Situation in der Christlichen Friedenskonferenz
23. Januar 1970
Information Nr. 76/70 über die Situation in der christlichen Friedenskonferenz (CFK) nach den internationalen Tagungen der CFK im Oktober 1969 in der DDR
Während der im Oktober 1969 in der DDR durchgeführten planmäßigen Tagungen der CFK1 (Internationales Sekretariat, Arbeitsausschuss, Regionalausschüsse und verschiedene Unterkommissionen) hatte sich deutlich abgezeichnet, dass politisch negative Kräfte in der CFK besonders aus Westdeutschland und Westberlin versuchen, ihren Einfluss auf die weitere Entwicklung dieser Organisation geltend zu machen.2
Die reaktionären Kräfte mit Oberkirchenrat Kloppenburg3/Dortmund und Pfarrer Kanitz4/Westberlin an der Spitze organisierten Mithilfe der leitenden Kräfte aus den Regionalausschüssen Großbritanniens, Frankreichs, der Schweiz und den USA eine breite Kampagne zur Unterstützung der Mitarbeiter der CFK aus der ČSSR, die sich mit der Konterrevolution5 solidarisiert hatten. Die progressiven Kräfte dagegen erklärten, zur Realisierung der Beschlüsse der III. Allchristlichen Friedensversammlung (April 1968 in Prag)6 seien personelle Veränderungen unumgänglich und forderten die Ablösung des Generalsekretärs der CFK Ondra,7 weil dieser seinen aus dieser Funktion erwachsenen Verpflichtungen nicht nachgekommen war. (Ondra hatte während der ČSSR-Ereignisse stark mit den konterrevolutionären und antisozialistischen Kräften sympathisiert und eine feindliche Haltung zur Sowjetunion und den anderen an den Schutzmaßnahmen8 beteiligten sozialistischen Ländern bezogen.)
Über Einzelheiten dieser Tagungen wurde in unserer Information Nr. 1162/69 informiert.
Auch nach Abschluss der internationalen Tagungen der CFK im Oktober 1969 bestätigte sich durch verschiedene interne Hinweise, dass die reaktionären Kräfte während ihres Aufenthaltes in der DDR individuelle und konspirative Gespräche führten mit dem Ziel, die Spaltung der CFK vorzubereiten. Unter anderem wurde dabei mit dem damaligen Generalsekretär der CFK Ondra vereinbart, dass die finanziellen Zuschüsse der westlichen Regionalausschüsse für die CFK nicht mehr beim Internationalen Sekretär in Prag, sondern bei Pfarrer Kanitz/Westberlin eingezahlt werden. Dadurch sollte Ondra die Möglichkeit erhalten, mit diesen Geldern frei zu operieren.
Nach der Rückkehr Ondras aus der DDR nach Prag führte der Leiter des Staatsamtes für Kirchenfragen in der ČSSR, Gen. Hrůza9/Prag, am 4.11.1969 mit Ondra eine Aussprache, während der Ondra aufgefordert wurde, von seiner Funktion abzutreten, wie ihm das auf der Sitzung des Internationalen Sekretariats in Ferch bei Potsdam nahegelegt worden war. Diesem Ersuchen kam Ondra erst nach, nachdem ihm mitgeteilt wurde, dass sich die ČSSR-Behörden gezwungen sähen, ihm den Reisepass zu verweigern und die finanzielle Unterstützung der CFK einzustellen.
Am 5.11.1969 erklärte Ondra offiziell seinen Rücktritt. Er wandte sich in einem Schreiben an die Mitglieder des Arbeitsausschusses der CFK und teilte mit, dass er über die Möglichkeit seines Weiteren Dienstes in der CFK als Generalsekretär nachgedacht habe, nachdem ihm vonseiten »einiger Mitgliedskirchen und zweier Regionalausschüsse« das Votum des Nichtvertrauens ausgedrückt worden sei. Er habe sich entschieden, von der Funktion zurückzutreten, weil er als Generalsekretär ein Hindernis für die weitere allgemeine Zusammenarbeit sein würde.10
Am 7. und 8.11.1969 fand in Bad Kreuznach/Westdeutschland eine Regionalkonferenz der westdeutschen Gruppe der CFK statt, die sich mit dem Rücktritt des Generalsekretärs Ondra beschäftigte. An dieser Tagung nahm der Präsident der CFK Prof. Hromadka11/Prag teil, der seine Solidarität mit Ondra erklärte und mitteilte, dass er sein Amt als Präsident der CFK niederlegen wird.12 (Prof. Hromadka erklärte seinen Rücktritt offiziell am 14.11.1969. Er ist inzwischen am 28.12.1969 in Prag im Alter von 80 Jahren verstorben.)
Im Verlaufe dieser Konferenz kam es zu grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf Personalfragen.
Pfarrer Mochalski,13 stellv. Generalsekretär, Frau Prof. Dr. Renate Riemeck,14 Vorsitzende der Internationalen Konferenz, und Superintendent Dr. Heinz Engler,15 Mitglied der Internationalen Konferenz, verließen diese Tagung, weil die Vertreter der westdeutschen Regionalkonferenz unter Leitung von Oberkirchenrat Kloppenburg in ihrer Grundtendenz antisowjetisch auftraten und versuchten, unter Einschaltung anderer westeuropäischer Mitglieder (u. a. Pfarrer Casalis,16 Frankreich) einen antiöstlichen Block in der CFK zu organisieren. Frau Dr. Renate Riemeck gab dazu folgende Erklärung ab:
»Im Namen der bisherigen Vorstandsmitglieder, Superintendent Dr. Heinz Engler und Dr. Herbert Mochalski, möchte ich eine Erklärung abgeben.
