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Störung und Missbrauch des Reise- und Güterverkehrs Berlin– BRD

17. Oktober 1970
Information Nr. 1193/70 über Erscheinungen der Störung und des Missbrauchs des grenzüberschreitenden Reise- und Güterverkehrs von und nach Westdeutschland und der selbstständigen politischen Einheit Westberlins

[Faksimile von Blatt 1]

Der grenzüberschreitende Reiseverkehr zwischen Westdeutschland und der besonderen politischen Einheit Westberlin ist im Verhältnis zum Jahre 1969 insgesamt um ca. 13 % angestiegen.

Im Zeitraum von sechs Monaten passierten 1969 8 813 557 Personen (8 331 424) und 1 964 137 Kraftfahrzeuge (1 864 007) die Grenzübergangsstellen (GÜST) der DDR, d. h., dass täglich durchschnittlich 50 000 westdeutsche und Westberliner Bürger die Verkehrswege zwischen Westberlin und Westdeutschland benutzen bzw. z. T. in Bezirke der DDR einreisen.

Westlichen Verlautbarungen zufolge so dieser Reisestrom noch weiter ansteigen und wird bis Ende 1970 im Verhältnis zu 1969 eine Steigerung um 14 % erfahren.

Trotz der ständig steigenden Zahl von Reisenden von und nach der besonderen politischen Einheit Westberlin werden die Reiseströme sowie der Güterverkehr durch die Organe der DDR an den GÜST zügig, korrekt und schnell abgefertigt. Der überaus größte Teil der Reisenden hält sich konkret an die für den Grenzübergang geltenden gesetzlichen Bestimmungen der DDR.

Es ist jedoch festzustellen, dass ein Teil der Personen durch imperialistische Geheimdienste, staatliche Stellen und andere Einrichtungen, insbesondere zentraler Stellen der politisch- ideologischen Diversion,1 für eine umfangreiche Feindtätigkeit unter Ausnutzung des grenzüberschreitenden Verkehrs ausgenutzt und missbraucht wird. Die Palette der feindlichen Handlungen, einschließlich der Störung und des Missbrauchs des grenzüberschreitenden Reise- und Güterverkehrs von und nach Westdeutschland und der besonderen politischen Einheit Westberlin, ist dabei sehr umfangreich.

Die durch die entsprechenden Organe der DDR in diesem Zusammenhang ergriffenen Maßnahmen zum Schutz der Staatsgrenzen der DDR werden durch westdeutsche bzw. Westberliner Publikationsorgane und andere Massenmedien zum Anlass einer verstärkten Hetzpropaganda gegen die DDR genommen und gipfeln in solchen Feststellungen wie

  • verstärkte Zurückweisungen,

  • Störungen im grenzüberschreitenden Verkehr zwischen Westdeutschland und Westberlin,

  • willkürliche Festnahmen

  • u. a. Verleumdungen.

Im Ergebnis der Überprüfungen zu derartigen Veröffentlichungen der Westpresse ist festzustellen, dass diese zum überwiegenden Teil Zweckmeldungen sind und im Sinne der politisch-ideologischen Diversion tendenziös hochgespielt werden.

Wie dem MfS intern bekannt wurde, ist in Westberliner Senatskreisen Ende Oktober 1970 selbst eingeschätzt worden, dass die durch die Westpresse in dieser Hinsicht hochgespielten Zahlen mit der tatsächlichen Lage nicht übereinstimmen und aus ihnen im Verhältnis zu den großen Reiseströmen keinerlei Tendenzen ablesbar seien, da die Aussagekraft der kleinen Zahlen zu gering ist.

Durch Westberliner Anwälte seien die Festnahmen geprüft worden, wobei sich herausstellte, dass es sich um Verstöße gegen die Gesetzgebung der DDR handelt, wie z. B. Verkehrsdelikte o. a. Straftatbestände.

