Diebstahl der Aktentasche von Prof. Kaul
14. Januar 1971
Information Nr. 47/71 über den Diebstahl einer Aktentasche aus dem Pkw des Genossen Prof. Dr. F. K. Kaul am 12. Januar 1971
Am 12.1.1971, gegen 14.00 Uhr, wurde von dem Kraftfahrer des Genossen Prof. Dr. Kaul,1 [Name 1, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1933 in Berlin, wohnhaft 1017 Berlin, [Straße, Nr.], einem Posten des VP-Reviers 1 vor dem Metropol-Theater in der Friedrichstraße gemeldet, dass aus dem Pkw, Typ Ford Mustang, polizeiliches Kennzeichen [Kennzeichen], des Genossen Prof. Dr. Kaul eine Aktentasche mit Papieren entwendet worden sei.
Wie der Kraftfahrer in der zeugenschaftlichen Vernehmung angab, hatte Prof. Dr. Kaul, als er gegen 13.00 Uhr am Restaurant »Moskau« in der Karl-Marx-Allee zum Mittagessen ausstieg, wie immer in solchen Fällen, seine Aktentasche im Wagen zurückgelassen. Der Fahrer erhielt den Auftrag, ihn um 14.15 Uhr wieder abzuholen, in der Zwischenzeit selbst Essen zu fahren und einen Brief bei der Stadtbezirksleitung der SED Berlin-Mitte abzuholen.
Der Kraftfahrer fuhr in das Büro des Genossen Prof. Dr. Kaul, nahm dort sein Mittagessen ein und brachte danach die Mitarbeiterin des Büros, Frau [Name 2], zum Stadtbezirksgericht Mitte, Littenstraße. Von dort fuhr er zur Stadtbezirksleitung der SED Berlin-Mitte und anschließend zum Metropol-Theater. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Aktentasche des Genossen Prof. Dr. Kaul noch im Wagen. Gegen 13.45 Uhr stellte er das Fahrzeug auf der freien Parkfläche hinter dem Metropol-Theater ab.
Die linke Wagentür war von ihm abgeschlossen worden. Hinsichtlich der rechten Wagentür kann er sich nicht genau erinnern, ob er diese verriegelt hatte. Den Wagen verließ [Name 1] für ca. 10 bis 15 Minuten, um Eintrittskarten an der Kasse des Metropol-Theaters abzuholen. Als er zum Fahrzeug zurückkehrte, schloss er die linke Wagentür wieder auf und bemerkte, dass das Fenster der rechten Wagentür heruntergedreht sowie der Hebel der Gangschaltung verbogen und die Aktentasche vom Rücksitz verschwunden war.
In der Aktentasche befanden sich nach Angaben des Genossen Prof. Dr. Kaul folgende Dokumente und Gegenstände:
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Hausausweis zum Betreten des ZK der SED,
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Reisepass Nr. [Nr.] für das sozialistische und kapitalistische Ausland,
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Akten eines bulgarischen und polnischen See-Schiedsgerichtes,
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Büroschlüssel mit dem Schlüssel für den Stahlschrank, in dem Westgeld für eine Dienstreise des Genossen Prof. Dr. Kaul nach Westdeutschland aufbewahrt wurde,
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eine Brieftasche und eine Brille.
Unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls wurden von der VP Suchmaßnahmen in der näheren Umgebung des Tatortes eingeleitet, Funkstreifenwagen eingesetzt sowie die zuständige Dienststelle des MfS vom Sachverhalt in Kenntnis gesetzt. Gleichzeitig wurden der Hausausweis zum Betreten des ZK der SED und der Reisepass des Genossen Prof. Dr. Kaul gesperrt, um eine missbräuchliche Benutzung dieser Dokumente auszuschließen.
Die ausführliche zeugenschaftliche Vernehmung des Kraftfahrers und eine genaue Spurensuche am und im Pkw konnten von der VP erst in den Abendstunden des 12.1.1971 durchgeführt werden, da Prof. Dr. Kaul den Kraftfahrer und den Wagen noch zur Erledigung dringender dienstlicher Aufgaben benötigte. Die vom Pkw abgenommenen Spuren erwiesen sich nicht als auswertbar.
Im Ergebnis von Befragungen von Personen in der Umgebung des Tatortes konnten zwei Zeugen ermittelt werden, die eine männliche Person beobachteten, die sich verdächtig am Pkw zu schaffen machte. Von der gegebenen Personenbeschreibung wurde ein Bild des vermutlichen Täters angefertigt und zur Fahndung an alle VP- und Grenzübergangsstellen ausgegeben. Die weiteren Fahndungsmaßnahmen werden in enger Zusammenarbeit zwischen MfS und VP durchgeführt. In den Stahlschrank im Büro des Prof. Dr. Kaul wurde ein neues Schloss eingebaut und Sicherheitsvorkehrungen gegen ein unbefugtes Eindringen in die Büroräume getroffen.
Von Prof. Dr. Kaul wird eingeschätzt, dass die gestohlenen Unterlagen der See-Schiedsgerichte keiner besonderen Geheimhaltung unterliegen, da es sich nur um einen Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit einer Beschädigung der Kaimauer im Hafen von Gdansk durch ein bulgarisches Schiff handelt. Aus dem Verlust der Unterlagen, die jederzeit ersetzbar seien, können keine negativen Auswirkungen entstehen.