2. Tagung der Synode der Kirchenprovinz Sachsen in Magdeburg
5. November 1976
Information Nr. 754/76 über den Verlauf der 2. Tagung der 8. Synode der evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen vom 28. bis 31. Oktober 1976 in Magdeburg
Dem MfS wurden bemerkenswerte Einzelheiten über den Verlauf der 2. Tagung der 8. Synode der evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, die in der Zeit vom 28. bis 31. Oktober 1976 in Magdeburg tagte, bekannt, die im Folgenden mitgeteilt werden.1
Das Hauptthema der Tagung lautete »Wie bleibt die Kirche bei ihrer Sache?«
Weitere Schwerpunkte der Beratung waren
- –
Bericht der Kirchenleitung,2
- –
Bericht des Evangelischen Konsistoriums Magdeburg,
- –
Wahl der Synodalen für die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen der DDR und
- –
Beschlussfassung über kirchenrechtliche Regelungen.
Von den 113 Mitgliedern der Synode nahmen 104 an den Beratungen teil.
Als zeitweilige Gäste wurden u. a. begrüßt:
- –
Kirchenpräsident Natho, Dessau, als Vertreter des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR,
- –
Präsident Dr. Pietz, Berlin, Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche der Union,
- –
Oberkonsistorialrat von Rabenau, Berlin, Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche der Union,
- –
Oberkonsistorialrat Stolpe, Berlin, Leiter des Sekretariates des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR,
- –
Diplom-Jurist Winkel, Berlin, Sekretariat des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR,
- –
Vertreter der Landeskirchen Berlin-Brandenburg, Görlitz, Greifswald, Sachsen, Mecklenburg und Thüringen sowie ein Vertreter der katholischen Kirche aus Magdeburg,
- –
zwei ökumenische Gäste aus Indien und Kuba,
- –
Vertreter der Räte der Bezirke Magdeburg und Halle.
Die 2. Tagung der 8. Synode wurde von Präses Waitz (Rechtsanwalt in Magdeburg) und seinen Stellvertretern, Pfarrer Kramer, Magdeburg, und Diplom-Ingenieur König, Erfurt, geleitet.
Die Synode wurde im Wesentlichen durch den Bericht der Kirchenleitung und die darüber geführte Diskussion geprägt. Die Kirchenleitung hatte erstmals auf den üblichen Rechenschaftsbericht unter Hinweis auf einen den Synodalen ausgehändigten ausführlichen Tätigkeitsbericht des Evangelischen Konsistoriums verzichtet. Anstelle des Kirchenleitungsberichts erfolgte ein »Bericht über Entscheidungen und Überlegungen der Kirchenleitung im Zusammenhang mit der Selbstverbrennung von Pfarrer Oskar Brüsewitz« durch Bischof Krusche sowie ein auf drei Kurzreferate aufgeteilter sogenannter »Problembericht über die geistliche Situation in unserer Kirchenprovinz« durch Propst Eichenberg, Stendal, Landesjugendpfarrer Buchenau, Magdeburg, und Frau Gisela Hartmann, Nordhausen. (Diese drei Kurzreferate waren gleichzeitig die Sachreferate zum Hauptthema der Synode.)
Im Bericht von Bischof Krusche – über den in der Information Nr. 749/76 vom 30. Oktober 1976 ausführlich berichtet wurde – erfolgte eine breite Darlegung der Vorgänge um die Selbstverbrennung des Pfarrers Brüsewitz, wobei der Versuch unternommen wird, diesen Fall erneut hochzuspielen. Der Bericht ist weiter der Versuch einer umfassenden theologischen Rechtfertigung der Tat von Brüsewitz und verfolgt die Absicht, diesen Fall als Protest gegen den Staat, als gesellschaftliches Ereignis darzustellen. Im Schlussteil des Berichtes versucht Bischof Krusche, sich gegenüber dem Staat »eine Tür offen zu halten«, indem er demagogisch erklärt, es sei gegen die Absicht der Kirchenleitung, wenn die Materialien der Synode zur Propaganda gegen die DDR benutzt würden; die Position seiner Kirche beinhalte nicht heimliche Gegnerschaft zur sozialistischen Gesellschaft, sondern offene Bereitschaft zur Mitverantwortung.