Nachfolgende Einschätzungen zu den von westdeutschen bzw. Westberliner Organen ausgehenden feindlichen Aktivitäten gegen die DDR unter Ausnutzung des grenzüberschreitenden Verkehrs beweisen die vorgenannten Feststellungen.

1. Staatsfeindlicher Menschenhandel und nachrichtendienstliche Tätigkeit

An den Staatsgrenzen der DDR sind in der Zeit vom 1.1.1970 bis 30.9.1970 in zwölf Fällen staatsfeindlicher Menschenhandel verhindert und 27 Personen festgenommen worden.

Absoluter Schwerpunkt war die Staatsgrenze West und Berlin.

Dazu folgende Aufgliederung:

  • Staatsgrenze Berlin zehn Fälle mit 22 Festnahmen

  • Staatsgrenze West zwei Fälle mit fünf Festnahmen

Folgende Beispiele sollen die Raffiniertheit und Gefährlichkeit dieser Feindtätigkeit verdeutlichen:

Die Westberliner Menschenhändlerzentrale Pudelski2 nutzte u. a. die finanzielle Notlage der Westberliner Bürgerin [Name 1], Mutter von drei Kindern und im 8. Monat schwanger, sowie die kriminell mehrmals vorbestrafte Westberliner Bürgerin [Name 2] skrupellos durch Versprechungen als Werkzeuge für Schleusungszwecke aus.

Ihre Personal- und Grenzübertrittsdokumente dienten den Menschenhändlern dazu, zwei DDR-Bürgerinnen durch Anwendung der Ähnlichkeitsmethode nach Westdeutschland auszuschleusen.

Mittels Lkw-Versteck und verfälschten westdeutschen Reisepässen versuchte ein Schleuser eine DDR-Bürgerin und zwei Kinder im Alter von zwei und drei Jahren nach Westberlin auszuschleusen. Bevor die beiden Kinder in dem fast luftdicht abgeschlossenen, sauerstoffarmen Versteck untergebracht wurden, verabreichte man ihnen eine Fahrtstunde vor der GÜST rezeptpflichtige Schlaftabletten westdeutschen Fabrikats.

Im ärztlichen Gutachten wird angeführt, dass es sich in diesem Fall um den verbrecherischen Missbrauch von Arzneimitteln handelt, die aufgrund der Möglichkeit des tödlichen Ausganges oder Dauerschädigung des Gesundheitszustandes eine strafbare Handlung darstellt.

Bei der Organisierung des staatsfeindlichen Menschenhandels bedienen sich die Schleuserorganisationen ständig der Methode der Urkundenfälschung in Form von verfälschten, fingierten, nachgeahmten und anderen Dokumenten. Insbesondere wird dabei der diplomatische Status missbraucht, indem die Schleuserzentralen versuchen, durch fingierte Diplomatenpässe Menschenhandel zu betreiben.

2. Politisch-ideologische Diversion

Im Zeitraum vom 1.1. bis 30.9.1970 hetzten Reisende im grenzüberschreitenden Verkehr in 42 Fällen mündlich gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR sowie gegen deren Repräsentanten und bewaffnete Organe. In 335 Fällen versuchten Reisende zu Angehörigen der an den GÜST der DDR tätigen Kontroll- und Sicherungsorganen persönlichen Kontakt aufzunehmen, indem sie u. a. diesen Kräften Genussmittel anboten, sie zu Treffs einluden bzw. sie in Gespräche über private Angelegenheiten verwickeln wollten.

Neben der verstärkten Ablage von Hetzflugblättern, besonders in Reisezügen, ist in der letzten Zeit ein ständiges Ansteigen der versuchten Ein- und Durchfuhr von pornografischen Erzeugnissen sowie von Schriften der Sekte »Zeugen Jehovas« festzustellen.

