Versuchte Entführung einer Linienmaschine der Interflug
10. März 1970
Information Nr. 274/70 über den Versuch der gewaltsamen Entführung einer Linienmaschine der Interflug
Am 10.3.1970, gegen 7.58 Uhr, wurde die Flugsicherung des Zentralflughafens Berlin-Schönefeld über Bordfunk informiert, dass von unbekannten Tätern versucht wird, mittels Waffengewalt die Linienmaschine Berlin – Leipzig, Typ AN 24, Kennzeichen DM – SBD, zum Kurswechsel zu zwingen und zu entführen.1
Von den Tätern wurden Schüsse abgegeben und es wurde versucht, in das Cockpit einzudringen.
Die Besatzung änderte den Kurs und flog nach Berlin-Schönefeld zurück, wo sie um 8.09 Uhr, nachdem alle erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden waren, landete.
Durch die bisherigen Untersuchungen wurden zum Tathergang folgende Feststellungen getroffen:
Die Linienmaschine war planmäßig um 7.42 Uhr gestartet. Sie war mit 17 Passagieren besetzt, darunter 122 DDR-Bürger, zwei Kinder, drei Ausländer (ein VAR, ein Schweizer, ein Westdeutscher).
Bereits während des Steigfluges, gegen 7.50 Uhr, versuchten eine männliche und eine weibliche Person, beide Täter waren mit je einer Pistole »Makarow 9 mm« bewaffnet, in das Cockpit einzudringen.
Zu diesem Zweck wurde vom Passagierraum aus die Tür zum Laderaum aufgebrochen, um von dort aus in das verschlossene Cockpit zu gelangen. Dabei wurden mehrere Schüsse abgegeben. Im weiteren Verlauf wurde dann die Cockpittür beschossen, wobei die Verglasung des Cockpits durch Einschüsse zerstört wurde. Von der vierköpfigen Besatzung wurde der Kommandant der Maschine, Gen. [Name], (Mitarbeiter des MfS, Angehöriger der Regierungsstaffel) durch Schusswaffenanwendung leicht verletzt.
Nachdem die Täter feststellten, dass die Maschine auf Gegenkurs ging und ihr Anschlag misslungen war, brachten sie sich im Passagierraum durch Einschüsse in den Mund tödliche Verletzungen bei.
Der medizinische Dienst, der bei der Landung sofort mit eingesetzt wurde, konnte bei beiden Personen nur noch den Tod feststellen.
Die Ermittlungen ergaben, dass es sich bei den Tätern um den NVA-Angehörigen Wehage, Eckhardt,3 geb. 8.7.1948, wohnhaft Beirose, [Kreis] Halberstadt, [Bezirk] Magdeburg, Bootsmann der NVA, Standort Peenemünde, und dessen Ehefrau Wehage, Christel,4 geb. 15.6.1946 in Wolmirstedt, handelt.
Vom MfS wurden die erforderlichen Maßnahmen zur weiteren Aufklärung des Vorkommnisses eingeleitet.
Die Verhinderung der gewaltsamen Entführung des Flugzeuges ist vor allem auf die ordnungsgemäße Einhaltung der bei der Interflug eingeführten Sicherheitsvorkehrungen und die disziplinierte, den Sicherheitsinstruktionen entsprechende Verhaltensweise der Besatzung zurückzuführen. An der weiteren Vervollkommnung der Sicherheitsmaßnahmen wird gearbeitet.
Auf Weisung des Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Gen. Stoph,5 wird unter dem Namen der Interflug eine kurze Pressemitteilung herausgegeben.
Berlin (ADN)
Wie ADN von Interflug erfährt, versuchten am Dienstag früh zwei Banditen unter Schusswaffengebrauch die Besatzung eines Verkehrsflugzeuges der DDR-Fluggesellschaft Interflug auf der planmäßigen Flugroute Berlin – Leipzig zur Kursänderung zu zwingen. Der Anschlag misslang jedoch dank der ordnungsgemäßen Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen und des besonnenen Verhaltens der Besatzung.
Die Banditen, die mit ihrem verwerflichen Anschlag die Luftsicherheit gefährdeten und die Passagiere in äußerste Lebensgefahr brachten, begingen angesichts ihres gescheiterten Vorhabens während des Landemanövers Selbstmord, um sich der gesetzlichen Strafe zu entziehen.6