena

  • -

    Abteilung XVIII selbst keinen IM – auch keinen Vorlauf.

  • -

    Von diesen sechs sind zwei IM westdeutsche Bürger – zu einem seit eineinhalb Jahren keine Verbindung.

  • -

    Die anderen vier IM als DDR-Bürger im Auftrag des VEB Carl Zeiss in Gemischten Gesellschaften bzw. Zeiss-Vertretungen tätig – stehen ständig im Blickfeld des Gegners.

  • -

    Richtige Beauftragung – zum Teil gute Ergebnisse.

Schwerpunkt XVIII – Schaffung geeigneter IM in und an den Objekten der Störtätigkeit

Abteilung XIX (siehe Berichte S. 20–21)

  • Kein IM im Operationsgebiet – auch keinerlei Voraussetzungen geschaffen.

  • Im Prinzip keine Arbeit auf dem Gebiet der äußeren Abwehr.

Abteilung XX (siehe Bericht S. 21–22)

  • fünf IM im Operationsgebiet

  • sieben IM-Vorläufe

  • ein IM arbeitet in einem Schwerpunktobjekt.

  • vier IM haben ausbaufähige Verbindungen geschaffen (NPD, Landsmannschaften)

  • Leisten relativ gute Arbeit.

  • Nach weiterer Überprüfung und Qualifizierung in der Lage, in entsprechende Positionen einzudringen.

(Einige Faktoren beachten, die einer erfolgreichen Arbeit entgegenstehen können:

  • Alle IM haben aktive »Ostkontakte« und werden in der DDR getroffen; davon steht ein IM in Fahndung, und ein IM ist Mitglied der NPD.

  • Von der Übersiedlung eines IM erhielten viele Personen im MfS, in der VP und im Staatsapparat Kenntnis – keine saubere tschekistische Arbeit.

3.8. Die Ausnutzung der operativen Basis und der objektiv vorhandenen Möglichkeiten für die Organisierung der äußeren Abwehr (siehe Bericht S. 33–40)

Verbindungen und Möglichkeiten der IM der inneren Abwehr

  • Neben einigen guten Beispielen gibt es keine verbindlichen Regelungen und Maßnahmen zur Erfassung, Aufbereitung und Nutzung der Verbindungen und Möglichkeiten der IM (lediglich KD Jena hat mit Erfassung begonnen).

  • (In der ZAIG liegen Materialien der BV Karl-Marx-Stadt, aus denen exakt hervorgeht, wie der Leiter der BV ein System der Erfassung und Nutzung der Verbindungen der IM geschaffen hat – Bericht äußere Abwehr Karl-Marx-Stadt S. 33–37 und Anlagen 1–6.)

  • In Durchsetzung meines Befehls 40/68 und der Dienstanweisung 9/67 des Leiters der BV Karl-Marx-Stadt30 wurden im Bereich der BV ca. 400 operativ interessante und perspektivvolle Verbindungen von IM in das Operationsgebiet bekannt.

  • Dabei handelt es sich z. B. um folgende Verbindungen:

  • zu Personen, die in den gemäß DA 9/67 festgelegten Schwerpunktgebieten wohnen bzw. in der Umgebung von Schwerpunktobjekten des Operationsgebietes tätig sind;

  • zu Personen, die in staatlichen Organen, Organisationen und operativ interessanten Einrichtungen tätig sind, bzw. zu Personen, die direkte und indirekte Verbindungen zu Mitarbeitern dieser Stellen unterhalten;

  • zu Personen, die sich aufgrund bisher bekannter Fakten als Werber bzw. Zwischenwerber im Operationsgebiet eignen könnten.

  • (Festgestellte Verbindungen erfasst und zentrale Nutzung organisiert. Ergebnis: Eine Reihe von Werbungen im Operationsgebiet durchgeführt. Inhalt und Methodik dieser umfassenden Maßnahmen geht aus einem bei der ZAIG vorhandenen Überprüfungsbericht hervor.)

Nutzung der Einreisen aus dem Operationsgebiet und der Durchreisen durch die DDR

  • Einreisen in den Bezirk Gera bieten eine breite Skala von Möglichkeiten, die wesentlich zielstrebiger und konsequenter als bisher genutzt werden müssen

  • (z. B. Einreisen aus Westdeutschland in der Zeit vom 1.1.1968–30.6.1969 = 70 031 Personen, vorwiegend aus Hamburg, Bremen, Frankfurt/M., München, Hannover, Nürnberg; im gleichen Zeitraum aus NATO-Ländern = 4 957 Personen).

  • Hier liegen noch große ungenutzte Reserven

    • Operative Abteilungen erhalten vom Referat RT31 nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen;

    • an vorhandenem operativen Material wird nicht systematisch gearbeitet;

    • Entsprechende Informationsflussregelungen notwendig;

    • Verstärkung der Kontrolle darüber, ob und wie die operativen Diensteinheiten erhaltene Informationen bearbeiten;

    • Operative Kontrolle der Übernachtungen in den Interhotels des Bezirkes äußerst mangelhaft.

      (Bei der ZAIG liegen Materialien der BV Karl-Marx-Stadt, aus denen die erforderlichen Regelungen zur operativen Arbeit auf diesem Gebiet ersichtlich sind – Bericht äußere Abwehr Karl-Marx-Stadt S. 37–45 und Anlagen 2, 7 und 8 des Berichtes – verallgemeinerungswürdig.)

Die Nutzung der Ausreisen aus dem Bezirk Gera in das Operationsgebiet

  • Die gesamte Breite der Möglichkeiten der Ausreisen wird nicht systematisch genutzt.

  • Referat RT registriert nur.

  • (Ausreisen 1.1.1968–30.6.1969 nach Westdeutschland = 58 155 Personen, nach Westberlin = 3 378 Personen, NATO-Länder = 893 Personen)

  • Qualität der Auftragserteilung an Reisekader-IM ist unterschiedlich und wird nicht planmäßig koordiniert und für die Aufgaben aller operativen Abteilungen genutzt.

