Reaktion der Bevölkerung zum Treffen Stoph– Brandt in Erfurt (I)
17. März 1970
Information Nr. 294a/70 über die Reaktion der Bevölkerung der DDR zum bevorstehenden Treffen Stoph – Brandt in Erfurt
Der von der DDR der BRD unterbreitete Vertragsentwurf1 und der sich auf dieser Basis vollzogene Briefwechsel mit dem Bonner Bundespräsidenten Heinemann2 und dem Bonner Bundeskanzler Brandt3 bildeten in den letzten Wochen eine wesentliche Grundlage der politisch-ideologischen Arbeit in allen gesellschaftlichen Bereichen, insbesondere im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Wahlen zu den örtlichen Volksvertretungen.4
Nach Veröffentlichung der Übereinkunft5 und Bekanntwerden von Einzelheiten zum bevorstehenden Treffen Stoph6 – Brandt in Erfurt7 setzte in allen Schichten der Bevölkerung der DDR eine rege und interessierte Diskussion ein. Der Umfang der Diskussionen zum Treffen Stoph – Brandt ist gegenwärtig größer als zu Problemen der Wahlvorbereitungen.
Der überwiegende Teil der Bezirke schätzt ein, dass das Treffen in Erfurt gegenwärtig im Mittelpunkt aller politischen Diskussionen steht. Der weitaus größte Teil der bekannt gewordenen Stellungnahmen beinhaltet zustimmende Äußerungen zum Vorgehen und zur grundsätzlichen Haltung der Regierung der DDR.
Von breiten Bevölkerungskreisen wird die Initiative des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR und der Regierung der DDR zur Aufnahme gleichberechtigter völkerrechtlicher Beziehungen zwischen der DDR und der BRD begrüßt und unterstützt. Hervorgehoben wird, dass die Bonner Regierung durch die Vorschläge der DDR herausgefordert werde, zur Grundfrage der Gegenwart Stellung zu nehmen. Der Zeitpunkt und der Inhalt der Vorschläge der DDR seien richtig gewählt. Die Forderung der DDR nach völkerrechtlicher Anerkennung wird als eine dem gegenwärtigen Entwicklungsstand entsprechende Notwendigkeit betrachtet, die maßgeblichen Einfluss auf die Sicherung des Friedens in Europa ausüben werde. Vor der internationalen Öffentlichkeit sei damit erneut demonstriert worden, dass die DDR gegenüber Westdeutschland in der Offensive bleibe.
Aus einer Reihe von Berichten geht in diesem Zusammenhang hervor, dass das Auftreten des Genossen Walter Ulbricht8 auf der internationalen Pressekonferenz,9 seine prinzipielle, konsequente Haltung und fundierte Argumentation große Zustimmung bei interessierten Teilen der Bevölkerung gefunden habe. Seine Ausführungen hätten auch die Richtung für das Erfurter Treffen abgesteckt.
Im Vordergrund der Diskussionen eines großen Teils unserer Bürger stehen gegenwärtig weiter folgende Argumentationsrichtungen:
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die Übereinkunft über das Treffen ist ein Ausdruck des Bemühens der DDR um die europäische Sicherheit;
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das Zustandekommen des Treffens ist ein beachtlicher politischer Erfolg der DDR, der das gewachsene internationale Ansehen der DDR bestätigt;
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das Stattfinden des Treffens ist Ausdruck der Bereitschaft der Regierung der DDR, politische Probleme auf dem Verhandlungswege zu lösen;
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den Vorschlägen der DDR-Regierung, wie sie im Vertragsentwurf unterbreitet wurden, könne die Brandt-Regierung nicht mehr ausweichen, ohne vor der internationalen Öffentlichkeit an Prestige zu verlieren;
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Bundeskanzler Brandt werde durch die Weltöffentlichkeit zu Verhandlungen mit der Regierung der DDR veranlasst und könne sich den konsequenten Vorschlägen nicht mehr entziehen.
