Aktivitäten von Mitgliedern der »Klaus-Renft-Combo«
23. Februar 1976
Information Nr. 146/76 über weitere negativ-feindliche Aktivitäten von Mitgliedern der ehemaligen Tanzmusikformation »Klaus-Renft-Combo«, Leipzig
Ergänzend zu den in den Informationen des MfS Nr. 448/75 vom 23. Juli 1975, Nr. 690/75 vom 29. September 1975 und Nr. 915/75 vom 22. Dezember 1975 getroffenen Feststellungen über negativ-feindliche Aktivitäten der ehemaligen Tanzmusikformation »Klaus-Renft-Combo«,1 Leipzig, und des Texters Gerulf Pannach wurden dem MfS weitere Einzelheiten über Verhaltensweisen von Mitgliedern dieser ehemaligen Combo bekannt.
Am 22. Januar 1976 erfolgte beim Rat des Bezirkes Leipzig mit den Mitgliedern der ehemaligen Renft-Combo, Klaus Jentzsch, Christian Kunert, Peter Gläser, Thomas Schoppe und Jochen Hohl, eine Aussprache in Beantwortung einer von ihnen am 8. Dezember 1975 an den Ersten Sekretär des ZK der SED, Genossen Honecker, gerichteten Beschwerde gegen die erfolgte Auflösung der Combo, in deren Ergebnis die Auflösung ihrer Formation als endgültig erklärt wurde.2
Zum Verlauf der Aussprache ist zu bemerken, dass ein von der ehemaligen Combo vorgesehener Mitschnitt des Gesprächs auf Tonband untersagt werden musste. Während sich Gläser und Hohl im Wesentlichen nicht beteiligten, unterbrachen Kunert, Jentzsch und Schoppe den Gesprächsführenden häufig durch Zwischenrufe und Bemerkungen. Sie erklärten sich mit dem Ergebnis der Überprüfung nicht einverstanden, betonten, sie seien ungerecht behandelt [worden] und nach wie vor von der Richtigkeit ihrer bisherigen Verhaltensweisen überzeugt, bezeichneten die Praktiken der »heißgeliebten« DDR als dogmatisch und drohten damit, die ihnen angeblich täglich zugehenden 100 Briefe von Anhängern dahingehend zu beantworten, ihre Lage und Probleme von ihrem Standpunkt aus zu beweisen, zumal die staatlichen Organe für eine »Legende« für die Renft-Combo sorgen würden.
Das ihnen gegenüber bereits in früheren Aussprachen mehrfach und am 22. Januar 1976 erneut unterbreitete Angebot, mit den einzelnen Musikern der ehemaligen Combo über künftige Einsatzmöglichkeiten zu beraten, wurde – mit Ausnahme des Hohl – nicht angenommen und während der Aussprache als sinnlos bzw. »Erpressung« (Schoppe) bezeichnet.
Dem MfS wurde intern bekannt, dass die ehemaligen Mitglieder der Renft-Combo nach dem Gespräch am 22. Januar 1976 verstärkt negativ-feindliche Aktivitäten entwickeln, die sich zusammengefasst in Folgendem zeigen:
Insbesondere der ehemalige Leiter der Combo, Klaus Jentzsch, intensivierte seine Verbindungen zu Pannach, Biermann und Havemann – mit denen er sich über sein weiteres Verhalten, über Perspektive und Vorgehen der ehemaligen Combo abstimmt – sowie zu dem in der DDR akkreditierten BRD-Journalisten Dirk Sager (ZDF), mit dem er in Vorbereitung einer ZDF-Sendung (2. Fernsehen der BRD) über die Auflösung der Renft-Combo seit Dezember 1975 in Verbindung steht.
Auf Vermittlung des inzwischen aus der DDR ausgewiesenen »Spiegel«-Journalisten Mettke kam es im Dezember 1975 zu mehrfachen Zusammenkünften zwischen Jentzsch und Sager (ZDF), von dem am 18. und 19. Dezember 1975 umfangreiche Bild- und Tonaufnahmen durch ein Aufnahme-Team des ZDF über die »Renft-Combo« in der Wohnung des Jentzsch und in der Innenstadt Leipzigs organisiert wurden. Ziel dieser Aufnahmen sei die Darstellung der staatlicherseits erfolgten Auseinandersetzung mit der »Renft-Combo« aus deren Sicht, versehen mit einem Kommentar des Sager. Internen Hinweisen zufolge soll der 15- bis 20-Minutenbeitrag auch das gegen die Grenzsicherungsanlagen der DDR gerichtete Lied der ehemaligen »Renft-Combo« enthalten.
