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Probleme der Versorgung der Bevölkerung

3. September 1970
Information über einige Probleme der Versorgung der Bevölkerung [K 1/16]

Aus allen Bezirken wird übereinstimmend berichtet, von breiten Bevölkerungskreisen wird im Wesentlichen anerkannt, dass sich die Palette des Angebots an Konsumgütern und Grundnahrungsmitteln in den letzten Jahren ständig vergrößert hat und ein angemessenes Versorgungsniveau gewährleistet wird.

Mehrfach wird betont, dass die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln seit langer Zeit garantiert ist und keinerlei Beschränkungen für die Haushalte beim Kauf von Nahrungsmitteln, wie z. B. Butter, Fleisch, Wurst u. a., bestehen.

Hervorgehoben wird, dass im Angebot einer Reihe Artikel der Lebensmittelindustrie sowohl von der Qualität als auch von der Verpackung her ein hohes Niveau erreicht worden ist (Angebote in Assietten, gefrostete Lebensmittel, Einwegverpackung Milch, Fleisch und Wurst in Plasteverpackungen, Angebot einer breiten Palette von Qualitätsmargarine in guter Verpackung, Lebensmittelangebot in Gläsern und Büchsen usw.).

Weiter wird eingeschätzt, dass sich das Angebot der Plasteindustrie sprunghaft verbessert hat (bezogen auf Haushaltsartikel), und, bezogen auf das Angebot der Textilindustrie, dass der Anteil pflegeleichter Stoffe bzw. Konfektion bedeutend größer geworden ist als im Vorjahr, wobei sich dieses Angebot jetzt nicht mehr nur auf Exquisitverkaufsstellen1 konzentriert.

Diese reale Einschätzung eines großen Teiles unserer Bürger steht auch in Übereinstimmung mit den von zentralen Staatsorganen angegebenen Ziffern zur Planerfüllung in der Lebensmittel- und Konsumgüterindustrie.

Im Verlauf des ersten Halbjahres 1970 wurde ein um 1,5 Mrd. Mark höherer Einzelhandelsumsatz erzielt als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Steigerung beträgt 5,6 % und ist damit höher als geplant.

Dabei ist der Einzelhandelsumsatz an Industriewaren schneller gestiegen als der Umsatz bei Nahrungs- und Genussmitteln (Industriewaren: Steigerung auf 105,8 %, Nahrungs- und Genussmittel: Steigerung auf 104,7 %).

Das ist ein positives, in den vergangenen Jahren nicht erreichtes Ergebnis, zumal vorliegende Statistiken ausweisen, dass im 1. Halbjahr 1970 bei wichtigen Grundnahrungsmitteln, wie Butter, Getränken u. a. Waren des täglichen Bedarfs, stabil versorgt werden konnte und damit weitere Fortschritte gegenüber 1969 erreicht wurden.

Zu beachten ist allerdings, dass der erreichte Umsatzzuwachs zu 60 % auf die Erhöhung der Durchschnittspreise und nur zu 40 % auf die mengenmäßige Erhöhung des Warenangebotes zurückzuführen ist.

Die im Bereich der Leichtindustrie im I. Quartal 1970 eingetretenen Planrückstände in Höhe von rund 200 Millionen Mark Warenproduktion für die Bevölkerung wurden wertmäßig (nicht sortimentsmäßig) aufgeholt, und die zentralgeleiteten Betriebe der Leichtindustrie erreichten per 30.6.1970 einen Planvorsprung in Höhe von 72,6 Millionen Mark.

Im Zusammenhang mit der gesamten Entwicklungstendenz wird darauf verwiesen, dass die Geldeinnahmen der Bevölkerung der DDR im 1. Halbjahr 1970 um 1,6 Mrd. Mark angestiegen sind. Trotzdem wurde von der Bevölkerung weniger gespart als im Vorjahr. Die Bevölkerung ist dagegen stärker als in den Vorjahren daran interessiert, ihre Einnahmen gegen hochwertige Industrie- und Konsumgüter umzusetzen.