Die provokatorischen Ausführungen von Bischof Krusche wiegen um so schwerer, da er noch am 27. Oktober 1976 in einer Aussprache beim Rat des Bezirkes Magdeburg erklärt hatte, dass er auf der bevorstehenden Synode keine Provokationen bzw. neue Polemiken gegen den Staat zulassen wolle und an einem guten Verhältnis zwischen Staat und Kirche interessiert sei.3 In seinem Bericht geht Bischof Krusche aber entgegen vorangegangener Erklärungen so weit, die Gespräche staatlicher Vertreter mit kirchlichen Amtsträgern als »Nötigung« zu bezeichnen.
Zu bemerken ist, dass, internen Hinweisen zufolge, der Bericht von Bischof Krusche auf Veranlassung der Kirchenleitung Magdeburg im Dom gehalten wurde, um eine größere Öffentlichkeitswirkung zu erreichen. (Während des Vortrages waren ca. 500 Personen anwesend.) Mitglieder der Kirchenleitung brachten in einem internen Gespräch zum Ausdruck, sie seien gespannt, wie der Staat auf den »harten Brocken« reagieren werde.
Bischof Krusche sei in seiner Haltung, diesen provokatorischen Bericht vorzutragen, insbesondere von den Pröpsten der Kirchenprovinz Magdeburg, Eichenberg, Stendal, und Brinksmeier, Quedlinburg, unterstützt worden.
Bemerkenswert ist weiter die Durchführung einer zweistündigen nichtöffentlichen Sitzung der Synode am Nachmittag des 2. Beratungstages, die als gemeinsame Beratung der Ausschüsse deklariert wurde. Dadurch war die Teilnahme der staatlichen Vertreter nicht möglich, während die kirchlichen Gäste von dem Ausschluss nicht betroffen waren.
(Die Sitzung war nicht im Plenum angesagt worden. Die Leiter der Ausschüsse wurden nach der Vormittagssitzung zum Präsidium der Synode bestellt, wo ihnen der Zeitpunkt der gemeinsamen nichtöffentlichen Sitzung mitgeteilt wurde. Die staatlichen Vertreter wurden nicht informiert.)
Zu Beginn dieser Sitzung wurde von Pfarrer Kramer, Magdeburg, mitgeteilt, der Sinn der Zusammenkunft liege im Wesentlichen darin, die Teilnehmer des Staates auszuschließen und dadurch eine offene Diskussion zum Bericht der Kirchenleitung zu erreichen.
Mit der Leitung dieser internen Sitzung wurde Propst Münker, Halle, beauftragt.
Akademiepfarrer Tschiche, Meßdorf, der als erster zur Diskussion sprach, betonte, nach seiner Erfahrung hätten die Kirchen immer wieder dazu beigetragen, gesellschaftliche Verhältnisse zu stabilisieren. Auch gegenwärtig würde die evangelische Kirche durch die Formel »Kirche im Sozialismus« erreichen, dass sich die Verhältnisse in der DDR weiter stabilisieren. Man müsse jedoch unterscheiden zwischen »realem« und »theoretischem Sozialismus«, und die Kirche wolle dazu beitragen, die Verhältnisse zu einem »wirklichen Sozialismus in der DDR« weiterzuentwickeln.
