Bevölkerungsreaktion auf die Dokumente zum XXV. KPdSU-Parteitag
4. März 1976
Information über erste Reaktionen der Bevölkerung der DDR zu den bisher veröffentlichten Dokumenten des XXV. Parteitages der KPdSU [Bericht O/22]
Nach ersten Stellungnahmen und Meinungsäußerungen von Bürgern der verschiedensten Bevölkerungskreise ist einzuschätzen, dass die bisher veröffentlichten Materialien des XXV. Parteitages der KPdSU bei einem Teil der Bevölkerung der DDR auf starkes Interesse stoßen und ein positives Echo finden. Besondere Bedeutung wird dem Rechenschaftsbericht des Generalsekretärs des ZK der KPdSU, Genossen Leonid Breschnew, und der Begrüßungsansprache des Ersten Sekretärs des ZK der SED, Genossen Erich Honecker, beigemessen.1
In Meinungsäußerungen interessierter Bürger wird betont, dass sie sich zurzeit einen ersten Überblick über diese Veröffentlichungen verschaffen. Aufgrund des Umfangs der veröffentlichten Materialien ist gegenwärtig jedoch noch keine allumfassende Diskussion in allen Bereichen über aufgeworfene Probleme im Gange.
In diesem Zusammenhang drücken Informationen aus verschiedenen Bezirken aus, dass in einzelnen Betrieben, Einrichtungen und gesellschaftlichen Bereichen die Diskussionen bisher nur im geringen Umfang laufen bzw. auf Ansprechen erklärt wird, aufgrund des in der letzten Zeit veröffentlichten umfangreichen Materials habe ein gründliches Studium der in den letzten Tagen veröffentlichten Reden noch nicht stattgefunden.
In den bisher bekannt gewordenen überwiegend positiven und zustimmenden Meinungsäußerungen wird mit Genugtuung der herzliche Empfang der Delegationen der Bruderparteien, insbesondere der KP Kubas und der Partei der Werktätigen Vietnams, durch die führenden Genossen des ZK der KPdSU vermerkt.
Hervorgehoben wurde die auf dem XXV. Parteitag der KPdSU deutlich sichtbare herzliche Freundschaft und Verbundenheit zwischen der KPdSU und der SED sowie ihren führenden Repräsentanten.
Unter Hinweis auf die Entwürfe der Dokumente des IX. Parteitages der SED wird häufig auf die Übereinstimmung der Auffassungen in Grundfragen zwischen der KPdSU und der SED hingewiesen.2 In diesem Zusammenhang werden wiederholt die Freundschaft und enge Zusammenarbeit KPdSU/SED als Voraussetzung für die erreichten Erfolge in der DDR hervorgehoben.
Besondere Zustimmung finden die Passagen des Rechenschaftsberichtes des ZK der KPdSU an den XXV. Parteitag, welche die politische Lage in der Welt und die historischen Erfolge des Sozialismus, das Programm des weiteren Kampfes für Frieden und internationale Zusammenarbeit, die gemeinsame Politik sozialistischer Staaten und ihr enges Bündnis sowie die Sozialpolitik zum Inhalt haben.3
In den überwiegend zustimmenden Äußerungen zur Rede des Genossen Breschnew dominiert die Wertschätzung der klaren Aussage über die Kontinuität der Friedenspolitik und die damit verbundenen neuen konstruktiven Vorschläge sowie der offenen und kritischen Darlegungen über die Entwicklung der sozialistischen Staatengemeinschaft und der auf deren weitere politische und ökonomische Integration gerichteten komplizierten perspektivischen Aufgaben.
Mehrfach äußerten sich Bürger beeindruckt von der umfassenden marxistisch-leninistischen Einschätzung zur nationalen und internationalen Lage, die sie unter anderem als sachlich, orientierend und begeisternd bezeichneten.
In einer Reihe zustimmender Meinungsäußerungen sind besonders folgende Tendenzen zu erkennen:
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Die im Rechenschaftsbericht an den XXV. Parteitag gezogene Bilanz sei sehr beeindruckend auf allen Gebieten.4 Der Elan der Sowjetbürger, ihre Leistungen und Ziele verdienen volle Bewunderung und sollten Beispiel sein für uns.