Daraus erklärt sich auch u. a., dass in den ersten sechs Monaten 1970 für 1,5 Mrd. Mark mehr Waren verkauft wurden als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Das sind 400 Mio. Mark über das geplante Volumen hinaus. Damit wurden im 1. Halbjahr 1970 bereits zwei Drittel des für 1970 vorgesehenen Zuwachses an Warenumsatz realisiert. Das bedeutet, dass der Zuwachs an Warenumsatz mit Ende des Jahres 1970 ein Mehrfaches des im Plan vorgesehenen Wertes erreichen wird. Diese Entwicklung setzte sich nach bisherigen Einschätzungen auch in den Monaten Juli/August 1970 fort. Mit dem verstärkten Abkauf durch die Bevölkerung steigt aber auch die Forderung nach der Bereitstellung hochwertiger Industriewaren, der nicht in vollem Umfang entsprochen werden kann.

Aus Diskussionen in mittleren und unteren Handelsbereichen ist zu entnehmen, dass der gesamte Handel auf diesen sprunghaften Umsatzzuwachs, der im Wesentlichen aus einer weiteren Verbesserung des Lebensstandards großer Teile der Arbeiterklasse der DDR resultiert, nicht ausreichend vorbereitet ist.

Den Argumenten ist zu entnehmen, es bestünde offenbar eine ungenügende Abstimmung zwischen der geplanten Entwicklung der Geldeinnahmen/Geldausgaben bzw. der gesamten Einkommensentwicklung der Bevölkerung und dem Plan zur Entwicklung einer stabilen Versorgung der Bevölkerung auf allen Gebieten.

In den Versorgungsplänen der Bezirke sei diese Entwicklung, falls sie sich fortsetzen oder noch verstärken sollte, auch für den Perspektivzeitraum nur ungenügend berücksichtigt.

Aus mehreren Berichten der Bezirke geht weiter hervor, dass nach Einschätzung mittlerer und unterer Handelsfunktionäre in den zentralen Handelsorganen bisher auch eine solche Entwicklung unberücksichtigt geblieben sei, wonach die Bevölkerung in zunehmendem Maße nicht mehr an einer Erhöhung ihrer Spareinlagen interessiert ist, sondern ihre Geldeinnahmen sofort gegen hochwertige Lebens- und Genussmittel sowie Erzeugnisse der Leichtindustrie umzusetzen versucht.

Durch diese zwei Tendenzen würde sich in absehbarer Zeit ein Zuwachs des Warenumsatzes ergeben, der das geplante Volumen weit übersteigen könnte.

Trotz der Erreichung der Planziffern insgesamt bestehen eine Reihe von Sortiments- und Versorgungslücken, die in der Diskussion des Verkaufspersonals und der Bevölkerung der DDR eine wesentliche Rolle spielen.

Seitens der Bevölkerung wird besonders Kritik am Angebot folgender Positionen geübt:

Nahrungsmittel:

Bei Frischfleisch (besonders Schweinefleisch und Edelfleisch) und Wurstwaren ist trotz Erfüllung des geplanten staatlichen Aufkommens insgesamt eine komplizierte Situation eingetreten. Vom planmäßigen Zuwachs von 19,4 kt für 1970 wurden im 1. Halbjahr bereits 12,9 kt verbraucht, sodass für das 2. Halbjahr (einschließlich Festtagsversorgung) nur noch 6,5 kt Zuwachs zur Verfügung stehen. Gegenwärtig werden die bereits eingeleiteten Sparmaßnahmen bei Großverbrauchern und in Gaststätten sowie durch effektiveren Rohstoffeinsatz noch verstärkt. Der seit Anfang 1970 bestehende Rückstand im Aufkommen von Schweinefleisch vergrößert sich gegenwärtig noch. Dafür ist im Aufkommen von Rindfleisch eine Übererfüllung erreicht worden.

Ungünstig im Zusammenhang mit der Frischfleisch- und Wurstversorgung wirkt sich der Ausfall von Fisch und Fischwaren aus (etwa 14 kt).

