Beabsichtigte Ausreise des Schriftstellers Siegmar Faust
16. Juli 1976
Information Nr. 521a/76 über die beabsichtigte Übersiedlung des ehemaligen Strafgefangenen Faust aus Heidenau, Kreis Pirna, Bezirk Dresden in die BRD [Erste Fassung – Kurzfassung]
Dem MfS wurde bekannt, dass der Faust, Siegmar, geb[oren] am 12. Dezember 1944, z[ur] Z[eit] ohne Arbeitsverhältnis, wohnhaft: Heidenau, [Adresse] und 104 Berlin, [Adresse], am 24. Juni 1976 die Eingabenstelle beim Staatsrat der DDR aufsuchte und im Verlaufe des Gesprächs auf seine vor und während der Verbüßung einer Haftstrafe gestellten Anträge auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR und der Übersiedlung in die BRD Bezug nahm.1
Nach dem MfS vorliegenden Informationen handelt es sich bei dem Faust um einen ehemaligen, wegen fortlaufender Disziplinarverstöße von der Karl-Marx-Universität Leipzig exmatrikulierten Studenten, gegen den 1971 wegen staatsfeindlicher Hetze ein Ermittlungsverfahren mit Haft eingeleitet wurde, da er in schriftstellerischen Arbeiten gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR hetzte.
Im Zuge der 1972 erlassenen Amnestie wurde Faust aus der Untersuchungshaft entlassen.
Seit dem Jahre 1973 unterhält Faust engen Kontakt zu Biermann. Dessen Beeinflussung löste bei Faust weitere staatsfeindliche Aktivitäten aus.
Neben eigenen »schriftstellerischen Arbeiten« sozialismusfeindlichen Charakters verbreitete er bis zu seiner zweiten Inhaftierung im Mai 1974 von Biermann verfasste antisozialistische Machwerke mit eigenem Kommentar.
Im gleichen Zeitraum stellte er wiederholt Anträge, um mit seiner Familie aus der Staatsbürgerschaft der DDR entlassen zu werden und in die BRD überzusiedeln.
Die von ihm verfassten Eingaben waren durch hetzerische Formulierungen, die ebenfalls den Straftatbestand des § 106 StGB – staatsfeindliche Hetze – erfüllten, gekennzeichnet.
Faust wurde aufgrund seiner staatsfeindlichen Aktivitäten im Mai 1974 zu 4 ½ Jahren Freiheitsentzug wegen staatsfeindlicher Hetze verurteilt.
Am 22. März 1976 wurde er vorzeitig aus der Strafvollzugseinrichtung Cottbus entlassen. Er geht seitdem – obwohl er durch die zuständigen örtlichen Organe zur Arbeitsaufnahme aufgefordert wurde – keiner geregelten Arbeit nach und wird insbesondere von Havemann, Biermann und anderweitig finanziell unterstützt.
Erteilte Auflagen der staatlichen Organe, die Gesetze der DDR einzuhalten, wurden durch Faust nicht beachtet, sondern er trat bei seiner letzten Eingabe – nicht zuletzt durch die Einflussnahme von Havemann und Biermann inspiriert – weiter in provokatorischer und hetzerischer Form auf.
Durch die zuständigen Staatsorgane ist deshalb vorgesehen, dem neuerdings gestellten Antrag auf Übersiedlung des Faust und dessen Familie in die BRD (unter Berücksichtigung bereits früher gestellter Anträge) zuzustimmen, jedoch den provokatorischen Ton seines Schreibens zurückzuweisen.