Die politische-ideologische Diversion westdeutscher und Westberliner Organisationen zur Beeinflussung unserer Bevölkerung kommt in dem Bemühen zum Ausdruck, mittels Einfuhr von Hetzmaterialien den Alleinvertretungsanspruch Bonns geltend zu machen und Hetze gegen die DDR u. a. sozialistischen Staaten zu betreiben.

Im Berichtszeitraum wurden in 2 934 Fällen bei Kontrollhandlungen an den GÜST der DDR die Ein- und Durchfuhr von Hetzmaterialien festgestellt und unterbunden.

Im Vergleich I. Quartal zum III. Quartal 1970 ist dabei eine 100%ige Steigerung festzustellen. In einer Reihe von Fällen wurde versucht, Hetzschriften in originalverschlossenen Behältnissen einzuführen. Insbesondere werden hierzu in WD und WB übliche Handelspackungen – Pakete für Seifenpulver – u. a. genutzt.

Neben der versuchten Einfuhr westlicher Druckerzeugnisse bilden die Hetzschmierereien einen besonderen Schwerpunkt. Im Berichtszeitraum wurden im grenzüberschreitenden Güterverkehr über 1 800 Hetzschmierereien vorwiegend an Eisenbahnwaggons angebracht (davon 80 % Staatsgrenze West), die vorwiegend beinhalten:

  • Völker- und Rassenhetze,

  • faschistische Propaganda,

  • Hetze gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR,

  • Hetze gegen Repräsentanten der DDR und andere sozialistische Staaten.

Die Alleinvertretungsanmaßung Bonns zeigt sich u. a. auf den Zolldokumenten. Die besondere politische Einheit Westberlin wird in den Bereich der westdeutschen Zollgesetzgebung einbezogen. Auf den Versandanmeldungen für den innerstaatlichen Zollgutversand und auf den Absendererklärungen für die Zollbehandlung wird als Versendungsland »Deutschland« oder als Herkunftsland für Westberliner Erzeugnisse »Bundesrepublik Deutschland« deklariert.

Teilweise werden die Warenbegleitscheine für Transporte zwischen WB und WD für Alleinvertretungsansprüche ausgenutzt. Auf diesen Warenbegleitscheinen wird WB zur Bundesrepublik oder zu Deutschland gezählt.

3. Provokationen

Eine besondere Beachtung verdienen die ständig vom Gegner gegen die GÜST der DDR gerichteten Aktionen mit provokatorischem Inhalt.

Diese Aktionen tragen einen äußerst gefährlichen Charakter, sodass es nur durch das besonnene und disziplinierte Verhalten der Sicherheitsorgane der DDR bisher zu keinen größeren Komplikationen kam. Schwerwiegende Angriffe gegen die Staatsgrenze der DDR stellen die Grenzverletzungen dar, die zu 95 % an den GÜST zur besonderen politischen Einheit Westberlin in Erscheinung treten.

Neben Zivilpersonen und Westpolizisten sind daran ca. 40 % Angehörige der westlichen Besatzungsmächte beteiligt. Im Berichtszeitraum wurden allein an den GÜST der DDR über 60 Grenzverletzungen festgestellt.

An der GÜST Heinrich-Heine-Straße überschritt z. B. eine männliche Zivilperson ca. sechs Meter die Grenzmarkierung. Als diese Person vom Kommandanten der GÜST der DDR wiederholt aufgefordert wurde, nach Westberlin zurückzugehen, bewarf dieser Provokateur den Offizier mit Steinen.

An der GÜST Bornholmer Straße überschritten eine männliche und eine weibliche Person unter Mitführung eines Kinderwagens die Grenzmarkierung. Offensichtlich wurde der Kinderwagen mitgeführt, um die Handlungsfreiheit der Sicherungskräfte der DDR einzuschränken.

In mehreren Fällen provozierten Reisende bzw. andere Personen vom westlichen Vorfeld aus die an den GÜST der DDR eingesetzten Kräfte, indem sie die Kontrolle verweigerten, die Kontrollkräfte tätlich angegriffen oder zur Fahnenflucht aufforderten.