In der Handelstätigkeit zeigen sich die Auswirkungen besonders dahingehend, dass nur ein unzureichendes Sortiment an Schweinefleisch und teilweise Wurst zur Verfügung steht, das Angebot besonders an Wochenenden als z. T. außerordentlich unbefriedigend bezeichnet wird und zu diesem Zeitpunkt wieder verstärkt Schlangenbildungen an Fleischwarengeschäften zu verzeichnen sind. Übereinstimmend wird aus den Bezirken berichtet, dass sich das mangelhafte Angebot bei Schweinefleisch besonders in Kreisstädten und in ländlichen Kreisen durch Kürzungen des Kontingents ungünstig bemerkbar macht. Mehrfach wurde vom Verkaufspersonal aus eigener Initiative dazu übergegangen, die von den Käufern geforderten Mengen an Schweinefleisch zu kürzen. In mehreren Fällen wurde bekannt, dass Fleischwarengeschäfte in ländlichen Gemeinden aufgrund des mangelhaften Angebotes – teilweise unter dem Vorwand Krankheit o. Ä. – mehrere Tage Anfang der Woche schließen.

Im Zusammenhang mit der Situation bei Schweinefleisch schätzen mehrere Kreise und Bezirke ein, dass es eine Reihe Handelsfunktionäre nicht verstehen, variabel zu disponieren. So gelingt es im Allgemeinen nicht oder nur ungenügend, bei Großverbrauchern, in Gaststätten usw. durchzusetzen, dass statt Schweinefleisch mehr Eier bzw. Geflügel (Enten) eingesetzt werden. Die Handelsfunktionäre geben sich damit zufrieden, dass eine verbilligte Abgabe von Eiern an Großunternehmer verfügt wurde. Obwohl damit kein wesentlicher Abbau der über den Plan lagernden Bestände eintrat, wurde nichts unternommen (Verstärkung der Werbung, persönliche Rücksprachen usw.), um den Absatz zu forcieren. So war z. B. im Bezirk Erfurt im Juli/August 1970 bei einem akuten Mangel an Schweinefleisch zu verzeichnen, dass über 15 Mio. Stück Eier in z. T. ungenügenden Kühlflächen lagerten und nicht abgesetzt werden konnten.

(In diesem Bezirk hatte nicht einmal die Wirtschaftsvereinigung »O-G-S«2 Anstrengungen unternommen, um das über die staatliche Plankennziffer für 1970 zu erwartende Mehrangebot von etwa 45 Mio. Stück Eier zu bilanzieren.)

Auch der Absatz von Enten stagniert gegenwärtig im Handel. Die Bestände in den Kühlhäusern sind auf rund 3,5 kt angewachsen. Das Aufkommen an Enten ist gegenwärtig weiterhin relativ hoch. Die den Räten der Bezirke übertragene Verantwortung im Zusammenhang mit Preismaßnahmen wird ungenügend benutzt, um den Absatz von Enten zu forcieren.

Obwohl mit Butter bisher stabil versorgt werden konnte, mehren sich gegenwärtig Kritiken der ungenügende Geschmacksqualität.

Übereinstimmend wird festgestellt, dass die seit Jahren bestehende Tendenz des erhöhten Verbrauchs von Butter anhält. Das trifft besonders für die ländlichen Bezirke zu. An Butter stehen 1970 gegenüber 1969 planmäßig 1,9 kt mehr zur Verfügung. Dieser Zuwachs wurde im 1. Halbjahr bereits verbraucht; es waren sogar Vorgriffe auf das 2. Halbjahr in Höhe von 1,2 kt erforderlich. (Die zentralen Handelsorgane planen, zusätzlich etwa 2 kt Butter zulasten des Warenfonds Trinkvollmilch zu erwirtschaften.)

