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Vorkommnis bei 1. Luftverteidigungs-Division in Marxwalde

2. November 1970
Information Nr. 1153/70 über ein Vorkommnis im FTB-8 (fliegertechnisches Bataillon) der 1. Luftverteidigungs-Division der NVA in Marxwalde, [Kreis] Seelow, [Bezirk] Frankfurt/O., am 28. Oktober 1970

Am 28.10.1970, in der Zeit von 23.20 bis 23.30 Uhr, nahm der Wachhabende des NVA-Objektes vom FTB-8 Geräusche am Fenster des Wachlokals war. Er begab sich daraufhin nach draußen, wo er den zum Streifendienst im Objekt, in der Zeit von 23.00 bis 1.00 Uhr eingesetzten Flieger [Name 1, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1944, wohnhaft [Ort], [Kreis] Roßlau, [Bezirk] Halle, [Straße, Nr.], Dienststellung: Tankwart/Kraftfahrer, des TS-Dienste im FTB-8, verheiratet, zwei Kinder, NVA seit 4. Mai 1970, am Wachgebäude angelehnt vorfand. [Name 1] blutete im Gesicht und gab auf Fragen des Wachhabenden keinerlei Antworten. [Name 1] befand sich nicht mehr im Besitz der ihm zur Durchführung des Wachdienstes übergebenen MPi »Kalaschnikow« Nr. 65 B 1320 mit Magazin, Inhalt 30 Schuss.

Die sofortige Überführung in das Armeelazarett Bad Saarow und die dort durchgeführte Untersuchung ergab, dass [Name 1] durch Stich- und Hiebverletzungen ein Schädelhirntrauma mit Hinterhauptfraktur, Impression des knöchernen Nasengerüstes und Verletzungen im Bereich der Ohrmuschel sowie des Jochbogens aufwies.

[Name 1] ist aufgrund dieser Verletzungen noch nicht vernehmungsfähig.

Die durch die Organe des MfS bisher durchgeführten Untersuchungen ergaben:

Für die dem [Name 1] beigebrachten schweren Verletzungen, einschließlich dem Entwenden der Maschinenpistole mit gefülltem Magazin, wurde als Täter der Flieger [Name 2, Vorname 1], geboren [Tag, Monat] 1944, wohnhaft [Ort], [Kreis] Bad Freienwalde, [Bezirk] Frankfurt/O., Dienststellung: Tankwart/Kraftfahrer des TS-Dienstes im FTB-8, verheiratet, ein Kind, NVA seit 4. Mai 1970, ermittelt.

[Name 2] hat nach den durchgeführten Überprüfungen den [Name 1] hinterrücks niedergeschlagen, die Waffe entwendet, damit unerlaubt das Objekt des FTB-8 verlassen und sich mit seinem Motorrad, das er in der Nähe des Objektes abgestellt hatte, in seine Wohnung nach [Ort] begeben.

Dort, gegen 24.00 Uhr angekommen, drang er in das Schlafzimmer ein und richtete die Maschinenpistole auf die sich bereits in den Betten befindlichen Personen:

  • Ehefrau [Name 2, Vorname 2]

  • Sohn [Name 2, Vorname 3] (vier Jahre)

  • Schwiegereltern [Name 3, Vorname 1] und dessen Ehefrau [Name 3, Vorname 2]

  • Cousine [Name 3, Vorname 3] (sechs Jahre)

(Die Schwiegereltern hielten sich besuchsweise in seiner Wohnung auf.)

Nachdem [Name 2] seine Frau aufgefordert hatte, das Bett zu verlassen, führte er mit ihr außerhalb des Schlafzimmers eine Auseinandersetzung. Diese war jedoch nur kurz und die Ehefrau begab sich wieder ins Bett.

