Tagung der Evangelischen Akademie Berlin-Brandenburg
12. November 1971
Information Nr. 1067/71 über die Tagung der Evangelischen Akademie Berlin-Brandenburg zum Antirassismus-Programm des Ökumenischen Rates der Kirchen
Dem MfS wurden zum Verlauf der Tagung der Evangelischen Akademie Berlin-Brandenburg, die am 9. und 10.10.1971 in der Stephanusstiftung Berlin-Weißensee unter dem Thema »Gewalt im Süden Afrikas – zum Antirassismus-Programm des Ökumenischen Rates der Kirchen« stattfand, einige Einzelheiten bekannt, die im Folgenden wiedergegeben werden:
An dieser Tagung, die von der Leiterin der Evangelischen Akademie Berlin-Brandenburg, Elisabeth Adler,1 und deren Stellvertreter, Dr. Punge,2 geleitet wurde, nahmen ca. 40 Personen teil.
Außer einer Gruppe von Oberschülern, die von einzelnen Kirchengemeinden der Hauptstadt entsandt waren, waren es zumeist ältere Teilnehmer.
Unter ihnen befanden sich:
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Pfarrer Gross,3 Berlin, stellvertretender Direktor der Hauptbibelgesellschaft,4
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Pfarrer Willibald Jacob,5 Berlin,
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Carl Ordnung,6 Berlin, Mitglied des Hauptvorstandes der CDU,
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Pfarrer Weckerling,7 Westberlin,
und als ausländische Teilnehmer:
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Dr. Baldwin Sjollema,8 Genf, vom Ökumenischen Rat der Kirchen,9
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ein Ehepaar [Name] aus London, welches jahrelang in Rhodesien10 ansässig gewesen sein soll,
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zwei Afrikaner aus Mocambique (bei einem soll es sich um den zukünftigen Unterrichtsminister handeln),
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ein Inder, der in London wohnhaft ist, jedoch lange Zeit in Südafrika beheimatet war.
Zum angeführten Thema hatte die Evangelische Akademie eine Dokumentation erarbeitet, die an den Teilnehmerkreis ausgegeben wurde.11
Hauptreferent war Dr. Sjollema, der das Antirassismus-Programm des Ökumenischen Rates der Kirchen12 bzw. die hierzu gefassten Beschlüsse erläuterte. Er brachte zum Ausdruck, dass der Bestand der Kirche von der Überwindung des Rassismus abhängig sei.
Deshalb sei das 1968 beschlossene Hilfsprogramm des Ökumenischen Rates der Kirchen von größter Bedeutung. Das sei auch besonders auf dem Weltkirchentag 1968 in Uppsala/Schweden13 unterstrichen worden. Bisher habe die Kirche zu wenig für den Frieden in der Welt unternommen, sie sollte sich gegen jegliche Anwendung von Gewalt aussprechen.
Sjollema teilte mit, nach welchem Schlüssel der Sonderfonds (200 000 Dollar Hilfsgelder) des Ökumenischen Rates der Kirchen verteilt wird. Südafrika erhält 130 000 und Nordamerika 30 000 Dollar. Die Summe für Nordamerika diene dem Aufbau von Universitäten für Farbige, für das Rechtsschutzsystem und als Unterstützungsgeld für die Aufstellung farbiger Politiker. Verbleibende Gelder werden für Indianer und Eskimos zur Verfügung gestellt.
Der Referent informierte des Weiteren über die Vorstellungen des Ökumenischen Rates der Kirchen hinsichtlich der weiteren Arbeit. So sollen verschiedene Symposien in Westdeutschland stattfinden, die die Diskussion über den Cabora-Bassa-Staudamm,14 über die Urbevölkerung Australiens und die Überprüfung von Schul- und Geschichtsbüchern hinsichtlich rassistischer Tendenzen beinhalten werden.
Zur Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche äußerte Dr. Sjollema, dass die Katholiken zwar das Antirassismus-Programm mit ausgearbeitet hätten, darüber hinaus aber zurzeit wenig Bereitschaft zu einem Zusammenwirken vorliege.
Abschließend dankte er für die Unterstützung des Antirassismus-Programms durch den Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR,15 erwähnte dabei insbesondere den Brief von Bischof Schönherr16 vom Januar 1971, in dem dieser das Antirassismus-Programm befürwortete und verwies auf die Aktivitäten der Kirche hinsichtlich der Aktion »Brot für die Welt«.17
Im weiteren Verlauf der Tagung berichtete der o. a. [Name] in englischer Sprache über seine Tätigkeit in Rhodesien, wo er gemeinsam mit Farbigen eine »Kommune-Farm« gegründet hatte. Aufgrund der Apartheid-Gesetze sei diese Farm geschlossen worden und [Name] wurde mit seiner Familie aus Rhodesien ausgewiesen.
Als Übersetzer der Ausführungen [Name] fungierte Pfarrer Weckerling, Westberlin, der [Name] auch eingeführt hatte. Zwischen beiden bestehen schon seit Jahren sehr enge Kontakte.
Zu den gesellschaftlichen Verhältnissen in der DDR wurde nicht Stellung genommen.