Nachdem die Sendung dieses Beitrages im ZDF im Januar 1976 auf Veranlassung des Sager zunächst zurückgestellt worden war, um das Ergebnis der vom Ersten Sekretär des ZK der SED, Genossen Honecker, der »Renft-Combo« schriftlich zugesicherten neuerlichen Überprüfung – in Beantwortung der an ihn gerichteten Eingabe – abzuwarten, liege jetzt nach der erfolgten Aussprache am 22. Januar 1976 einer Sendung nach Meinung von Jentzsch und Sager nichts mehr im Wege und sei aktueller denn je. Laut Sager sei die Wiedergabe des Beitrages in der Sendung des ZDF »Kennzeichen D« am 24. Februar 1976 (21.15 Uhr–22.00 Uhr) ins Auge gefasst. Mit dieser Sendung solle die Öffentlichkeit auf die Problematik um die »Renft-Combo« aufmerksam gemacht werden.
Intern wurde dem MfS bekannt, dass Jentzsch im Büro des Sager Anfang Februar 1976 in der Hauptstadt Berlin vorsprach, wo die Aufnahme des Ergebnisses der Aussprache vom 22. Januar 1976 beim Rat des Bezirkes Leipzig in den Kommentar des Sager3 zur vorgesehenen ZDF-Sendung vereinbart wurde. Sager organisierte gleichzeitig ein Zusammentreffen zwischen Jentzsch und einem Korrespondenten der BRD-Zeitungen »Frankfurter Allgemeine Zeitung« und »Süddeutsche Zeitung« in der Hauptstadt der DDR, der Jentzsch zusicherte, entsprechende Veröffentlichungen über das Verbot der Combo eventuell noch im Februar 1976 (genannt wurde ebenfalls der 24.2.) in beiden Zeitungen zu gewährleisten.4
Weiter ist dem MfS intern bekannt, dass Jentzsch auf Veranlassung eines Mitarbeiters des Norddeutschen Rundfunks am 30. Januar 1976 in Leipzig mit diesem zusammentraf, wobei dieser neue, über bisher gesendete Kommentare in BRD-Sendern hinausgehende Fakten zur weiteren Tätigkeit der ehemaligen Combo erfragen wollte. Als diese Fakten – unter denen er Musikproduktionen und neue Konfliktsituationen verstand – durch Jentzsch nicht nachgewiesen werden konnten, zeigte er sich an der Weiterführung des Gesprächs erst für einen späteren Zeitpunkt interessiert, falls neue Probleme entstehen würden. In diesem Zusammenhang äußerten Mitglieder der ehemaligen Combo intern, sie seien an weiteren Aktivitäten interessiert, da sonst ein Nachlassen des öffentlichen Interesses an ihrem Problem zu befürchten sei und ihnen damit die Möglichkeit genommen werde, »Druck auf die Staatsorgane der DDR« auszuüben.
Insbesondere Jentzsch und Kunert aktivieren weiter ihr Vorhaben, in der BRD eine Schallplatte mit den Titeln der ehemaligen Combo herauszubringen, worin sie insbesondere durch Pannach und Biermann bestärkt werden. Biermann hat wiederholt seine volle Unterstützung zugesichert. (In diesem Zusammenhang wurde intern bekannt, dass sich Mitglieder der ehemaligen Combo seit Ende Januar 1976 in einer dem MfS namentlich bekannten Konsum-Gaststätte bei Leipzig zu Proben trafen.) Mehrmals fanden seit Januar 1976 auf Initiative des Pannach (der sich über ein mögliches weiteres Verhalten der »Renft-Combo« u. a. mit Havemann beraten hatte) Treffen in der Wohnung des Biermann statt, an denen sich Mitglieder der ehemaligen »Renft-Combo« (außer Kschentz und Hohl, die inzwischen in anderen Combos spielen), Pannach, Biermann und zeitweise auch Havemann sowie Eva-Maria Hagen und Nina Hagen beteiligten. Diese Zusammenkünfte dienen dem Zweck, mit der von Biermann verfügbaren Technik Tonbandaufnahmen der ehemaligen Combo anzufertigen, da sie in Leipzig über keine Produktionsmöglichkeiten verfügen. Biermann sicherte weiterhin zu, über seine Verbindungen die Produktion der Schallplatte bei »CBS« zu gewährleisten.