Die Nutzung der in der Personenkartei-West der AIG erfassten Informationen

  • Seit Bestehen der West-Kartei wurden 7 068 Personen erfasst.

  • Operativer Wert der gespeicherten Informationen gering, besonders ihre Verwertbarkeit für die Schaffung und Erweiterung der inoffiziellen Basis im Operationsgebiet.

  • Informationen werden kaum ergänzt und aktualisiert. (Bei ZAIG liegen Materialien, die aussagen, wie die BV Karl-Marx-Stadt und Schwerin die Arbeit auf diesem Gebiet mit Erfolg praktizieren – Bericht Karl-Marx-Stadt S. 45–47, Dienstanweisung des Leiters BV Schwerin 2/69.32)

Die Nutzung der Möglichkeiten der Abt. M33 und PZF34 für die äußere Abwehr

  • Die Ergebnisse zeigen Mängel in der bedarfsgerechten Auswahl der operativen Materialien, die von der -M­ den operativen Diensteinheiten übergeben werden; -M- war bis Mitte 1969 von der konkreten politisch-operativen Arbeit weitgehend isoliert.

  • Es werden bereits Maßnahmen zur Überwindung dieses Zustandes eingeleitet.

Schlussfolgerung:

Insgesamt kommt es darauf an, die Ausnutzung der operativen Basis und der objektiv vorhandenen Möglichkeiten für die Organisierung der äußeren Abwehr durch koordiniertes Zusammenwirken der beteiligten Diensteinheiten auf der Grundlage zu erlassender Regelungen zu sichern.

3.9. Schlussfolgerungen und Aufgaben zur Verbesserung der politisch-operativen Arbeit der BV Gera auf dem Gebiet der äußeren Abwehr

3.10. Schaffung der erforderlichen, der konkreten Lage im Bezirk Gera entsprechenden leitungsmäßigen Voraussetzungen zur Organisierung und Qualifizierung der äußeren Abwehr

Erarbeitung einer Analyse über den Stand der äußeren Abwehr

Bei operativen Mitarbeitern beginnen – auf folgenden Leitungsebenen: Referats-/Arbeitsgruppenleiter, Abteilungs-/KD-Leiter, Stellvertreter Operativ, Leiter der BV fortgesetzt werden.

Ziel: Umfassende und objektive Gesamtanalyse schaffen.

Grundsatz: Für diese objektive Bestandsaufnahme von oben nach unten für alle Bereiche einen exakten Informationsbedarf vorgeben.

Vor allem erfassen:

  • die Bestandsaufnahme der IM der äußeren Abwehr und die Fortführung dieser Bestandsaufnahme auf den verschiedenen Leitungsebenen;

  • die bisherige Arbeit mit diesen IM;

  • (kritischer an die Einschätzung der IM herangehen, Möglichkeiten und Fähigkeiten der IM exakter und objektiver herausarbeiten, bisherige Gefahren- und Verdachtsmomente analysieren, bei Einschätzung der Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit konkret bewiesene Überprüfungsmaterialien zur Grundlage nehmen).

  • die Ausnutzung der Möglichkeit der operativen Basis des Bezirkes für die äußere Abwehr in Verbindung mit der Nutzung der Möglichkeiten der AIG, M, VIII/4, RT, APF;

  • (Ausgehend davon, dass die zur operativen Basis gehörenden Offiziere im besonderen Einsatz, Sicherheitsbeauftragte, GMS und auch die offiziellen Stellen, Kräfte und Möglichkeiten nicht zur Schaffung von Voraussetzungen für die Organisierung der äußeren Abwehr zum Einsatz gebracht wurden, ist es notwendig, in allen Diensteinheiten eine exakte Einschätzung anzufertigen, welche operative Basis insgesamt vorhanden ist, wo die betreffende Diensteinheit bei der Nutzung der Basis steht und welche Maßnahmen zur optimalen Nutzung einzuleiten sind.)

  • die Koordinierung der politisch-operativen Arbeit.

3.11. Erarbeitung einer Konzeption des Leiters der BV zur planmäßigen Organisierung der äußeren Abwehr

  • Konzeption muss auf der Analyse aufbauen und geeignet sein, die zentralen dienstlichen Bestimmungen und Weisungen in der BV Gera durchzusetzen.

  • Muss einheitliches Programm für alle Diensteinheiten zur Organisierung der äußeren Abwehr darstellen.

  • Wesentliche inhaltliche Aspekte müssen sein:

    • Exakte Festlegung der im Operationsgebiet zu bearbeitenden Schwerpunkte – Grundlage = Vorgaben der HA, Informationsbedarf BV

    • Bestimmung der verantwortlichen Diensteinheiten für die festgelegten Schwerpunkte

    • Koordinierungsaufgaben

    • Rationelle Informationsflussregelungen

    • (Schaffung eines Koordinierungsorgans des Leiters der BV – eventuell bei einem Stellvertreter Operativ BV Schwerin schuf 1969 eine nichtstrukturelle Arbeitsgruppe Äußere Abwehr als Koordinierungsorgan des Leiters bei Wahrung der Konspiration – siehe dazu DA 4/69 des Leiters der BV.35 Entsprechender Erfahrungsaustausch mit BV Schwerin).

  • Festlegungen zur Qualifizierung der inoffiziellen Arbeit, wie insbesondere die Entwicklung der inoffiziellen Basis und die Gestaltung des Informationssystems.

  • Konzentrierung der Kräfte, Mittel und Möglichkeiten der BV auf die Schaffung neuer Quellen in und an den Schwerpunktobjekten im Operationsgebiet und konsequente Orientierung auf Kandidaten mit realen Perspektiven, wie Schaffung von Werbern im Operationsgebiet und Werbung von Personen ohne Verbindung in die DDR.

  • Vorbereitung von in der Abwehrarbeit überprüften Übersiedlungskandidaten und Durchführung qualifizierter Übersiedlungen.

  • Quantitative und qualitative Verstärkung des IM-Systems unter Reisekadern, Erhöhung der Qualität der operativen Kontrolle der in das Operationsgebiet reisenden Kader sowohl in der DDR als auch während des Aufenthaltes im Operationsgebiet und zielgerichtete inoffizielle Abschöpfung der Reisekader.

  • Qualifizierung der operativen Kontrolle der kommerziell Einreisenden und Erarbeitung einer Analyse über operativ interessante Einreisende sowie Bestimmung des Personenkreises, der unter intensive operative Kontrolle zu stellen ist.

  • Stärkere und vor allem zielgerichtetere Abschöpfung von Geheimnisträgern und Personen mit entsprechendem Überblick aus dem Operationsgebiet.

  • Regelungen über die informationellen Beziehungen zwischen den Stellvertretern Operativ, den operativen Diensteinheiten und den Abteilungen M, AIG, VIII/4, VI (RT und APF) zur Ausnutzung aller Möglichkeiten für die Qualifizierung der äußeren Abwehr.

  • Auf diesem Gebiet haben die BV Karl-Marx-Stadt und Schwerin gute Erfahrungen und verbindliche Regelungen. BV Karl-Marx-Stadt siehe Überprüfungsbericht36 S. 37–49, Anlagen 1–4 und 7; BV Schwerin siehe DA 1/6937 und 2/69 des Leiters der BV

  • Bei Erarbeitung der Konzeption von Anfang an Grundsatz beachten:

    • Hauptaufgabe ist die Beschaffung von zuverlässigen geheimen Informationen, möglichst Originalmaterialien, Plänen, Absichten und Maßnahmen des Gegners

    • Eindringen in feindliche Objekte

    • Keine Verzettelung – Schwerpunktarbeit.

3.12. Auf der Grundlage und in Durchsetzung der Konzeption des Leiters der BV und der eigenen Analyse des Standes der äußeren Abwehr müssen die Abteilungen komplexe Programme zur Entwicklung der äußeren Abwehr auf ihrer Linie, besonders in den KD, erarbeiten

  • Konkrete Festlegungen

  • (In der BV Schwerin wurden im Jahre 1969 derartige Arbeitsprogramme geschaffen, und es wurden Maßnahmen zu ihrer Durchsetzung eingeleitet – eventuell Konsultation mit Leiter der BV Schwerin.

3.13. Auf der Grundlage der Arbeitsprogramme für die vorhandenen IM der äußeren Abwehr konkrete perspektivische Einsatzkonzeptionen erarbeiten

  • Klare und eindeutige Festlegungen der Haupteinsatzrichtung dieser IM

  • (z. B. in welches Objekt – Personenkreis eindringen, an welche Person anschleusen usw.)

  • Maßnahmen zur Qualifizierung des Verbindungswesens

  • Notwendige Maßnahmen zur ständigen und echten Überprüfung

  • Maßnahmen zur Qualifizierung.

  • (Diese Konzeptionen sind dann zum Hauptkriterium des Einsatzes und der Einschätzung der Effektivität der IM zu machen und stärker als konkretes Instrument der Erziehung der Leiter und Mitarbeiter zu nutzen.)

  • Überlegungen darüber anstellen, was mit solchen IM geschehen soll, die keine bzw. nur geringe Perspektiven für die äußere Abwehr besitzen.

  • Maßnahmen zur planmäßigen Schaffung bzw. Erweiterung der IM-Basis im Operationsgebiet.

3.14. Weitere und insbesondere sachbezogenere Auswertung meiner auf den Dienstkonferenzen, insbesondere vom 13./14.3.1969, gegebenen Orientierungen und Aufgabenstellungen zur Organisierung und Qualifizierung der äußeren Abwehr

  • Qualifizierung der auf dem Gebiet der äußeren Abwehr tätigen Leiter und Mitarbeiter auf der Grundlage eines exakten Programms – Schaffung eines festen und qualifizierten Kaderstamms

  • Zuständige Mitarbeiter mit Richtlinie 2/68 vertraut machen, wie das zur Lösung der Aufgaben erforderlich ist.

3.15. Die neu festzulegenden Aufgaben zur Entwicklung der äußeren Abwehr müssen sich in der gesamten Führungs- und Leitungstätigkeit widerspiegeln.

  • Grundfragen der wissenschaftlichen Führung und Leitung auf allen Ebenen exakt herausarbeiten und die Grundrichtung der Durchsetzung wissenschaftlicher Leitungsmethoden verbindlich bestimmen

  • Erarbeitung von Grundsätzen und praktischen Maßnahmen, wie eine höhere Wissenschaftlichkeit in der Führungs- und Leitungstätigkeit in der Spitze und auf allen Ebenen erreicht werden kann

  • Vervollkommnung des Systems der Kontrolle – klare Abgrenzung der Verantwortlichkeit – Erarbeitung exakter Arbeitsordnungen

  • Stellvertreter Operativ müssen zur Verwirklichung der in Befehlen und Weisungen festgelegten Hauptrichtungen der äußeren Abwehr für ihren Bereich klare Durchführungsmaßnahmen erlassen und ihre anleitende und kontrollierende Tätigkeit wesentlich verstärken.

  • Zielstrebige Nutzung der bei den Abteilungsleitern und Mitarbeitern vorhandenen Potenzen

  • Bessere Konzentrierung der operativen Kräfte und Mittel auf die tatsächliche Arbeit am Feind und gewährleisten, dass ein umfassendes Zusammenwirken der operativen Linien und Diensteinheiten erreicht wird

  • Konkretere Festlegungen der Aufgaben der äußeren Abwehr in Leitungsdokumenten, insbesondere in den Arbeitsplänen

  • Grundsätzliche Probleme müssen Gegenstand von Leitungsbesprechungen werden

  • Dokumentierung getroffener Festlegungen bzw.- gegebener Weisungen.

4. Probleme zur inneren Spionageabwehr im Bezirk Gera

4.1. Entsprechend den erkannten Angriffsrichtungen des Gegners gegen wichtige ökonomische, militärische u. a. gesellschaftliche Bereiche des Bezirkes Gera befriedigen Arbeitsergebnisse noch nicht. Ausdruck dafür sind

  • niedriger Vorgangsbestand

  • (per 31.12.1969 insgesamt 19 Vorgänge)

  • der größte Teil der im Jahre 1969 abgeschlossenen Vorgänge (14) ist wegen »Nichtbestätigung der Feindtätigkeit« eingestellt worden.

  • der Anteil der zur Bearbeitung der Vorgänge eingesetzten IM entspricht nicht den Erfordernissen.

  • (Nur drei IM bei 19 Vorgängen in direkte Bearbeitung der Verdächtigen eingesetzt)

  • es gibt noch per 31.12.1969 45 ungeklärte Hinweise über Spionageverdachtshandlungen

  • lange Laufdauer von Spionagevorgängen

  • (vier operative-Vorgänge in den DE Pößneck, OD Jena, Abt. II laufen seit zehn Jahren.)

4.2. Ursachen für nicht befriedigenden Zustand:

  • In den Sicherungssystemen werden die IM noch nicht immer als das Kernstück aller politisch-operativen Maßnahmen betrachtet und dementsprechend eingesetzt.

  • (Deshalb auch Informationsanteil der IM bei der Bearbeitung von Spionen zu gering)

  • Die vom Gegner praktizierte Arbeitsweise, seine Arbeitsmethoden werden noch nicht genügend analysiert und zum Ausgangspunkt zielgerichteter und erfolgreicher tschekistischer operativer Maßnahmen genommen.

  • Die gesamte Verdichtungsarbeit der Spionagehinweise muss verbessert werden. Es ist nicht richtig, dass die Linie II alles allein macht und dabei die Rolle und Verantwortung der territorialen DE außer Acht lässt.

  • Das gesamte IM-Netz auf diesem Gebiet ist offensichtlich nicht zielgerichtet genug eingesetzt. Die vom Gegner für Spionagetätigkeit bevorzugten Personenkreise müssen noch besser unter Kontrolle genommen werden (»Wer ist wer?«)

  • (Betrifft besonders Rückkehrer/Zuziehende/Reisekader, Geheimnisträger.)

  • Die vom Gegner zunehmende Ausnutzung des Reise- und Touristenverkehrs für Spionagezwecke u. a. subversive Handlungen steht noch nicht genügend im Mittelpunkt der politisch-operativen Aufgaben.

  • Versuche des Gegners, Spione in den Bezirk Gera einzuschleusen, enden damit, dass sie über das Aufnahmeheim Saasa38 wieder zurückgeschleust werden, anstatt sie zu entlarven.

  • (Juli/August 1969 zwei Rückkehrer und eine Zuziehende nach WD zurückgewiesen, da der Verdacht bestand, dass sie im Auftrage eingeschleust werden sollten. – Siehe Halbjahresanalyse II/69 BV Gera,39 Seite 25/26)

5. Staatsfeindliche Hetze

5.1. schriftliche Hetze 1969 gegenüber Vorjahren wesentlich zurückgegangen (1969 = 80 Delikte, 1968 = 240 Delikte, 1967 = 168 Delikte)

  • Anteil der einzelnen Deliktarten:

[Delikt]

1969

1968

1967

Anschmieren von Hetzlosungen

21

75

27

Anschmieren von Symbolen/Zeichen

17

47

39

Verbreitung selbstgefertigter Hetzschriften

14

68

27

Versendung von Hetzbriefen (in DDR)

18

32

38

Versendung von Hetzbriefen (in WD/WB)

10

18

25

  • Inhalt im Wesentlichen gerichtet gegen

    • bestimmte Seiten der sozialistischen Gesellschaftsordnung der DDR

    • führende Repräsentanten der DDR und örtliche Funktionäre

    • die Partei der Arbeiterklasse und ihre Politik

    • Versorgungsschwierigkeiten

  • Die Delikte des Anschmierens von Hetzlosungen, Symbolen und Zeichen sowie der Verbreitung selbstgefertigter Hetzschriften weisen eine relativ geringe Gesellschaftsgefährlichkeit auf (kaum wirksam)

  • (Bei Versendung pseudonymer Hetzschriften in DDR verschickte ein unbekannter Täter seit 1957 23 festgestellte Hetzbriefe (1969 – drei). Seit 1967 Bearbeitung in OV »Verleumder« durch KD Rudolstadt (Täter noch nicht ermittelt.)

  • Zu 63 Delikten (außer Symbole/Zeichen) wurden 1969

    • vier Vorlaufakten-operativ (drei Personen),

    • 16 Operativ-Vorgänge (elf Personen)

  • -

    angelegt.

    • zwei Vorlaufakten-operativ (eine Person),

    • sechs Operativ-Vorgänge (vier Personen)

  • sind abgeschlossen worden (keine mit Haft).

  • Ungeklärt blieben insgesamt bis Ende 1969 84 Vorkommnisse darunter

    • 27 angeschmierte Hetzlosungen,

    • 33 Vorkommnisse der Verbreitung selbstgefertigter Hetzschriften,

    • 22 Vorkommnisse der Versendung von Hetzbriefen

  • Bearbeitet wurden dagegen Ende 1969 nur

    • ein VA-operativ (eine Person)

    • fünf OV (vier Personen)

5.2. mündliche Hetze in Umfang und Gesellschaftsgefährlichkeit gering (1969 – fünf Delikte)

5.3. Beschädigung und Entfernung von Fahnen, Transparenten und Sichtagitation blieb gering (32 Vorkommnisse 1969), erfolgte ohne feindliche Zielsetzung, wurde von VP bearbeitet.

5.4. Schlussfolgerungen:

  • Bearbeitung der bedeutsamen Vorkommnisse der schriftlichen Hetze erfolgt nicht schwerpunktmäßig und unter konzentriertem Einsatz operativer Kräfte und Mittel (OV »Verleumder«)

  • Die Anzahl der in Bearbeitung befindlichen Vorgänge steht in keinem Verhältnis zur Zahl ungeklärter Vorkommnisse (Aufklärungsquote erhöhen)

  • Gründliche Analyse der Ursachen und Bedingungen der ungenügenden Aufklärung und Bearbeitung der staatsfeindlichen Hetze und aller ungeklärten Delikte mit dem Ziel der Einleitung wirksamer Maßnahmen zur schnellen Aufklärung.

  • Vorbeugende inoffizielle Absicherung der vorwiegend anfallenden Personenkreise (westlich orientierte Jugendliche und Studenten) verstärken (komplexer, zielgerichteter Einsatz)

  • Einleitung wirksamer Sicherungsmaßnahmen an Schwerpunkten zur Überführung der Täter während der Tat oder kurzfristigen Ermittlung und Identifizierung.

6. Staatsfeindliche Gruppierungen, Erscheinungen des Rowdytums und westlicher Dekadenz

6.1. Staatsfeindliche Gruppierungen

Nach Abschluss von vier Vorgängen des Einflusses reaktionärer christlicher Kreise auf Studenten der Friedrich-Schiller-Universität Jena und einem Vorgang gegen eine jugendliche Gruppierung (geplanter GD) gegenwärtig keine staatsfeindlichen Gruppierungen bekannt.

6.2. Rowdytum

  • trat vornehmlich im 1. Halbjahr 1969 in Wohnbereichen der Großbaustellen Jena-Lobeda40 (200 000 M Einrichtungsgegenstände demoliert) und Zeulenroda auf, begünstigt durch ungenügenden gesellschaftlichen Einfluss im Freizeitbereich.

  • in größeren Städten Konzentrationspunkte labiler und dekadenter Jugendlicher als Ausgangspunkte rowdyhafter Handlungen.

6.3. Erscheinungen der Dekadenz

  • spiegeln sich wider

    • im Abhören der Musiksendungen westlicher Rundfunk­ und Fernsehstationen und im Anschreiben dieser Sender, Stars und Starclubs,

    • im Nachahmen und Verherrlichen westlicher Lebensweise und Unkultur,

    • im regen Besuch solcher Tanzveranstaltungen, wo die Kapellen in der Art westlicher Kapellen auftreten und größtenteils Westschlager spielen.

  • Es zeichnet sich ab, dass Tanzkapellen

    • in Heimatorten vernünftig spielen, außerhalb aber in westlicher Manier,

    • deshalb meist aus anderen Orten oder auch Bezirken engagiert werden, um viele Jugendliche anzulocken.

  • Diese Erscheinungen werden begünstigt durch

    • ungenügende erzieherische Einflussnahme gesellschaftlicher Kräfte (besonders Klubleitungen, FDJ-Organisation)

      • versöhnlerisches Verhalten verantwortlicher Leiter und Funktionäre,

      • Gewöhnung an solche Verhältnisse,

      • kampagnemäßiges Vorgehen gegen solche Erscheinungen (Aktion »Haareschneiden« in Pößneck Oktober 1969 führte zu Zusammenrottungen und Protesten sowie zu Auseinandersetzungen mit VP-Einsatzkräften)41

Schlussfolgerungen:

  • Ausnutzung der operativen Kräfte und Möglichkeiten

    • zur Aufdeckung der Schwerpunkte,

    • zur Aufklärung und Bearbeitung feindlicher Einflüsse, Initiatoren und Organisatoren,

    • zur Herausarbeitung der Ursachen und begünstigenden Bedingungen der Verbreitung der westlichen Dekadenz.

  • Auswertung der Erkenntnisse und Feststellungen mit zuständigen staatlichen Organen und gesellschaftlichen Kräften zu koordinierten, kontinuierlichen und systematischen Zurückdrängung derartiger Einflüsse und Erscheinungen, besonders auch der begünstigenden Bedingungen.

  • stärkere Ausnutzung inoffizieller Möglichkeiten zur Absicherung der Freizeitbereiche in operativen Schwerpunkten.

7. Illegaler Waffenbesitz

Obwohl Rückgang in Anzahl der Delikte und Personen, bildet Anzahl der beschussfähigen Waffen und Munition in unbefugtem Besitz große Gefahr.

  • 1969 sichergestellt:

    • 17 Pistolen und Revolver verschiedener Kaliber

    • drei Karabiner/Gewehre

    • zwei KK-Gewehre/Tesching42

      • eine Doppelflinte

      • 1 188 Schuss Munition verschiedener Kaliber (darunter eine Mine und eine Granate Kaliber 7,5)

  • BV unterschätzt Problematik des unbefugten Waffenbesitzes

  • Von 23 Delegierten (1969) bearbeitete 16 VP (14 EV ohne Haft, zwei EV mit Haft), – nur zwei MfS (ein EV mit Haft, ein operatives Material)

  • keine feindliche Zielsetzung herausgearbeitet (ohne Einsatz inoffizieller Mittel des MfS kaum möglich. Politische Einstellung der Täter und ihres Bekanntenkreises, mögliche Anwendung der Waffen in Situation politischer Spannungen oder durch Bekanntenkreis z. B. zu Grenzdurchbrüchen müsste herausgearbeitet werden.)

  • unter angefallenen Personen (überwiegend 18–25 Jahre) sind Vorbestrafte, Rückfalltäter und Rückkehrer43/Zuzüge.

Schlussfolgerungen:

  • MfS muss Verantwortung für Waffendelikte tragen

  • davon ausgehend enge, koordinierte Bearbeitung der Waffendelikte VP und MfS. MfS-spezielle Mittel einsetzen, um subjektive Seite (Einstellung, Zielsetzung), Persönlichkeit des Täters und Verbindungen aufzuklären.

  • Einsatz inoffizieller Kräfte zur vorbeugenden Aufspürung von illegalem Waffenbesitz unter verdächtigem Personenkreis (konkrete Auftragserteilung und Kontrolle)

8. Zur Situation an der Staatsgrenze der DDR zu Westdeutschland im Bezirk Gera

Angriffe auf die Staatsgrenze stellen in Umfang, Intensität und Gesellschaftsgefährlichkeit den Schwerpunkt der Feindtätigkeit dar (35 % aller Delikte).