Das Angebot an Obst und Gemüse führte bis etwa Juli 1970 zu ernsthaften Kritiken, besonders in Kreisstädten und ländlichen Bezirken. Gegenwärtig hat sich das Angebot in den Bezirksstädten verbessert und wird von der Bevölkerung der Hauptstadt als sehr gut bezeichnet. Mängel bestehen weiterhin auf Kreisebene. Bezirklich unterschiedlich bestehen Lücken sowohl im Eigenaufkommen als auch bei Importen. Besonders auf Kreisebene wird häufig gegen die staatliche Weisung des restlosen Aufkaufs des anfallenden Obstes und Gemüses verstoßen. Angebotene Kleinstmengen werden besonders an Wochenenden zurückgewiesen mit dem Hinweis auf das »Risiko« bei nicht sofortigem Absatz. Ungünstig wirkt sich dabei das Arbeitskräfteproblem an Sonnabenden und Sonntagen aus (ungenügender Verkauf nach offiziellem Ladenschluss).

Obwohl gegenwärtig von der Gesamtmenge her die Versorgung mit Speisekartoffeln gesichert ist und eingeschätzt wird, dass der Übergang zur neuen Ernte gewährleistet ist, wurden in den letzten Wochen aus Kreisebenen verstärkt Kritiken bekannt. In vielen Gemeinden kam es bei Anlieferung von Speisekartoffeln zu langen Schlangenbildungen. In Urlauberzentren (Campingplätzen) ist eine kontinuierliche Kartoffelversorgung nicht gesichert.

Die Bevölkerung hat z. T. auch kein Verständnis für die anhaltenden Versorgungslücken während der Urlaubszeit in den Sommermonaten durch Schließung einer Reihe von Geschäften wegen Urlaubs. Das trifft besonders für Bäcker und Fleischer zu. Trotz jahrelanger Kritiken hätten es zahlreiche staatliche Organe bisher nicht verstanden, eine solche Koordinierung der vorübergehenden Geschäftsschließungen vorzunehmen, dass für die Versorgung keine Nachteile entstehen.

Bemängelt werden weiter Versorgungslücken bei Dauerbackwaren und Stärkeerzeugnissen (Zwieback- und Knäckebrotsorten, Gelee-Artikel, Pudding u. a.).

Handelsfunktionäre in Bezirken weisen darauf hin, dass Schließungen, Spezialisierungen und Umprofilierungen von Betrieben nicht koordiniert worden seien, sodass sich spürbare Nachteile für die Versorgung der Bevölkerung ergeben.

Erheblich verschlechtert hat sich die Situation im Angebot haushaltschemischer Erzeugnisse. Heftig kritisiert wird die ungenügende Waschmittel-, Zahnpasta- und Zahnbürstenbereitstellung.

Ernste Rückstände sind in der Belieferung der Haushalte mit Braunkohlenbrikett vorhanden. Alle Bezirke schätzen ein, dass der vom Ministerrat festgelegte Termin (Belieferung der Haushalte bis 30.9.1970 mit 80 % der bestellten Gesamtmenge) nicht gehalten werden könne.

Damit entwickelt sich die Versorgung mit Hausbrandkohle zu einem echten Schwerpunkt, der sich auch durch verstärkte negative und unzufriedene Diskussionen der Bevölkerung darstellt.

Ursachen der mangelhaften Belieferung sind: fehlende Transportkapazität (volkseigene Betriebe kommen Weisungen der Räte der Bezirke bezüglich der Bereitstellung von Transportkapazität nur unwillig oder nicht nach), Arbeitskräftesituation, mangelnde Qualität der Kohle (starker Abrieb, schlechter Heizwert) und damit Umverteilung dieser Mengen an die Industrie, Rückgang des privaten Kohlehandels, veraltete technische Ausrüstung des VE-Kohlehandels.

Zur Versorgung der Bevölkerung mit Industriewaren und Konsumgütern wird übereinstimmend von den Bezirken eingeschätzt, dass die Übererfüllung des Planes der Leichtindustrie und des Umsatzplanes der Handelsbetriebe kein reales Bild über das erreichte Versorgungsniveau gewährleistet.