Eine Gruppe, die hier vielleicht, oder sicher, noch in der Minderheit ist, von der ich persönlich aber überzeugt bin, dass sie nicht immer eine Minderheit bleiben wird, ist zu der Auffassung gekommen, dass sie den Weg, der gestern hier in Umrissen für die künftige Arbeit beschrieben worden ist, nicht mitgehen kann. Wir halten die Fortsetzung der Diskussion auf der bisherigen Grundlage für ungut. Wir trennen uns nicht von der CFK, aber wir werden, solange es erforderlich ist, einen getrennten Weg vom Regionalausschuss, d. h. dem Vorstand, der hier konstituiert werden soll, gehen. Wir werden in enger Verbindung zu dem ungeteilten Arbeitsausschuss bleiben. Wir haben die Absicht, uns an die Mitglieder der CFK in der BRD zu wenden, die bereit sind, die Aufgaben einer christlichen Friedensbewegung mit uns zu durchdenken, und wir werden sie zu einer Konferenz auf regionaler Ebene einladen. Ich möchte mich persönlich damit von Ihnen verabschieden und hoffe, dass es einen Tag gibt, wo wir uns wieder zusammenfinden können.«17
Pfarrer Mochalski, Superintendent Engler und Frau Dr. Renate Riemeck wandten sich in einem Schreiben an die Mitglieder der Regionalkonferenz der CFK in Westdeutschland, in dem sie zu ihrer Haltung Stellung nahmen. Darin baten sie »diejenigen, die bereit sind, … über die konkrete Weiterarbeit der CFK in der Bundesrepublik zu beraten«, an einer Zusammenkunft Anfang des Jahres 1970 teilzunehmen.
Von der am 7. und 8.11.1969 in Bad Kreuznach tagenden Regionalkonferenz der CFK in Westdeutschland wurde eine Erklärung verabschiedet, in der es u. a. heißt:
»… Die Regionalkonferenz der Christlichen Friedenskonferenz in der Bundesrepublik Deutschland hat sich bei ihrer Mitgliederversammlung am 7./8. November 1969 in Bad Kreuznach ausführlich und gründlich mit den Vorgängen innerhalb des Internationalen Sekretariats und des Arbeitsausschusses der CFK beschäftigt, die zum Rücktritt des Generalsekretärs der CFK und im Gefolge davon zur Rücktrittsankündigung des Präsidenten geführt haben.
Sie sieht in der ultimativen Aufkündigung der Zusammenarbeit mit dem vom Plenum der Allchristlichen Friedensversammlung gewählten Generalsekretär eine Verletzung und Gefährdung der gemeinsamen Arbeit der Bewegung.
Angesichts der allgemein anerkannten unermüdlichen und jahrelangen Arbeit der Zurückgetretenen für die christliche Friedenskonferenz erscheint es der Regionalkonferenz als ein nicht vertretbares Vorgehen, dass Vorwürfe gegenüber der Arbeit des Generalsekretärs nicht vorher in den zuständigen Gremien angemeldet und in den Mitgliedskirchen und Regionalausschüssen der CFK zur Diskussion gestellt wurden. Insbesondere ist es der Regionalkonferenz unbegreiflich, dass auf den Vorschlag des Präsidenten der Bewegung, die Berechtigung der gegen den Generalsekretär erhobenen Vorwürfe durch einen Ausschuss prüfen zu lassen, nicht eingegangen worden ist. Sie missbilligt, dass der Internationale Sekretär Dr. Herbert Mochalski bei den Beratungen des Arbeitsausschusses in Buckow die Rücktrittsforderung an Generalsekretär Dr. Ondra vorbehaltlos unterstützt hat. Sie fordert ihn deshalb auf, als Internationaler Sekretär zurückzutreten.
Die Regionalkonferenz stellt fest, dass die Frage der Stellvertretung bzw. der Nachfolge des Generalsekretärs nicht ohne die entscheidungsbefugten Gremien der Christlichen Friedenskonferenz geregelt werden kann.
Die Regionalkonferenz bittet alle internationalen Gremien, Mitgliedskirchen und Regionalausschüsse der CFK dafür zu sorgen, dass die in den Papieren der III. Allchristlichen Friedensversammlung und der Warschauer Sitzung des Arbeitsausschusses vom Februar 1969 niedergelegte Konzeption der christlichen Friedenskonferenz auch weiterhin für unser aller Arbeit maßgebend bleibt. Die Regionalkonferenz stellt den Antrag, auf einer baldigst einzuberufenden Plenarversammlung die fälligen Neuwahlen vorzunehmen.
