Bevölkerungsreaktion zum XXV. Parteitag der KPdSU
22. März 1976
Information über Reaktionen der Bevölkerung der DDR zum XXV. Parteitag der KPdSU [Bericht O/23]
Es ist einzuschätzen, dass die Materialien des XXV. Parteitages der KPdSU im Allgemeinen starkes Interesse und ein positives Echo bei der Bevölkerung der DDR fanden.
Besondere Bedeutung wurde und wird dem Rechenschaftsbericht des Generalsekretärs des ZK der KPdSU, Genossen Leonid Breschnew, der Begrüßungsansprache des Ersten Sekretärs des ZK der SED, Genossen Erich Honecker, sowie dem Bericht über die Hauptrichtungen der Entwicklung der Volkswirtschaft der UdSSR von 1976 bis 1980 beigemessen.
In Meinungsäußerungen interessierter parteiloser Bürger der DDR aller Schichten sowie von Mitgliedern der SED wird betont, sie hätten sich zum größten Teil zunächst einen ersten Überblick über die Veröffentlichungen zum XXV. Parteitag verschafft. Aufgrund des Umfanges aller in den letzten Wochen in den Presseorganen der DDR veröffentlichten Materialien, zum Beispiel auch in Vorbereitung des IX. Parteitages, hätten viele Bürger ein gründliches, allumfassendes Studium nicht abgeschlossen bzw. konzentrierten sich beim Lesen des Materials in erster Linie auf solche Abschnitte und Passagen in den Materialien des XXV. Parteitages, die für sie von besonderem Interesse seien. In diesem Zusammenhang wird mehrfach geäußert, die Vielzahl der Dokumente sei im Studium gegenwärtig vom Umfang her nicht zu bewältigen; nach dem täglichen Arbeitspensum sei es für viele schwer, noch lange Referate und Artikel zu studieren; viele auf dem XXV. Parteitag behandelten Probleme seien für die DDR-Bürger nicht von unmittelbarem Interesse und würden deshalb nicht die volle Aufmerksamkeit aller DDR-Bürger finden.
In den bekannt gewordenen überwiegend positiven und zustimmenden Meinungsäußerungen zum XXV. Parteitag wird mit großer Genugtuung der herzliche Empfang der Delegationen der Bruderparteien, insbesondere der KP Kubas und der Partei der Werktätigen Vietnams, durch die führenden Genossen des ZK der KPdSU vermerkt. Hervorgehoben wurde die auf dem XXV. Parteitag der KPdSU deutlich sichtbare herzliche Freundschaft und Verbundenheit zwischen der KPdSU und der SED sowie ihren führenden Repräsentanten, die besonders in der herzlichen Begrüßung des Genossen Honecker durch Genossen Breschnew zum Ausdruck gekommen sei.
Unter Hinweis auf die Entwürfe der Dokumente des IX. Parteitages der SED wird häufig auf die Übereinstimmung der Auffassungen in Grundfragen zwischen der KPdSU und der SED hingewiesen. In diesem Zusammenhang werden wiederholt die Freundschaft und enge Zusammenarbeit KPdSU/SED als Voraussetzung für die erreichten Erfolge in der DDR hervorgehoben.
Besondere Zustimmung finden die Passagen des Rechenschaftsberichtes des ZK der KPdSU an den XXV. Parteitag, welche die politische Lage in der Welt und die historischen Erfolge des Sozialismus, das Programm des weiteren Kampfes für Frieden und internationale Zusammenarbeit, die gemeinsame Politik sozialistischer Staaten und ihr enges Bündnis sowie die Sozialpolitik zum Inhalt haben.
In den überwiegend zustimmenden Äußerungen zur Rede des Genossen Breschnew dominiert die Wertschätzung der klaren Aussage über die Kontinuität der Friedenspolitik und die damit verbundenen neuen konstruktiven Vorschläge. Weiterhin finden die offenen und kritischen Darlegungen über die Entwicklung der sozialistischen Staatengemeinschaft und die auf die weitere politische und ökonomische Integration gerichteten komplizierten perspektivischen Aufgaben große Aufmerksamkeit. Insbesondere die klaren Aussagen über die Fortführung der Friedenspolitik der Sowjetunion finden ein positives Echo in allen Bevölkerungsschichten und werden als eine der wichtigsten Aussagen des XXV. Parteitages und als beispielhaft hervorgehoben.
Mehrfach äußerten sich Bürger beeindruckt von der umfassenden marxistisch-leninistischen Einschätzung zur nationalen und internationalen Lage, die sie unter anderem als sachlich, orientierend und begeisternd bezeichneten.
In einer Reihe zustimmender Meinungsäußerungen sind besonders folgende Tendenzen zu erkennen:
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Die im Rechenschaftsbericht an den XXV. Parteitag gezogene Bilanz sei sehr beeindruckend auf allen Gebieten. Der Elan der Sowjetbürger, ihre Leistungen und Ziele verdienen volle Bewunderung und sollten Beispiel sein für uns.
