Schwere Explosion im Gaskombinat Schwarze Pumpe
[ohne Datum]
Information Nr. 404/71 über eine schwere Explosion im Gaskombinat Schwarze Pumpe, [Bezirk] Cottbus, am 28. April 1971
Am 28.4.1971 kam es gegen 16.30 Uhr im Gaskombinat Schwarze Pumpe, [Kreis] Hoyerswerda, [Bezirk] Cottbus zu einer Explosion mit Brandfolge am Turboverdichter II der Sauerstoffanlage des Druckgaswerkes (DGW). Es entstand schwerer Sachschaden am Gebäude, am Turboverdichter II einschließlich der Schaltwarte sowie anderen Aggregaten und Rohrleitungen.
Der eingetretene Sachschaden wird gegenwärtig auf 10 Mio. M geschätzt.
Personenschaden ist nicht eingetreten.
Infolge des Ausfalls des Turboverdichters II konnten die Generatoren des Druckgaswerkes nicht mehr voll mit Sauerstoff versorgt werden, was zu einer Leistungsminderung von 50 % im DGW führte.
Aus Sicherheitsgründen musste um 18.10 Uhr auch der zweite laufende Turboverdichter III außer Betrieb genommen werden.
Mithilfe der Kolbenverdichter konnten lediglich noch 0,8 Mio. Nm³ Gas in der Frühschicht des 29.4.1971 erzeugt werden.
Am 28.4.1971 musste um 19.30 Uhr die Versorgungsstufe C ausgerufen werden, das bedeutet 1 Mio. Nm³ Gasabgebot für den industriellen Bereich.
Die Versorgungsstufe C wird am 1.5.1971, 6.00 Uhr, aufgehoben, da bis zu diesem Zeitpunkt das DGW eine Leistung von 4,8 bis 5,0 Mio. Nm³ erreicht haben wird sowie Importe von der Salzgitter AG (750 000 Nm³) und aus der ČSSR (200 000 Nm³) die erforderliche Stabilität im Verbundsystem und in der Versorgung der Industrie gewährleisten.
Die eingeleiteten Untersuchungen durch Experten zur Ermittlung der Ursachen ergaben bisher, dass die Explosion vermutlich durch das Aufreißen einer 38 ata-Dampfleitung und die in diesem Zusammenhang auftretenden Kräfte (Schwingungen, Druckeinwirkung, hohe Temperatur des ausströmenden Dampfes) ausgelöst worden ist. Die Leitung dient der Versorgung des Antriebteils des Turboverdichters mit Dampf. Die Ursache des Aufreißens wird gegenwärtig von den Spezialisten weiter untersucht.
Zum Brand kam es nach der Explosion infolge des Austretens von Sauerstoff aus dem Hochdruckteil und von Öl aus einer zerstörten Leitung des Turboverdichters.
In diesem Zusammenhang möchte das MfS noch auf Folgendes hinweisen:
Mit dem Aufbau eines leistungsstarken Druckgaswerkes machte sich der Einsatz entsprechender Aggregate für die Sauerstoffversorgung erforderlich. Die herkömmlichen Kolbenverdichter genügten den Anforderungen des ständig steigenden Bedarfs an Sauerstoff nicht mehr. Deshalb erwarb das WTZ Pumpen und Verdichter Leipzig die technische Dokumentation zum Bau von Verdichtern mit hoher Leistung (36 000 Nm³/h und 27 kp/cm² Druck) vom Kasaner Kompressorenwerk (UdSSR).
Bereits bei der Übernahme dieser Dokumentationen wurde von sowjetischer Seite darauf hingewiesen, dass der Betrieb derartig großer Aggregate mit erheblichen Unsicherheitsfaktoren verbunden wäre. In der UdSSR waren z. B. in einem Jahr acht derartige Verdichter ausgebrannt, ohne dass die Ursachen geklärt werden konnten.
Die Verdichter für das Kombinat Schwarze Pumpe wurden nach den sowjetischen Unterlagen vom VEB Pumpen- und Gebläsewerk Leipzig gebaut. Die Hinweise der sowjetischen Seite bestätigten sich bald nach Inbetriebnahme der Turboverdichter. Bereits 72 Stunden nach Inbetriebnahme des ersten Verdichters brach am 25.1.1965 ein Brand mit einem Sachschaden in Höhe von 400 000 M aus. In den folgenden Jahren kam es neben anderen Störungen zu weiteren Bränden am 30.12.1966 mit 800 000 M Schaden und am 9.8.1969 mit 2 Mio. M Schaden. In allen Fällen konnte die Ursache nicht zweifelsfrei geklärt werden. Da die Brände stets im Inneren der Aggregate ausbrachen, kamen die Experten zu der Schlussfolgerung, Schmutzteile, Rost und andere Fremdstoffe müssen in Verbindung mit dem reinen Sauerstoff zu den Bränden geführt haben.
Die 38 ata-Dampfversorgungsleitung wurde vom VEB Industrie- und Kraftwerksrohrleitungen Bitterfeld (IKR) gebaut. Bereits am 22.2.1969 zerknallte eine derartige Leitung, welche vom Kraftwerk zum Generatorenhaus führte, auf einer Länge von 60 m, sodass Schaden in Höhe von 300 000 M entstand.
Bei den Untersuchungen wurde festgestellt, dass anstelle von nahtlosen Rohren (Importe standen nicht zur Verfügung) längsnahtgeschweißte Rohre eingesetzt worden waren und eine solche Schweißnaht aufgerissen war.
Als Ursache wurde ungenügende Qualität in der Fertigung und in der Montage durch IKR festgestellt.
Aufgrund dieses Schadensfalles wurde erkannt, dass der 1 800 m lange, aus längsnahtgeschweißten Rohren bestehende Teil der 38 ata-Dampfleitung eine gewisse Gefahr darstellt. Veränderungen wären jedoch nur durch Unterbrechung der Gasproduktion infolge Einstellens der Dampfzufuhr zur Sauerstoffanlage möglich gewesen, wozu sich aufgrund der ständig angespannten Situation in der Gasversorgung niemand entschließen konnte.
Die Untersuchungen werden weitergeführt.