Die Regionalkonferenz bedauert, dass die Mitglieder des bisherigen Vorstands der Regionalkonferenz, Superintendent Dr. Heinz Engler, Dr. Herbert Mochalski und Frau Prof. Dr. Renate Riemeck, die Sitzung der Regionalkonferenz am 8. November 1969 vorzeitig verlassen und dadurch die Fortführung des begonnenen Gesprächs mit ihnen unmöglich gemacht haben. Sie wird sich weiter dafür einsetzen, dass die verschiedenen und gegensätzlichen Meinungen in unserer Regionalkonferenz gleichberechtigte Stimme haben.«18
Diese Erklärung übersandte Oberkirchenrat Kloppenburg am 13.11.1969 dem Staatssekretär für Kirchenfragen der DDR.
Auf der Tagung in Bad Kreuznach wurde festgelegt, für den 23.11.1969 alle westeuropäischen Mitglieder des Arbeitsausschusses nach Mainz-Kastel zu einer Sondersitzung einzuberufen.
Am 12.11.1969 wandte sich Oberkirchenrat Kloppenburg in einem Schreiben an alle Mitglieder der christlichen Friedenskonferenz in Westdeutschland, in dem es u. a. heißt:
»… Ich meine betonen zu müssen, dass nach meiner Überzeugung niemand im Arbeitsausschuss der Gesamtbewegung willens ist, die entstandene Krise zu vertiefen. Der Arbeitsausschuss, der Ausschuss für die Fortsetzung der Arbeit und die Allchristliche Friedensversammlung sind die intakt gebliebenen Organe der Bewegung, auf denen nach wie vor die Verantwortung für die Zukunft der Arbeit liegt und mit denen wir weiterhin eng zusammenarbeiten werden. Wir werden außerdem danach trachten, die Begegnungen mit den Mitgliedskirchen und Regionalausschüssen der CFK zu verstärken. Das gilt in Sonderheit für die Begegnungen mit den Kirchen und Regionalausschüssen, die in der Frage des Rücktritts des Generalsekretärs gegenteiliger Auffassung waren. Wir möchten alles daransetzen, einen Zustand überwinden zu helfen, in dem die Brüderlichkeit des Gesprächs ernsthaft infrage gestellt und damit die ganze CFK in ihrer Glaubwürdigkeit gefährdet erscheinen muss.
Hier liegt die besondere Sorge der Mitglieder der CFK in der Dritten Welt, für deren Arbeit die Glaubwürdigkeit der Christlichen Friedenskonferenz nicht weniger Voraussetzung ist als für uns. Die in der Stellungnahme unserer Regionalkonferenz vertretenen Positionen zeigen eindeutig, dass wir in unserer Arbeit in der Linie der großen Konferenzen der CFK stehen. Es gibt Stimmen, die meinen, die CFK sei jetzt am Ende. Wir glauben nicht, dass das die notwendige Folge der Ereignisse ist. Die Verantwortung liegt jetzt bei den Regionalausschüssen, und diejenigen unserer Freunde, die mit uns daran arbeiten wollen, dass die CFK weiterlebt, bitten wir zu überlegen, ob sie nicht jetzt die Mitgliedschaft in der Regionalkonferenz in der Bundesrepublik erwerben möchten …
Prof. Hromadka hat mich gebeten, allen Mitgliedern und Freunden der CFK seine herzlichen Grüße zu sagen. Ich gebe diesen Gruß weiter mit der herzlichen Bitte, die Glaubwürdigkeit und Einheit der Christlichen Friedenskonferenz, deren Begründer und Vater Josef Hromadka wir in unveränderter Liebe verbunden bleiben, zu erhalten.«
Nach seiner Rückkehr aus Bad Kreuznach erklärte Prof. Hromadka am 14.11.1969 den Rücktritt von seiner Funktion als Präsident der CFK. Er teilte seinen Entschluss den Mitgliedern des Arbeitsausschusses in einem Brief mit (siehe Anlage).
Am 23.11.1969 fand in Mainz-Kastel die in Bad Kreuznach festgelegte Sondersitzung der westeuropäischen Mitglieder des Arbeitsausschusses statt.
Die Teilnehmer an dieser Sondersitzung gaben eine Erklärung ab, die sie an alle Mitgliedskirchen und Regionalgruppen der CFK, alle Mitglieder des Internationalen Sekretariats und alle Mitglieder des Arbeitsausschusses richteten.
Diese Erklärung hat folgenden Wortlaut:19
»Wir haben uns getroffen, um uns miteinander zu beraten über die Antwort auf die Briefe, in denen der Generalsekretär Dr. Ondra und der Präsident Dr. Hromadka ihren Rücktritt erklärt haben, auch über die Antwort auf die Telegramme, die wir von einigen Mitgliedern des Arbeitsausschusses erhalten haben. Wir sind stark beunruhigt durch die Fragen, die sich durch diese Rücktrittserklärungen für die Zukunft der CFK ergeben haben. Wir haben uns heute zur Beratung zusammengefunden, wir sind ohne offiziellen Status und unsere Ansichten sind lediglich unsere eigenen. Nichtsdestoweniger sind wir in drei Punkten übereingekommen, die wir den dazu beauftragten Körperschaften der CFK für ihr Handeln empfehlen möchten:
1. Wir halten die Art und Weise, in der der Rücktritt von Dr. Ondra durch politischen Druck erzwungen wurde, nachdem der Arbeitsausschuss sich geweigert hatte, in den Ausdruck des Nichtvertrauens einzustimmen, für unannehmbar.
Wir erklären unser persönliches Vertrauen zu Dr. Ondra und zu Dr. Hromadka und zu ihrer Leitung.