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Die im Rechenschaftsbericht gemachten Ausführungen zu den Fragen der Außenpolitik, insbesondere die konkreten Vorschläge zur weiteren Durchsetzung der Entspannungspolitik, seien richtungweisend und bestimmend für den weiteren Kampf aller friedliebenden Menschen.
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Der XXV. Parteitag der KPdSU setze neue höhere Maßstäbe und sichere den Völkern eine klare Perspektive. Er habe nicht nur Bedeutung für den Aufbau der kommunistischen Gesellschaft in der UdSSR, sondern auch in der DDR. Deshalb seien die KPdSU und Sowjetunion weiterhin Vorbild und die führende Kraft im sozialistischen Weltsystem.
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Es sei in erster Linie das Verdienst der Sowjetunion, dass der Frieden in der Welt sicherer gemacht wurde und der Imperialismus wesentliche Niederlagen hinnehmen musste. Die Politik der friedlichen Koexistenz setze sich immer mehr durch; daran könnten auch imperialistische Staaten nicht vorbeigehen.
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Hervorgehoben werden müsse die Formulierung, dass es keinen automatischen Zusammenbruch des Kapitalismus geben wird und die wichtigste Waffe der Arbeiterklasse im Kampf gegen den Imperialismus nach wie vor der proletarische Internationalismus ist.
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Der XXV. Parteitag habe richtungweisend Beschlüsse gefasst, die zur Erhaltung des Friedens auf allen Kontinenten von großer Bedeutung sind.
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Die Beschlüsse des XXV. Parteitages zur Stabilisierung des Friedens haben die friedliebenden Bürger der DDR sehr bewegt. Die Stärke der Sowjetunion habe in der Welt Autorität, und wir müssen der Sowjetunion dankbar sein für alle uns bisher gegebene Unterstützung.
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Der Rechenschaftsbericht an den XXV. Parteitag beweise erneut die Richtigkeit der Lehren des Marxismus-Leninismus, orientiere auf ihre strikte Einhaltung und mache klar, dass alle Abweichungen nur dem Klassengegner nutzen.
Die Darlegungen des Genossen Breschnew über die Entwicklung der internationalen Beziehungen und das Programm des weiteren Kampfes für Frieden und internationale Zusammenarbeit, für Freiheit und Unabhängigkeit der Völker finden große Zustimmung und stehen im Mittelpunkt vieler Diskussionen.
Große Würdigung verdiene in diesem Zusammenhang die uneigennützige Solidarität des sowjetischen Volkes mit den um ihre Freiheit kämpfenden Völkern. Die Sowjetvölker würden beispiellos Opfer bringen, um anderen Völkern den Weg in ein besseres Leben zu ebnen.
Viele DDR-Bürger sind sehr beeindruckt von der Unterstützung und Hilfe für die Völker, die sich vom Joch des Imperialismus befreiten. Es sei offensichtlich, dass einige dieser Länder die vom Imperialismus gegen sie verhängte Blockade ohne die Hilfe der Sowjetunion nicht überwunden hätten. Die Einschränkungen, welche die Sowjetbürger im Interesse anderer Völker auf sich genommen hätten, wären ohne Beispiel in der Geschichte. Es wäre fraglich, ob das Bewusstsein der DDR-Bevölkerung bereits so weit ausgeprägt sei, um gleiche Abstriche zum Beispiel an der Verbesserung des Lebensstandards im Interesse der Weiterentwicklung anderer Länder zu machen. Obwohl die Sowjetunion von der Haltung einiger Länder, denen sie uneigennützig Hilfe gewährt habe, wie zum Beispiel Ägypten, enttäuscht worden sei, habe sie in der Solidarität gegenüber anderen um ihre Freiheit und Unabhängigkeit kämpfenden Völkern nicht nachgelassen.
Große Würdigung finden die im Rechenschaftsbericht und im Bericht des Genossen Kossygin gestellten ökonomischen Aufgaben und die erreichten Erfolge bei der Verwirklichung des langfristigen Programms der sozialistischen ökonomischen Integration. Die geplante Zusammenarbeit zwischen der UdSSR, der DDR und den anderen sozialistischen Staaten in vielen Bereichen, insbesondere auch auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technik, sei zu begrüßen und bringe Vorteile für alle. Die Sowjetunion sei ein zuverlässiger Partner, und eine gegenseitige Unterstützung biete alle Voraussetzungen zur Erfüllung gestellter Aufgaben. Es wäre vielen klar geworden, dass auch die Weiterentwicklung der DDR ohne die sozialistische ökonomische Integration nicht planmäßig verlaufen könne. Folgende Meinungen treten dazu besonders in Erscheinung:
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Die politische und wirtschaftliche Stärke der Sowjetunion kommt in der vom XXV. Parteitag gezogenen Bilanz erst richtig zum Bewusstsein. Allein die neu errichteten Städte und Industriezentren zeugen von den Leistungen der Arbeiterklasse unter Führung der KPdSU.