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Die im Rechenschaftsbericht gemachten Ausführungen zu den Fragen der Außenpolitik, insbesondere die konkreten Vorschläge zur weiteren Durchsetzung der Entspannungspolitik, seien richtungweisend und bestimmend für den weiteren Kampf aller friedliebenden Menschen.
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Der XXV. Parteitag der KPdSU setze neue höhere Maßstäbe und sichere den Völkern eine klare Perspektive. Er habe nicht nur Bedeutung für den Aufbau der kommunistischen Gesellschaft in der UdSSR, sondern auch in der DDR. Deshalb sei die KPdSU und Sowjetunion weiterhin Vorbild und die führende Kraft im sozialistischen Weltsystem.
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Große Würdigung verdiene die uneigennützige Solidarität des sowjetischen Volkes mit den um ihre Freiheit kämpfenden Völkern. Die Sowjetvölker würden beispiellose Opfer bringen, um anderen Völkern den Weg in ein besseres Leben zu ebnen.
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Es sei in erster Linie das Verdienst der Sowjetunion, dass der Frieden in der Welt sicherer gemacht wurde und der Imperialismus wesentliche Niederlagen hinnehmen musste. Die Politik der friedlichen Koexistenz setze sich immer mehr durch; daran könnten auch imperialistische Staaten nicht vorbeigehen.
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Der Rechenschaftsbericht an den XXV. Parteitag beweise erneut die Richtigkeit der Lehren des Marxismus-Leninismus, orientiere auf ihre strikte Einhaltung und mache klar, dass alle Abweichungen nur dem Klassengegner nutzen.
Große Würdigung finden die im Rechenschaftsbericht gestellten ökonomischen Aufgaben und die erreichten Erfolge bei der Verwirklichung des langfristigen Programms der sozialistischen ökonomischen Integration. Die geplante Zusammenarbeit zwischen der UdSSR, der DDR und den anderen sozialistischen Staaten in vielen Bereichen, insbesondere auch auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technik, sei zu begrüßen und bringe Vorteile für alle. Die Sowjetunion sei ein zuverlässiger Partner, und eine gegenseitige Unterstützung biete alle Voraussetzungen zur Erfüllung gestellter Aufgaben. Es wäre vielen klar geworden, dass auch die Weiterentwicklung der DDR ohne die sozialistische ökonomische Integration nicht planmäßig verlaufen könne.
Gegenwärtig ist an der Reaktion der Bevölkerung der DDR zu erkennen, dass sich viele Diskussionen mit den in den Dokumenten zum IX. Parteitag der SED gestellten Problemen verbinden und in den Gesprächen eine Einheit bilden.
Häufig werden jedoch in den verschiedensten Diskussionen in allen Bevölkerungsschichten aus mangelnder Kenntnis des gesamten Materials Fragen und Unklarheiten, die bis zur skeptischen Aussage reichen, deutlich.
So wird hervorgehoben:
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Es sei unverständlich, weshalb der Lebensstandard in der Sowjetunion nach 50-jährigem Aufbau des Sozialismus/Kommunismus ungenügend ausgewogen und immer noch niedriger sei als in der DDR. Könne in dieser Richtung noch von einer Vorbildwirkung der UdSSR gesprochen werden?
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Die Ausführungen des Genossen Breschnew zur Entwicklung der wirtschaftlichen Lage in der UdSSR seien sehr optimistisch einzuschätzen. Wie erkläre sich dann aber das Zurückbleiben der UdSSR bei der Entwicklung der Arbeitsproduktivität im Verhältnis zum erreichten Stand in den entwickelten kapitalistischen Ländern?
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Es sei keine ausreichende Erklärung dafür zu finden, dass die territorial großflächige UdSSR die für das Land notwendigen landwirtschaftlichen Produkte nicht in ausreichender Menge aufbringen könne.
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Die Führung der KPdSU habe die Dokumente des XXV. Parteitages nicht wie in der DDR die des IX. Parteitages der SED den Werktätigen rechtzeitig zur Diskussion gestellt. Könne daraus geschlussfolgert werden, dass in der DDR stärker die Demokratie verwirklicht werde?
Den größten Umfang in der Reaktion interessierter Bürger der DDR nehmen gegenwärtig in Auswertung der Materialien und des Verlaufs des XXV. Parteitages die Beziehungen zwischen den kommunistischen und Arbeiterparteien ein.5
Betont wird die vor aller Welt dokumentierte weitere Festigung der sozialistischen Staatengemeinschaft sowie der internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung. Die wachsende Zusammenarbeit dieser Parteien komme unter anderem in der großen Anzahl der Delegationen zum XXV. Parteitag als hohe Wertschätzung der KPdSU zum Ausdruck.