Am 10. Februar 1976 wurden seitens der Konzert- und Gastspieldirektion Leipzig mit Pannach und Kunert (ehemals »Renft-Combo«) getrennte und befristete Förderungsverträge abgeschlossen, in denen sie sich verpflichteten, ein neues Repertoire zu erarbeiten, das den politisch-ideologischen und künstlerisch-ästhetischen Ansprüchen der Kulturpolitik der SED entspricht. Intern wurde bekannt, dass seitdem mehrere Absprachen und Beratungen zwischen Biermann und Pannach, teilweise auch Kunert, erfolgten, wobei Biermann seine »Hilfe« bei der Erarbeitung neuer Texte anbot. Nach internen Hinweisen ist Pannach weiterhin bestrebt, im neuen Programm wiederum Texte mit negativ-feindlicher Aussage unterzubringen, jedoch unterhalb der Schwelle der strafrechtlichen Relevanz zu bleiben. Pannach hat die Absicht, seine Chansonabende mit einer eigenen Begleitformation durchzuführen und zum Leiter dieser Gruppe Kunert zu benennen.
Offensichtlich abgestimmt, jedoch nach außen hin von den Aktivitäten von Pannach und Kunert zur Bildung einer neuen Gruppe unabhängig, haben Klaus Jentzsch am 12. Februar 1976 und Thomas Schoppe am 17. Februar 1976 beim Rat des Bezirkes Leipzig, Abteilung Kultur, angefragt, ob sie neue Beat-Formationen gründen können. Eine gleiche Anfrage plant auch Jochen Hohl. Eine Genehmigung dieses Vorhabens würde bedeuten, dass aus der bisherigen »Renft-Combo« vier neue Gruppen hervorgehen, deren ideologisches und künstlerisches Profil gegenwärtig noch nicht zu überblicken ist.
Intern wurde bekannt, dass Pannach und Kunert bei Ausbleiben weiterer Auftrittsmöglichkeiten beabsichtigen, einen Antrag auf Übersiedlung in die BRD, verbunden mit der Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR, zu stellen, um damit ihrer weiteren Perspektivlosigkeit in der DDR Ausdruck zu verleihen.
Der ehemalige Leiter der Combo, Jentzsch, hatte bereits am 30. September 1975 einen Antrag auf Eheschließung und Übersiedlung nach Griechenland mit der in Leipzig wohnhaften griechischen Staatsbürgerin [Name] gestellt. In der Folgezeit versuchte Biermann, den Jentzsch in mehreren persönlichen Gesprächen dahingehend zu beeinflussen, diesen Antrag zurückzuziehen, da er – Jentzsch – in der DDR eine größere Breitenwirkung seiner Ansichten erzielen könne als in der BRD. In diesem Zusammenhang riet Biermann dem Jentzsch, in den Mittelpunkt von Interviews mit BRD-Korrespondenten zu stellen, er – Jentzsch – werde vom Staatsapparat »unter Druck gesetzt«, die DDR zu verlassen. Da sein Antrag auf Übersiedlung in die BRD von den zuständigen staatlichen Organen der DDR bisher noch nicht beantwortet wurde, richtete Jentzsch am 3. Februar 1976 ein erneutes Schreiben an den Rat des Bezirkes Leipzig, Abteilung Innere Angelegenheiten, und ersuchte um eine Klärung der Angelegenheit.
Daraufhin wurde am 17. Februar 1976 mit Jentzsch beim Rat des Bezirkes eine Aussprache durchgeführt und ihm mitgeteilt, dass sein Antrag auf Eheschließung mit der griechischen Staatsbürgerin [Name] geprüft, vonseiten des Rates des Bezirkes positiv entschieden und im Rahmen des Genehmigungsverfahrens an das MdI weitergeleitet wurde.
In Bezug auf seine am 30. September 1975 gleichzeitig beantragte Übersiedlung aus der DDR nach Griechenland wurde er in Kenntnis gesetzt, dass er ein solches Gesuch nach seiner erfolgten Eheschließung neu stellen muss, da ein derartiger Antrag einem von der Eheschließung getrennten Genehmigungsverfahren unterliegt.
Vom MfS wird empfohlen, nach erfolgter Sendung des Films über die ehemalige »Renft-Combo« im BRD-Fernsehen seitens des Staatsapparates getrennte Aussprachen mit den beteiligten ehemaligen Mitgliedern der »Renft-Combo« zu führen, um ihre persönliche Haltung zu dieser Sendung zu hören, bisher bestehende Förderungsverträge zu annullieren und ihnen ihre Berufsausweise zu entziehen, falls sie sich nicht von dieser Sendung distanzieren. Weiterhin sollte geprüft werden, ob den ehemaligen Mitgliedern der »Renft-Combo«, Jentzsch, der bereits einen Übersiedlungsantrag stellte, sowie Pannach und Kunert, die Anträge auf Übersiedlung in die BRD zu stellen beabsichtigen, umgehend Genehmigungen zur Ausreise erteilt werden könnten.
Vom MfS wird vorgeschlagen, nach Sendung des Films über die ehemalige »Renft-Combo« im BRD-Fernsehen durch das MfAA in geeigneter Form zu protestieren.
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