Probleme im Bereich des Gesundheitswesens der DDR
5. November 1970
Information Nr. 1024/70 über einige Probleme im Bereich des Gesundheitswesens der DDR
In den letzten Monaten mehren sich in allen Bezirken und Kreisen unzufriedene Diskussionen seitens des medizinischen Personals sowie der Bevölkerung über die medizinische Versorgung. Unzufriedenheit besteht besonders in den Kreisstädten und Landkreisen, aber auch in ökonomischen Ballungsgebieten. Sie resultiert u. a. aus ernsten Mängeln in der ambulanten Betreuung der Bevölkerung, die z. B. wie folgt sichtbar werden:
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Lange Wartezeiten in vielen ambulanten medizinischen Einrichtungen infolge von mangelhafter Organisation bzw. durch das Fehlen von Ärzten und mittleren medizinischen Kadern;
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keine ausreichende ambulante Betreuung durch Fachärzte, besonders in den Fachdisziplinen Augen, Hals-Nasen-Ohren, Kinder- und Jugendgesundheitsschutz, Orthopädie und Stomatologie, vor allem infolge von noch zu starker Konzentration der Fachärzte im stationären Bereich;
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keine sofortige Krankenhausaufnahme bei erforderlicher stationärer Behandlung infolge territorial unterschiedlichen Bettenkapazitäten bzw. Schließung von Stationen in Krankenhäusern.
Weitere Mängel werden durch die instabile Versorgung mit Arzneimitteln, Verbandmitteln und Erzeugnissen der Medizintechnik genannt.
Zu diesen und damit zusammenhängenden Problemen liegen dem MfS vielfältige Hinweise aus dem Bereich des Gesundheitswesens vor, die im Folgenden in zusammengefasster Form wiedergegeben werden. Die Hinweise erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie sollen zur Einschätzung der Gesamtsituation auf diesem Gebiet beitragen.
Als Hauptursache für die unbefriedigende Situation im Gesundheitswesen wird in vielen Fällen die mangelhafte staatliche Leitungstätigkeit genannt.
Das betrifft alle Ebenen von den örtlichen Staatsorganen bis zum Ministerium für Gesundheitswesen. Dabei müsse als ein Hauptproblem die ungenügende Sicherung einer proportionalen Entwicklung des Gesundheitswesens in den Bezirken und Kreisen gesehen werden.
Auf allen Ebenen seien Beispiele unzureichender Qualifikationen vieler Leiter besonders auf dem Gebiet der Arbeitsorganisation bekannt. Das zeige sich u. a. darin, dass durch leitende Kader in zunehmendem Maße vorhandene Schwächen auf sogenannte objektive Bedingungen abgewälzt und nicht als Missstände im Ergebnis unbefriedigender Leitungstätigkeit erkannt würden.
Besonders zwischen den Einrichtungen des Gesundheitswesens der Bezirke und Kreise bestünden z. T. erhebliche Disproportionen in der Besetzung mit Fachkräften sowie im ärztlichen Versorgungsgrad. Bedingt durch diese Situation sind durch notwendige ärztliche Konsultationen Werktätiger außerhalb des Wohn- bzw. Arbeitsortes erhebliche Ausfallzeiten in der Produktion zu verzeichnen.
In der politisch-ideologischen Erziehung und gesellschaftlichen Bildung seien im Rahmen der Aus- und Weiterbildung des Personalbestandes des gesamten Gesundheitswesens – besonders aber in den Bezirken und Kreisen – erhebliche Lücken zu verzeichnen. Das objektiv notwendige Verhältnis zur fachspezifischen Ausbildung und Qualifizierung sei bisher nicht im ausreichenden Maße hergestellt worden. In einer Reihe Einrichtungen des Gesundheitswesens würden Beschlüsse von Partei und Regierung nicht oder formal ausgewertet und zu aktuell-politischen Themen werde nicht oder nur unzureichend Stellung genommen.
