Artikel zum Selbstmordversuch eines Westberliners in der BZ
4. Oktober 1976
Information Nr. 692/76 über Ergebnisse der im Zusammenhang mit dem Selbstmordversuch eines Westberliner Bürgers und dessen Ausnutzung für die Hetze gegen die DDR geführten Untersuchungen
Am 1. Oktober 1976, 11.00 Uhr, wurde an der Grenzübergangsstelle [Ort] der ständige Einwohner von Westberlin, [Name], geboren am [Tag] 1956 in Berlin; wohnhaft: [Adresse und Angaben zum beruflichen Status], durch Vertreter des Gesundheitswesens der DDR an die zuständigen Gesundheitsbehörden von Westberlin übergeben. [Der Westberliner] war am 30. September 1976, gegen 2.30 Uhr in selbstmörderischer Absicht vom Gröbenufer in Westberlin aus in die Spree gesprungen, wurde anschließend [Charakterisierung seines Zustandes] von den Grenzsicherungskräften der DDR gerettet und sofort medizinisch betreut.
Am 2. Oktober 1976 wurde in der Westberliner »BZ« dazu ein Hetzartikel mit der Überschrift »Ich hatte solche Sehnsucht nach meinem Kind! Darum wollte ich sterben« veröffentlicht.1 In diesem Artikel werden in schamloser Weise die Organe der DDR einschließlich ihrer Hilfsmaßnahmen verunglimpft und indirekt für den Selbstmordversuch des [Westberliners] verantwortlich gemacht. Als Gründe seines Handelns wurden die »Sehnsucht nach seinem in der Hauptstadt der DDR lebenden zweijährigen Kind [Name] und seiner Freundin« angeführt, da ihm die DDR-Behörden die Einreise verweigern.
Wie die Untersuchungen durch das MfS ergaben, wurde [der Westberliner] am 18. Juni 1974 aus der Staatsbürgerschaft der DDR entlassen und übersiedelte zu seiner seit 1958 in Westberlin lebenden Mutter [Name], wohnhaft: [Adresse].
[Umfangreiche Angaben zu den Hintergründen des Vorfalls, die der Presseversion widersprechen, wegen Schutzwürdigkeit nicht wiedergegeben.]
Die in der BZ aufgestellte Behauptung hinsichtlich des Kindes ist damit widerlegt. [Angabe privater, familiärer Gründe, die gegen die Darstellung in der BZ sprechen.]
Da der in der »BZ« vom 2. Oktober 1976 veröffentlichte Hetzartikel einen erneuten Versuch darstellt, die politische Atmosphäre zwischen Westberlin und der DDR mit Lügen und Verleumdungen künstlich anzuheizen, wird vorgeschlagen, den Leiter der Abteilung Westberlin im MfAA, Genossen Dr. Mitdank, mit der offensiven Auswertung dieses Vorfalles gegenüber dem Vertreter des Westberliner Senats, Kunze, bei der nächsten Unterredung am 6. Oktober 1976 zu beauftragen. Dabei sollte hervorgehoben werden, dass
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die zwischen der Regierung der DDR und dem Westberliner Senat getroffenen Vereinbarungen über Rettungsmaßnahmen an den Grenzgewässern zu Westberlin seitens der DDR strikt eingehalten werden und sich bewährt haben,2
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[der Westberliner] nur aufgrund des sofortigen und besonnenen Handelns der Grenzsicherungskräfte der DDR und des unverzüglichen und aufopferungsvollen ärztlichen Einsatzes am Leben erhalten werden konnte,
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unverzüglich nach Beendigung der Rettungsmaßnahmen durch Vermittlung zwischen dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und dem Westberliner Senat die Rückführung des [Westberliners, nähere Angaben] nach Westberlin veranlasst wurde,
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trotz der sofortigen Rettungsmaßnahmen, der unverzüglichen medizinischen Betreuung und Unterstützung des [Westberliners] durch die Organe der DDR dieses Ereignis zu schamloser Hetze gegen die DDR genutzt wurde,
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die DDR erwartet, dass derartige Rettungsmaßnahmen, die ausschließlich dazu dienen, Menschenleben zu erhalten, zukünftig nicht zu infamen Hetzattacken gegen die DDR benutzt werden, da dies den Vereinbarungen zwischen der Regierung der DDR und dem Westberliner Senat und jeglichen humanitären Grundsätzen diametral entgegensteht.
Entsprechende Beweismittel können vom MfS zur Verfügung gestellt werden.