Der größte Teil der bekanntwerdenden Argumente beinhaltet sachlich vorgetragene Forderungen, wonach die Verhandlungen auf gleichberechtigter Basis geführt werden und die völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch die BRD zum Inhalt haben müssen. Von breiten Teilen der Bevölkerung wird betont, die völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch die BRD sei die Grundsatzforderung, die von der Verhandlungsdelegation der DDR konsequent vertreten und durchgesetzt werden müsse.
Der Vorschlag unserer Regierung, in Erfurt zu verhandeln, wird als Ausdruck der großen Bereitschaft, des Verantwortungsbewusstseins und Entgegenkommens unserer Partei- und Staatsführung anerkannt.10
Mit Überraschung wurde von breiten Teilen der Bevölkerung aufgenommen, dass es in einer verhältnismäßig kurzen Zeit gelungen ist, konkrete Vereinbarungen hinsichtlich des Termins und des Verhandlungsortes sowie zum Ablauf der Zusammenkunft zu treffen. Die Mitteilung über den Treffort Erfurt habe bei vielen Bürgern Erstaunen ausgelöst, da die bisherigen Veröffentlichungen nicht auf diesen oder einen anderen »Ausweichort« (bisher sei nur von der Hauptstadt der DDR gesprochen worden) orientiert hätten. Es wird geschlussfolgert, durch diese Festlegung sei die von der BRD geplante Provokation mit Westberlin gescheitert. Häufig wird betont, die Einigung auf Erfurt müsse als ein Kompromiss der Vernunft betrachtet werden, der besonders zu begrüßen sei, da ursprünglich viele Bürger angenommen hätten, die Vorgespräche würden sich in die Länge ziehen bzw. früher oder später wegen der verschiedenen Standpunkte abgebrochen werden.
In zunehmendem Maße und häufig zugleich mit zustimmenden und anerkennenden Äußerungen zu den Vorschlägen der DDR verbunden, werden jedoch in allen Kreisen der Bevölkerung starke Zweifel hinsichtlich der Ergebnisse des Treffens geäußert.
Unter Bezugnahme auf die bisherige Ablehnung aller konstruktiven DDR-Vorschläge durch die Bonner Regierung wird darauf verwiesen, dass es durch die Haltung Bonns bisher zu keinen echten politischen Fortschritten gekommen sei. Durch die unverändert gebliebenen Machtverhältnisse in Westdeutschland sei nicht mit einem positiven Ausgang des Treffens zu rechnen.
In einer Reihe von Diskussionen wird betont, das Zusammentreffen der Beauftragten beider Regierungen solle nicht zu hoch bewertet werden, da die Bonner Regierung nach wie vor nicht bereit sei, von der Politik der Alleinvertretungsanmaßung abzugehen. Unter Hinweis auf den Dialog SED/SPD und den damals vorgesehenen Redneraustausch11 wird geäußert, dass es sich auch diesmal um einen erfolglosen Versuch der DDR handeln könnte, die Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten zu normalisieren, zumal die ablehnende Haltung des Bonner Bundeskanzlers in Grundfragen bereits klar zu erkennen sei.
Häufig wird vor einer Überbewertung der von Bonn gezeigten Verhandlungsbereitschaft und vor illusionären Erwartungen hinsichtlich der Ergebnisse des Erfurter Treffens gewarnt und dabei herausgestellt, das Treffen sei auch ohne wesentliche Verhandlungsergebnisse von großer Bedeutung.
Übereinstimmend wird eingeschätzt, dass das Informationsbedürfnis aller Schichten der Bevölkerung der DDR zum bevorstehenden Treffen in Erfurt außerordentlich stark gewachsen ist.
Von bestimmten Teilen der Bevölkerung wird betont, diesem Informationsbedürfnis werde seitens der Kommunikationsmittel in der DDR nicht im vollen Umfange Rechnung getragen. (Offensichtlich geht es diesen Kreisen um Mitteilungen über Detailfragen des Protokolls.)
Gleichlaufend mit dieser Tendenz wird eine stärkere Zunahme der Orientierung nach westlichen Rundfunk- und Fernsehsendern festgestellt.