Gleichzeitig wird hervorgehoben, besondere Beachtung hätten die Ausführungen des Genossen Breschnew über bestehende Differenzen zwischen einzelnen Parteiführungen gefunden.6
Die Anwesenheit des Ersten Sekretärs der Partei der Werktätigen Vietnams, Le Duan, sei positiv zu vermerken und mache sichtbar, dass die vietnamesischen Genossen auf unserer Linie stünden. Trotzdem dürfe man dies gegenwärtig noch nicht überbewerten und müsse weiter abwarten, da die unmittelbare Nachbarschaft Chinas nicht ohne Auswirkungen bleiben könne.
Das Nichterscheinen des Generalsekretärs der Französischen Kommunistischen Partei, Marchais, sei infolge der Meinungsverschiedenheiten über die Diktatur des Proletariats bemerkenswert.7
Die Abwendung der KPF von den marxistisch-leninistischen Prinzipien der Diktatur des Proletariats habe unter den Kommunisten in den kapitalistischen Ländern große Unsicherheit ausgelöst und belaste das einheitliche Vorgehen der kommunistischen Weltbewegung. In diesem Zusammenhang hätte man ausführlichere Kommentare zur Diktatur des Proletariats im Verlaufe des XXV. Parteitages für gerechtfertigt gehalten.
Die eindeutige Einschätzung des gegenwärtigen Verhältnisses zwischen der Sowjetunion und China wird mehrfach hervorgehoben. Gleichzeitig treten dabei wiederholt Unklarheiten und Fragen auf. Auf der Grundlage der Ausführungen des Genossen Breschnew, die friedliche Koexistenz sei Grundlage für die Beziehungen UdSSR/China, treten Fragen über den Charakter der zurzeit in China herrschenden Gesellschaftsordnung in Erscheinung. Die friedliche Koexistenz fände bisher nur Anwendung zwischen Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung.8
An der Verwirklichung des Vorschlages einer Weltabrüstungskonferenz und eines Weltvertrages über Gewaltverzicht wird zum Teil gezweifelt, da die Bemühungen der Sowjetunion an der Feindseligkeit der chinesischen Führung scheitern würden.
Es sei heute fast leichter, mit imperialistischen Staaten mit gewissem Erfolg zu verhandeln als mit China. China müsse in zunehmendem Maße als die größte Gefahr für den Frieden angesehen werden. Die gesamte Politik der Maoisten richte sich gegen den Weltfrieden. Damit werde die Gefahr eines Dritten Weltkrieges heraufbeschworen. Seit dem XXIV. Parteitag der KPdSU habe China seine antisowjetische Politik stark forciert, und selbst die Tatsache der großen territorialen Entfernung DDR – China schütze die DDR nicht, im Falle bewaffneter Auseinandersetzungen UdSSR – China an einem eventuellen Krieg gegen China teilzunehmen.
Vereinzelt treten Fragen auf, inwieweit durch die Sowjetunion und die sozialistischen Staaten wirklich alles unternommen wird, die Beziehungen zu China wieder zu verbessern. Im Interesse der Erhaltung des Friedens seien wahrscheinlich Kompromisse gegenüber China unerlässlich.
Meinungsäußerungen mit negativ-feindlicher Aussage treten nur vereinzelt in Erscheinung und erlangen keine Massenwirksamkeit. Teilweise sind sogenannte politische Witze im Umlauf, die sich in ihren Pointen gegen den XXV. Parteitag und die UdSSR richten. Negativ-feindliche Aussagen spiegeln häufig die in westlichen Massenmedien betriebene Hetze gegen die UdSSR wider.
Die Diskussionen beinhalten besonders folgende Tendenzen:
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Die Sowjetunion solle ihre Probleme selbstständig lösen; von ihr könne man nichts lernen, und der Sozialismus werde durch ihr Vorbild auch nicht attraktiver.
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Der Parteitag diene dem Ziel, den Kommunismus über die ganze Welt zu verbreiten, aber die Sowjetunion habe mit ihren »Machtansprüchen« keinen Erfolg.