2. Wir haben keine Pläne für die Zukunft zu machen versucht, weil wir glauben: was jetzt erforderlich ist, ist ein autorisiertes Treffen, bei dem die verschiedenen Gesichtspunkte wechselseitig dargelegt werden können.
3. Wir glauben, dass eine Sitzung des Arbeitsausschusses Ende Januar oder Anfang Februar 1970 einberufen werden muss, um die Situation zu erwägen, die durch die Rücktritte geschaffen ist, und um den zukünftigen Kurs der CFK zu bestimmen.
Kein administratives Handeln sollte durch irgendwelche Personen in Namen der CFK erfolgen bis zu dieser Sitzung. Dagegen begrüßen wir informelle Konsultationen. Wir begrüßen auch den Vorschlag von Metropolit Nikodim20 zu einem Treffen der Vizepräsidenten.
gez. Casalis | Frankreich | West21 | USA |
Paton22 | Großbritannien | Naylor23 | USA |
Jacoby24 | Großbritannien | Franco25 | Argentinien |
de Graaf26 | Holland | Kloppenburg | BRD |
Schwarz27 | Schweiz | Weissinger28 | BRD |
Koelbing29 | Schweiz | Bethke30 | BRD |
Girardet31 | Italien | Becher32 | BRD |
[–] | [–] | Kanitz | Westberlin |
Am 5.12.1969 tagte der Regionalausschuss der CFK in Westberlin und gab folgende Stellungnahme ab:
»Der Regionalausschuss in Westberlin hat bei seiner Sitzung am 5.12.1969 Kenntnis genommen von den Rücktrittserklärungen des Generalsekretärs Dr. Ondra und des Präsidenten Prof. Dr. Hromadka, ferner von der Stellungnahme der Regionalkonferenz der Bundesrepublik vom 8.11.1969 sowie von dem Schreiben der in Mainz-Kastel am 23.11.1969 versammelten Vertreter der westlichen Regionalausschüsse. Er hat ferner einen Bericht seines Vorsitzenden über die Sitzung des Arbeitsausschusses in Buckow vom 21. bis 24.10.1969 über Reaktionen auf die beiden Rücktritte seitens einiger Persönlichkeiten und Gruppen der CFK und über ein Gespräch mit dem Internationalen Sekretär Prof. Dr. Bassarak33 angehört.
Wir haben nach gründlicher Debatte folgende Stellungnahme beschlossen:
1. Wir haben nach wie vor volles Vertrauen zu Dr. Ondra und Prof. Hromadka und sehen, nicht zuletzt aufgrund ihrer Besuche in Westberlin, keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass sie auch in Zukunft die Bewegung im Sinne der in den drei Allchristlichen Friedensversammlungen beschlossenen Resolutionen leiten können.
2. Wir unterstützen den Vorschlag der Konsultation von Mainz-Kastel, sobald wie möglich eine außerordentliche Sitzung des Arbeitsausschusses einzuberufen. Um die Möglichkeit und die Modalitäten weiterer gemeinsamer Arbeit zu klären, muss auf dieser Sitzung vor allem der Widerspruch aufgehellt werden, der zwischen der Interpretation des Rücktritts von Dr. Ondra (bzw. der ihm vorausgehenden Misstrauensvoten) in dem Schreiben von Prof. Hromadka und in den Worten von Prof. Bassarak liegt, der bestreitet, dass es sich um einen politischen Druck handele; es ginge lediglich um die für das Amt des Generalsekretärs mangelnden Qualitäten bei Ondra, zumal in der gegenwärtigen Weltlage.
3. Wir unterstützen die Forderung der Regionalkonferenz der BRD nach Rücktritt Dr. Mochalskis von seinem Amt als Internationaler Sekretär und Stellvertreter des Generalsekretärs. Als solcher ist er in der Arbeitsausschusssitzung im Oktober 1968 in Paris34 neben Dr. Toth35 und Santa Ana36 ausdrücklich als Vertreter der westlichen Welt gewählt worden. Da er aber nach der Stellungnahme in Buckow und Bad Kreuznach nicht mehr das Vertrauen der Regionalausschüsse des Westens hat, kann er sie nicht in den leitenden Gremien vertreten.
4. Wir bitten dringend alle Mitgliedskirchen und Regionalausschüsse, die begonnene Arbeit aufgrund der Beschlüsse der III. Allchristlichen Friedensversammlung37 und der in Eisenach am 26./27.10.196938 festgelegten Pläne weiterzuführen, insbesondere die Arbeit der Internationalen Kommissionen und die Vorbereitung auf die Versammlung des Ausschusses für die Fortsetzung der Arbeit intensiv zu unterstützen. Nur wenn wir uns auf die Sache konzentrieren, die uns allen gemeinsam aufgetragen ist, und den Mut haben, auseinanderweichende Meinungen und Beurteilungen zu ertragen, werden wir als christliche Friedensbewegung glaubwürdig werden und Existenzberechtigung behalten. Uns Westberlinern liegt dabei die weitere Fühlungnahme und Zusammenarbeit mit dem Regionalausschuss der DDR besonders am Herzen.
