Protest von Hallenser Schriftstellern gegen Sozialversicherung
23. Dezember 1970
Information Nr. 1372/70 über Bestrebungen Hallenser Schriftsteller zum Protest und zur Unterschriftensammlung gegen die beschlossenen Maßnahmen zur Erhöhung des SV-Beitrages und zur Änderung der Besteuerung
Dem MfS wurden intern bekannt, dass unter Mitgliedern des Schriftstellerverbandes des Bezirkes Halle negative Diskussionen über die beschlossenen Maßnahmen des Ministerrats vom 15.12.1970 zur Erhöhung des SV-Beitrages für freiberuflich tätige Kultur- und Kunstschaffende sowie zur Änderung der Besteuerung von Berufsgruppen freiberuflich Tätiger auftraten.1
Es handelt sich dabei insbesondere um folgende Schriftsteller:
Czechowski, Heinz,2 geboren 7.2.1935, wohnhaft Halle, [Straße, Nr.], parteilos, Mitglied des Bezirksvorstandes des DSV Halle, und Kirsch, Rainer,3 geboren 17.7.1934, wohnhaft Halle, [Straße, Nr.], Mitglied der SED, Mitglied des Bezirksvorstandes des DSV Halle.
Die negativen Diskussionen, die vor allem von Czechowski geführt wurden, hatten zum Inhalt:
Es wurde ihre »Empörung« über die genannten Maßnahmen und eine »Benachteiligung« gegenüber den Arbeitern und Angestellten zum Ausdruck gebracht.
Sie würden in der letzten Zeit sowieso wenig Honorar bekommen, die Honorarzahlungen würden verspätet erfolgen und durch die jetzt beschlossenen Maßnahmen würden sie kaum noch etwas verdienen. Unter solchen Bedingungen könne man gleich auf dem Bau arbeiten gehen.
Es gab insbesondere vonseiten des Czechowski Befürchtungen, zu hohe Steuern zahlen zu müssen, wenn er einmal über die 20 000 Mark Grenze käme. Er äußerte, dass die Partei eine Maßnahme nach der anderen einleite, die allmählich seine Existenz bedrohe. So könne man als Künstler nicht behandelt werden; das könne man z. B. mit den Arbeitern nicht machen, die würden sich zur Wehr setzen.
Czechowski und Kirsch beabsichtigten, ihren »Protest« in einem Brief über den Schriftstellerverband zum Ausdruck zu bringen und für diesen »Protestbrief« Unterschriften von Schriftstellern zu sammeln.
Die beiden genannten Schriftsteller vertraten die Ansicht, dass ihre Auffassungen auch von anderen Schriftstellern und Künstlern gestellt würden.
Die allgemeine Stimmung unter den Künstlern sei aufgrund der beschlossenen Maßnahmen etwas erregt, jedoch seien die, die sich darüber »empören«, in der Minderheit.
In Gesprächen untereinander und mit dem Vorsitzenden des Schriftstellerverbandes des Bezirkes Halle, Heiduczek, Werner,4 geboren 24.11.1926, wohnhaft Halle, [Straße, Nr.], Mitglied der SED, kamen die Genannten zunächst überein, Vorsicht walten zu lassen, um sich »nicht selbst den Ast abzusägen«.
Deshalb sollten erst einmal die entsprechenden Verordnungen und konkreten Festlegungen abgewartet werden, um diese genau zu studieren, wobei jedoch befürchtet wurde, dass noch bestimmte »Klauseln« zum Nachteil der Schriftsteller gefunden würden.
Durch das MfS wurden entsprechende Maßnahmen eingeleitet, um durch Aussprachen seitens der Vertreter der Staats- und Parteiorgane innerhalb des Schriftstellerverbandes sowie in individuellen Gesprächen mit den Schriftstellern aufklärend zu wirken.
Im Ergebnis dieser Gespräche gelangten die Schriftsteller zu der Überzeugung, durch die beschlossenen Maßnahmen nicht benachteiligt zu werden.
Inoffiziell wurde erarbeitet, dass sie von dem geplanten »Protestbrief« Abstand genommen haben.
Dem MfS ist intern bekannt, dass sich die genannten Personen (Czechowski, Kirsch, Heiduczek) in regelmäßigen Abständen mit weiteren Künstlern zusammenfinden und im Gegensatz zu ihrem öffentlichen Auftreten dort negative Diskussionen gegen die Kulturpolitik der Partei führen.
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