Wiederholt beinhalten Hinweise die angeblich noch ungenügende Leitungstätigkeit des Ministeriums für Gesundheitswesen. In diesen Hinweisen wird z. T. davon ausgegangen, die Grundlage der staatlichen Führungstätigkeit im Ministerium für Gesundheitswesen zur Durchsetzung der Grundsätze des neuen ökonomischen Systems1 im Gesundheitswesen sei nach wie vor der Beschluss des Präsidiums des Ministerrates vom 21.12.1967 über den Maßnahmeplan zur Lösung der Hauptaufgaben auf dem Gebiet des Gesundheitswesens bis 1970.2
In Durchsetzung dieses Beschlusses wären eine Reihe positiver Ergebnisse erzielt worden, andere wichtige Aufgaben, die insbesondere die Zusammenarbeit des Ministeriums für Gesundheitswesen mit den örtlichen Staatsorganen betreffen, seien jedoch bis heute nicht erfüllt. Diese »Versäumnisse« würden sich vor allem in einer unzureichend komplexen und oftmals stark einseitig fachspezifischen Anleitung und Kontrolle zur Durchführung der Hauptaufgaben zeigen.
In der weiteren Qualifizierung der Leitungstätigkeit durch das MfG und andere zentrale staatliche Ebenen des Gesundheitswesens wären u. a. folgende auftretende Probleme zu beachten:
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Das MfG habe den Beratungen der Bezirkstage und ihrer Räte zu Grundfragen des Gesundheitsschutzes und der sozialen Betreuung zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Es hätten zwar Stellvertreter des Ministers und andere leitende Mitarbeiter des Ministeriums an Beratungen der Bezirkstage Dresden, Rostock und Karl-Marx-Stadt3 teilgenommen. Die komplexe Vorbereitung auf die Teilnahme sowie die gründliche Auswertung der Beratungen wären jedoch ungenügend gewesen.
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Das Niveau der vom MfG durchgeführten Bezirksärzte-Tagungen sei sehr unterschiedlich. In den letzten Jahren sei zwar verstärkt damit begonnen worden, grundsätzliche Fragen im Rahmen von Problemdiskussionen zu behandeln. Es sei jedoch notwendig, diese Methode weiter auszubauen. Gleichzeitig müssten die Bezirksärzte-Tagungen zu einem solchen Forum entwickelt werden, vor dem die Bezirksärzte als Staatsfunktionäre über die Ergebnisse ihrer Arbeit berichten. Dazu wäre aber auch seitens des Ministeriums eine gründlichere Vorbereitung der Bezirksärzte als bisher erforderlich.
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Die Ausarbeitung von Grundsatzfragen sei teilweise noch zu eng auf die Lösung von Teilfragen und damit nicht ausreichend auf die Schaffung umfassender komplexer Systemlösungen als Grundlage für die eigenverantwortliche Tätigkeit der örtlichen Staatsorgane orientiert.
Ernste Probleme seien im Gesundheitswesen auf den Gebieten der Grundfondspolitik und Rationalisierung vorhanden. Das MfG müsse stärker als bisher sichern, dass die vorhandenen Grundfonds mit höchster Effektivität eingesetzt und ausgelastet werden. Das sei im Hinblick auf den z. T. unbefriedigenden Zustand der materiell-technischen Basis des Gesundheitswesens in nächster Zeit von besonderer Bedeutung.
Trotz des Einsatzes von ca. 1,7 Mrd. Mark Investitionen in den Jahren 1970 bis 1975 sei die einfache Reproduktion der Grundfonds nicht gesichert. Die Abschreibungen im gleichen Zeitraum seien mit ca. 2,5 Mrd. Mark zu veranschlagen.
Der Zustand der materiell-technischen Basis im Gesundheitswesen sei u. a. durch folgende Besonderheiten gekennzeichnet:
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61 % der Gesundheitseinrichtungen wurden vor 1900 gebaut;
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mehr als 20 % des Gebäudevolumens wurden ursprünglich für andere Zwecke errichtet;
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die Krankenhäuser sind mit 25 % der Betten überbelegt;
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Soll: pro Bett 7 m2; Ist: 4,7 m2;
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steigende Aufwendungen für die Erhaltung der Betriebsfähigkeit der überalterten wirtschaftlich-technischen Bereiche (Heizung, Küche, Wäscherei, Energieversorgung usw.) zulasten von notwendigen Maßnahmen für die bessere medizinische Betreuung der Patienten;
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der Ausrüstungsgrad beträgt durchschnittlich nur ca. 60 % des gültigen Richtwertes, der bereits unter vergleichbaren internationalen Werten liegt.
