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Vorkommnis in einer Einheit der Streitkräfte der Sowjetarmee

7. Januar 1970
Information Nr. 8/70 über ein Vorkommnis in einer Einheit der Gruppe der zeitweilig in der DDR stationierten Streitkräfte der Sowjetarmee, Standort Borstel, Kreis Stendal, Bezirk Magdeburg, am 31. Dezember 1969

Am 2.1.1970 erschien gegen 12.45 Uhr der leitende Arzt des sowjetischen Militärhospitals Stendal beim Volkspolizei-Kreisamt und übergab einen 20-Liter-Kanister, in dem sich noch eine geringe Menge einer unbekannten Flüssigkeit befand. Er bat, den Restinhalt dieses Kanisters, der die Aufschrift »Gift B 1«1 trug, einer genauen Untersuchung zu unterziehen.

Wie die unmittelbar nach dieser Mitteilung durch das MfS in Verbindung mit den sowjetischen Freunden eingeleiteten Untersuchungen ergaben, haben 16 sowjetische Armeeangehörige, beginnend am 30.12.1969, zunächst in kleineren und am 31.12.1969 in größeren Mengen, vom Inhalt dieses Kanisters getrunken, wobei zwei sowjetische Armeeangehörige tödliche Vergiftungen erlitten.

Ein Armeeangehöriger befindet sich noch in Lebensgefahr.

Eine sofortige Analyse des Kanisterinhalts durch das Hygiene-Institut Stendal ergab, dass es sich bei der fraglichen Flüssigkeit um ein Methanolprodukt handelt, dessen Einnahme lebensgefährlich ist. Diese vorläufige Analyse wurde durch ein Gutachten des Kriminaltechnischen Instituts bestätigt. Sie ergab, dass die Flüssigkeit 70% bis 80% Methylalkohol enthält, dessen tödliche Dosis 50 bis 100 Gramm beträgt.

Die Aufschrift des Kanisters »B 1« kennzeichnet außerdem die Brandgefahrenklasse. (Methanol ist äußerst feuergefährlich.) Diese Untersuchungsergebnisse wurden unverzüglich dem Leiter des sowjetischen Militärhospitals Stendal mitgeteilt.

Die Befragungen der betroffenen sowjetischen Soldaten ergaben, dass dieser Kanister mit Inhalt vom Jagdgeschwader 2 der NVA/Luft stammt, das vom Juli 1969 bis September 1969 auf dem Flugplatz Borstel stationiert war. Nach ihren Angaben verlor die oben genannte NVA-Einheit bei ihrer Zurückverlegung nach Neubrandenburg diesen Kanister, den die betreffenden sowjetischen Soldaten an sich nahmen und versteckten.

Die Untersuchungen ergaben weiter, dass der Verlust dieses Kanisters zum Zeitpunkt der Zurückverlegung des Jagdgeschwaders 2 den sowjetischen Dienststellen mitgeteilt wurde und um Nachforschung gebeten wurde. Dies sei auch den erkrankten sowjetischen Soldaten bekannt gewesen. Diese meldeten aber den Fund nicht, da sie angeblich der Auffassung waren, dass es sich tatsächlich um Alkohol handelt, den sie beabsichtigten, zum Jahreswechsel auszutrinken.

Es wurde weiter festgestellt, dass es während der Anwesenheit des Jagdgeschwaders 2 der NVA/Luft auf dem Flugplatz Borstel zu Tauschgeschäften zwischen Angehörigen der NVA/Luft und der sowjetischen Streitkräfte kam, in deren Folge eine Anzahl sowjetischer Soldaten wegen Volltrunkenheit disziplinarisch zur Verantwortung gezogen werden musste.

Von NVA-Angehörigen war u. a. Alkohol, der zum Spülen von Sauerstoffgeräten verwandt wird, an sowjetische Soldaten ausgehändigt worden.

Die Untersuchungen über weitere mögliche begünstigende Bedingungen und deren Beseitigung werden in Zusammenarbeit mit den sowjetischen Freunden fortgesetzt.

  1. Zum nächsten Dokument Probleme an der Akademie für Staat und Recht, Potsdam Babelsberg

    8. Januar 1970
    Information Nr. 28/70 über einige Probleme zur Situation an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften »Walter Ulbricht«, Potsdam-Babelsberg

  2. Zum vorherigen Dokument Grenzdurchbruch Bernd Geis bei Henneberg, Bezirk Suhl

    3. Januar 1970
    Information Nr. 5/70 über einen erfolgten Grenzdurchbruch DDR – Westdeutschland im Raum Henneberg Kreis Meiningen, Bezirk Suhl