Selbsttötung eines Angehörigen des Betriebsschutzes der SED-BL
27. Juli 1970
Information Nr. 761/70 über die Selbsttötung des Angehörigen des Betriebsschutzes der SED-Bezirksleitung Schwerin, Walter Prüssing
Dem MfS wurde bekannt, dass der Betriebsschutzangehörige der SED-Bezirksleitung Schwerin Prüssing, Walter,1 geboren am [Tag, Monat] 1909 in Parchim, wohnhaft in Schwerin, [Straße, Nr.], am 24.7.1970, gegen 4.30 Uhr, durch seine Ehefrau, Prüssing, Margarete, geborene Albrecht, geboren am [Tag, Monat] 1909 in Schwerin, tätig als Telefonistin in der SED-Bezirksleitung Schwerin, in der Küche der gemeinsamen Wohnung tot aufgefunden wurde.
Die Selbsttötung des Prüssing, Walter erfolgte mittels Gas. Sofort eingeleitete Hilfsmaßnahmen blieben erfolglos.
In hinterlassenen Abschiedsbriefen an seine Ehefrau und an die Genossen seiner APO bringt Prüssing zum Ausdruck, er sei von den Genossen der APO nicht verstanden und ihm sei Unrecht zugefügt worden, sodass er die Selbsttötung begangen habe.
Die Ermittlungen ergaben, dass er, nachdem er 1969/70 wegen seines schlechten Gesundheitszustandes und wegen seines Alters von der Teilnahme am Parteilehrjahr befreit worden war, 1970/71 aufgefordert wurde, das Parteilehrjahr wieder zu besuchen. In mehreren Gesprächen hatte Gen. P. die Teilnahme jedoch mit den bekannten Begründungen abgelehnt.
Durch die Leitung seiner APO wurde am 23.7.1970 in der Zeit von ca. 15.00 bis 16.00 Uhr mit dem Gen. P. eine Aussprache geführt, in deren Ergebnis sich Gen. P. nach anfänglichem Weigern bereit erklärte, wieder am Parteilehrjahr teilzunehmen.
Am gleichen Tag erklärte Gen. P. seiner Ehefrau, er würde dieses Verhalten seiner Parteileitung nicht verstehen, er sei am Ende seiner Kräfte. Die Genossen würden ihn »zur Verzweiflung bringen und ihn lebensmüde machen«. Die Ehefrau gibt an, Gen. P. habe sich nach der Aussprache in einem stark erregten Zustand befunden. Er sei in letzter Zeit nervlich stark angegriffen gewesen und habe noch sehr unter dem Tod seines Sohnes, der im Februar 1970 verstorben ist, gelitten.
Die Ermittlungsergebnisse wurden der SED-Bezirksleitung Schwerin bekannt gegeben. Nach den Feststellungen des MfS handelt es sich um den ersten Fall, dass aus oben erwähnten Motiven heraus eine Selbsttötung erfolgte.