Vorkommnis in der Handelsmission Mali
29. Oktober 1970
Information Nr. 1139/70 über ein Vorkommnis im Objekt der Wirtschafts- und Handelskommission der Republik Mali in der Hauptstadt der DDR am 23. Oktober 1970
Am 23.10.1970, gegen 14.00 Uhr, suchten etwa 30 bis 40 malinesische Studenten das Objekt der Wirtschafts- und Handelskommission der Republik Mali in der Hauptstadt der DDR, Heinrich-Mann-Straße 22, auf.
Die Studenten waren gemeinsam erschienen und hatten den Besuch organisiert.
Der Aufenthalt der Gruppe in der Handelsmission erstreckte sich über einen sonst nicht üblichen Zeitraum. Während der Unterredung zwischen den Studenten und Angehörigen der Mission kam es zu keinen Ausschreitungen. Die Studenten machten jedoch keine Anstalten, die Unterredung zu beenden und das Objekt zu verlassen.
Gegen 18.15 Uhr erschien die Dolmetscherin der Mission (DDR-Bürgerin) im Auftrage des Leiters der Mission beim diensthabenden Posten des Wachkommandos Missionsschutz (WKM) und bat ihn, die Personalien der Angehörigen der Gruppe bei Verlassen des Gebäudes festzustellen.
Gegen 18.35 Uhr verließen drei Studenten das Objekt, die, ohne sich zu widersetzen, ihre Personalien notieren ließen.
Gegen 22.00 Uhr erschien die Dolmetscherin erneut beim Posten des WKM und erklärte, dass die Studenten trotz Aufforderung das Gebäude nicht verlassen wollten und ersuchte um Hilfestellung. Bei Eintreffen eines vom Posten angeforderten Funkstreifenwagens verließen alle Malinesen ohne Aufforderung die Mission. Sie verhielten sich dabei diszipliniert und überreichten einem Offizier der DVP eine in deutscher Sprache verfasste Erklärung folgenden Wortlautes:
»Erklärung«:
Die malinesischen Studenten und Praktikanten in der DDR geben folgende Erklärung für ihre Anwesenheit in der Handelskommission der Republik Mali:
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Es geht um reine Probleme zwischen dem Chef der Mission und den malinesischen Studenten und Praktikanten.
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Unser Ziel ist die Fortführung der unterbrochenen Gespräche mit unseren Vertretern, um Lösungen unserer Probleme zu finden.
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Wir haben nicht die Absicht, gegen Gesetze der DDR zu verstoßen und werden diese Unterhaltung friedlich durchführen.
Die malinesischen Studenten und Praktikanten in der DDR
Durch den Leiter des WKM, Major der VP Bodenthal,1 wurde im Anschluss an das Ereignis der Leiter der Mission aufgesucht. In dem durchgeführten Gespräch ersuchte dieser um verstärkte Sicherheitsmaßnahmen durch die verantwortlichen Kräfte der VP.
Dem MfS wurde bekannt, dass in den letzten Wochen unter malinesischen Studenten eine größere Aktivität in der Diskussion vorhanden ist. In diesen Gesprächen geht es besonders um folgende Probleme:
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Die malinesischen Studenten zeigen sich z. T. stark beunruhigt über die Lage in ihrem Land. Sie stellen Fragen nach der Ursache und dem Ausmaß des Abbaues demokratischer Rechte, dem Verbot der Gewerkschaften und dergleichen mehr.2
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Sie kritisieren, dass sie zu wenig Informationen über ihr Land erhalten. Für die mangelhafte Informierung machen sie die Mission Mali verantwortlich.
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Vereinzelt treten Diskussionen und Gerüchte in Erscheinung, wonach es unter malinesischen Studenten in anderen Ländern, z. B. in der Sowjetunion, bereits zu öffentlichen Protesten gegen die Regierung Mali gekommen sei.
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Vereinzelt wird betont, die Handelsvertretung Mali und deren Leiterin der DDR würden nur bei wirtschaftlichen, aber nicht bei politischen Entscheidungen akzeptiert.
Die Studenten lehnen die Maßnahmen ab, wonach sie die Erlaubnis für Fahrten nach Westberlin bei der Handelsvertretung Mali einholen sollen. Sie seien auch mit der Überweisung der finanziellen Unterstützung durch die Regierung Mali an die in der DDR studierenden malinesischen Bürger, die früher an die Filiale der Dresdner Bank in Westberlin gerichtet war und jetzt an die Staatsbank der DDR erfolgt, nicht einverstanden. (Seit Inkrafttreten dieser Maßnahmen sind die Westberlin-Fahrten der Studenten stark zurückgegangen).
Besondere Vorkommnisse und Erscheinungen im Zusammenhang mit den verstärkten Diskussionen unter den malinesischen Studenten wurden nicht bekannt.
In Verbindung mit der DVP wurden Maßnahmen eingeleitet, die Sicherheit am Objekt der Wirtschafts- und Handelsmission der Republik Mali in der Hauptstadt der DDR zu erhöhen.