[Name 2] erschien wieder im Schlafzimmer, richtete die Maschinenpistole erneut auf die genannten Personen und gab fünf Schuss Einzelfeuer auf sie ab. Davon schlugen drei Schuss oberhalb der Bettkante in die Wand, ein Schuss durchschlug den Bettrand und ein Schuss drang durch das Deckbett in die Matratze ein.

Keine der im Schlafzimmer sich befindlichen Personen wurde durch die Abgabe dieser Schüsse verletzt.

Der Schwiegervater des [Name 2], [Name 3, Vorname 1], begab sich nach Abgabe der Schüsse in Richtung des Standortes des [Name 2] in der Absicht, diesem die Waffe zu entreißen.

[Name 2], der dieses Vorhaben nach den erfolgten Überprüfungen offensichtlich erkannte, richtete den Lauf der Waffe gegen sich selbst auf die linke Brustseite seines Körpers und löste den fünften Schuss aus, der ihn tödlich verletzte. Das bisherige Ergebnis der gerichtsmedizinischen Sektion und die anderen Untersuchungen bestätigen diesen Tatverlauf. Bei der Tatwaffe handelt es sich um die dem Flieger [Name 1] entwendete Maschinenpistole »Kalaschnikow« Nr. 65 B 1320.

Diesem Sachverhalt liegen nach den erfolgten Untersuchungen folgende wesentliche Motive zugrunde:

In der Zeit vom 13.10.1970 bis 27.10.1970 weilte die Ehefrau des [Name 2] mit dessen Eltern [Name 2, Vorname 4], wohnhaft [Ort], [Kreis] Freienwalde, [Bezirk] Frankfurt/O. [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben], [Name 2, Vorname 5] und deren Sohn [Name 2, Vorname 6] zu einem Privatbesuch in der UdSSR. Aufgesucht wurde eine Schwester des sich selbst getöteten [Name 2, Vorname 1], [Name 4, Vorname], wohnhaft Dubno, [Straße, Nr.], die 1945 einen Sowjetbürger heiratete und seit dieser Zeit in der UdSSR wohnhaft ist.

Nach Angaben der Mutter des [Name 2, Vorname 1] hat dessen Ehefrau während des Aufenthaltes in der UdSSR zu einem 17-jährigen Sowjetbürger ehewidrige Beziehungen aufgenommen.

Auf entsprechende Vorhaltungen sei durch die [Name 2, Vorname 2] nicht reagiert worden, auch nicht auf die Androhung hin, diese ehewidrigen Beziehungen dem Ehemann mitzuteilen.

Nach Rückkehr aus der UdSSR entschlossen sich deshalb die Eltern des [Name 2], diesen aufzusuchen, um ihn über diese ehewidrigen Beziehungen seiner Ehefrau zu unterrichten.

Zu diesem Zweck begaben sich in den Nachmittagsstunden des 28.10.1970 mittels Pkw die [Name 2, Vorname 5] (Mutter des Toten), [Name 2, Vorname 6] (Bruder des Toten), [Name 2, Vorname 7] (Schwägerin des Toten) zum Objekt des FTB-8 nach Marxwalde. Sie erwirkten eine Sprechgenehmigung mit dem [Name 2, Vorname 1] und unterrichteten ihn vom Verhalten seiner Ehefrau in der UdSSR. Mit Genehmigung der Vorgesetzten erhielt [Name 2, Vorname 1] die Erlaubnis, seine Ehefrau aufzusuchen, um diese Probleme zu klären. Er entfernte sich gemeinsam mit den genannten Personen und begab sich in die eheliche Wohnung nach [Ort].

Kurze Zeit darauf erschien die Ehefrau des [Name 2], [Name 2, Vorname 2] mit ihren Eltern [Name 3, Vorname 1], [Name 3, Vorname 2], [Name 3, Vorname 3] (Schwester), [Name 2, Vorname 3] (Sohn) im Objekt des FTB-8, wo sie ebenfalls den [Name 2, Vorname 1] sprechen wollten.

Da [Name 2, Vorname 1], bereits das Objekt verlassen hatte, begaben sie sich in die eheliche Wohnung nach [Ort], wo sie den dort bereits anwesenden Ehemann antrafen.

Nach dem Zusammentreffen der beiden Elternteile kam es zu einer großen Auseinandersetzung zwischen beiden Gruppen, die sich bis zu Tätlichkeiten steigerte. Im Ergebnis dieser Auseinandersetzung zwischen beiden Elternteilen drängte die Mutter des [Name 2] auf eine Scheidung der Ehe.

Die betroffenen Eheleute [Name 2, Vorname 1] und [Name 2, Vorname 2] verhielten sich selbst bei den Auseinandersetzungen beider Elternteile, nach vorliegenden Überprüfungen, zurückhaltend.

Nach diesen Auseinandersetzungen kehrte [Name 2, Vorname 1], gegen 19.00 Uhr, wieder in das Objekt des FTB-8 zurück. Er wurde von seinem Bruder [Name 2, Vorname 6], begleitet.

Nach seiner Rückkehr teilte [Name 2, Vorname 1], aufgrund eines bestehenden Vertrauensverhältnisses zum Flieger [Name 5, Vorname], diesem den Inhalt der Auseinandersetzung mit, wobei er stark erregt war.

Gegen 23.00 Uhr verließ [Name 2, Vorname 1], nach Aussagen des zu diesem Zeitpunkt im Kompanieobjekt diensthabenden UvD, Gefreiter [Name 6], den Kompaniebereich, um die Toilette aufzusuchen. Obwohl dies nur ein Vorwand für die Durchführung der schon geschilderten verbrecherischen Handlungen war, erschien das dem UvD glaubhaft, da die Toilettenanlagen des Kompaniebereiches defekt sind und deshalb Toiletten in den anderen Objektbereichen benutzt werden müssen.

Die Überprüfungen ergaben weiter, dass [Name 2, Vorname 1] sich unmittelbar zu den ihm durch seine eigene Wachtätigkeit bekannten Streifenposten innerhalb des Objektes begab, diesen niederschlug, die Waffe mit Munition an sich nahm und mittels seines in der Nähe des Objektes abgestellten Motorrades sofort zu seiner Wohnung nach [Ort] Marienhof fuhr.

Das Objekt hat [Name 2, Vorname 1] durch Überwinden der Umzäunung verlassen. An der Umzäunung und an seinem Krad wurden Blutspuren festgestellt.

Die durch [Name 2, Vorname 1], begangenen verbrecherischen Handlungen, einschließlich die Selbsttötung, sind Affekthandlungen infolge der ihm bekannt gewordenen ehewidrigen Verhaltensweise der Ehefrau und der geführten Auseinandersetzungen beider Elternteile sowie des dabei erfolgten Einflusses einzuschätzen.

Es handelt sich bei ihm um einen Menschen, der nur fünf Klassen Polytechnische Oberschule besuchte. Vor seiner Einberufung war er als Traktorist in der LPG [Ort], [Kreis] Freienwalde, tätig.

Durch die Organe des MfS sind mit der zuständigen Kreisleitung der Partei entsprechende Maßnahmen eingeleitet worden, um auftretenden Gerüchten oder anderen negativen Erscheinungen in diesem Zusammenhang wirksam zu begegnen.

  1. Zum nächsten Dokument Ausarbeitung Ökumenischen Institutes Berlin zu Entwicklungsländern

    2. November 1970
    Information Nr. 1150/70 über eine Ausarbeitung des Ökumenischen Instituts Berlin zur »Problematik der Entwicklungsländer« aus der Sicht der sozialistischen Staaten

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    29. Oktober 1970
    Information Nr. 1139/70 über ein Vorkommnis im Objekt der Wirtschafts- und Handelskommission der Republik Mali in der Hauptstadt der DDR am 23. Oktober 1970