Offensichtlich würden die Schwierigkeiten auf materiell-technischem Gebiet im Gesundheitsweisen durch die örtlichen Organe (Bezirke und Kreisebene) nicht im genügenden Maße beachtet. Das zeige sich mehrfach in der Kürzung von Investitionen für dringende Werterhaltungsarbeiten oder Neubauten.
Im Bezirk Potsdam wurden z. B. für 1971 die beantragten zwölf Mio. Mark auf acht Mio. Mark reduziert. Besonders in diesem Bezirk ist jedoch zu verzeichnen, dass Gesundheitseinrichtungen teilweise oder gänzlich baupolizeilich gesperrt werden müssten. (Schwerpunkte bilden die Krankenhäuser Nauen und Staaken sowie die Poliklinik Falkensee.)
Die steigenden Anwendungen für die Erhaltung der überalterten wirtschaftlich-technischen Bereiche gingen zulasten notwendiger Maßnahmen der verbesserten medizinischen Betreuung der Bevölkerung, sodass in den folgenden Jahren mit spürbaren Auswirkungen zu rechnen sei.
Im Raum Berlin könnten dringende Investitionen und Werterhaltungsarbeiten im Gesundheitswesen nicht erfolgen, weil keinerlei Baukapazitäten zur Verfügung stehen.
Als äußerst prekär wird die Lage im Klinikum Buch bezeichnet, wo der Bau eines Heizhauses wegen fehlender Kapazität nicht erfolgen könne. Das Heizhaus soll die Krankenhäuser, Institute der Akademie der Wissenschaften, Wohnungsbauten und das Objekt Regierungskrankenhaus versorgen.
Die Arbeitskräftesituation im Gesundheitswesen ist seit Jahren mit steigenden Schwierigkeiten verbunden. Das Fehlen mittleren medizinischen Personals und medizinischer Hilfskräfte wirkt sich besonders in Einrichtungen des Gesundheitswesens auf Bezirks- und Kreisebene ungünstig auf die Betreuung der Patienten aus.
Durch eine Anzahl örtlich wirksamer Faktoren (ungenügende Perspektive, Wohnraumschwierigkeiten, Betriebsklima) verlassen auch junge Fachärzte die Einrichtungen und suchen sich neue Arbeitsplätze. Die Fluktuation innerhalb der Bezirke, aber auch z. T. mit Abwanderungsbestrebungen in die Hauptstadt, wird als erheblich eingeschätzt. Im Bezirk Potsdam verließ ein Drittel aller ausgebildeten Fachärzte in den Jahren 1965–69 den Bezirk.
Im Gesundheits- und Sozialwesen sind ca. 350 000 Mitarbeiter beschäftigt, das sind rund 4,8 % der Gesamtbeschäftigten der Volkswirtschaft.
Der Anteil der weiblichen Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen beträgt 80 %.
Die gegenwärtige Situation bei den ca. 186 300 mittleren medizinischen Kadern und ca. 124 100 sonstigen Kadern (Wirtschafts- und Verwaltungspersonal) ist gekennzeichnet durch die Abwanderung dieser Kader in die Industrie oder andere Einrichtungen der Volkswirtschaft, da sie dort als ungelernte Kräfte angeblich bessere Verdienstmöglichkeiten haben.
Hinzu kommt, dass durch Eheschließungen oder die Geburt von Kindern weibliche Kader ihre Tätigkeit beenden, da sie den in einigen Bereichen des Gesundheitswesens notwendigen Nachtdienst nicht mehr durchführen wollen oder auch können.
Durch die Veränderung des Lohngefüges in der Volksbildung sind viele Kader in Einrichtungen der Volksbildung abgewandert (Kindergärten, Hort usw.).
(Eine examinierte Krankenschwester verdient z. B. als ungelernte Kraft in einem Kindergarten etwa 30,00 Mark mehr und braucht keinen Schichtdienst zu leisten; Kraftfahrer des Gesundheitswesens verdienen in anderen Bereichen bis zu 300 Mark mehr; Ärztesekretärinnen können in der Industrie bis zu 250 Mark mehr verdienen.)
Diese Situation hat zur Folge, dass einige stationäre Einrichtungen gezwungen waren, aus Personalmangel Bettenstationen zu schließen oder ambulante Behandlungen stark einzuschränken.
Die damit auch verbundene Überbelastung des tätigen Personals sowie ihre Beauftragung mit notwendigen Reinigungs- und anderen Hilfsarbeiten führt zu negativen Diskussionen, zur Nachlässigkeit in der Arbeit und zur Unzufriedenheit.
Die Einsatzfähigkeit des Gesundheitswesens wird teilweise erheblich beeinträchtigt.
Im Monat Mai 1970 verfügte z. B. das Institut für Blutspende- und Transfusionswesen Berlin zur Versorgung der Krankenhäuser mit Blutkonserven nur noch über einen einzigen Kraftfahrer.
In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, das konfessionelle Einrichtungen des Gesundheitswesens eine gute Besetzung mit konfessionellen Schwestern haben und infolge der besseren Betreuung der Patienten größere Teile der Bevölkerung sich in diesen Einrichtungen behandeln lassen wollen.
Dem MfS liegen zahlreiche Hinweise über gegenwärtig noch bestehende erhebliche Lücken in der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln vor.
Obwohl aufgrund der seit Jahren instabilen Versorgung mit Arzneimitteln, Verbandmitteln und Erzeugnissen der Medizintechnik vom Sekretariat des ZK der SED am 2.6.19654 und vom Präsidium des Ministerrates am 5.1.19675 grundsätzliche Beschlüsse zur Verbesserung der Versorgung mit diesen Erzeugnissen gefasst wurden, habe sich die Versorgungslage nicht wesentlich geändert. Durch das Ministerium für Gesundheitswesen und die anderen verantwortlichen Staats- und Wirtschaftsorgane (Staatliche Plankommission, Ministerium für Chemische Industrie, Ministerium für Elektrotechnik/Elektronik, Ministerium für Verarbeitungsmaschinen- und Fahrzeugbau, Ministerium für Leichtindustrie, Ministerium für Bezirksgeleitete Industrie und Lebensmittelindustrie und das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen) seien die Beschlüsse nicht termingerecht und teilweise überhaupt nicht durchgeführt worden.
Die Entwicklung auf dem Gebiet der pharmazeutischen und medizinischen Versorgung des Gesundheitswesens lasse seit einigen Jahren erkennen, dass entscheidende Verbesserungen nur erreicht werden könnten, wenn die Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionskapazitäten der pharmazeutischen und medizintechnischen Industrie konzentriert und erweitert würden. In der Schaffung von neuen leistungsfähigen Kapazitäten gäbe es in der DDR gegenüber den anderen hochentwickelten Industriestaaten einen erheblichen Tempoverlust, der zur Verhinderung einer weiteren Verschärfung in der Versorgungslage schnellstens überwunden werden müsse.
Das Ministerium für Gesundheitswesen habe in den letzten Jahren Anstrengungen unternommen, um diese sich abzeichnende Entwicklung positiv zu beeinflussen und die bedarfsgerechte Versorgung der Einrichtungen des Gesundheitswesens mit Arzneimitteln und medizin- und krankenhaustechnischen Erzeugnissen durch langfristige und operative Maßnahmen annährend zu sichern.
(Erarbeitung einer Beschlussvorlage »über Maßnahmen zur weiteren Qualifizierung der einheitlichen Planung und Leitung des Reproduktionsprozesses für Arzneimittel, Medizintechnik und andere spezifische Materialien für die gesundheitliche Betreuung der Bevölkerung und Erarbeitung von Vorschlägen zur Bildung eines Staatssekretariats für medizinische Industrie«.)
Hemmend wirkte sich dabei allerdings aus, dass das MfG nur stark eingeschränkte Möglichkeiten besitze, die für die Sicherung der kontinuierlichen Versorgung erforderlichen Maßnahmen gegenüber den Industrieministerien durchzusetzen.