Politisch unklare und spekulative Meinungsäußerungen lassen häufig auch deutlich den Einfluss des Westrundfunks und -fernsehens erkennen. Zum Teil werden die gegnerischen »Argumente« direkt in den Gesprächen verwandt. Im Zusammenhang mit Einschätzungen über die möglichen Ergebnisse des Treffens wird dabei u. a. auf Äußerungen des westdeutschen Regierungssprechers Ahlers12 verwiesen, der davon ausgegangen sei, dass Fragen der völkerrechtlichen Anerkennung der DDR nicht Gegenstand der Gespräche sein würden. Demzufolge könne auch nicht mit positiven Verhandlungsergebnissen gerechnet werden.
In anderen Gesprächen werden Fakten genannt, die in der DDR-Presse nicht in dieser Ausführlichkeit ausgewertet wurden (Empfang Scheels13 in Moskau,14 Verhandlungen von Duckwitz15 in Warschau,16 Empfang des sowjetischen Außenministers in der westdeutschen Botschaft17 u. a.).
Der gezeigte »Verhandlungswille der BRD« wird mehrfach auf Prestigefragen vor der internationalen und nationalen Öffentlichkeit zurückgeführt. Betont wird, Bundeskanzler Brandt wolle durch seine Verhandlungsbereitschaft eine Stärkung der SPD/FDP-Regierung erreichen und sich einen Weg für kommende Wahlen in der BRD ebnen.
In der Reaktion der Bevölkerung der DDR nehmen jedoch auch politisch-ideologische Unklarheiten einen verhältnismäßig großen Umfang ein.
Sie resultieren vor allem aus einer falschen Beurteilung bzw. Nichterkennung der Aggressivität des westdeutschen Imperialismus sowie aus dem Nichtverständnis der gegenwärtigen politischen Lage und der Deutschlandpolitik der DDR. In den meisten Fällen werden sie durch das Abhören westlicher Sender offensichtlich noch vergrößert.
So wird Unverständnis über das Beharren der DDR-Regierung auf der Forderung nach völkerrechtlicher Anerkennung geäußert. Es wäre angeblich richtiger, zunächst von dieser Position zurückzuweichen, um die »Verhandlungsbereitschaft der BRD« nicht zu schmälern und in Zukunft auszuweiten.
Mit den Vorschlägen auf völkerrechtliche Anerkennung sei die SPD überfordert. Es wäre wichtiger, zunächst Einigung über untergeordnete Fragen, wie über »Erleichterungen in den menschlichen Beziehungen«, über Erweiterung der kommerziellen Beziehungen u. a., zu erzielen. Der Abschluss eines Vertrages, wie ihn die DDR vorgeschlagen habe, müsse am Ende der Verhandlungen stehen und nicht zur »Vorbedingung« gemacht werden. Nur wenn beide Seiten von ihren Grundsätzen »Abstriche« vornehmen würden, könne es zu einer Einigung kommen.
Andere Bürger äußern die Ansicht, ein Austausch von Gewaltverzichtserklärungen zwischen der SU und der BRD wäre ausreichend und gelte dann auch gleichzeitig für die DDR. Gleichzeitig wird geäußert, es sei gleichgültig, ob es im Ergebnis der Vorschläge zu einer völkerrechtlichen Anerkennung der DDR komme oder nicht; hauptsächlich [sei], es werde verhandelt, denn so lange verhandelt würde, käme es zu keinem Krieg.