An der GÜST Heinrich-Heine-Straße wurde ein Angehöriger der Zollorgane der DDR bei der Ausübung seines Dienstes von einem westdeutschen Pkw-Fahrer vorsätzlich angefahren.

Im Vorfeld einiger GÜST der DDR zu Westberlin und Westdeutschland führten in mehreren Fällen, insbesondere USA-Besatzer, Zielübungen mit Schnellfeuergewehren auf Posten der NVA und der Passkontrolleinheiten durch.

Am 20.7.1970 gaben an der GÜST Horst zwei Angehörige des westdeutschen Bundesgrenzschutzes mit einer Leuchtpistole gezielte Schüsse auf Posten der NVA/Grenze ab.

4. Ungesetzliche Ein- und Durchfuhr von Waffen und Munition

In der Zeit vom 1.1. bis 30.9.1970 wurden im grenzüberschreitenden Transit- und Einreiseverkehr durch die Zollkontrollorgane an den GÜST der Staatsgrenze der DDR bei 104 Personen (darunter 74 westdeutsche und Westberliner Bürger) Waffen und Munition festgestellt, die diese Personen illegal mitführten.

Die Gefährlichkeit der illegalen Ein- und Durchfuhr von Waffen wird durch folgende Tatsachen charakterisiert:

So versuchte der marokkanische Bürger [Name 3, Vorname], elf Pistolen, 900 Schuss Pistolenmunition, 100 Schuss KK-Munition im Bett des Schlafwagens eines Reisezuges versteckt einzuführen.

Ein dänischer Bürger versuchte, eine in der Schiffsverkleidung seines Motorbootes versteckte Pistole einzuführen. Zu diesem Zweck täuschte er einen Motorbootschaden vor, um durch Abschleppen des Bootes einer Kontrolle durch die Zollorgane der DDR zu entgehen.

Von den Kontrollorganen der DDR wird gegen diese schon seit Jahren festgestellten Praktiken der Waffeneinschleusung konsequent vorgegangen. Zum Beispiel wurde am 7.11.1968 im Abteil eines Waggons des D 201 an der GÜST Gerstungen während der Zollkontrolle versteckt unter der Sitzbank eine Pistole »Beretta« mit acht Schuss gefunden. Der Westberliner Bürger Kleinke, Hans,3 wurde als Besitzer ermittelt. K. hatte diese Pistole in Italien käuflich erworben, diese am Körper versteckt nach Westdeutschland geschmuggelt und versucht, sie nach Westberlin zu schleusen.

Vor Beginn der Kontrollhandlung verneinte Kleinke das Mitführen von Waffen. In der Ausgabe vom 14.11.1969 der Westberliner »Bild-Zeitung«4 wurde berichtet, dass der Kleinke (Sohn eines Westberliner Polizeibeamten) am 17.2.1969 gemeinsam mit einem Westberliner Bürger in der Reinickendorfer Bar »Idyll« drei Personen erschossen hatte. Während der Unterhaltung sagte Kleinke aus, dass sie die Tatwaffen am 7.2.1969 (zwei Pistolen Beretta), die sie in Italien gekauft hatten, nun auf dem Luftpostweg nach Westberlin einführten, da ihm eine Waffe einschließlich der Munition durch die Zollkontrollorgane der DDR an der GÜST Gerstungen am 7.11.1968 abgenommen war.

5. Verstöße gegen Bestimmungen der Ein- und Ausreise und den Aufenthaltsfristen

In der Zeit vom 1.1.1970 bis 30.9.1970 wurden an den GÜST der Staatsgrenze der DDR insgesamt 158 ungesetzliche Grenzübertritte verhindert. Die Täter bedienten sich bei ihren Handlungen vielfältiger Mittel und Methoden wie z. B.