5. Wir bitten alle Mitgliedskirchen und Regionalausschüsse, die von ihnen übernommenen finanziellen Verpflichtungen für 1969 zu erfüllen und für 1970 mindestens die gleichen Summen aufzubringen, damit die Weiterarbeit des Stabes und das Zusammenkommen der internationalen Gremien ermöglicht wird. Wir wollen versuchen, auch in dieser Beziehung unsere eigenen Anstrengungen zu vermehren.«39
Am 11.12.1969 fand in Prag eine Sitzung des Internationalen Sekretariats der CFK in Anwesenheit der Internationalen Sekretäre
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Dr. Toth, VR Ungarn
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Prof. Sabew,40 VR Bulgarien
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Stoyan,41 Sowjetunion
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Sokolowski,42 Sowjetunion
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Pawlik,43 VR Polen
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Prof. Bassarak, DDR
statt.
Die Einladung zu dieser Sitzung war durch Pawlik/VR Polen an alle Internationalen Sekretäre, auch an die der westlichen Länder, erfolgt. Die Internationalen Sekretäre aus den westlichen Ländern sagten jedoch ihre Teilnahme übereinstimmend ab mit der Begründung, eine Sitzung des Internationalen Sekretariats könne erst dann erfolgen, wenn der Arbeitsausschuss oder die Vizepräsidenten beraten hätten. Pfarrer Mochalski/Westdeutschland hatte die Einladung zu spät erhalten.
Auf der Tagesordnung dieser Sitzung standen folgende Punkte:
- 1.
Bericht des Mitarbeiters des Büros der CFK in Prag Menšík44 über die Situation und die Arbeit des Büros
- 2.
Informationen über verschiedene Sitzungen von Kommissionen der CFK
- 3.
Personalfragen
Menšík führte aus, dass Büro in Prag arbeite vorläufig mit der bisherigen Besetzung weiter. Er betonte, bei der Arbeit im Büro würde es sich um keine konstruktive, sondern lediglich um eine rein administrative Tätigkeit handeln.
Große Schwierigkeiten würden sich ergeben in Bezug auf die finanziellen Mittel, denn es seien an Geldmitteln nur noch die Gehälter für einen Monat vorhanden.
Dazu äußerte der Internationale Sekretär der DDR, Prof. Bassarak, ihm sei bekannt, dass der Regionalausschuss Westberlin dem Prager Büro eine Unterstützung in Höhe von 5 000 Valuta-Mark zur Verfügung gestellt habe. Von dieser Zuwendung war Menšík angeblich nicht informiert.
Die anwesenden Internationalen Sekretäre legten fest, dass eine Unterstützung durch die Regionalausschüsse der sozialistischen Länder erfolgt, um den Einfluss des Westberliner oder anderer westlicher Regionalausschüsse zurückzudrängen.
Zum zweiten Tagesordnungspunkt berichteten die anwesenden Internationalen Sekretäre über die in den letzten Monaten durchgeführten Kommissionssitzungen und über ihre Teilnahme an internationalen Beratungen. Im Ergebnis dieser Berichterstattung wurde festgelegt, die auf der III. Allchristlichen Friedensversammlung 1968 in Prag beschlossenen Aufgaben durchzusetzen und die Arbeit der Kommissionen inhaltlich zu verbessern.
Toth/VR Ungarn wurde beauftragt, eine Information zu erarbeiten über Aktivitäten in den einzelnen Regionalausschüssen in Bezug auf das Vietnamproblem.45
Pfarrer Mochalski/Westdeutschland wird eine Übersicht erarbeiten über die Haltung der einzelnen Regionalausschüsse zur Frage der europäischen Sicherheit. Diese Übersicht sollen alle Internationalen Sekretäre erhalten.
Zum 3. Tagesordnungspunkt (Personalfragen) wurde Folgendes festgelegt:
- 1.
Die Funktion des Präsidenten wird vorläufig durch die Vizepräsidenten übernommen.
- 2.
Die Funktion des Generalsekretärs wird durch die beigeordneten Generalsekretäre übernommen.
- 3.
Bis zur Übernahme der Amtsgeschäfte durch die beigeordneten Generalsekretäre wird in Prag ein Administrator eingesetzt. Bis dahin werden Menšík/Prag und Sokolowski/Sowjetunion die entsprechende Arbeit erledigen und die Vizepräsidenten über ihre Tätigkeit informieren.
Es ist vorgesehen, dass etwa im Januar 1970 im Zusammenhang mit einer Europareise von Santa Ana/Uruguay die Übernahme der Amtsgeschäfte des Generalsekretärs durch die beigeordneten Generalsekretäre
- –
Santa Ana, Uruguay,
- –
Toth, VR Ungarn,
- –
Mochalski, Westdeutschland
erfolgt.
Während der Tagung des Internationalen Sekretariats wurde bekannt, dass die Westberliner Teilnehmer an der Konferenz über Europäische Sicherheit und Zusammenarbeit in Wien,46 mit Pfarrer Kanitz an der Spitze, ihre Fahrt nach Wien in Prag unterbrochen haben, um mit Ondra, dem ehemaligen Generalsekretär der CFK, ein Gespräch zu führen.
Bei diesem Gespräch brachte Ondra zum Ausdruck, dass er keinesfalls die ernsthafte Absicht gehabt hätte zurückzutreten. Nach seiner Ansicht müsste der Arbeitsausschuss bei seiner nächsten Tagung entscheiden, ob er weiter Generalsekretär bleiben soll oder nicht.