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Der Parteitag zeige, dass die KPdSU nicht mehr in der Lage ist, das sozialistische Lager zusammenzuhalten; es bröckele an allen Enden.
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Die KPdSU würde in den veröffentlichten Reden »Zweckoptimismus« verbreiten, um die Massen »bei der Stange zu halten«; aber es sei offensichtlich, dass sie in Vielem keine Fortschritte erzielen würde und der Lebensstandard in großen Teilen der Sowjetunion unter dem Durchschnitt liege.
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Die UdSSR liege in der landwirtschaftlichen Entwicklung am Boden; das sei kein Vorbild für uns, zumal im ehemaligen Ostpreußen größere Landstriche nicht bearbeitet würden.
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Die in den Referaten angesprochenen Meinungsverschiedenheiten zwischen den kommunistischen Parteien ließen auf ernstere Schwierigkeiten innerhalb der sozialistischen Staatengemeinschaft schließen. Es sei zu erkennen, dass nicht mehr alle Parteiführungen die »Anweisungen Moskaus« befolgen und die Führungsrolle der KPdSU verneinen.
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Das Fehlen des Generalsekretärs der KPF sei Beweis für eine »Opposition gegenüber der KPdSU«.
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Die PVAP habe mit ihrem Parteitag vor dem der KPdSU eine eigenständige Politik bewiesen und sich damit von der »Vormachtstellung Moskaus« losgesagt.
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Die SED bekomme auf dem XXV. Parteitag »ihre Linie«; die Führungsspitze der SED sei fast als einzige Partei noch »moskauhörig«. Die Sowjetunion nutze das wirtschaftlich aus und hole aus der DDR für geringe Gegenleistungen ökonomische Werte zur Aufbesserung der kritikwürdigen Lage in der Sowjetunion.
Gegenwärtig nehmen Spekulationen über einen »Führungswechsel der Spitze« der KPdSU an Umfang zu. Die leitenden Kader seien überaltert, hätten aufgrund einer »festgefahrenen Politik« außen- und innenpolitisch keine Erfolge mehr zu erzielen und würden die Sowjetunion »herunterwirtschaften«.
Die Gesundheit der Genossen Breschnew, Podgorny und Kossygin sei stark angegriffen. In der Führungsspitze seien »Intrigen und Machtkämpfe um die Positionen« nicht mehr zu verbergen. Sogenannte Generationsprobleme seien auch im leitenden Parteiapparat vorhanden.
Anlage [zum Bericht O/22 vom 4. März 1976]
[Stimmung in der BRD]
Intern wurden erste Meinungen von Bürgern der BRD zur Auswertung der Materialien des XXV. Parteitages der KPdSU bekannt. Daraus geht hervor, dass besonders die Passagen des Rechenschaftsberichtes über die Weiterführung der Friedenspolitik der UdSSR die Würdigung politisch interessierter Bürger der BRD finden.
Bemerkenswert sind erste Äußerungen aus Wirtschaftskreisen der BRD. Daraus ist zu erkennen, dass sich diese Kreise aufmerksam besonders über die Probleme im Rechenschaftsbericht informieren, die sich mit Fragen der Entwicklung der Landwirtschaft und der Konsumgüterproduktion in der UdSSR befassen.
In mehreren Meinungsäußerungen wird betont, diese auf weite Sicht berechnete Landwirtschaftspolitik der KPdSU stelle eine ernste Herausforderung an die westlichen Staaten dar und ermögliche es der UdSSR in Zukunft mit größerer Wirksamkeit, den politisch motivierten und manipulierten Störmanövern westlicher Staaten in Bezug auf den Getreidetransport in die UdSSR zu begegnen. Darüber hinaus müsse der Westen mit bedeutenden Schwierigkeiten auf den internationalen Märkten rechnen, falls es der UdSSR gelingt, die geplanten Dimensionen in den Steigerungsraten der Getreideproduktion zu erreichen.
Die Darlegungen auf dem XXV. Parteitag ließen die Schlussfolgerung zu, dass die UdSSR über die erforderlichen Voraussetzungen verfüge, in relativ kurzer Zeit die Produktion von Getreide und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen entsprechend der festgelegten Größenordnung zu steigern.
