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Verletzung des Luftraumes der DDR durch Friedemann Späth

6. Oktober1970
Information Nr. 1064/70 über die Verletzung des Luftraumes der DDR am 5. Oktober 1970 durch den westdeutschen Bürger Späth, Friedemann, mit einem westdeutschen Motorflugzeug

Wie dem MfS bekannt wurde, drang der westdeutsche Bürger Späth, Friedemann,1 geboren am 28.5.1940 in Freudenthal, Beruf: Bundesbahninspektor, zuletzt: Strafgefangener im Landesgefängnis Heilbronn, wohnhaft Tuttlingen, [Straße, Nr.], am 5.10.1970 um 15.00 Uhr, ohne im Besitz einer Fluglizenz zu sein, mit einem einmotorigen Sportflugzeug vom Typ Piper PA 18 (Kennzeichen D-EDYK) in das Hoheitsgebiet der DDR ein und landete gegen 16.45 Uhr nahe der Ortschaft Bahrendorf, Kreis Wanzleben.

Als Motiv für seine Tat gab Späth an, den Beweis erbringen zu wollen, dass er durch seine Erfahrungen im Tiefflug in der Lage sei, das Radarsystem der DDR unbemerkt zu unterfliegen und in der DDR zu landen. Danach wollte er angeblich mit Unterstützung von Piloten der DDR mit einer arabischen Widerstandsorganisation, vornehmlich mit der »Al Fatah«,2 Kontakt aufnehmen und sich dieser als Flugzeugführer zur Verfügung stellen, da er mit der palästinensischen Widerstandsbewegung sympathisieren würde.

Späth wurde nach dem Besuch der Grund- und Oberschule (ohne Abitur) und einer Ausbildung als Bundesbahninspektor im Mai 1967 auf dem Bahnhof Horb, Kreis Tübingen, als Fahrdienstleiter eingesetzt. Dieser Tätigkeit ging er nach, bis im Oktober 1968 aufgrund einer von ihm verursachten fahrlässigen Tötung sein Beamtenverhältnis gelöst und er in der Folgezeit im Bundesbahnbetriebsamt I in Stuttgart zu Aushilfsarbeiten herangezogen wurde.

Am 13.10.1968 führte Späth unter Verletzung der Sicherheitsbestimmungen der Zivilen Luftfahrt einen Tiefflug auf eine Gruppe Kinder durch, wobei er mit einem Rad des Fahrgestells des Flugzeuges ein 11-jähriges Mädchen am Kopf traf und dieses dabei tödlich verletzte.

Am 3.10.1969 wurde Späth wegen fahrlässiger Tötung von der Großen Strafkammer Rottweil zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt.

Bereits in den Jahren 1965 bis 1967 erhielt Späth mehrere Ordnungsstrafen wegen Gefährdung der Flugsicherheit und unerlaubter Tiefflüge (im westdeutschen Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«, Nr. 41/69,3 wird darüber ausführlich berichtet).

Späth hatte 1963 bei der Motorflugschule des Baden-Württembergischen Luftfahrtverbandes in Stuttgart-Echterdingen mit der Flugausbildung begonnen, erwarb 1964 den Privatpilotenschein für Motorflugzeuge und legte im August 1966 bei der Flugschule Struksberg in Borkenberge/Westfalen die Kunstflugprüfung ab. Im Jahre 1965 kaufte er sich ein Motorflugzeug vom Typ »Stark Turbulent«, das er 1967 weiterverkaufte. In der Folgezeit flog er wiederholt mit gecharterten Maschinen, ohne in einem Luftsportverein organisiert zu sein.

Die gegen Späth ausgesprochene Freiheitsstrafe begann er am 11.5.1970 im Landesgefängnis Heilbronn zu verbüßen. Mit dem Ziel, seine Wiedereingliederung vorzubereiten, wurde ihm gestattet, in Stuttgart an einem Lehrgang »Akademica-Gesellschaft« zur Ablegung der Reifeprüfung teilzunehmen. Deshalb wurde ihm entsprechend einer vorliegenden Genehmigung von der Anstaltsleitung für den 26.9.1970 von 6.00 bis 21.00 Uhr Urlaub gewährt. Diese Gelegenheit nutzte er aus, um den seinen Aussagen zufolge während der Haftzeit entwickelten Plan zu verwirklichen, mit einem Sportflugzeug in die Deutsche Demokratische Republik zu entkommen.

Am 4.10.1970 suchte Späth den Flugplatz Cobold-Heinrücken auf und bestimmte das dort vorgefundene Motorflugzeug vom Typ »Piper PA 18« (Kennzeichen D-EDYK) für sein Vorhaben.

Einen am Platz befindlichen Sportflieger bat er, als Passagier mit diesem Flugzeug einmal mitfliegen zu können, was ihm gestattet wurde. Während des 15minütigen Fluges befragte er den Piloten nach den technischen Daten sowie der Betankung des Flugzeuges.

Am 5.10.1970 startete Späth, der sich in der Nacht vom 4. zum 5.10.1970 in der Flugzeughalle aufhielt, gegen 14.30 Uhr unbemerkt, überflog um 15.03 Uhr die Grenzübergangsstelle Hirschberg und landete gegen 16.45 Uhr auf einem Feld bei Bahrendorf, Kreis Wanzleben.4

Personen- oder Sachschaden entstand dabei nicht.

Infolge der geringen Flughöhe konnte das Flugzeug funkmessmäßig nicht erfasst werden.

Gegen Späth wird ein Ermittlungsverfahren wegen Verletzung des Gesetzes über die Zivile Luftfahrt vom 31.7.1963 in der Fassung des Anpassungsgesetzes vom 11.6.19685 in Verbindung mit § 213 Absatz 1, StGB6 sowie § 6 Absatz 1 Ziffer 2 und Absatz 3 der Verordnung zum Schutze der Staatsgrenze der DDR vom 19.3.1964 in der Fassung des Anpassungsgesetzes vom 11.6.19687 eingeleitet.

Der Schwerpunkt der weiteren Untersuchung wird auf die Aufklärung des Charakters dieser Handlungen im System der Feindtätigkeit sowie auf die umfassende Aufklärung der Täterpersönlichkeit gelegt.

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    6. Oktober 1970
    Information Nr. 1067/70 über wiederholte technische Störungen an der Starkstromanlage des Datenverarbeitungszentrums Rostock-Südstadt

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    5. Oktober 1970
    Information Nr. 1036/70 über Auffassungen Bischof Schönherrs, Berlin, zur weiteren Entwicklung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR