Besuch einer Delegation des Nationalrates der Kirchen Christi, USA
20. März 1976
Information Nr. 221/76 über einen geplanten Besuch einer Delegation des »Nationalrates der Kirchen Christi in den USA« beim »Bund Evangelischer Kirchen in der DDR«
Dem MfS wurde intern bekannt, dass eine Delegation des »Nationalrates der Kirchen Christi in den USA«1 in der Zeit vom 22. März bis 29. März 1976 dem »Bund Evangelischer Kirchen in der DDR«2 einen Besuch abstatten wird. Der Besuch erfolgt auf Ersuchen des »Nationalen Christenrates« auf der Grundlage einer längerfristigen Vorplanung des Gremiums.3
Bei dem »Nationalen Christenrat« handelt es sich um das höchste Gremium aller evangelischen Kirchen der USA. Der Delegation gehören an:
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Rechtsanwalt Thompson, Präsident des Nationalen Christenrates (Presbyterianische Kirche),
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Pfarrer Dr. Cary, Vizepräsident des Nationalen Christenrates (Unierte Kirche),
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Frau Randall, Generalsekretär des Nationalen Christenrates (Presbyterianische Kirche),
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Pfarrer Meister, Beauftragter der Unierten Kirche der USA für die Beziehungen zur Evangelischen Kirche der Union in der BRD und der DDR, Sitz Westberlin, Dolmetscher.
Das Programm für den Ablauf des Besuches, das im Auftrage von Bischof Schönherr, Vorsitzender des »Bundes Evangelischer Kirchen in der DDR« und Frau Randall, Generalsekretär des Nationalen Christenrates, erarbeitet wurde, enthält u. a. folgende Punkte:
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Begegnung mit Vertretern des Bundes am Ankunftstag,
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Besuch der Evangelischen Kirche des Görlitzer Kirchengebietes (Bischof Fränkel) am 23. März 1976,
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Besuch der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen (Bischof Hempel) am 24. März 1976,
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Besuch der Evangelischen Brüder-Unität in Herrnhut (Bezirk Dresden) am 25. März 1976,
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Besuch der Evangelischen Landeskirche Greifswald (Bischof Gienke) am 27. März 1976,
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Teilnahme am Kirchentagskongress in Berlin und Begegnung mit Vertretern der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg (Bischof Schönherr) am 28. März 1976.
Außerdem beabsichtigt die Delegation des »Nationalrates der Kirchen Christi in den USA« gemeinsam mit Vertretern des »Bundes Evangelischer Kirchen in der DDR«, am 26. März 1976 einen Besuch in der USA-Botschaft durchzuführen.
Für den gleichen Tag soll eine Zusammenkunft mit Vertretern der Regierung der DDR erwirkt werden, wobei ein Gespräch mit Staatssekretär Seigewasser ins Auge gefasst wurde. (Es ist vorgesehen, dass die Delegation am 26. März 1976 im Staatssekretariat für Kirchenfragen empfangen wird.)
Intern wurde dem MfS bekannt, dass leitende Personen des »Bundes Evangelischer Kirchen in der DDR«, darunter Bischof Schönherr, Vorbehalte und Besorgnis darüber äußerten, dass die Delegation von Thompson geleitet wird, da Thompson zu den Kreisen gehörte, die während der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (Weltkirchenrat) 1975 in Nairobi negative Aktivitäten gegen die russisch-orthodoxe Kirche entwickelten.4 Es wird befürchtet, die Tatsache, dass Thompson vom »Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR« empfangen wird, könnte sich negativ auf die Beziehungen zwischen dem »Bund« und der russisch-orthodoxen Kirche, die der »Bund« bisher als gut einschätzt, auswirken. Bemühungen loyaler Kräfte des »Bundes«, rechtzeitig Einfluss auf die Zusammensetzung der Delegation aus den USA zu nehmen und eventuell Thompson sogar herauszulösen, blieben ohne Erfolg.
Dem MfS ist intern bekannt, dass progressive Kräfte des »Bundes« auf Thompson Einfluss nehmen wollen, damit dieser während seines Besuches in der DDR loyal in Erscheinung tritt und sich eventuell um eine Verbesserung der Beziehungen zur russisch-orthodoxen Kirche bemüht.
Intern wurde weiter bekannt, dass die USA-Kirchendelegation folgendes Problem mit staatlichen Vertretern der DDR zu erörtern beabsichtigt:
Pfarrer Meister, welcher der Delegation angehört, beendet demnächst seinen Einsatz in Westberlin und geht für ein Jahr nach den USA zurück. Die USA-Kirchenführung wäre daran interessiert, dass Meister 1977 seinen Dienst als Beauftragter der USA-Kirchen bei der »Evangelischen Kirche der Union« aufnimmt, jedoch seinen Sitz nach der Hauptstadt der DDR verlegt, wenn dafür das Einverständnis der DDR-Regierung eingeholt werden könnte. Meister soll dann gleichzeitig die Ökumenische Gemeinde innerhalb der USA-Botschaft betreuen.
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