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Probleme des Reise- und Touristenverkehrs in der DDR

6. Mai 1970
Information Nr. 464/70 über Probleme des Reise- und Touristenverkehrs in der DDR, die im Zusammenhang mit der Direktive des Ministers für Handel und Versorgung über die »Veränderung der Zimmerpreise und Dienstleistungspreise gegenüber ausländischen Besuchern sowie Besuchern aus Westdeutschland und Westberlin« zu nachteiligen Auswirkungen geführt haben

Die o. g. Direktive1 wurde im Zusammenhang mit dem Beschluss des Präsidiums des Ministerrates vom 6.12.1968 über »Die Einflussnahme auf den grenzüberschreitenden Reiseverkehr durch ökonomische Maßnahmen«2 bestätigt und am 1.1.1969 in Kraft gesetzt.

Dazu werden

  • 1.

    für ausländische Besucher die Preise für Hotelzimmer und hotelbedingte Dienstleistungen der Interhotels und der übrigen Einrichtungen des Gaststätten- und Hotelwesens erhöht;

  • 2.

    die neuen Preise auch gegenüber dem Reisebüro der DDR angewendet, soweit es sich um ausländische Touristen handelt.

Die Erhöhung der Preise beträgt durchschnittlich bis 120 % für Hotelzimmer sowie 30 % für hotelbedingte Dienstleistungen.

Mit diesen Maßnahmen wird angestrebt, die wachsende Anzahl ausländischer Besucher der DDR den internationalen Gepflogenheiten entsprechend zu beherbergen und zu betreuen sowie den ansteigenden Anforderungen an die Entwicklung des Hotelwesens und der Gastronomie für ausländische Besucher gerecht zu werden.3

Da diese Maßnahmen auch den Touristenverkehr aus sozialistischen Staaten in die DDR betreffen und für 1969 mit den Partnerbüros durch das Reisebüro der DDR entsprechende Vereinbarungen getroffen worden waren, wurde das Ministerium für Verkehrswesen, das Ministerium der Finanzen sowie das Amt für Preise beim Ministerrat der DDR vom Reisebüro der DDR auf negative Auswirkungen hingewiesen.

Diese negativen Auswirkungen bestanden besonders darin, dass mit Preiserhöhungen der sozialistischen Partnerbüros gegenüber DDR-Touristen zu rechnen war bzw. Stornierungen von Touristenreisen in die DDR zu befürchten waren.

Das hätte zu unvertretbaren ökonomischen Verlusten für die DDR geführt.

Deshalb wurde durch den Ministerrat im März 1969 entschieden, dass die in der Direktive des Ministers für Handel und Versorgung festgelegten neuen Preise im Jahre 1969 nicht in Anwendung zu bringen sind.

Gleichzeitig wurde das Ministerium für Verkehrswesen beauftragt, erneut zu untersuchen, welchen Ländern gegenüber und in welchem Umfang die Preise für touristische Leistungen ab 1.1.1970 erhöht werden können, ohne dass dadurch volkswirtschaftlich negative Auswirkungen für die DDR entstehen.

Die in diesem Zusammenhang durch das Ministerium für Verkehrswesen an den Ministerrat im Dezember 1969 eingereichten Vorschläge sind durch das Amt für Preise beim Ministerrat der DDR sowie das Ministerium für Handel und Versorgung abgelehnt worden, da sie nicht der konsequenten Durchsetzung des Beschlusses des Präsidiums des Ministerrates vom 6.12.1968 dienen.

Diese vom MfV eingereichten Vorschläge beinhalten u. a., dass

  • Preiserhöhungen für Hotelzimmer und hotelbedingte Dienstleistungen in der DDR an die Reisebüros der sozialistischen Länder nicht weiterberechnet werden,

  • die Differenz zwischen den Binnenpreisen für Hotelzimmer und hotelbedingte Dienstleistungen in der DDR und den mit den Partnerbüros vereinbarten Preisen für das Jahr 1970 aus Nebeneinnahmen und Minderausgaben des Haushaltes des Ministeriums für Verkehrswesen abzudecken ist bzw. noch fehlende Mittel aus der Reserve des Staatshaushaltes bereitzustellen sind.

Durch das Reisebüro der DDR wurden zwischenzeitlich auf der Grundlage des bereits erwähnten Beschlusses vom 6.12.1968 mit den Partnerbüros der sozialistischen Staaten Verhandlungen geführt, um eine Durchsetzung der Preise für das Jahr 1970 zu erreichen.

