Provokation der Westberliner Polizei auf dem S-Bahnhof Westkreuz
24. Februar 1970
Information Nr. 213/70 über eine Provokation der Westberliner Schutzpolizei in der Bahnpolizeiwache Westkreuz am 21. Februar 1970
Im Zusammenhang mit der Provokation der Westberliner Schutzpolizei in der Bahnpolizeiwache Westkreuz1 vom 21.2.1970 wurden folgende Einzelheiten ermittelt:
Am 21.02.1970, gegen 14.45 Uhr, bemerkte der Westberliner Bürger [Name 1] wie eine ca. 25–30 Jahre alte männliche Person die Bahnsteigsperre des Bahnhofes Westkreuz mit einer Fahrkarte passierte, die bereits gelocht und somit ungültig war. Diese Feststellung teilte der Westberliner Bürger dem diensthabenden Aufsichter [Name 2] mit, der sich von der Richtigkeit der Feststellung im Aufsichtsraum überzeugte. Da die männliche Person sich weigerte, einen neuen Fahrausweis zu kaufen und damit drohte, zur Klärung des Sachverhalts die Westberliner Polizei zu rufen, wandte sich der Aufsichter [Name 2] an die Bahnpolizei.2
Die herbeigerufenen Bahnpolizisten [Name 3] und [Name 4] forderten die männliche Person mehrmals auf, eine neue Fahrkarte zu kaufen. Da sie dieser sowie der danach ausgesprochenen Forderung, den Bahnhof zu verlassen, ebenfalls nicht nachkam, versuchten die beiden Bahnpolizisten durch Anfassen am Arm die männliche Person zum Ausgang zu führen. Diesen Versuchen widersetzte sich die Person und schlug mit Händen und Füßen um sich. Daher wurde sie zum Ausgang getragen.
Gegen 15.20 Uhr erschien in der Bahnpolizeiwache Westkreuz ein Westberliner Polizist. Er erklärte, eine männliche Person habe ihm mitgeteilt, von einer Streife der Bahnpolizei geschlagen und mit Füßen getreten worden zu sein. Der Westberliner Polizist verlangte mit der Begründung, dass eine strafbare Handlung vorliege, die Personalien der Bahnpolizisten, die ihm jedoch verweigert wurden. Der Bahnpolizist [Name 3] erklärte ihm, dass der von der männlichen Person dargestellte Sachverhalt nicht den Tatsachen entspricht und er lediglich die Dienstnummer im Austausch mit seiner Dienstbuchnummer erhalten könnte. Da es zu keiner Einigung kam, verließ der Westberliner Polizist die Wache der Bahnpolizei.
Kurze Zeit später erschien der Westberliner Polizist erneut und verlangte wiederum die Personalien. Einer erneuten Aufforderung, die Wache zu verlassen, kam der Westberliner Polizist nicht nach. Wenige Minuten später traf ein Mannschaftswagen der Westberliner Polizei ein. Vier Polizisten dieses Wagens und ein weiterer Polizist eines Funkstreifenwagens begaben sich in die Wache der Bahnpolizei. Nachdem sie mit der Zuführung zum Revier gedroht hatten, gaben die Bahnpolizisten [Name 3] und [Name 4] unter Protest ihre Personalien.
Es wurde festgestellt, dass sich während der Auseinandersetzung auf der Bahnhofswache die männliche Person ohne gültigen Fahrausweis im Funkstreifenwagen der Westberliner Polizei befand. Weiterhin wurde beobachtet, dass sich eine männliche Person aus einem mit »Presse« beschrifteten Pkw, der auf dem Bahnhofsvorplatz stand, mit den Westberliner Polizisten unterhielt.
Der Bahnpolizist [Name 3] will sich erinnern, im Zusammenhang mit einem Verfahren 1964 die männliche Person ohne Fahrausweis kennengelernt zu haben. Nachprüfungen ergaben, dass damals der Westberliner Bürger [Name 5, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1947, wohnhaft Westberlin 41, [Straße, Nr.], Angehörige der Bahnpolizei beschuldigte, Körperverletzung im Amt begangen zu haben. Das Ermittlungsverfahren wurde später durch die Westberliner Generalstaatsanwaltschaft eingestellt.
Die Bahnpolizisten [Name 3] und [Name 4] sind langjährige Angehörige der Bahnpolizei. Ihre Dienstdurchführung ist gewissenhaft und ordnungsgemäß.
Die Westberliner Presse berichtete über die Provokation entstellt und hetzerisch am 22.2.1970 (Telegraf z. B.: »Auf dem S-Bahnhof misshandelt«).3 Mit der zuständigen Abteilung im ZK der SED wird daher eine Presseveröffentlichung vorbereitet und abgestimmt.4