Studentenpfarrer Schorlemmer, Merseburg, brachte zum Ausdruck, dass die Spannungen innerhalb der Kirche und innerhalb der Gesellschaft in der DDR in Bezug auf politische Fragen bedeutend größer seien als allgemein angenommen werde. Es würden im Unterbewusstsein und in einer kaum wahrzunehmenden Form eine Reihe von Spannungen existieren, die im Wesentlichen nach rechts tendieren. Die Kirche müsse als »Schutzzone« für diese Kräfte auftreten, um ihre Entwicklung abzudecken.4
Oberkonsistorialrat Stolpe, Berlin, verwies im weiteren Verlauf der Diskussion darauf, der Vorfall Brüsewitz sei nunmehr nicht nur Sache der Kirchenprovinz Sachsen, sondern eine Frage, die den Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR in seiner Gesamtheit betreffe.
Stolpe machte deutlich, in Zukunft müsse bei der Beurteilung westdeutscher Presseerzeugnisse Vorsicht walten; dies werde z. B. in Veröffentlichungen über Bischof Hempel, Dresden, deutlich, der von der BRD-Presse als »linientreuer Bischof«5 bezeichnet wurde. In Beantwortung einer direkten Anfrage teilte Stolpe mit, der Staatssekretär für Kirchenfragen habe seine Bereitschaft erklärt, in den nächsten Tagen ein Gespräch mit Vertretern des Bundes zu führen über anstehende Fragen (Vorfall Brüsewitz,6 Bildungsfragen usw.). An diesem Gespräch solle auch eine Gruppe von Vertretern der Kirchenprovinz Sachsen teilnehmen.
Bischof Krusche nahm zum Abschluss der Diskussion zu den verschiedensten Anfragen Stellung. Besonders unterstützte er die Ausführungen des Akademiepfarrers Tschiche, Meßdorf, und betonte, er sehe es als ein »Verhängnis der Kirche an, schon immer an Veränderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse beteiligt gewesen zu sein«. Aber auch jetzt könne dazu beigetragen werden, dass sich die gesellschaftlichen Verhältnisse »im Sinne eines wirklichen Sozialismus« stabilisieren. Praktisch sei jedoch zu überlegen, ob dies jetzt und in unserer Zeit gerechtfertigt wäre. Bischof Krusche unterschied in seinen Ausführungen ebenfalls wie Pfarrer Tschiche zwischen »theoretischem« und »realem« Sozialismus in der DDR.
Er betonte – bezogen auf seinen Bericht vor der Synode – die Kirchenleitung nehme keine Rücksicht darauf, wie ihre Äußerungen bei den Vertretern des Staates oder bei Publikationsorganen innerhalb und außerhalb der DDR ankommen. Es gebe keine Theorie »des Gesichts der Vertreter des Staates«. Er habe überlegt, wie sein Bericht auf die Vertreter des Staatsapparates wirken und woran der Staat Anstoß nehmen könnte. Ihm gehe es darum, auch Kritik äußern zu können, ohne deshalb auf das Misstrauen seitens der Staatsorgane zu stoßen. Er habe seinen Bericht ohne »Hintertüren« verfasst, und was er gesagt habe, das meine er auch. Bisher deute nichts darauf hin, dass man vom Staat einen härteren Kurs zu erwarten habe.
Der Bericht von Krusche vor der Synode (anstelle eines Rechenschaftsberichtes) wurde durch Ergänzungsreferate unterstrichen, in denen vor allem Konzeptionen für die weitere Tätigkeit der Kirche entwickelt wurden, insbesondere in der Richtung, wie die Kirche ihre Substanz erweitern und »in außerkirchliche Räume vorstoßen bzw. mehr Anklang bei nicht christlich gebundenen Menschen finden« könne.
Dies widerspiegelte sich u. a. in sogenannten Thesen, die Pfarrer Buchenau aufstellte, wie z. B.
- –
Zurverfügungstellung von Räumen und Schaffung einer Atmosphäre, in der sich »die Zunge löst«,
- –
»Befreiung aus Unmündigkeit«,
- –
Forderung nach »mehr Instrumentarien«, um das Mitspracherecht der Kirchen zu erhöhen,
- –
Organisierung von Möglichkeiten, Erfolge und Misserfolge, Privilegien und Diskriminierung gemeinsam zu tragen.
»Mit welchem Inhalt kirchliche Aktivitäten zu versehen sind«, zeigte die Synodale Hartmann u. a. wie folgt auf:
- –
»Die Kirche muss für den Mitmenschen da sein, der überfordert, isoliert, vereinsamt, verzweifelt und hilflos ist«,
- –
Tolerierung unterschiedlicher Auffassungen,
- –
Forderung nach Pluralität der Institutionen und Mitarbeiter,
- –
nicht vor kritischen Problemen haltmachen, die in unserem Staat für Christen und Atheisten anstehen,
- –
mehr Freiheit anstreben.
In einer Diskussion im Plenum zu diesen Referaten wurde u. a. von Pfarrer Tschiche die Notwendigkeit der Missionstätigkeit der Kirche hervorgehoben, durch welche die Substanz der Kirche erweitert werden könne.
Pfarrer Kramer, Magdeburg, vertrat die Ansicht, die Kirche stehe vor der schwierigen Aufgabe, zu erklären und zu begründen, wie Kirche im Sozialismus aussehen solle. Er habe keine passende Antwort darauf. Seiner Meinung nach sei die Entwicklung zur Kirche im Sozialismus ein fortlaufender ständiger Prozess. Er könne aber nicht kontinuierlich verlaufen, weil er immer wieder gestört werde, u. a. auch durch die Presse. Ihm sei aufgefallen, dass in den Presseorganen der DDR in letzter Zeit verstärkt darauf hingewiesen wurde, die Kirche erhalte Staatszuschüsse.7 Er halte es für notwendig, darüber eine exakte Informierung der Gemeinden vorzunehmen. Er halte folgende »Warnung« für notwendig: Ihm sei bekannt, dass Christen immer wieder angesprochen werden, im politischen Bereich mitzuarbeiten. Wer das mitmache, komme bald dahinter, dass er entweder völlig vereinnahmt werde und seine volle Zustimmung zu allen Dingen geben müsse, oder aber er werde »liegengelassen«.
Pfarrer Herrfurth, Calbe/Saale, Kreis Schönebeck, betonte, früher sei im politischen Raum nur über Frieden geredet worden. Seit geraumer Zeit sei das Wort »Freiheit« hinzugekommen. Es sei offenbar notwendig geworden, der Bedeutung dieses Wortes mehr Beachtung zu schenken.
Der Tätigkeitsbericht des Evangelischen Konsistoriums Magdeburg, der den Synodalen schriftlich vorlag, war am 3. Beratungstag der Synode Gegenstand der Diskussion. Er enthält eine Aneinanderreihung von Fakten und Aktivitäten des Konsistoriums im Rahmen der Realisierung kirchlicher Leitungsfunktionen.
Dieser Bericht enthält jedoch keine Angriffe gegen den Staat. Lediglich bei der Charakterisierung der Anwendung staatlicher Gesetze auf kirchliches Eigentum wird betont, es gebe Schwierigkeiten bei der Verpachtung kirchlichen Grundbesitzes, da versucht werde, den Pachtpreis »auf ein nicht vertretbares Maß herabzudrücken«. Ferner wird erwähnt, seit Jahren stehe eine Regelung bezüglich des ehemals »Vereinigten Küster- und Schulvermögens« aus. Dazu heißt es wörtlich: »Die staatlichen Dienststellen sind weder bereit, einer grundbuchlichen Übertragung, der den Kirchengemeinden eigentümlich zustehenden Grundstücke zuzustimmen, noch die finanziellen Forderungen vieler Kirchengemeinden zu erfüllen.«
In der Diskussion zu diesem Tätigkeitsbericht wurden von mehreren Rednern seitens der Kirchenleitung Maßnahmen verlangt, die Überbelastung der Pfarrer zu beseitigen. Des Weiteren wurden das kirchliche Ausbildungssystem und die Praxis der kirchlichen Reisetätigkeit kritisiert.
Nach der Diskussion zum Tätigkeitsbericht erfolgte die Vorstellung und Wahl der Vertreter aus der Kirchenprovinz Sachsen für die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR.