Die Situation in der Produktion und Versorgung mit Arzneimitteln sei durch folgende Faktoren gekennzeichnet:
In der Zeit von 1960 bis 1969 betrug die Warenproduktion allein an Arzneimitteln für Mensch und Tier in der DDR insgesamt rund sieben Milliarden Mark. Für die Forschung und Entwicklung wurden 120 Mio. Mark eingesetzt. Die Steigerung der Warenproduktion und des Reingewinns seien nur möglich gewesen
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durch Auslastung der Produktionskapazitäten über die projektierten Parameter hinaus,
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durch Verwendung eines Teils der Amortisation (ca. ein Drittel aller Investitionen) für die erweiterte Reproduktion,
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durch Vernachlässigung der Hilfs- und Nebenanlagen,
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durch unzureichende Erweiterung der Forschungskapazität.
Es müsse eingeschätzt werden, dass derzeitig in der Produktion von Erzeugnissen der Pharmazie und Medizintechnik weder eine Stabilität noch ein ausreichendes Niveau bestünde. Selbst bei herkömmlichen und einfachen Erzeugnissen, die in großem Umfang benötigt werden, sei in vielen Fällen keine Bedarfsdeckung gegeben. Bei jeder außergewöhnlichen Belastung seien Sondermaßnahmen zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung notwendig und zusätzliche Importe insbesondere aus dem nichtsozialistischen Währungsgebiet unumgänglich. So sei es während des letzten Grippegeschehens kurzfristig notwendig gewesen, für die Behandlung von Komplikationen zusätzlich Depot-Sulfonamide – vorwiegend aus dem NSW – zu importieren, weil unserer pharmazeutischen Industrie nicht ausreichend Rohstoffe zur Verfügung gestanden hätten.
In diesem Zusammenhang wurde teilweise Unverständnis geäußert, da im Chemischen Kombinat Bitterfeld jährlich 100 t des wichtigsten Rohstoffes für einheimische Depot-Sulfonamide produziert würden, unsere pharmazeutische Industrie jedoch nur sechs t davon erhalte. Offensichtlich seien keine Werte oder Bevorratungen für Epidemien oder besondere Vorkommnisse geplant.
Bei lebensrettenden und lebensnotwendigen Erzeugnissen erhöhe sich die Instabilität der Versorgung durch nichtausreichende Produktionskapazitäten für Fertigprodukte, Zwischenprodukte und Rohstoffe.
Weiter wird darauf verwiesen, gegenwärtig zeichne sich eine solche Entwicklung in einigen Betrieben der chemischen und elektrochemischen Industrie ab, wonach mit Hinweis auf strukturpolitische Maßnahmen Bestrebungen zunehmen, Aufgaben der Forschung und Entwicklung sowie die Produktion von Arzneimitteln und medizinisch-technischen Erzeugnissen ganz oder teilweise einzustellen.
Auch Betriebe der pharmazeutischen Industrie (Jenapharm, Berlin-Chemie, Philopharm) seien mit Hinweis auf die Betriebsökonomie dazu übergegangen, die Produktion von Arzneimitteln zugunsten der Produktion von Erzeugnissen für andere Bedarfsgüter einzuschränken bzw. einzustellen.
Im Zusammenhang mit diesen Problemen wird wiederholt betont, dass
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der Rückstand der medizinischen Industrie der DDR gegenüber dem internationalen Stand zugenommen habe;
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die Anfang der 1960er-Jahre noch führende Stellung der DDR im sozialistischen Lager auf diesem Gebiet verloren gegangen sei;
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die Voraussetzungen für eine wirksame Kooperation – insbesondere mit der UdSSR und der UVR – geringer geworden seien;
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die DDR nicht annährend in der Lage sei, die Absatzmöglichkeiten im Export, insbesondere in den antiimperialistischen Staaten, zu nutzen;
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unzureichend vorbereitete bzw. hinsichtlich ihrer Auswirkungen nicht genügend durchdachte Spezialisierungen zur Instabilität der Versorgung oder zur indirekten Abhängigkeit von kapitalistischen Konzernen geführt habe.