Trotz Erfüllung der staatlichen Planaufgaben treten insbesondere bei Industriewaren erhebliche Sortimentslücken in Erscheinung. Auf die Umsatzerfüllung nahm in hohem Maße die Preisentwicklung Einfluss. Es wurden zwar qualitative Verbesserungen der Gebrauchswerte erreicht, aber eine Abdeckung der Fehlmenge erfolgte nicht.

Bemängelt wird, dass trotz Einsatzes hochwertigen Materials die Verarbeitung bei einer Reihe von Industriewaren solche Mängel aufweist, dass eine Gebrauchswerterhöhung nicht eingetreten ist und damit die höheren Preise ungerechtfertigt sind.

In Diskussionen der Bevölkerung wird besonders auf folgende Positionen verwiesen, die sich nur unzureichend im Angebot befinden:

  • Kinderbekleidung (Oberbekleidung, Obertrikotagen, warme Untertrikotagen, Schuhe, Stiefel, Babybekleidung),

  • Erwachsenen-Untertrikotagen,

  • Trainingsbekleidung,

  • Damenstiefel,

  • Skistiefel,

  • pflegeleichte Oberbekleidung für Damen und Herren.

Außerdem werden wiederholt Angebotslücken bei solchen Konsumgütern oder Ersatzteilen festgestellt wie:

  • Stielglas,

  • preiswertes Haushaltsporzellan,

  • Babymilchflaschen,

  • elektrische Haushaltsgeräte,

  • Scheuertücher,

  • Batterien,

  • Zündkerzen,

  • Feuerlöscher für Autos.

(Weitere Positionen werden u. a. auch in der Information des Ministeriums für Handel und Versorgung vom 10.8.1970 angeführt, wobei diese Einschätzung über nur mangelhaft bereitgestellte Warensortimente mit den in den Diskussionen der Bevölkerung genannten Artikeln übereinstimmt.)

Aus den Bezirken wird berichtet, dass sich eine Reihe mittlerer und unterer Handelsfunktionäre unzufrieden über die gegenwärtige Handelstätigkeit äußert und in verschiedenen Argumenten versucht, Ursachen bestehender Mängel und Schwächen darzulegen.

Aus diesen Diskussionen sind im Wesentlichen folgende Tendenzen zu erkennen:

  • Die von den zentralen staatlichen Organen an die Bezirke gegebenen Führungsgrößen bzw. Kennziffern, nach denen die Einzelhandelsorgane HO und Konsum beim Großhandel Verträge abschließen können, liegen bei einer Vielzahl von Waren weit unter dem Bedarf der Bevölkerung. Die Kürzung von Positionen wäre verständlich, wenn die Anforderungen die volkswirtschaftlichen Möglichkeiten überschreiten. Das wäre jedoch nicht in jedem Fall ersichtlich.

  • Dem sozialistischen Großhandel gelingt es trotz Anstrengungen nicht, in allen Warenarten einen Vertragsabschluss entsprechend der vorgegebenen Führungsgrößen und Kennziffern bei den Produktionsbetrieben unterzubringen.

(Verschiedene Bezirke führen an, dass nur Teilabschlüsse entsprechend dem vorgegebenen Plan, z. B. bei Glühbirnen, Zündkerzen, Akkumulatoren und Batterien, Objektiven und Filtern für Kameras, elektrischen Haushaltsgeräten usw., erreicht werden konnten.)

Eine Reihe von Argumenten gehen in diesem Zusammenhang in die Richtung, wonach die Planung des Ministeriums für Handel und Versorgung unmöglich mit der Leicht- und Konsumgüterindustrie übereinstimmen könnte; anders wären diese Disproportionen nicht zu erklären.

  • Die Situation kompliziere sich im Handel weiter durch die sortimentsmäßigen Lieferrückstände der Produktion gegenüber dem Großhandel.