Obwohl es vorstellbar sei, dass sich die USA und die EWG durch Zollmaßnahmen vor überschüssigen Getreidemengen und anderen Landwirtschaftserzeugnissen aus der UdSSR schützen könnten, müsse in Betracht gezogen werden, dass sowohl die USA als auch die Länder der EWG in starkem Maße auf Exporte angewiesen sind.
Eine offensive sowjetische Landwirtschaftspolitik würde die Gefahr heraufbeschwören, dass internationale Warenmärkte in einen chaotischen Zustand geraten und zu einem »Massenelend« für Farmer in den USA und Bauern im EWG-Bereich führen könnten. Zu befürchten sei ein Zusammenbruch der marktwirtschaftlichen Verhältnisse auf den amerikanischen und europäischen Hauptmärkten. Deshalb müsse von allen westlichen Staaten und Industriekreisen die Herausforderung der UdSSR sehr ernst genommen werden, zumal erwartet werden müsse, dass die Realisierung des sowjetischen Landwirtschaftsprogramms – analog der gesammelten Erfahrungen in anderen Industriezweigen – auf der Basis stabsmäßiger Führungsmethoden erfolgen werde.
Großes Interesse finden in vorgenannten Kreisen die im Rechenschaftsbericht an den XXV. Parteitag entwickelten Hauptgedanken zum Plan der Konsumgüterproduktion. Mehrfach wird dabei von der Meinung ausgegangen, die im Programm geforderte Qualität sei in naher Zukunft noch nicht zu verwirklichen. Erwähnt wird in diesem Zusammenhang, entsprechend der »marxistischen Doktrin« würde erneut die Produktion zum Ausgangspunkt aller Überlegungen gemacht, die Bedeutung der Zirkulationssphäre würde jedoch unterschätzt. Deshalb sei in absehbarer Zeit hinsichtlich der Konsumgüterproduktion und der Versorgung der Bevölkerung der UdSSR nicht mit wesentlichen Veränderungen zu rechnen.
Große Aufmerksamkeit wurde in Wirtschaftskreisen der BRD der Nichtteilnahme des Generalsekretärs der KPF, Marchais, am XXV. Parteitag entgegengebracht und zum Teil als Ausdruck ernster politischer und theoretischer Diskrepanzen zwischen der KPdSU und der KPF gewertet.
Die Ergebnisse des KPF-Parteitages hätten in BRD-Wirtschaftskreisen allergrößtes Interesse gefunden.9 Verantwortliche Politiker und Unternehmer seien sich einig darüber, dass die Vertreter der KPF nach Möglichkeit mit der Wahrnehmung von Regierungsfunktionen betraut werden sollten. Durch eine solche Regierungsverantwortung müsste die KPF beweisen, dass sie es mit ihren Worten ernst meint und an marktwirtschaftlichen Prinzipien festhält.
Durch die Ablehnung der Diktatur des Proletariats im Programm der KPF besitze die KPF keine ausreichende Alternative mehr zur Sozialdemokratie. Im Prinzip stelle sich die KPF auf die gleichen theoretischen Grundlagen wie die sozialdemokratischen Parteien.
Es müsse die Auffassung vertreten werden, dass der XXV. Parteitag der KPdSU keinen wesentlichen Einfluss auf den Standpunkt der Führung der KPF haben werde. Eine Abkehr von den programmatischen Orientierungen des letzten KPF-Parteitages würde die Glaubwürdigkeit der KPF zu stark erschüttern.
Mit besonderem Interesse sei in BRD-Wirtschaftskreisen das Auftreten der Mitglieder der Delegation der Partei der Werktätigen Vietnams auf dem XXV. Parteitag verfolgt worden. Dieses Interesse begründe sich in der Überzeugung, dass Vietnam heute als einer der wichtigsten politischen Faktoren in Südostasien gilt und sich dort nach Ansicht westlicher Wirtschaftskreise wichtige politische Entscheidungen anbahnen und vollziehen. Es entstehe in diesem Zusammenhang der Eindruck, dass das Verhältnis der Kommunisten Vietnams zur KPdSU und zur UdSSR stärker ist als zu China. Es müsse befürchtet werden, dass sich die weitere Festigung der Beziehungen zwischen Vietnam und der UdSSR negativ auf die innere Lage in der VR China auswirken wird, zumal die Südprovinzen Chinas, die an die DRV grenzen, bereits jetzt als relativ unzuverlässig im Sinne des Mao Tse-tung-Kurses gelten.