Außerdem werden Argumente angeführt, die DDR solle bei den Verhandlungen mehr Entgegenkommen und Kompromissbereitschaft zeigen. Der Bonner Bundeskanzler habe Bereitschaft zu Verhandlungen bekundet und die DDR müsse Brandts Stellung gegenüber der Opposition berücksichtigen.18
Weitere Unklarheiten sind über die Festlegung des Treffortes Erfurt und über die Tatsache, dass das Treffen nicht in der Hauptstadt Berlin stattfindet, zu verzeichnen. Die Unklarheiten beziehen sich vor allem auf den Viermächtestatus19 und das Potsdamer Abkommen.20 Es wird geschlussfolgert, auch für die BRD wäre unser Vorschlag, das Treffen in Berlin stattfinden zu lassen, nicht annehmbar gewesen, da auch der demokratische Teil Berlins genau wie Westberlin für Verhandlungen im internationalen oder nationalen Maßstab rechtlich ausgeklammert werden müsste. Andere Bürger stellen Fragen nach den üblichen diplomatischen Gepflogenheiten bei Staatsbesuchen und äußern in diesem Zusammenhang Meinungen, wonach nicht gerechtfertigt wäre, einem Staatsmann wie Brandt den Reiseweg »vorzuschreiben«. Teilweise wird es als »kleinlich und stur« bezeichnet, einen Westberlin-Besuch abzulehnen; jedem Staatsmann müsse zugebilligt werden, dass er nach eigenem Ermessen reisen könne.
Im breiteren Umfang und mit ansteigender Tendenz werden aus allen Bezirken und Bevölkerungsschichten Spekulationen und illusionäre Vorstellungen über den Verlauf und die Ergebnisse des Erfurter Treffens bekannt.
Derartige Auffassungen werden insbesondere in Kreisen von Handwerkern und selbstständigen Gewerbetreibenden, unter Rentnern, unter Bewohnern des Grenzgebietes, unter Jugendlichen, unter der Bevölkerung Berlins und der umliegenden Bezirke sowie von Personen mit aktiver Westverbindung vertreten.
Häufig in Anlehnung an westliche Nachrichten wird verbreitet, Brandt würde sogenannte menschliche Erleichterungen und Fragen der Familienzusammenführung als grundsätzliche Probleme behandeln und auf dem Erfurter Treffen anstreben, darüber entsprechende Vereinbarungen zu treffen.
(Vereinzelt treten dabei Spekulationen in Erscheinung, wonach sich die BRD nach »Öffnung der Grenzen« verpflichten würde, sogenannte Republikflüchtige wieder an die DDR »auszuliefern«.)
Die Spekulationen und Erwartungen erstrecken sich besonders auf
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»Erleichterungen« im Reiseverkehr zwischen der DDR und Westdeutschland, in der Grenzabfertigung und in den Zollbestimmungen,
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»Erleichterungen« im Besucherverkehr DDR – Westberlin; Abschluss eines neuen Passierscheinabkommens,21 das bereits Ostern 1970 wirksam werden könnte,
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Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen an der Staatsgrenze,
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umfassender Zeitungsaustausch,
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Erweiterung des »innerdeutschen« Handels; teilweise auch Erweiterung der Beziehungen auf sportlichem und kulturellem Gebiet,
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»Liberalisierungsmaßnahmen« auf anderen Gebieten,
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die weitere Annäherung beider Staaten, bis zur Wiedervereinigung Deutschlands.
Abwertende und negierende Äußerungen, die im Vergleich zu den positiven Stellungnahmen einen geringen Umfang aufweisen, sind offensichtlich meist auf von Westsendern verbreitete »Argumente« zurückzuführen. Sie beinhalten folgende Tendenzen:
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Zweifel an der ehrlichen Absicht der DDR an ernsthaften Verhandlungen mit dem Bonner Bundeskanzler. Dabei wird die Initiative der DDR zu Verhandlungen mit der westdeutschen Regierung als ein »propagandistischer Schachzug« gewertet, um die DDR in der Weltpolitik mehr »ins Spiel« zu bringen.
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Ablehnung des »finanziellen Aufwandes«, des »Aufwandes« in der Presse usw. im Zusammenhang mit dem Treffen, da wir unsere politischen Ziele doch nicht verwirklichen könnten.
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Das Beharren auf der Forderung nach völkerrechtlicher Anerkennung sei zu einer Prestigefrage für die DDR geworden. Die politische Zielsetzung wäre auch mit einer Gewaltverzichtserklärung erreicht.
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Aufwertung der Verhandlungsbereitschaft der SPD/FDP-Regierung. Es würde nunmehr an der Bereitschaft unserer Regierung liegen, mit welchen Ergebnissen die Gespräche abschließen würden. Die »Vorschläge« der westdeutschen Regierung seien annehmbar.