Um den Einfluss von Kanitz, der bereits bei den Oktobertagungen der CFK in der DDR in Verbindung mit Oberkirchenrat Kloppenburg, Westdeutschland, und Pfarrer Casalis, Frankreich, negativ in Erscheinung trat, zurückzudrängen, wurde festgelegt, dass Nikodim, Sowjetunion, sich mit Prof. Vogel,47 Westberlin, in Verbindung setzt und ihn auffordert, wieder die Leitung des Regionalausschusses Westberlin zu übernehmen.
Am 12.12.1969 fand in Prag eine Zusammenkunft der Vizepräsidenten der CFK statt, zu der jedoch von sieben Vizepräsidenten der CFK nur Dr. Bartha48/VR Ungarn und Oberkirchenrat Kloppenburg/Westdeutschland anwesend waren. Beide kamen überein, bis zur Neuwahl eines Präsidenten die Aufgaben dem Metropoliten Nikodim/Sowjetunion zu übertragen.
(Kloppenburg war bereits einen Tag vor der Sitzung in Prag angereist und hatte in einer internen Absprache mit Ondra vereinbart, sich dafür einzusetzen, es zu keiner bindenden Festlegung kommen zu lassen.)
Nikodim wurde telefonisch von dieser Vereinbarung verständigt und erklärte sich einverstanden.
Die nächste Tagung der Vizepräsidenten und des Internationalen Sekretariats wird für die Zeit vom 1. bis 3.2.1970 nach Moskau einberufen.
Am 4.1.1970 fanden in Prag die Beisetzungsfeierlichkeiten für Prof. Hromadka statt, zu denen eine große Anzahl internationaler Gäste aus dem westlichen Ausland anwesend waren, u. a.
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Dr. Blake,49 Genf, Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen
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Chichester,50 Bischof von England
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Irene Jacoby, England
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Prof. Charles West, USA
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Prof. de Graaf, Holland
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Pfarrer Casalis, Frankreich
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Pastorin Bé Ruys,51 Holland (z. T. Westberlin)
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Oberkirchenrat Kloppenburg, Westdeutschland
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Pfarrer Kanitz, Westberlin
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Thampy,52 Indien
Aus den sozialistischen Ländern waren u. a. anwesend:
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Pawlik, VR Polen, Internationaler Sekretär der CFK
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Bischof Wantuła,53 VR Polen
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Prof. Janosik,54 VR Ungarn
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Sokolowski, Sowjetunion, Internationaler Sekretär
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Sabew, VR Bulgarien, Internationaler Sekretär
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Hrůza, ČSSR, Leiter des Staatsamtes für Kirchenfragen
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Prof. Bernhardt,55 Berlin
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Carl Ordnung,56 Berlin, Sekretär des Regionalausschusses der DDR
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Günter Wirth,57 Berlin, Hauptvorstand der CDU
In seiner Ansprache hob der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Dr. Blake, die besonderen Verdienste Hromadkas hervor und betonte, dass dieser stets die Linie des Ökumenischen Rates der Kirchen vertreten habe.
Thampy, Indien, würdigte die Tätigkeit Hromadkas als Präsident der Christlichen Friedenskonferenz und sprach anmaßend »im Namen der CFK und ihres Generalsekretärs Ondra« den Dank für diese geleistete Arbeit aus.
Der überwiegende Teil der Vertreter aus den westlichen Ländern war bereits am 3. 1.1970 in Prag angereist. Es kam zu verschiedenen Kontakten und internen Gesprächen.
Oberkirchenrat Kloppenburg, Westdeutschland, äußerte dabei u. a., die westlichen Länder müssten hart bleiben bei ihrer Forderung, dass Ondra weiterhin Generalsekretär der CFK bleibt; alle anderen bisherigen Vereinbarungen und Beschlüsse, die meist von der Minderheit gefasst worden seien, wären gegenstandslos.
Nach der Beisetzung gab die Theologische Fakultät der Prager Universität einen Empfang, zu dem nur einige Vertreter der sozialistischen Länder, jedoch fast vollzählig die Vertreter der westlichen Länder eingeladen waren.
Es wird eingeschätzt, dass trotz der von den progressiven Kräften der CFK in den letzten Monaten unternommenen Schritte zur Zurückdrängung des reaktionären Einflusses und zur Stabilisierung der Lage in der CFK keine endgültige Lösung zur Bildung einer progressiven Führung der CFK erreicht wurde.
Besonders die in den letzten Wochen und Monaten durchgeführten Sitzungen, Konferenzen und persönlichen Absprachen bewiesen, dass die reaktionären Kräfte der CFK meist nach vorheriger Übereinkunft die Vorschläge der progressiven Mitglieder offen boykottierten.
Die Ziele der reaktionären Kräfte der CFK konzentrieren sich vor allem darauf:
- –
Aufbau einer Führung der CFK aus ihren Reihen;
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Koordinierung der Arbeit der Regionalkonferenzen einiger imperialistischer Länder zur Schaffung einer antisozialistischen Plattform;
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materielle Abhängigmachung der CFK von den Regionalkonferenzen der imperialistischen Länder.
Da die Regionalkonferenzen der sozialistischen Länder bisher nicht einheitlich auf die Angriffe der reaktionären Kräfte reagierten und selbst Mitarbeiter des Büros der CFK in Prag indirekt diese Kräfte unterstützten, hält es das MfS für notwendig, dass von verantwortlicher Seite Maßnahmen für das einheitliche Auftreten der Regionalkonferenzen der sozialistischen Länder eingeleitet werden.
