Berichte der Westpresse über eine Zwangsadoption
[ohne Datum]
Information Nr. 483/76 über die Zusammenhänge der angeblichen Zwangsadoption des Kindes der Einwohnerin von Westberlin, [Name der Mutter]
Zu dem in der Westpresse vom 29.06.1976 u. a. in der »Berliner Morgenpost« veröffentlichten Artikel1 über die angebliche Zwangsadoption eines Kindes der DDR hat die Überprüfung durch das MfS Folgendes ergeben:
Am 30. August 1968 hat die ehemalige DDR-Bürgerin [Name der Mutter], geb[oren] am [Tag] 1944 […], wohnhaft gewesen in 1055 Berlin, unter gewissenloser Zurücklassung ihres damals 22 Monate alten […] Sohnes [Name], geb[oren] am [Tag] 1966 die DDR ungesetzlich verlassen. Die [Mutter] hinterließ das Kind bei ihren damals 68- bzw. 55-jährigen Eltern [weitere Angaben zur Wahrung schutzwürdiger Interessen nicht wiedergegeben].
Zur finanziellen Unterstützung war den Großeltern aus dem Staatshaushalt Pflegegeld bereitgestellt worden. Im Sommer 1969 verließen auch die Großeltern unter Zurücklassung des in ihrer Pflege befindlichen, noch nicht dreijährigen Kindes ungesetzlich die DDR.
Das Kind [Name] hatten die Großeltern einer DDR-Bürgerin überlassen, die jedoch keine Gewähr für eine ordnungsgemäße Erziehung und Betreuung des Kindes bot. [Satz zur Wahrung schutzwürdiger Interessen nicht wiedergegeben]
Aufgrund dieser Situation ergab sich für die zuständigen Organe der Jugendhilfe die Pflicht, gemäß § 104 des Familiengesetzbuches der DDR Maßnahmen zur Pflegschaft des Kindes zu treffen. Nach einem kurzzeitigen Heimaufenthalt im Kinderheim [Ort] konnte das Kind [Name] im November 1969 in die häusliche Pflege einer dazu geeigneten Familie übergeben werden. Etwa zu diesem Zeitpunkt, d. h. nach weit über einem Jahr des gewissenlosen Verlassens ihres Kleinkindes, beauftragte die [Mutter] einen Rechtsanwalt in der DDR, sich für eine Übersiedlung des Kindes nach Westberlin einzusetzen, dem jedoch nicht stattgegeben wurde, da hierzu keinerlei Rechtsgrundlage bestand. Da sich zwischenzeitlich das Kind bei den Pflegeeltern gut eingelebt hatte und enge soziale Bindungen entstanden, beantragten diese die Adoption des Kindes.
Durch das Referat Jugendhilfe des Rates des Stadtbezirkes Berlin-Treptow war über das Bezirksamt Westberlin-Neukölln die Befragung der Mutter des Kindes hinsichtlich ihrer Einwilligung zur Adoption veranlasst worden, was von dieser jedoch abgelehnt wurde. Aufgrund dieser Sachlage wurde am 15. Februar 1971 beim Stadtbezirksgericht Berlin-Treptow gemäß § 70 (1) des Familiengesetzbuches in Verbindung mit § 18 der Jugendhilfeverordnung Klage erhoben und angestrebt, die Einwilligung der Mutter zur Annahme ihres Sohnes [Name] an Kindes statt durch ein dementsprechendes Gerichtsurteil zu ersetzen.
Mit Urteil vom 11. Mai 1972 des Stadtbezirksgerichtes Berlin-Treptow, Zivilkammer, wurde der Mutter das Sorgerecht für ihren Sohn entzogen.
Bei der Urteilsfindung war das Gericht davon ausgegangen, dass die Kindesmutter selbst ihr Kind ohne ausreichende Sicherstellung verlassen hatte, die Annahme an Kindes statt beantragt war und es dem Wohl des Kindes entgegengestanden hätte, wenn der durch die Abwesenheit der Kindesmutter entstandenen Rechtsgrundlage nicht Rechnung getragen worden wäre. Das Gericht stellte fest, dass die Kindesmutter ihre persönlichen, egoistischen Interessen in den Vordergrund gestellt und die ihr obliegenden Pflichten nach dem ungesetzlichen Verlassen der DDR nicht mehr wahrgenommen hat. [Satz zur Wahrung schutzwürdiger Interessen nicht wiedergegeben]
Das Urteil wurde am 22. Juli 1972 rechtskräftig. Weder von der Kindesmutter noch von dem von ihr benannten Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt Dr. Vogel, wurde von der Möglichkeit der Berufung Gebrauch gemacht. Das Kind wurde am 31. August 1972 adoptiert.
Die Kindesmutter [Name] war am 20. September 1972 vom Referat Jugendhilfe des Rates des Stadtbezirkes Berlin-Treptow brieflich darüber informiert worden, dass ihr laut Gerichtsbeschluss das Sorgerecht für ihr Kind entzogen wurde. Auch auf dieses Schreiben erfolgte von der Kindesmutter keine Reaktion.
Entsprechend den Festlegungen im Familiengesetzbuch kann eine erfolgte Adoption nur bis spätestens ein Jahr nach der davon erlangten Kenntnis (also Juni 1973) angefochten werden. Eine erste Reaktion der Kindesmutter auf die erfolgte Adoption wurde bekannt, als dieses »Beispiel« im Zusammenhang mit der massiven und gezielten Hetzkampagne gegnerischer Kräfte zur Einmischung in innere Angelegenheiten der DDR genannt wurde.
Von der [Mutter] erfolgten Anfang des Jahres 1976, offenkundig im Zusammenhang mit der inzwischen angelaufenen Hetzkampagne, offizielle Ersuchen an staatliche Organe der DDR, eine Revision des Urteils zu erwirken.
Aufgrund des begründeten Verdachts der Kindesentführung wurde im Februar 1976 durch die zuständigen Organe der DDR Einreisesperre gegen die [Mutter] verhängt.
Aus den insgesamt vorliegenden Erkenntnissen ist einzuschätzen, dass es sich bei den Aktivitäten der [Mutter] in erster Linie um von gegnerischen Kräften inszenierte provokatorische Angriffe handelt. Im Interesse des Kindes sowie der Adoptiveltern erscheint es dringend geboten, an der bestehenden Rechtslage nichts zu ändern.