In diesem Zusammenhang verdient folgende Entwicklung hervorgehoben zu werden:
In Vorbereitung und Durchführung sowohl dieser als auch bereits der letzten Synodaltagungen wurde deutlich, dass die Personengruppe um Bischof Krusche, zu der vor allem
- –
Propst Eichenberg, Stendal,
- –
Propst Brinksmeier, Quedlinburg,
- –
Propst Bäumer, Magdeburg,
- –
Pfarrer Kramer, Magdeburg,
- –
Pfarrer Hinz, Gnadau,
- –
Konsistorialrat Dr. Schultze, Magdeburg [und]
- –
Propst Falcke, Erfurt,
gehören, eine sehr straffe Führungs- und Leitungstätigkeit entwickelte, um die leitenden Amtsträger und Mitglieder der Synode in den negativen »Kurs« der Kirchenleitung einzubeziehen.
Als Ausgangspunkt dieses »Kurses« muss dabei die theoretische, theologische Arbeit von Bischof Krusche über die »Kirche in der ideologischen Diaspora«8 auf der Synode vom November 1973 angesehen werden. Unterstützt wurde dieser Prozess durch eine zielstrebige kirchliche Kaderpolitik. Auf der Synode wurde sehr deutlich, dass die von Bischof Krusche nachgezogenen Kader bedingungs- und widerspruchslos diese Linie vertreten und aktiv durchsetzen.
(Deutliches Zeichen dafür, wie die Synodalen auf die Linie der Kirchenleitung festgelegt werden sollen, ist auch die veränderte Praxis der sogenannten Informationstagungen vor den Synoden. Auf diesen Tagungen erfolgte in der letzten Zeit eine gezielte Vorprogrammierung der Synodalen. Durch das Vorziehen der Lesungen von Kirchengesetzen und andere Probleme ist diesen Informationstagungen der Charakter von Teilsynoden unter Ausschluss der Öffentlichkeit gegeben worden.)
Eingeordnet in die Bestrebungen der Magdeburger Kirche, ihr Konzept und ihren Einfluss auch über den Rahmen der Kirchenprovinz Sachsen hinaus, besonders im Bund, auszudehnen, erfolgte auch die Wahl der neuen Bundessynodalen aus der Kirchenprovinz Sachsen. So wurden in der Mehrzahl Vertreter negativer Kräftegruppierungen als Mitglieder der Bundessynode gewählt. Es handelt sich dabei um
- –
Propst Falcke, Erfurt,
- –
Pfarrer Kramer, Magdeburg,
- –
Konsistorialrat Pfarrer Mieth, Magdeburg,
- –
Pfarrer Dehne, Magdeburg,
- –
Genossenschaftsbauer Borchert, Nahrstedt, Kreis Stendal [und]
- –
Dr. Runge, Halle.
Außerdem wurden gewählt
- –
Studentenpfarrer Uhle-Wettler, Magdeburg,
- –
Konsistorialrat Hammer, Magdeburg,
- –
Pfarrer Schlemmer, Burg,
- –
Dr. König, Erfurt,
- –
Ing. Hartmann, Bleicherode [und]
- –
Ing. Gröner, Kahlwinkel.
Am 3. Beratungstag fanden außerdem Ausschusssitzungen zu noch zu beschließenden Kirchengesetzen statt.
In der anschließenden Sitzung im Plenum erfolgten
- –
die Neuwahl der Stellvertreter der Mitglieder der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR,
- –
die Nachwahl in die Disziplinarkammer der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen,
- –
die Nachwahl in das Verwaltungsgericht der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen,
- –
die Nachwahl in den Arbeitskreis Grundordnung,
- –
die Nachwahl in den Ausschuss gemäß § 2 des Kirchengesetzes betr. die Parochialverbände.
Des Weiteren wurde eine Vorlage des Ausschusses »Erziehung und Jugend« behandelt. Es handelt sich dabei um eine Richtlinie für die Konfirmandenarbeit.