Solche Maßnahmen könnten zunächst in einer Beratung zwischen den Staatsämtern für Kirchenfragen der DDR und der Sowjetunion bestehen. Dabei sollte eine Übereinkunft in der Richtung erzielt werden, eine zentrale Beratung der Staatsämter für Kirchenfragen aller sozialistischen Länder einzuberufen. Während dieser zentralen Beratung sollten folgende Probleme vorrangig behandelt und Maßnahmen zu ihrer praktischen Verwirklichung festgelegt werden:
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Die kommissarische Leitung der CFK (anstelle des zurückgetretenen und inzwischen verstorbenen Prof. Hromadka) sollte ein bisheriger Vizepräsident aus den sozialistischen Staaten übernehmen.
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Die Funktion des zurückgetretenen Generalsekretärs Ondra müsste durch einen beigeordneten Generalsekretär aus einem sozialistischen Land besetzt werden.
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Die Zusammensetzung der Geschäftsstelle der CFK in Prag müsste dringend verändert werden. Anstelle der dort ausschließlich tätigen Mitarbeiter aus der ČSSR müssten Vertreter aus verschiedenen sozialistischen Ländern eingesetzt werden.
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Unter den gegenwärtigen Bedingungen sollte eine Vollversammlung der CFK, wie sie von reaktionären Kräften in den westeuropäischen Ländern gefordert wird, verhindert werden.
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Der von reaktionären Kräften angestrebte Rücktritt des stellv. Generalsekretärs Mochalski/Westdeutschland müsste verhindert werden. Ihm sollte seitens der sozialistischen Länder allseitige Unterstützung gewährt werden.
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Die progressive Gruppe der CFK in Westdeutschland um Pfarrer Mochalski, Superintendent Engler und Prof. Dr. Riemeck sollte durch das veränderte Büro der CFK in Prag anerkannt, gefördert und unterstützt werden.
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Solche reaktionären Kräfte und Organisatoren gegen die progressiven Bestrebungen wie
Casalis, Frankreich, Charles West, USA, Pfarrer Kanitz, Westberlin, Oberkirchenrat Kloppenburg, Westdeutschland, sollten in ihren Aktivitäten behindert und eventuell durch progressive Mitglieder ihrer Regionalausschüsse isoliert werden.
Diese Information ist wegen Quellengefährdung nicht für eine öffentliche Auswertung bestimmt.
Anlage | Brief Hromadkas vom 14.11.1969
Anlage zur Information Nr. 76/70
Übersetzung | Christliche Friedenskonferenz | Praha 1, Jungmannova 9
An die Mitglieder des Arbeitsausschusses der christlichen Friedenskonferenz58
Liebe Freunde,
ich schreibe diesen Brief schweren Herzens, um Euch von den letzten Entwicklungen in unserer Bewegung zu unterrichten. Ihr habt den Brief erhalten, in dem Dr. Ondra seinen Rücktritt als Generalsekretär der Christlichen Friedenskonferenz erklärt. Für diejenigen von Euch, die in den Tagen vom 21. zum 24. Oktober 1969 an der Sitzung des Arbeitsausschusses in Buckow (DDR) teilgenommen haben, wird der Brief das bestätigt haben, was sie mehr oder weniger erwartet hatten. Aber für mich als Präsidenten der Christlichen Friedenskonferenz ist es einer der traurigsten Briefe und Mitteilungen in der ganzen Geschichte unserer Bewegung seit 1958.
Als ich kurz vor Beginn der Sitzung des Arbeitsausschusses in Buckow ankam, war ich schockiert zu hören, was einige Mitglieder des Internationalen Sekretariats im Blick auf Dr. Ondra vorgeschlagen hatten. Ich war aus mehreren Gründen schockiert. Zunächst darum: Ich als der Präsident der Bewegung hatte nicht gewusst, dass man die Absicht hatte, Dr. Ondra zum Rücktritt zu zwingen, weil, wie behauptet wurde, einige osteuropäische Kirchen jedes Vertrauen in ihn verloren hätten. Zum anderen konnte ich absolut nicht erkennen, welches die wahren Gründe für diesen Vertrauensverlust waren. Und zum dritten fand ich es geradezu unerträglich, dass jeder Versuch, diese unglückliche Situation zu analysieren und eine überstürzte Entscheidung zu vermeiden, a priori zurückgewiesen wurde. Dennoch hoffte ich, dass die führenden Glieder der osteuropäischen Kirchen zur Diskussion bereit sein und mit mehr Weisheit und Verständnis als das Internationale Sekretariat handeln würden. Aber ich wurde bitter enttäuscht. Langsam wurde mir deutlich, dass die Mitglieder des Internationalen Sekretariats und der osteuropäischen Kirchen mit dem Rücktritt Ondras schon vor Beginn der Sitzung des Arbeitsausschusses gerechnet hatten und dass sie in dieser Angelegenheit zu keinerlei Kompromiss bereit waren.