  • Es zeige sich immer wieder, dass die Bedarfsforschung große Lücken aufweise. Dadurch sei die kontinuierliche Versorgung häufig gestört. Es würden sich Anzeichen mehren, wonach mit verschiedenen Artikeln nur »stoßweise« versorgt würde (z. B. zeitweise Anlieferung großer Mengen Waren, danach fällt die gleiche Ware wieder monatelang aus, wie Auslegware, Strumpfhosen, Anoraks für Kinder, verschiedene Sorten Waschmittel, Toilettenpapier, Zahnbürsten u. a.).

  • Eine ganze Reihe Versorgungsschwierigkeiten resultiere aus einer ungenügenden Beherrschung der komplizierten Aufgaben, die eine bewegliche, den wechselnden und unterschiedlichen Anforderungen der Bevölkerung entsprechende Konsumgüterversorgung an die örtlichen Räte und die einzelnen Handelseinrichtungen stellt.

Die Qualifikation der verantwortlichen Kader im Bereich Handel und Versorgung sei häufig nicht ausreichend. Mängel in der Organisation von Versorgungsaufgaben, falsche Entscheidungen und ungenügendes Reagieren auf veränderte Versorgungssituationen seien häufig anzutreffen.

  • Die erforderlichen Koordinierungsaufgaben zwischen allen an der Lösung der Versorgungsprobleme beteiligten Instanzen würden häufig nicht restlos überblickt.

  • Die verschiedensten Zentralisierungsmaßnahmen, mit denen z. T. wesentlich unterschiedliche Unterstellungsverhältnisse von Handelsbetrieben und Betrieben der Nahrungsgüterwirtschaft verbunden sind, komplizieren die Situation mehrfach noch weiter.

  • Das Informationssystem im Handel weise große Lücken auf. Von zentraler Seite müsste bei entsprechender Information über fehlende Sortimente eine Umverteilung der Waren entsprechend dem Bedarf auch von einem Bezirk zum anderen erfolgen. Eine gleiche Beweglichkeit der zentralen Handelsorgane müsste bei der Disponierung innerhalb des Bezirkes erwartet werden.

Zum Informationssystem des Handels gehöre die Herausgabe einer entsprechenden Argumentation von zentraler Stelle bis in die Verkaufsstellen über die Ursachen bestehender Versorgungslücken. Damit würden für die Beschäftigten im Handel Voraussetzungen geschaffen, mit der Bevölkerung auf einer einheitlichen Basis bei auftretenden Fragen zu diskutieren bzw. richtige Auskünfte zu erteilen. Gegenwärtig seien die Verkaufskräfte nur ungenügend mit Argumenten ausgestattet und würden unzufriedene Diskussionen der Kunden noch unterstützen.

  • Die Arbeit mit den Versorgungsplänen im territorialen Bereich (Bezirk, Kreis) sei nur einseitig auf formale Handelstätigkeit orientiert und sichere nicht im erforderlichen Maße das komplexe Zusammenwirken aller am Versorgungsprozess Beteiligten. Die Versorgungspläne seien nicht als komplexe Leitungsinstrumente erkannt. (Darauf zurückzuführen seien häufig: Unordnung bei der Gestaltung des Handelsnetzes, der Sortimentsgestaltung, der Einhaltung der Ladenöffnungszeiten, der Koordinierung der Urlaubsschließungen, der Sicherung des Angebots bis zum Ladenschluss usw.)

  • Die Kontrollen durch übergeordnete Instanzen über die Realisierung der versorgungspolitischen Zielsetzungen durch die Handelsbetriebe seien unzureichend. Es werde auch ungenügend mit Rapporten und Rechenschaftslegungen gearbeitet. An die Leiter der Betriebe und wirtschaftsleitenden Organe würden zu wenig Forderungen hinsichtlich der vollen Wahrnehmung ihrer Verantwortung für die Durchsetzung der Handels- und Versorgungspolitik in ihren Einrichtungen gestellt.