  • Verstecken in Reisezügen und in Lkw

  • Täuschung der Kontrollkräfte

  • Ausweismissbrauch u. a.

Zunehmend fallen an den GÜST der DDR zur besonderen politischen Einheit Westberlin und Westdeutschland in den Reiseströmen Westberliner, westdeutsche sowie ausländische Personen an, die kriminelle Vergehen und Verbrechen begangen haben.

Das Passieren der GÜST mit verfälschten Personaldokumenten ausgewechselten Lichtbildern usw. steht dabei im Vordergrund.

In gleicher Weise ist durch die Grenzkontrollorgane der DDR festgestellt worden, dass derartige Personenkreise versuchen, unter Missbrauch verfälschter Reisedokumente von Westdeutschland nach Westberlin und umgekehrt zu gelangen.

Das bezieht sich auch auf Personen, die für sie festgelegte Reisesperren auf diese Art und Weise zu umgehen versuchen.

Im Berichtszeitraum wurden des Weiteren insgesamt 275 Überschreitungen der Aufenthaltsdauer in der Hauptstadt der DDR festgestellt.

Der größte Teil der besonders an den GÜST der Staatsgrenze zur besonderen politischen Einheit Westberlin auf diese Weise angefallenen Personen verkehrt in Kreisen mit asozialer Verhaltensweise bzw. ist selbst wegen Diebstahl, Betrug u. a. Straftaten in WD bzw. WB mehrmals vorbestraft.

6. Versuchte Einreise von NP-Mitgliedern

Seit dem 13.3.1968 werden an allen GÜST der DDR den Mitgliedern der westdeutschen neofaschistischen NP5 gemäß einer Anordnung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei die Ein- bzw. Durchreise verwehrt.6

Diese Anordnung wurde veröffentlicht und ist daher auch in WD und WB bekannt. Dennoch versuchten seit dieser Zeit mehrere hundert Mitglieder dieser NP in bzw. durch die DDR zu reisen. Es gab bisher nicht wenige Fälle, wo die gleichen Personen mehrmals versuchten, über die GÜST der DDR zu reisen, obwohl ihnen bereits beim ersten Mal der Grund ihrer Zurückweisung mitgeteilt wurde.

Die relativ häufige Zurückweisung von Mitgliedern der NP nahm die Westpresse zum Anlass, sich mit diesen Kräften zu solidarisieren und gegen die Tätigkeit der Kontrollorgane der DDR zu hetzen. Dabei wurde von der Westpresse von »Willkürmaßnahmen«, »Schikanen« und »Behinderung der freien Zufahrtswege« nach Westberlin gesprochen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass speziell zu diesen Propaganda-Aktionen bestimmte NP-Mitglieder den Auftrag erhielten, eine Reise durch die DDR anzutreten, um sich – wie erwartet – an den GÜST der DDR zurückweisen zu lassen.

Seit dem 15.6.1970 wurden bei dem Westberliner Bürger [Name 4, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1943 die angeführten Sperrmaßnahmen wirksam. Bisher trat [Name 4] in drei Fällen in Erscheinung, indem er versuchte, in die Hauptstadt der DDR einzureisen bzw. die Verbindungswege zu benutzen.

In gleicher Weise verhielt sich der westdeutsche Bürger [Name 5, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1932 der bisher seit dem 16.9.1970 in vier Fällen versuchte, diese Maßnahmen zu umgehen.

7. Verstöße gegen die Zollgesetze der DDR

Es häufen sich die durch die Zollkontrollorgane der DDR getroffenen Feststellungen, dass Transporte im Güterverkehr zwischen WD und WB sowie umgekehrt

  • ohne Warenbegleitschein,

  • mit ungültigen Warenbegleitscheinen,

  • über die im Warenbegleitschein hinaus genehmigte Menge,

  • von der Deklaration auf dem Warenbegleitschein abweichend

durch die DDR transportiert werden sollen.