Aber mir blieb immer noch die kleine Hoffnung, dass wir im Laufe der Aussprache im Arbeitsausschuss zu einer vernünftigen Entscheidung kommen könnten, denn es war ganz deutlich, dass diejenigen, die unsere Mitglieder im Westen und in der Dritten Welt, (aber auch in Osteuropa), vertraten, ganz entschieden gegen einen Rücktritt Dr. Ondras waren und dass unsere Bewegung in Gefahr war auseinanderzubrechen, wenn dieser verhängnisvolle Vorschlag ohne Rücksicht auf die Gesamtlage durchgesetzt würde. Nach einer langen und hitzigen Debatte versuchte ich, meine tiefe Betrübnis deutlich zu machen, indem ich darauf hinwies, dass ich noch nie in meiner langen ökumenischen Erfahrung vor einer ähnlichen Situation gestanden hätte: dass einzelne oder eine Gruppe von Mitgliedern unsere Gemeinschaft vor ein solches Ultimatum stellten und auf seiner Durchsetzung beharrten, ohne sich auf eine Diskussion oder Abstimmung einzulassen. Ich wies auch alle gegen Dr. Ondra erhobenen Anschuldigungen zurück und nahm alles, was gegen ihn vorgebracht wurde, als gegen mich gesagt auf mich. Es war mir ganz klar, dass der Vorstoß gegen Dr. Ondra einen eindeutig politischen Hintergrund hatte; dass er nichts mit der eigentlichen Tätigkeit des Generalsekretärs zu tun hatte. Wenn man politische Vorwürfe auf Dr. Ondra häufte, waren meine Stellungnahmen, die in den tragischen Tagen des Sommers 1968 veröffentlicht worden waren, das eigentliche Ziel. Als einer der engsten Mitarbeiter Dr. Ondras war ich über alles, was er tat, unterrichtet, über seine unermüdliche Arbeit zu Hause und im Ausland, und aus diesem Grunde habe ich mich mit ihm uneingeschränkt solidarisch erklärt. Ich bin dankbar, feststellen zu können, dass die Mehrheit im Arbeitsausschuss meine Worte richtig verstand und mit meinem Vorschlag einverstanden war, dass wir alle vorgebrachten Punkte analysieren und ohne Überstürzung einen annehmbaren Konsensus herstellen sollten. Aber meine Worte konnten die Freunde, die jenen unglückseligen Vorschlag gemacht hatten, nicht überzeugen.
Die Sitzung des Arbeitsausschusses endete, ohne dass wir eine Lösung fanden. Dr. Ondra trat nicht zurück, und seine Gegner zogen ihre Forderung nicht zurück. Ich fuhr mit der leisen Hoffnung nach Hause, dass wir vielleicht in einer weniger gespannten und ruhigeren Atmosphäre einen Kompromiss würden finden können, dass man auch die Einberufung einer außerordentlichen Vollversammlung erwägen könnte, die entscheiden sollte. Nur diese Vollversammlung hat das Recht, den Generalsekretär (und den Präsidenten) zu wählen oder abzusetzen. Doch auch zu Hause musste ich, nach einem langen Gespräch mit dem Vertreter einer offiziellen Stelle erkennen, dass die Sache Dr. Ondra auf einer höheren, politischen Ebene bereits entschieden war und man jede Aktivität Dr. Ondras als Generalsekretär völlig unmöglich machen würde.
Für mich ist das eine der tragischsten Erfahrungen in meinem öffentlichen Wirken. Bei wirklichem Verständnis für politische Realitäten und für die Verantwortung, die wir für unsere neue Gesellschaft haben, habe ich nie versäumt, eines ganz klar zu sagen, dass nämlich unsere Christliche Friedenskonferenz ein Zusammenschluss von überzeugten Christen ist, die frei und unabhängig in ihren Entscheidungen sind, die in der Perspektive und unter der Anleitung des Evangeliums handeln und nicht bereit sind, einem Druck nachzugeben, der von einem Ort außerhalb der christlichen Gemeinschaft und Verantwortung ausgeht.
Ich sehe für mich keinen anderen Weg als den, meinen Rücktritt als Präsident der Christlichen Friedenskonferenz zu erklären. Dieser Schritt ist kein leichter Schritt in meinem öffentlichen Wirken. Seit den ersten Anfängen der Christlichen Friedenskonferenz bin ich mit meinen Freunden der Bewegung und allen freudigen und kritischen Ereignisses unseres gemeinsamen Engagements in gleicherweise eng verbunden gewesen. Das war für mich keine bloß organisatorische Frage, sondern war Ausdruck unseres Verlangens, auf einer tief geistlichen Ebene den Beitrag zu leisten, der uns als Christen in Spannungszeiten für Frieden und Versöhnung unter den Völkern aufgetragen ist. Doch die Situation, die durch den erzwungenen Rücktritt Dr. Ondras entstanden ist, lässt mir keine andere Wahl. Wenn unsere Bewegung ihre Souveränität in Glauben und Handeln verlieren würde, wäre das Ende eine völlige Selbstzerstörung ihres unverfälschten Auftrags sowohl im Bereich der Kirche als auch gegenüber den Spannungen und Widersprüchen der Welt. Ich hoffe, dass die Mitglieder des Arbeitsausschusses und alle in der ganzen Bewegung die Gründe für meine Entscheidung verstehen und diese Entscheidung im Geiste des Vertrauens, der Liebe und der Hoffnung annehmen werden.
Mit herzlichen Grüßen | Euer | gez. J. L. Hromadka