Für die Lösung der Versorgungsaufgaben wirken sich weiterhin hemmend aus:

  • das Nicht-Schritt-Halten der Lagerkapazitäten des Großhandels mit den Versorgungsanforderungen,

  • ungenügende Kühlkapazität bei ständiger Entwicklung zur gefrosteten Ware,

  • die ungenügende Steigerung der Transportkapazitäten,

  • ein überaltertes Lagernetz, das keine moderne Warenbewegungs- und Umschlagtechnik zulässt und ungenügende Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zur Folge hat.

(Nach Auffassung von Handelsfachleuten sei mit der Einführung der Amortisationsabführungsnormative im Einzelhandel ab 1971 von 78 % die einfache Reproduktion des Handelsnetzes nicht mehr gewährleistet und führe zum Verfall der Altbausubstanz.)

Von mehreren Bezirken wird eingeschätzt, dass gegenwärtig als ein wesentliches Merkmal in der Handelstätigkeit das Ansteigen der Überplanbestände besonders bei Industrie- und Konsumgütern festgestellt werden muss.

Teilweise wird eine Disproportion zwischen den beim Großhandel lagernden Beständen und dem Angebot in den Verkaufsstellen festgestellt. Handelsfachleute äußerten verschiedentlich, es habe den Anschein, dass zwischen Groß- und Einzelhandel nur eine ungenügende Abstimmung über die Warenbestände erfolgt und z. T. kein exakter Überblick über die Struktur der Bestände vorhanden ist. Vom Einzelhandel würden auch keine Anstrengungen unternommen, länger lagernde Waren abzusetzen oder eine Beschleunigung des Warenumsatzes herbeizuführen.

Nach zentralen Berechnungen haben sich die Warenbestände des sozialistischen Konsumgüterhandels seit dem vergangenen Jahr um etwa eine Mrd. Mark auf ca. 18 Mrd. Mark erhöht.

In einigen Bezirken zeichnen sich auch Tendenzen der wachsenden Überplanbestände bei konservierten Lebensmitteln ab. So wird in den Bezirken Magdeburg, Dresden u. a. ein schleppender Absatz von Importen aus der SU, der VR Rumänien und Ungarn (Konserven, Spirituosen, Rauchwaren) festgestellt. Bei der GHG Lebensmittel Magdeburg lagen für ca. drei Mio. Mark Überplanbestände, die sich lediglich aus diesen Importen zusammensetzen. Der Abkauf durch die Bevölkerung erfolgt durch das angeblich zu hohe Preisniveau und die ungenügende Geschmacksqualität nur schleppend.

Die Stimmung und Reaktion der Bevölkerung der DDR zur gegenwärtigen Versorgungslage wird neben der Diskussion über das teilweise ungenügende Warensortiment von Problemen bestimmt, die auf Erscheinungen der allgemeinen ökonomischen Entwicklung basieren.

Obwohl die Diskussionen der Bevölkerung über Versorgungsschwierigkeiten keine unmittelbaren objektmäßigen oder territorialen Schwerpunkte bilden, ist festzustellen, dass sie verbreitet unter allen Schichten der Bevölkerung in ansteigendem Maße vorhanden sind. Häufig angeregt durch »Argumente« westlicher Rundfunk- und Fernsehstationen, die sich seit dem 13. Plenum des ZK der SED3 verstärkt mit Fragen der ökonomischen Entwicklung der DDR befassen, wird dabei die fortschreitende Entwicklung in der DDR in Abrede gestellt.

Im Vordergrund dieser »Argumentationen« steht weiter die Überlegung, dass der jetzige »Zustand« mit unserer erreichten Entwicklung nicht vereinbar sei und Versorgungslücken bei Waren des täglichen Bedarfs kein Verständnis entgegengebracht werden könnte. Die Versorgung sei vor Jahren bereits besser gewesen als jetzt.

Mehrfach wird geäußert, zwischen den Darlegungen in den Kommunikationsmitteln der DDR über die ökonomische Entwicklung der DDR und der tatsächlichen Praxis bestünde ein großer Widerspruch.

Verbreitet ist eine solche Tendenz festzustellen, dass große Teile der Bevölkerung den Stand der ökonomischen Entwicklung der DDR lediglich an der Skala der in den Geschäften angebotenen Waren messen.