8.1. Schwerpunkte:

  • Aktive Handlungen der Kräfte des militärischen und halbmilitärischen Gegners entlang der Staatsgrenze

  • (Zeitraum 1.1.1969 – 31.3.1970:

    • Grenzverletzungen 363 Fälle

    • Versuche der Kontaktaufnahme sieben Fälle

    • Aufforderung zur Fahnenflucht sechs Fälle

    • Balloneinflüge 354 Fälle

    • Hetzschrifteneinschleusung 41 000 Stück

    • gegnerische Luftaufklärung 700 Fälle

    • gegnerische Aufklärungs- und Beobachtungshandlungen 3 417 Fälle)

  • Weiterer Ausbau des gegnerischen grenznahen Raumes im Rahmen der Strategie der »flexiblen Reaktion« (Weiterführung des Militarisierungsprozesses, ständige Komplettierung der militärischen Einheiten, Vorverlegung von Bundeswehreinheiten an Staatsgrenze, aktive Manöver- und Übungstätigkeit, Einführung neuer Waffensysteme.)

  • Angriffe auf die Staatsgrenze der DDR aus dem Territorium des Bezirkes Gera heraus mit dem Ziel, die DDR ungesetzlich zu verlassen (Gelungene, versuchte und geplante ungesetzliche Grenzübertritte, staatsfeindlicher Menschenhandel)

8.2. Delikte des ungesetzlichen Verlassens der DDR (Zeitraum: 1.1.1969 – 31.3.1970)

Angriffe auf die Staatsgrenze der DDR im Bezirk sind gleichbleibend hoch (1968: 207, 1969: 214).

Teilweise erreichte Fortschritte bei Verhinderung von Grenzdurchbrüchen führten noch nicht zur Überwindung des Schwerpunktes.

Hoher Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit der Grenzdelikte. (40 % aller Täter handelten in Gruppen, ca. 35 % führten Hilfsmittel zur Überwindung der Grenzsicherungsanlagen bzw. Gewaltanwendung mit.)

8.2.1. Gelungene ungesetzliche Grenzübertritte, ungesetzliches Verlassen der DDR

Alle Delikte des ungesetzlichen Verlassens der DDR (35 Personen) weisen einen hohen Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit aus.

  • Hoher Anteil von Angehörigen der Intelligenz bzw. Fachkräften, vor allem aus dem Kreis Jena (40 %);

  • 80 % aller Grenzdurchbrüche konzentrieren sich auf den Kreis Lobenstein;

  • in sechs Fällen sind Ort und Zeit des Grenzdurchbruchs unbekannt;

  • hoher, über dem Republikdurchschnitt liegender Anteil der Alterskategorie 25 bis 40 Jahre (54 %).

Obwohl Wirksamkeit des Grenzsicherungssystems in seiner Gesamtheit und in einigen Grenzabschnitten (Kreise Schleiz und Saalfeld) erhöht wurde, entspricht dies noch nicht den Erfordernissen.

Erhöhung der Wirksamkeit noch nicht im gesamten Grenzabschnitt erreicht.

8.2.2. Versuchte und geplante ungesetzliche Grenzübertritte bzw. Verlassen der DDR

Absoluter Schwerpunkt aller Grenzdelikte im Bezirk: (293)

Das trifft besonders auf Jugendliche bis 19 Jahre zu (53 % aller Täter), die zu 40 % in Gruppen (meist zwei Personen) handelten,

  • Hauptangriffsrichtung Kreis Saalfeld (75 %);

  • hoher Anteil der Kategorie Schüler, Lehrlinge und Insassen von Jugendwerkhöfen44 (35 %);

  • ca. 60 % aller Täter gelang es, bis in die Tiefe der Grenzkreise einzudringen;

  • hoher Anteil von Angriffen auf Staatsgrenze Süd/ČSSR45 (35 %).

Der Anteil der BV an Festnahmen wegen des Versuchs des illegalen Verlassens der DDR liegt mit nur 3 % erheblich unter dem Republikdurchschnitt.

Von der BV wurden 1969 wegen geplanten ungesetzlichen Grenzübertritts 176 Personen bearbeitet.

Im gleichen Zeitraum wurde die Bearbeitung von 99 Personen (davon 56 % wegen Nichtbestätigung) abgeschlossen.

Sechs Personen wurden von der VP festgenommen.

Von 71 am Ende des 2. Halbjahres 1969 noch in Bearbeitung befindlichen Personen werden nur neun in Vorlaufakten-Operativ bearbeitet. Nur in einem Fall ist dabei ein IM in die operative Bearbeitung eingeführt.

8.3. Staatsfeindlicher Menschenhandel

  • Jeweils zwei gelungene und versuchte Schleusungen

  • Im Jahr 1969 wurden 29 Personen in Richtung staatsfeindlicher Menschenhandel operativ bearbeitet.

  • Bei 13 Personen wurde die Bearbeitung durch überwiegend vorbeugende Maßnahmen abgeschlossen.

  • Von 16 zurzeit noch in Bearbeitung befindlichen Personen werden sieben in VA-Operativ bearbeitet.

  • Ursache für Stagnation:

  • Nur in einem Fall ist ein IM in die operative Bearbeitung eingeführt; ein IM arbeitet mittelbar.

  • Am Bekanntwerden der Delikte des staatsfeindlichen Menschenhandels im Jahre 1969 haben weder Informationen von eigenen IM noch von IM der äußeren Abwehr Anteil.

8.4. Schlussfolgerungen

  • Gegenwärtige Anstrengungen der BV zur Überwindung dieses Schwerpunktes nicht ausreichend.

  • Gewährleistung des effektiven Einsatzes der IM im Grenzsicherungssystem mit Konzentration auf jugendliche Personenkreise, die objektmäßigen und territorialen Schwerpunkte sowie in den Hauptrichtungen der Bewegung der Grenzverletzer.

  • Die Vorgangsbearbeitung nach § 213 StGB46 ist zu qualifizieren.

  • Vorrangig sind die spezifischen Mittel des MfS zur Aufklärung und Abwehr von Grenzverbrechen zum Einsatz zu bringen.

  • Auf der Grundlage meines Befehls 40/68 ist die zielgerichtete Aufklärungstätigkeit im westlichen Vorfeld zu verstärken.