An den GÜST der DDR werden durchschnittlich im Monat 200 derartige Feststellungen getroffen. Setzt man die gleichbleibende Zahl der Beanstandungen den in der Westpresse veröffentlichten Mitteilungen über angebliche »Behinderungen« seitens der Organe der Zollverwaltung entgegen, so ergibt sich eindeutig, dass die Ursachen der »Behinderung« in der groben Missachtung der in der DDR geltenden gesetzlichen Bestimmungen bestehen.

Der ständig steigende Güterverkehr zwischen WD und WB wird darüber hinaus noch durch folgende Tatsachen erschwert:

Es häufen sich die Feststellungen durch die Zollorgane der DDR, dass seitens westdeutscher und Westberliner Transportunternehmen falsche Angaben über das Gewicht der beförderten Güter, eine zu niedrige Steuerausgleichsabgabe erklärt bzw. entrichtet wird.

Im Berichtszeitraum traten 1 820 westdeutsche und Westberliner Unternehmen in 3 660 Fällen durch eine nicht ordnungsgemäße Berechnung der Steuerausgleichsabgabe in Erscheinung.

Des Weiteren mussten im Berichtszeitraum in 47 Fällen nicht kontrollierbare Transporte festgestellt werden, u. a. wegen

  • unübersichtlicher Ladung,

  • ohne Kontrollgang,

  • Fahrzeug überladen,

  • Verweigerung der Entladung.

In 160 Fällen wurden Waren ohne Warenbegleitscheine mitgeführt.

In insgesamt 133 Fällen (Zeitraum 1.1.–30.9.1970, I. Quartal 17, II. Quartal 56, III. Quartal 56) verweigerten Westberliner bzw. westdeutsche Reisende im Personen- und Güterverkehr Kontrollhandlungen der Organe der DDR.

Durch westdeutsche und Westberliner Transportunternehmen wird ständig gegen die Bestimmungen der veterinärhygienischen Grenzüberwachungsordnung der DDR verstoßen, indem bei Transporten von Fleisch u. a. tierischen Produkten sowie Lebendvieh die Bestimmungen dieser Ordnung nicht eingehalten und teilweise Mithilfe westdeutscher und Westberliner staatlicher Dienststellen missachtet und gröblichst verletzt werden. Allein an der GÜST Drewitz werden monatlich ca. 20 Verstöße in dieser Hinsicht festgestellt.

Besonders seit Jahresende 1969 häufen sich in zunehmendem Maße Versuche, Rauschgifte über die GÜST der DDR einzuführen. Durch die Organe der Zollverwaltung der DDR wurden im Berichtszeitraum über 200 Feststellungen getroffen. Darüber hinaus konnten zu 130 Personen Hinweise erarbeitet werden, die den Verdacht zulassen, dass diese Personen Konsumenten von Rauschgiften sind oder mit Rauschgiften handeln. Bisher sind u. a. insgesamt ca. 125 kg Haschisch, ca. 450 Portionen LSD, kleinere Mengen Rohopium, Opium-Tinktur festgestellt worden.

Vorgenannte Feststellungen werden durch folgende Fakten charakterisiert:

Am 22.1.1970 versuchten die westdeutschen und Westberliner Bürger [Name 6, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1940 und [Name 7, Vorname, geboren [Tag, Monat] 1947 ca. 3 kg Haschisch, das in Afghanistan käuflich erworben und über die Staaten Pakistan, Iran, Türkei, Griechenland, Jugoslawien und Österreich nach WD geschmuggelt wurde, illegal in die DDR einzuführen.

Am 29.1.1970 wurden bei dem westdeutschen Bürger [Name 8, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1947 in einem Päckchen Bahlsen-ABC-Russisch-Brot über 410 Trips LSD gefunden.