Am 4. Beratungstag schätzte u. a. der Synodale Tuchel, Weißenfels, die finanzielle Gesamtsituation der Kirchenprovinz ein, die er als »sehr angespannt« bezeichnete. Der Haushaltsplan umfasse ca. 13,4 Mio. Mark. Da sich die Finanzen voraussichtlich weiter verringern werden, plädierte Tuchel für die Schaffung eines Rücklagefonds.
Im Plenum wurden weiter eine Reihe von Drucksachen (Vorlagen) vom Ordnungsausschuss, Berichtsausschuss und Theologischen Ausschuss eingebracht. Bis auf die Vorlage des Berichtsausschusses haben alle anderen Drucksachen innerkirchlichen theologischen Charakter.
Die Vorlage des Berichtsausschusses (Drucksache Nr. 30/76) wurde von Dr. Runge, Halle, vorgetragen. Zur Weiterbehandlung der Problematik Brüsewitz wird Folgendes gesagt:
»Durch die Ereignisse im Zusammenhang mit der Selbstverbrennung von Pfarrer Oskar Brüsewitz ist ein zusätzlicher Bericht des Bischofs über die Entscheidungen und Überlegungen der Kirchenleitung in dieser Sache notwendig geworden. Dieser Bericht ist in seinen einzelnen Teilen durch die umfassende und freimütige Darstellung der entstandenen Fragen und Probleme als hilfreich und weiterführend empfunden worden. Die Synode hält eine Weitergabe des gesamten Berichtes in die Kirchenkreise für erforderlich. Gerade kritische Stellungnahmen zu einzelnen Punkten des Berichtes machen darauf aufmerksam, dass manche aufgebrochenen Fragen noch nicht hinreichend beantwortet sind, sondern mit Sorgfalt und in gegenseitiger Aufgeschlossenheit weiter bedacht werden müssen.«
Zum Verhältnis zwischen Staat und Kirche werden folgende Ausführungen gemacht:
»Die Synode hat überlegt, wie wir auf dem eingeschlagenen Wege als Kirche Jesu Christi in unserem Lande glaubwürdig und bei der Sache bleiben können. Wir sehen in der DDR den Staat, in dem wir nach Gottes Willen leben und für den wir uns mitverantwortlich wissen. Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass noch manches befriedigend gelöst werden kann, was wir belastend und einschränkend erfahren. Wir danken der Kirchenleitung, dass sie sich in Gesprächen den Gemeinden, dem Staat und der Gesellschaft gestellt hat und bitten sie, dies auch weiterhin mit Nachdruck zu tun.«
Zum Verhältnis zwischen Kirchenleitung und Gemeinden wird erklärt:
»Unterschiedliche geistliche Gaben sind ein Reichtum für die Kirche. Wir machen aber auch die Erfahrung, dass das Miteinander nicht ohne Spannungen bleibt. Die Referate geben Impulse, wie solche Spannungen anzunehmen und fruchtbar zu machen sind. Es ist darüber hinaus nicht zu übersehen, dass auch Spannungen und Probleme im Verhältnis zwischen Kirchenleitung und Gemeinde auftreten. Konflikte sind in besserem Hören aufeinander und durch vielseitige Formen der gegenseitigen Konsultation und Information zu lösen.«
Im Anhang dieser Vorlage werden Empfehlungen zur Auswertung der auf der Synode gehaltenen Referate zum Thema: »Wie bleibt die Kirche bei ihrer Sache?« gegeben.
Die Vorlage des Berichtsausschusses wurde mit drei Stimmenthaltungen angenommen.