Übereinstimmend lehnten alle Partnerbüros die vom Reisebüro der DDR geforderten Preiserhöhungen ab. Das betrifft die Partnerbüros der SR Rumänien, VR Ungarn, VR Polen, Bulgarien und der ČSSR.

(Mit dem Reisebüro Intourist der UdSSR wurden auf Weisung des stellvertretenden Verkehrsministers Dr. Winkler4 keine Verhandlungen in dieser Richtung geführt.

Vom Vertreter des sowjetischen Reisebüros in der DDR, Gen. Chrominsky,5 wurde bekannt, dass das sowjetische Gewerkschaftskomitee als Träger der Touristenreisen in die DDR keinerlei Preiserhöhungen für die Touristengruppen akzeptieren wird.)

Vertreter der genannten Reisebüros äußerten, dass die Bürger ihrer Länder wegen der Preissteigerungen in der DDR andere Reiseländer mit günstigeren Preisen bevorzugen werden. Da nach ihren Angaben die DDR damit das teuerste Reiseland innerhalb der sozialistischen Staaten wird, kann von ihnen keine Garantie übernommen werden, dass die vereinbarten Verträge für 1970 realisiert werden.

Dazu im Einzelnen:

Der rumänische Botschafter in der DDR übergab am 28.1.1970 eine entsprechende Note an das Außenministerium der DDR, in der die Maßnahmen der DDR abgelehnt werden.

Der Verhandlungspartner der VR Polen erklärte, dass bei der Durchsetzung der Preiserhöhung seitens der DDR vonseiten der VR Polen ebenfalls die Preise für den DDR-Tourismus erhöht werden würden.

Der Vertreter der ČSSR akzeptierte die Maßnahmen der DDR mit dem Vorbehalt, dass bei allen Ländern diese einseitige Preiserhöhung durchgesetzt wird. (Zwischenzeitlich konnte eine Erhöhung der Preise um 20 % vereinbart werden, was annähernd dem Preisniveau beider Länder entspricht.)

Der Vertreter des ungarischen Reisebüros teilte mit, dass die ungarische Seite, falls bis zum 21.3.1970 durch das Reisebüro der DDR keine Entscheidung erfolgt, die Touristen zu den üblichen Preisen in die DDR entsenden wird.

Bis einschließlich 9.4.1970 wurden von den vorgenannten Partnerländern mit der Begründung »wegen ungeklärter Hotelpreise« folgende Stornierungen vorgenommen:

Im Einzelnen durch die

ČSSR

4 400 Personen

etwa 113 Reisegruppen

VR Polen

4 294 Personen

etwa 134 Reisegruppen

VR Ungarn

704 Personen

etwa 22 Reisegruppen

SR Rumänien

1 510 Personen

etwa 47 Reisegruppen

VR Bulgarien

1 724 Personen

etwa 54 Reisegruppen

Dadurch werden 3,3 Mio. Mark Umsatz nicht realisiert. Außerdem entsteht ein Verlust von ca. 330 000 Mark Reingewinn.

Diese bisher insgesamt noch nicht gelösten Probleme haben nach vorliegenden Informationen für die DDR folgende Auswirkungen:

  • Der Valutasaldo verschlechtert sich um 31,8 Mio. Mark.

  • Der Staatshaushalt wird um 47,8 Mio. Mark mehr belastet.

(Allein durch den Vertreter von »Balkantourist« – VR Bulgarien – angekündigte Stornierung der Verträge mit der DDR würde bedeuten, dass ca. 5 Mio. Mark nicht umgesetzt werden und 500 000 Mark Reingewinn der DDR verlorengehen.)

Für den Monat April 1970 lagen seitens des polnischen Partnerbüros weitere Stornierungen vor.

Es erscheint notwendig, im Interesse ordnungsgemäßer Beziehungen im Reise und Touristenverkehr sowie der Verhinderung politischer und ökonomisch negativer Auswirkungen vorgenannte Probleme einer schnellen, dauerhaften und zweckmäßigen Lösung zuzuführen.

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    13. Mai 1970
    Information Nr. 496/70 über antivietnamesische Hetzschriften in der kambodschanischen Botschaft in der Hauptstadt der DDR

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    5. Mai 1970
    Information Nr. 468/70 über das Verhalten der Cheftrainerin im Eiskunstlauf des Sportclubs Karl-Marx-Stadt, Jutta Müller