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Zweifel an der Zweckmäßigkeit der Vorschläge der DDR und am Erfurter Treffen. Bisher hätten alle Maßnahmen der DDR-Regierung im Zusammenhang mit der Deutschlandpolitik in der Endkonsequenz zur Verhärtung der Fronten geführt.
Im Zusammenhang mit negierenden Äußerungen kam es in verhältnismäßig wenigen Fällen auch zu direkten negativen und feindlichen Äußerungen, die bis zur Diskriminierung der Vorschläge unserer Regierung reichen.
Diese Diskussionen werden meist von dem MfS bereits bekannten politisch-feindlich eingestellten Personenkreisen, von Bürgern, die Westverwandtschaft besitzen oder mit westdeutschen/Westberliner Bürgern in aktivem Briefverkehr stehen, geführt.
Bei diesen Diskussionen ist der Einfluss westlicher Rundfunkstationen besonders stark spürbar. Vereinzelt wird auch offen damit argumentiert, dass die Reden Brandts und anderer westdeutscher Politiker gehört und zur Grundlage der eigenen Meinungsbildung gemacht wurden.
Der größte Teil dieser »Argumente« beinhaltet eine Parteinahme für den Bundeskanzler Brandt, eine Aufwertung seiner Person und seiner Autorität bei gleichzeitiger Diffamierung der Staats- und Parteiführung der DDR.
Dabei werden gleichzeitig Alleinvertretungsanspruch22 und weitere politische Grundsätze der Bonner Staatsführung gebilligt. Brandt wird als ein fähiger Politiker und Taktiker charakterisiert, der in der Gesprächsführung mit Vertretern der Regierung der DDR der Überlegene sein würde. Er habe die »stichhaltigeren Argumente«, die er aufgrund seiner »sprachlichen Gewandtheit« geschickt ins Feld führen könne.
Andere Äußerungen beinhalten:
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Die DDR werde in der gegenwärtigen politischen Situation nicht wie nach dem Dialog SED/SPD die Gespräche ohne konkrete Ergebnisse abbrechen können, ohne dabei im internationalen Maßstab an Prestige zu verlieren.
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Die DDR sei zu einem Vertrag bzw. zu Verhandlungen mit Westdeutschland »gezwungen«, da sie die wirtschaftliche Unterstützung Westdeutschlands benötige.
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Die DDR würde versuchen, die Erfurter Gespräche so schnell wie möglich zu beenden, da sie sich auf die konkreten Forderungen Brandts hinsichtlich sogenannter menschlicher Erleichterungen nicht einlassen könne.
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Die Erfurter Gespräche würden aufgrund der »starren Haltung« der DDR-Vertreter frühzeitig abgebrochen und nicht wieder aufgenommen werden.
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In Erfurt würden jetzt – nach Leipzig23 – die Schaufenster »vollgepackt«, um der internationalen Öffentlichkeit zu zeigen, welches »Wirtschaftswunder« in der DDR vollbracht worden sei.
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Der Verlauf der Gespräche mit Brandt sei von Moskau aus vorgeschrieben. Es wäre bereits genau abgesteckt, wie weit die Verhandlungen zu gehen hätten und welche Zugeständnisse eventuell »erlaubt« seien.
Etwa seit dem 16.3.1970 ist – offensichtlich inspiriert durch westliche Verlautbarungen – ein Ansteigen des Interesses an Protokollfragen und am gesamten Ablauf des Erfurter Treffens festzustellen. Besonders unter jugendlichen Personenkreisen besteht Interesse an dem Zeremoniell bei der Ankunft und Verabschiedung Brandts. Es werden Fragen nach der Stärke der Ehrenformation der NVA, nach dem Spalier, dem Abspielen der Hymnen, vorgesehenen Absperrmaßnahmen und der Einbeziehung der Erfurter Bevölkerung in den Begrüßungsablauf gestellt.
Weitere Fragen beziehen sich auf die mögliche Zusammensetzung der Verhandlungsdelegation der DDR für das Erfurter Treffen.