Zur Unterstützung der politisch-ideologischen Diversion und der Vergütung von feindlichen und kriminellen Handlungen missbrauchen bestimmte Personen den grenzüberschreitenden Verkehr zur Einschleusung von Zahlungsmitteln und Materialien. Die Summe der im Reiseverkehr festgestellten Zahlungsmittel, die illegal eingeführt werden sollten, beträgt im Berichtszeitraum (1.1.–30.9.1970) über 379 000 Mark.

Ein Mitarbeiter eines westdeutschen Elektrokonzerns schleuste Transistoren für den Bau von Convertern zum Empfang des 2. Programms des westdeutschen Fernsehens im Werte von 12 000 Mark in die DDR ein.

Im D-Zug Köln – Leipzig wurden in einem Fall 10 470 Mark gefunden, die hinter Feuerlöschern auf den Plattformen der Waggons versteckt waren.

In einem anderen D-Zug auf der gleichen Strecke waren hinter einer Wasserkanne der Toilette 27 240 Mark versteckt.

Bei einem westdeutschen Bürger wurden 3 050 Mark in Schuhen versteckt gefunden.

Auch bei der ungenehmigten Aus- und Einfuhr von Waren ist eine steigende Tendenz zu beobachten.

Beispiele:

  • Fernsehzusatzteile 121 Fälle im I. Quartal, 294 Fälle im III. Quartal

  • Briefmarken 166 Fälle im I. Quartal, 530 Fälle im III. Quartal

  • Edelmetalle 143 Fälle im I. Quartal, 420 Fälle im III. Quartal

  • Textilien 221 Fälle im I. Quartal, 380 Fälle im III. Quartal

  • Arzneimittel 119 Fälle im I. Quartal, 165 Fälle im III. Quartal

Zusammenfassend ist einzuschätzen, dass die Kontrollorgane der DDR eine reibungslose, den internationalen Gepflogenheiten und Rechtsnormen entsprechende Abfertigung und Kontrolle des ständig steigenden Reise-, Güter- und Touristenverkehrs über die GÜST der Staatsgrenze der DDR sichern.

Die in dieser Information dargelegten Fakten belegen eindeutig, dass die Kontroll- und Rechtsfolgemaßnahmen durch die Kontrollorgane der DDR erforderlich wurden, weil Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen vorlagen.

Von der überwiegenden Mehrzahl der Reisenden wird die Kontrolle und Abfertigung als höflich und korrekt eingeschätzt.

So erklärte z. B. der schwedische Zollstellenleiter [Name 9, Vorname], aus Halmstad bei seiner Abfertigung an der GÜST Sassnitz, dass die Kontrollen der DDR-Organe sehr human sind, wovon er sich selbst an allen GÜST, die er passierte, überzeugen konnte. Seiner Meinung nach sind die Kontrollen des schwedischen Zollorgans strenger.

Weiter wird durch eine große Anzahl von Personen aus den einzelnen Reiseströmen zum Ausdruck gebracht, dass die Abfertigungszeiten an den GÜST der DDR trotz Zunahme des Verkehrs in beiden Richtungen sehr kurz sind und dass die Angehörigen der Kontrollorgane der DDR sich ständig durch Höflichkeit, Sachlichkeit und Hilfsbereitschaft auszeichnen.

Viele Reisende nehmen diese Verhaltensweisen zum Anlass, Angehörigen der Kontrollkräfte der DDR den Dank auszusprechen.

  1. Zum nächsten Dokument Mängel im Datenverarbeitungszentrum Schwerin

    19. Oktober 1970
    Information Nr. 1099/70 über einige Mängel im DV-Zentrum Schwerin

  2. Zum vorherigen Dokument Schwerer Bahnbetriebsunfall am 5.10.1970 auf dem Bahnhof Elsterwerda

    12. Oktober 1970
    Information Nr. 1076/ 70 über einen schweren Bahnbetriebsunfall am 5. Oktober 1970 auf dem Bahnhof Elsterwerda, [Bezirk] Cottbus