  • Auf dem Gebiet der äußeren Abwehr sind größere Anstrengungen zur Aufklärung und Gewinnung perspektivvoller IM aus dem Operationsgebiet zu unternehmen.

  • Die Öffentlichkeitsarbeit im Grenzgebiet ist zu verstärken mit dem Ziel, Grenzverbrechen systematisch zurückzudrängen und alle gesellschaftlichen Potenzen zur Erhöhung der Wachsamkeit der Grenzbevölkerung zu nutzen.

9. Angriffe des Gegners gegen volkswirtschaftliche Objekte des Bezirkes Gera – Brände und Störungen

9.1. Wichtige Schwerpunkte der Volkswirtschaft im Bezirk Gera

Strukturlinie wissenschaftlicher Gerätebau mit dem Kombinat VEB Carl Zeiss Jena (ca. 25 000 Beschäftigte)

  • entscheidender Betrieb für Automatisierung der Volkswirtschaft der DDR – Numerikprogramm47 –

  • Bedeutung für Verteidigungsbereitschaft der Warschauer Vertragsstaaten (Entwicklung und Produktion von Kampftechnik für Panzerwaffe, Seestreitkräfte, Luftwaffe und -verteidigung u. a.)

  • Ausbau/Erweiterung erfordert 1968 – 73 Bauleistungen von sechs Milliarden Mark

Strukturlinie Mikroelektronik/Elektrotechnik mit dem Kombinat VEB Keramische Werke Hermsdorf (5 000 Beschäftigte)

  • Bedeutung für EDV, Fernseh- und Rundfunkindustrie

  • exportintensive Produktion von Hochspannungsporzellan (Bratsk, Assuan u. a.)

Strukturlinie Chemiefaser mit dem Kombinat VEB Kunstfaser Rudolstadt (zurzeit 5 000 in der Perspektive 26 000 Beschäftigte)

  • umfangreiche Chemiefaserproduktion

  • ab 1970 gesamte Forschung für alle Chemiefaserbetriebe der DDR (Großforschungszentrum)

  • VEB Kombinat WMW Union Gera (2 350 Beschäftigte)

    • umfangreiche Produktion von Bohrwerken, besonders für Maschinenbau

    • Export numerikgesteuerter Bohrwerke in SU und KA

9.2. Angriffe des Gegners richten sich bisher in Form ökonomischer Störtätigkeit im Wesentlichen gegen die genannten strukturbestimmenden Betriebe des Bezirkes.

Ausgangspunkt vorrangig Konkurrenzunternehmen in Westdeutschland und dem NSW, wie z. B.

  • Zeiss Oberkochen48 Schott/Mainz49

  • SEL/Stuttgart50

  • Siemens/München

  • Deutsche Keramiker-Gesellschaft51

Hinzu kommen noch Vertreterfirmen des VEB Carl Zeiss Jena sowie Gemischte Gesellschaften von Zeiss Jena in England, Frankreich und Schweden.

Besondere Aktivitäten entwickeln Handels- bzw. Absatzorgane sowie sogenannte Ostabteilungen vorgenannter westlicher Unternehmen

  • in der Vertreterfirma Hoffmann/Düsseldorf hat sich der BND stationiert

  • in der Gemischten Gesellschaft in London sind ehemalige Mitarbeiter des englischen Geheimdienstes beschäftigt.

9.3. Methoden gegnerischer Störtätigkeit

Bei den insbesondere gegen die Strukturlinien »Wissenschaftlicher Gerätebau« und »Mikroelektronik« durchgeführten Störmaßnahmen handelt es sich in erster Linie um folgende:

  • Lieferung störanfälliger Anlagen

  • verzögerter Monteureinsatz

  • Übergabe fehlerhafter technischer Dokumentationen

  • Anbieten von Maschinen, die in der Praxis noch nicht erprobt wurden

  • Nichtlieferung zugesagter Spitzenerzeugnisse

  • Diskriminierung des VEB Carl Zeiss im Ausland

  • Versuche der Einflussnahme auf personelle Veränderungen bzw. Neubesetzungen von Zeiss-Vertretungen im kapitalistischen Ausland.

Zur Verwirklichung ihrer Pläne erfolgen durch westliche Unternehmen zielgerichtete Kontaktaufnahmen zu DDR-Reisekadern während des Aufenthalts im NSW (auch Nutzung wissenschaftlicher Tagungen und Kongresse) und Abschöpfungsversuche bei kontaktierten Reisekadern und Wissenschaftlern.

(Bei der Herstellung von Kontakten zu Mitarbeitern des VEB Carl Zeiss treten nach wie vor republikflüchtige Personen in Erscheinung.)

9.4. Organisierung der äußeren Abwehrarbeit auf Linie XVIII im Bezirk Gera

Grundlagen für die Organisierung der äußeren Abwehrarbeit auf Linie XVIII sind DA 7/65,52 Richtlinie 1/69,53 Befehl 40/68 sowie Orientierungen des Genossen Minister, der HA XVIII und des Leiters der BV.

(Zum Beispiel wurde zur Durchsetzung des Befehls 40/68 im Aufgabenbereich der Abteilung XVIII ein Maßnahmeplan erarbeitet, der im Wesentlichen die Aufgabenstellungen enthält, die zu realisieren sind)

  • Schaffung komplexer Ein- und Ausreisesysteme im VEB Kombinat Carl Zeiss Jena, VEB Kombinat Keramische Werke Hermsdorf und Wirtschaftsrat des Bezirkes Gera. (z. B. fester Reisekaderstamm, Steuerung und Koordinierung des Einsatzes der Reisekader-IM, Betreuersystem für Betriebs- und Freizeitbereich usw.)

  • Zur Sicherung der Außenwirtschaftsbeziehungen wurde im November 1969 von der OD Jena eine entsprechende Konzeption erarbeitet (nach Abstimmung mit der HA XVIII für zielgerichteten, koordinierten Einsatz der inoffiziellen Kräfte geeignet.)