Aus internen Gesprächen leitender Geistlicher der Magdeburger Kirchenleitung ist bekannt, dass Bischof Krusche im Besitz einer Abschrift der Parteiinformation Nr. 6/1976–145 »Über die Freiheit der Religionsausübung in der DDR«9 ist. (Diese Information soll dem Konsistorium von einem Pfarrer übergeben worden sein. An der Aufklärung dieses Vorkommnisses wird gearbeitet.) Diese Information wurde den Konsistorialräten zur Informierung und Vorbereitung auf Gespräche mit Vertretern des Rates des Bezirkes zur Verfügung gestellt. Aufgrund dieser Parteiinformation wurde vom Präsidenten des Konsistoriums Magdeburg, Dr. Krause, veranlasst, eine Gegenargumentation mit konkreten Fakten und Zahlen zu erarbeiten.
In dieser Gegenargumentation der Kirche sollen insbesondere die Summen genannt werden, die die Kirche dem Staat gegenüber aufbringt. Es geht dabei vor allem um Einrichtungen der Inneren Mission, wie z. B. Krankenhäuser, Altersheime, Urlaubsheime, Heime für Hirngeschädigte usw.
Bischof Krusche habe jedoch von einer Behandlung dieser Information vor der Synode zunächst abgesehen.
Westdeutsche Journalisten nahmen an der Synode nicht teil. Pressepfarrer Meinhof, Magdeburg, unterhielt jedoch eine aktive Verbindung zu dem Leiter des Evangelischen Publizistischen Zentrums und Vertreter des Evangelischen Pressedienstes in Westberlin, Henkys. Zwischen beiden bestand eine Vereinbarung über eine zeitliche Abstimmung zur Entgegennahme der Information. Danach gab Meinhof täglich einen Telefonbericht an Henkys. Er gab u. a. bereitwillig Auskünfte über den Bericht von Bischof Krusche, führte den wesentlichsten Inhalt an und kommentierte, dass es sich bei der »Zeichensetzung« des Pfarrers Brüsewitz nach Aussagen des Bischofsberichtes um eine »Signalhandlung im Stil des gewaltlosen politischen Kampfes« gehandelt habe, die man jedoch mehrfach deuten könne. Des Weiteren wies er darauf hin, dass der Tenor einer Vielzahl von Bibelstellen im Bericht von Krusche die Tendenz habe: Christ sein in der DDR heiße Geduld haben, den Weg des Gekreuzigten, aber Auferstandenen gehen.
Es ist einzuschätzen, dass die Synode in Magdeburg überwiegend eine politische Synode war, auf der die theologischen und innerkirchlichen Fragen in den Hintergrund gedrängt wurden. In der bis 1980 in der jetzigen Zusammensetzung weiter bestehenden Synode sind zurzeit keine Kräfte vertreten, die bereit sind, eine offene, realistische, kirchenpolitische Position zu vertreten. Der Beschluss der Synode, den Bericht der Kirchenleitung (Krusche) sowie die Zusatzreferate (Eichenberg, Buchenau, Hartmann) an die Kirchengemeinden der Kirchenprovinz Sachsen zu verschicken, zeigt, dass die Kirchenleitung die Polemik gegen Staat und Gesellschaftsordnung fortführen will.
Ansatzpunkte für konstruktive Differenzierungsmaßnahmen in der Kirchenprovinz Sachsen sind – nach dem MfS vorliegenden internen Hinweisen – vorhandene Differenzen in der theologischen Auswertung der Selbstverbrennung von Brüsewitz und Differenzen zwischen der Kirchenleitung und einer größeren Anzahl von Kirchengemeinden. In diesem Zusammenhang sind solche Forderungen interessant und aussagefähig, in denen Überprüfungsmöglichkeiten und Kontrollmöglichkeiten der Kirchenleitung und des Konsistoriums gefordert werden, sowie andere Kritiken, die geäußert wurden.
In Auswertung dieser Synode wäre es im Interesse der Durchsetzung von Maßnahmen zur Änderung der kirchenpolitischen Situation in der Kirchenprovinz notwendig, über geeignete Personen bzw. Institutionen eine theologische und kirchenpolitische Alternative zu entwickeln und zu verbreiten.
Die Information ist nicht zur öffentlichen Auswertung bestimmt.