  • Unzufriedene, negative und feindliche Reaktionen lassen weiter folgende Tendenzen erkennen:

  • Zweifel an der ökonomischen Entwicklung in der DDR (»einerseits Produktionserfolge – andererseits ein mangelhaftes Warenangebot«)

  • Vergleiche mit der Entwicklung in der BRD (»trotz Kapitalisten eine kontinuierliche, qualitätsmäßige Versorgung«)

  • Verärgerung darüber, weil zu viele hochwertige Waren exportiert würden und der Bevölkerung der DDR dadurch verloren gingen (»für die DDR-Bevölkerung verbleibt nur die qualitätsgeminderte Ware«)

  • Kritik am Ansteigen von Erscheinungen der »Unter-dem-Ladentisch-Verkäufe« (»in der DDR bekommt man nur gute Ware durch entsprechende Beziehungen«)

Folgende Diskussionen sind wiederholt in allen Schichten der Bevölkerung anzutreffen:

  • Das 13. Plenum habe nicht daran vorbeikommen können, bestehende Mängel und Schwierigkeiten in der wirtschaftlichen Lage der DDR »als Entschuldigungsgrund für die gegenwärtig unzufriedene Versorgungslage« offen darzulegen.

    Wahrscheinlich seien die »Schwierigkeiten« erheblicher als »offen zugegeben« würde.

  • Die Schwächen in der Wirtschaftspolitik der DDR würden durch das mangelhafte Versorgungsangebot offenbar. Das »neue ökonomische System«4 sei in der DDR bisher ohne wesentliches Ergebnis geblieben.

  • In der DDR würden die gleichen Fehler in der Planung und Leitung die Volkswirtschaft der DDR behindern wie vor Beginn der »Wirtschaftsreform« Anfang 1960.

  • Die Planforderungen an Industrie und Landwirtschaft seien zu hoch. Die Pläne würden in Permanenz untererfüllt.

Es habe den Anschein, dass der Volkswirtschaftsplan der DDR »unwissenschaftlich« aufgebaut sei.

  • Das System der zentral gelenkten Planwirtschaft der DDR sei anzufechten. Für den Verbraucher sei nach wie vor das »System der freien Konkurrenz«, der Entwicklung der »betrieblichen Eigeninitiative« und des »Abbaus der zentralistischen Wirtschaftsbürokratie« von Vorteil (vereinzelter).

  • Die Fähigkeiten leitender Handelsfunktionäre müssten angezweifelt werden. Auf subjektive Mängel sei die teilweise mangelhafte Warenstreuung, ein lückenhaftes Angebot an Wochenenden, die ungenügende Urlaubsversorgung u. a. zurückzuführen.

  • Die Verkaufsstellen des HO- und Konsumhandels würden wiederholt eine ungenügende Verkaufskultur beweisen. Vereinzelt wird geäußert, diesen Erscheinungen sei lediglich durch eine Reprivatisierung des Handels zu begegnen.

  • Im Handel seien ständig ungerechtfertigte Preissteigerungen zu beobachten. Die Begründungen hinsichtlich verbesserter Qualität seien nicht in jedem Fall stichhaltig.

In der DDR würden die in der BRD durchgeführten Preissteigerungen kritisiert, inoffiziell würden jedoch in der DDR gleiche Praktiken angewandt.

  1. Zum nächsten Dokument Überfall auf den stellv. OB von Schwedt

    6. September 1970
    Information Nr. 1062/70 über Gewalttätigkeiten gegen den Stellvertreter des Oberbürgermeisters der Stadt Schwedt und einen Angehörigen der Deutschen Volkspolizei, SV Kommando Schwedt, am 25. September 1970 durch jugendliche Täter

  2. Zum vorherigen Dokument Störung der geheimen Regierungsverbindung der Botschaft Rumäniens

    1. September 1970
    Information Nr. 912/70 über eine Störung der geheimen Regierungsverbindung der Botschaft der SRR in der DDR