  • Auf Linie XVIII kamen 1969 ca. 60 Reisekader-IM in das Operationsgebiet zum Einsatz, die 126 auswertbare Reiseberichte lieferten

  • OD Jena steuert sechs IM, die im Operationsgebiet tätig sind (meiste Mitarbeiter von Zeiss-Vertretungen bzw. von Gemischten Gesellschaften)

  • Über Objekte und Zentren, von denen Störtätigkeit gegen Bezirk ausgeht, werden Handakten bzw. Objektvorgänge geführt und Personen aus diesen Objekten operativ bearbeitet

(Zu Problemen der Innensicherung sowie der Vorgangsbearbeitung auf Linie XVIII liegen zentral keine aussagefähigen Materialien vor.)

9.5. Andere negative Erscheinungen, die die politisch-operative Lage auf dem Sektor Volkswirtschaft mit beeinflussen

Besonders im VEB Carl Zeiss Erscheinungen der unzulänglichen Erfüllung staatlicher Aufgaben

  • Planmanipulationen

  • Nichterfüllung von Exportverpflichtungen

  • Servicemängel

  • zu einseitige Orientierung auf Importe aus dem NSW

(Zum Beispiel bestehen gegenwärtig keine Aussichten, vertragliche Bindungen in Höhe von 13 Mio. Mark für Feinmessgeräte mit der SU zu erfüllen, zurückhaltender Kauf von Großgeräten durch Kunden aus dem NSW; bisherige Kunden wenden sich solchen Konkurrenzunternehmen zu, die bessere Serviceleistungen aufweisen)

9.6. Brände und Störungen im Bezirk Gera in der Zeit vom 1.1.1969 bis 31.3.1970

  • Brände insgesamt 166 mit 4,024 Mio. Mark Sachschaden. Davon u. a.

    • vorsätzliche Handlungen – sechs mit 74 020 Mark Schaden

    • vermutlich vorsätzliche Handlungen – zwei mit 40 850 Mark Schaden

    • fahrlässige Handlungen – 83 mit 3 255 200 Mark Schaden

    • Ursache unbekannt – elf mit 112 800 Mark Schaden

    • Ursache nicht restlos geklärt – eine mit 60 000 Mark Schaden

    • Bei den vorsätzlichen Handlungen lagen keine staatsfeindlichen Motive vor. (Motive persönliche Differenzen, Verärgerung)

  • Störungen insgesamt 46 mit 6,14015 Mio. Mark Sachschaden. Davon u. a.

  • Vermutlich vorsätzliche Handlungen acht mit 22 515 Mark Sachschaden

  • Fahrlässigkeit 14 mit 283 800 Mark Sachschaden

  • Ursache unbekannt vier mit 10 100 Mark Sachschaden

  • Ursache noch nicht restlos geklärt drei mit 43 000 Mark Sachschaden

Staatsfeindliche Motive bei vorsätzlichen Handlungen liegen nicht vor.

9.7. Schlussfolgerungen:

  • Konsequente Durchsetzung der entsprechenden dienstlichen Bestimmungen und Orientierungen zur Realisierung der Aufgabenstellung der Abt. XVIII. (Entscheidendes Dokument Richtlinie 1/69 des Genossen Minister)

  • Dabei vordringliche Aufgabe

  • Objekte, die wesentlich Profil des Bezirkes bestimmen, operativ sichern

    • äußere und innere Angriffe auf Wirtschaft des Bezirkes in den Schwerpunkten ständig analysieren (Angriffsrichtung; Mittel, Methoden und Kräfte des Gegners, begünstigende Bedingungen, Wirksamkeit eigener Maßnahmen)

    • konspiratives Zusammenwirken mit anderen Linien des MfS

    • komplexe operative Bearbeitung der Kombinate und Objekte sichern, deren Stammsitz im Bezirk liegt.

  • Noch engere Verbindung der Probleme der äußeren Abwehr, der Innensicherung und der Vorgangsbearbeitung.

  • Vorgangsbearbeitung noch stärker auf Liquidierung der Feind- und Störtätigkeit gegen den Aufgabenbereich konzentrieren und dadurch zur Entlarvung und Liquidierung von Stör- und Feindzentren und deren Stützpunkten in der DDR beitragen (Mittel und Kräfte noch mehr auf Bearbeitung wichtiger Vorgänge konzentrieren)

  • Ausgehend von vorhandenen Hinweisen über gegnerische Objekte unter Beachtung perspektivischer Gesichtspunkte einen Informationsbedarf als Grundlage für den zielgerichteten Einsatz von IM und anderen Quellen erarbeiten

  • Durchführung von objektiven Bestandsaufnahmen der Arbeit mit IM auf dem Gebiet der äußeren Abwehr (auch Reisekader-IM einbeziehen)

  • Auf Grundlage Richtlinie 1/69 und Befehl 40/68 sowie dazu gegebener Orientierungen planmäßig Quellen im Operationsgebiet schaffen (Entwicklungstendenzen in gegnerischen Objekten beachten!)

  • Vorbeugende Sicherung wichtiger Objekte verstärken (personenbezogene Sicherungsarbeit mit detaillierter Aufgabenstellung, zweckmäßige Verbindung der vorbeugenden Maßnahmen mit der Konzentration der Kräfte auf operative Kontrolle des Personenkreises, der zur Klärung der Frage »Wer ist wer?« in Bearbeitung steht, Einwirkung mit spezifischen Mitteln des MfS auf Erhöhung Sicherheit und Ordnung zur Gewährleistung eines reibungslosen Arbeitsablaufes u. a.)

  1. Zum nächsten Dokument Politisch-operative Situation im Bezirk Erfurt

    8. April 1970
    Analyse der politisch-operativen Situation im Bezirk Erfurt [K 2/4]

  2. Zum vorherigen Dokument Probleme bei der Verwirklichung eines Ministerratsbeschlusses

    8. April 1970
    Information Nr. 381/70 über einige Probleme, die sich bei der Verwirklichung des »Beschlusses zur Durchsetzung von Ordnung und Disziplin bei Leistung zusätzlicher Arbeit in Betrieben, staatlichen Organen und Einrichtungen« vom 4. Februar 1970 ergeben