Bahnbetriebsunfall auf der Strecke Bernburg– Aschersleben
18. Juni 1971
Information Nr. 578/71 über den Bahnbetriebsunfall auf der Reichsbahnstrecke Bernburg – Aschersleben, Abzweigstelle Bernburg-Waldau, am 15. Juni 1971
Über den folgenschweren Bahnbetriebsunfall auf der Reichsbahnstrecke Bernburg – Aschersleben im Bereich der Abzweigstelle Bernburg-Waldau am 15.6.1971, morgens 6.49 Uhr, wurden folgende Einzelheiten bekannt:
Am. Morgen des 15.6.1971, gegen 5.30 Uhr, übernahmen der Zugführer [Name 1, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1949 in Burg, wohnhaft Eilsleben, [Straße, Nr.], erlernter Beruf: Betriebs- und Verkehrseisenbahner, Zugführer auf dem Bahnhof Güsten, seit Oktober 1970 Mitglied der FDJ, ehemaliger Soldat auf Zeit, VP-Oberwachtmeister im Trapoamt1 Halle und der Lokführer [Name 2, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1937, wohnhaft Bernburg,[Straße, Nr.], Schlosser, Lokführer im BW Güsten, Einsatzstelle Bernburg, Mitglied der SED, den Personenzug P 2355 auf dem Bahnhof Güsten für die Fahrt nach Köthen über Bernburg.
Da am 15.6.1971, ab 5.55 Uhr, die zweigleisige Strecke Aschersleben – Bernburg ab Bahnhof Ilberstedt bis zur Abzweigstelle Bernburg-Waldau wegen Bauarbeiten gesperrt wurde, d. h. der Zugverkehr im eingleisigen Behelfsverkehr abgewickelt werden musste, waren die Genannten verpflichtet, für diese Zugfahrt sich entsprechend der »Zusammenstellung der vorübergehend eingerichteten Langsamfahrstellen und sonstigen Besonderheiten« – La Teil B – , herausgegeben von der RBD Magdeburg, zu verhalten.
Bei der Annäherung des P 2355 an die Abzweigstelle Bernburg-Waldau brachte der Lokführer [Name 2] entsprechend des haltzeigenden Einfahrtsignals den Personenzug ordnungsgemäß zum Halten. Der Lokführer hatte von der besonderen Betriebsregelung Kenntnis und führte die »Zusammenstellung« weisungsgemäß mit sich.
Er konsultierte sich mit dem Zugführer [Name 1] über die Gültigkeit des haltzeigenden, rechts vom gesperrten Gleis stehenden Signals, für ihren Zug.
Das auf die Gültigkeit des Signals hinweisende Kennzeichen – eine Schachbretttafel – lag sichtbar am Gleisbett, obwohl es hätte stehend aufgestellt werden müssen.
Laut Eisenbahnsignalordnung hebt das Liegen des Hinweiszeichens die Gültigkeit des haltzeigenden Signals nicht auf.
Der Lokführer war jedoch der Annahme, dass das haltzeigende Einfahrtsignal ungültig sei, und er wurde durch den Zugführer [Name 1] in dieser Annahme bestärkt. Beide unterließen es jedoch, nochmals in der »Zusammenstellung« sich ordnungsgemäß von der Richtigkeit ihrer Annahme zu überzeugen.
Aufgrund dessen setzte er die Fahrt fort und fuhr mit etwa 20 km/h dem P 2810 – von Bernburg nach Nienburg fahrend – in die Flanke im Bereich der Abzweigstelle Bernburg-Waldau.
Der Lokführer [Name 2] fährt seit seiner 1966 bestandenen Lokführerprüfung unfallfrei.
Der Zugführer [Name 1] als Aufsichtsführender am Zuge verließ sich auf die Kenntnisse und Fähigkeiten des Lokführers und stimmte der Weiterfahrt am haltzeigenden Einfahrtsignal der Abzweigstelle Bernburg-Waldau zu.
Er ist jedoch aufgrund seiner Funktion Aufsichtspflichtiger des Zuges und für die sichere Fahrt des Zuges verantwortlich, demzufolge auch Vorgesetzter des Triebfahrzeugpersonals.
Gegen beide Genannte wurde ein Ermittlungsverfahren ohne Haft gemäß § 196 Abs. 1 und 22 wegen fahrlässiger Verursachung eines schweren Verkehrsunfalls durch die Abteilung K des Trapoamtes Halle eingeleitet.