Vorschlag zur Rückführung des Bundeswehrmajor Hans-Joachim Kruse
28. Juli 1970
Information Nr. 765/70 über den Vorschlag zur Rückführung des am 3. April 1969 in die DDR übergetretenen Majors der Bundeswehr Hans-Joachim Kruse nach Westdeutschland
Kruse,1 der zuletzt Taktiklehrer und Hörsaalleiter an der Heeresoffiziersschule II in Hamburg war, ist 45 Jahre alt, verheiratet und hat drei Kinder. Er kam ohne Frau und Kinder in die DDR. Kruse begründete seinen Übertritt mit der im Fahneneid der Bundeswehr enthaltenen Alleinvertretungsanmaßung,2 mit der neonazistischen Gefahr und seiner Gegnerschaft zur Notstandsgesetzgebung.3
Kruses Übertritt in die DDR wurde im Rahmen einer Fernsehpressekonferenz, in Pressepublikationen und einigen öffentlichen Veranstaltungen propagandistisch ausgewertet.4
Kruse erhielt eine völlig neu ausgestattete Wohnung und andere materielle Unterstützung. Vielfältige Bemühungen, ihm Arbeit zu verschaffen, darunter im Handel, scheiterten daran, dass er keine Bindungen zur sozialistischen Gesellschaft in der DDR fand.
Seine beruflichen Ambitionen tendierten ausnahmslos in Richtung nicht erfüllbarer privatwirtschaftlicher Vorstellungen.
Kruses politische Haltung war durch mangelhaftes Verständnis für die gesellschaftliche Entwicklung in der DDR gekennzeichnet.
Er vermochte es nicht, mit seinen verfestigten bürgerlichen Anschauungen und den in seiner Familie tief verwurzelten reaktionär-preußischen Traditionen und Grundsätzen des deutschen Militarismus zu brechen.
Als Reaktion auf seinen Übertritt in die DDR wurde von westdeutschen Publikationsorganen eine Rufmordkampagne gegen ihn in Szene gesetzt.5
Im Mai 1970 stellte Kruse einen offiziellen Antrag auf Rückkehr nach Westdeutschland mit der Begründung, dass durch den Regierungswechsel in Bonn6 eine Reihe Voraussetzungen, die ihn zum Übertritt in die DDR bewogen hätten, inzwischen hinfällig geworden seien. Er habe seinerseits mit seinem Übertritt die Öffentlichkeit auf eine verhängnisvolle Entwicklung in der Bundesrepublik nachdrücklich aufmerksam machen wollen.
Darüber hinaus führte Kruse an, dass sich aus dem Tatbestand, dass er ehemals seine Frau und seine drei Kinder ohne die notwendige perspektivische Versorgung in Westdeutschland zurückgelassen habe und dass nunmehr seine Frau voraussichtlich im August 1970 wiederum niederkomme, seine Absicht, nach Westdeutschland zurückzukehren, zusätzlich bestärkt hätte.
Mit dem Ziel, durch eigene Vorleistungen nachrichtendienstlicher Art Garantien für Straffreiheit bei einer Rückkehr zu erwirken, nahm er über seine Frau, der monatliche Besuche gestattet worden waren, Kontakt zu westlichen Nachrichtendiensten auf. Dafür liegen dem MfS die entsprechenden Beweise vor.
Aufgrund der vom MfS erarbeiteten unwiderlegbaren Beweise musste Kruse am 2.7.1970 wegen dringenden Verdachts der Spionagetätigkeit für den Bundesnachrichtendienst (BND) festgenommen werden.
Aufgrund seiner feindlichen Handlungen könnte Kruse strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Es wird jedoch für zweckmäßig gehalten, Kruse aus folgenden Gründen nach Westdeutschland zurückzuführen:
- 1.
Die für Kruses feindliche Handlungen zu verhängende Strafe würde es ihm ermöglichen, eine Rolle als »Märtyrer« zu spielen und damit dem westdeutschen Geheimdienst die Wahrhaftigkeit seiner Kontaktbemühungen zum BND zu beweisen.
- 2.
Kruse bietet unter den Gesamtumständen keine Gewähr, dass er sich jemals in die gesellschaftliche Ordnung der DDR einleben würde.
- 3.
Im Falle einer Verurteilung des Kruse ist zu berücksichtigen, dass bei einem Versuch der Einreise seiner Ehefrau entweder ihre Zurückweisung erfolgt oder sie entsprechend den Strafgesetzen der DDR wegen ihrer Mittäterschaft festzunehmen ist.
Beides könnte in Anbetracht ihres Zustandes zur Hetze gegen die DDR ausgenutzt werden und die »Märtyrerrolle« des Kruse und auch seiner Ehefrau noch unterstreichen.
Aus diesen Gründen wird vorgeschlagen, das gegen Kruse eingeleitete Verfahren einzustellen und ihn unverzüglich nach Westdeutschland zurückzuführen.
Sollte es erforderlich werden, westlichen Pressemeldungen zu entgegnen, wird über ADN eine Meldung mit folgendem Wortlaut verbreitet:
»ADN – Nur Verbreitung über Westkanal, nicht für DDR
Berlin (ADN). Die Behörden der Deutschen Demokratischen Republik haben einen Antrag des vor einem Jahr in die DDR übergetretenen ehemaligen Bundeswehrmajors Hans-Joachim Kruse genehmigt, in die BRD zurückzukehren.«
Wenn westliche Kreise, insbesondere die Westpresse, die Rückkehr Kruses benutzen, politische Hetze gegen die DDR zu betreiben, so kann darauf in vielfältiger Weise reagiert werden, u. a. durch Fernseh- und Tonbandaufzeichnungen sowie schriftliche Erklärungen Kruses, die geeignet sind, die Hetze zu neutralisieren