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Die Zielsetzung, von 1976 bis 1990 etwa doppelt so große materielle und finanzielle Ressourcen wie im vergangenen Zeitraum von 15 Jahren zu erreichen, ist einmalig in der Welt und zeugt von der großen Kraft des Sozialismus und Kommunismus.
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Die geplante verstärkte Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technik lässt auch die Aufgaben der DDR deutlich erkennen. In der DDR sollte alles unternommen werden, um alle Verpflichtungen gegenüber der Sowjetunion zu erfüllen und ein guter Partner zu sein.
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Die Ausführungen auf dem XXV. Parteitag zur sozialistischen ökonomischen Integration zeigen die dynamische Entwicklung, die für die DDR Verpflichtung sein muss, die Exportaufgaben termingerecht und in hoher Qualität zu erfüllen. Das ist Beweis dafür, dass die termingerechte Planerfüllung nicht nur nationale, sondern internationale Bedeutung hat.
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Der XXV. Parteitag hebt die große Bedeutung des Freundschaftsvertrages zwischen der DDR und der UdSSR erneut hervor.
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Es ist beeindruckend, mit welcher Klarheit der XXV. Parteitag alle Ergebnisse und Aufgaben darlegt, gleichzeitig aber auch auf die Probleme hinweist, die noch zu lösen sind. Jedes noch so grandiose Programm lässt sich nicht im Selbstlauf lösen, sondern es sind Barrieren zu überwinden, die offen genannt wurden.
Bei der Vielzahl und überwiegenden Mehrzahl der positiven Aussagen zum XXV. Parteitag werden jedoch in verschiedenen Diskussionen zum Teil aus mangelnder Kenntnis des gesamten Materials Fragen und Unklarheiten, die bis zur skeptischen Aussage reichen, deutlich. So wird hervorgehoben,
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es sei unverständlich, weshalb der Lebensstandard in der Sowjetunion nach 50-jährigem Aufbau des Sozialismus/Kommunismus ungenügend ausgewogen und immer noch niedriger sei als in der DDR. Könne in dieser Richtung noch von einer Vorbildwirkung der UdSSR gesprochen werden?
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Die Ausführungen des Genossen Breschnew zur Entwicklung der wirtschaftlichen Lage in der UdSSR seien sehr optimistisch einzuschätzen. Wie erkläre sich dann aber das Zurückbleiben der UdSSR bei der Entwicklung der Arbeitsproduktivität im Verhältnis zum erreichten Stand in den entwickelten kapitalistischen Ländern?
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Es sei keine ausreichende Erklärung dafür zu finden, dass die territorial großflächige UdSSR die für das Land notwendigen landwirtschaftlichen Produkte nicht in ausreichender Menge aufbringen könne.
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Müsse aus den Ausführungen des XXV. Parteitages die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Landwirtschaft gegenüber der Industrie teilweise vernachlässigt worden sei? Die ungenügenden Ertragssteigerungen seien unter Umständen nicht nur auf die ungünstigen Witterungsbedingungen zurückzuführen, sondern auch auf eine mangelhafte Organisation in Kollektivwirtschaften.
Den größten Umfang in der Reaktion interessierter Bürger der DDR nehmen gegenwärtig in Auswertung der Materialien und des Verlaufs des XXV. Parteitages die Beziehungen zwischen den kommunistischen und Arbeiterparteien ein. Betont wird die vor aller Welt dokumentierte weitere Festlegung der sozialistischen Staatengemeinschaft sowie der internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung. Die wachsende Zusammenarbeit dieser Parteien komme u. a. in der großen Anzahl der Delegationen zum XXV. Parteitag als hohe Wertschätzung der KPdSU zum Ausdruck.
Gleichzeitig wird hervorgehoben, besondere Beachtung hätten die Ausführungen des Genossen Breschnew über bestehende Differenzen zwischen einzelnen Parteiführungen gefunden. Die Anwesenheit des Ersten Sekretärs der Partei der Werktätigen Vietnams, Le Duan, sei positiv zu vermerken und mache sichtbar, dass die vietnamesischen Genossen auf unserer Linie stünden. Trotzdem dürfe man dies gegenwärtig noch nicht überbewerten und müsse weiter abwarten, da die unmittelbare Nachbarschaft Chinas nicht ohne Auswirkungen bleiben könne.
Von Mitgliedern der SED wird vereinzelt die Frage gestellt, warum die KP der Niederlande und Japans nicht mit einer Delegation auf dem XXV. Parteitag der KPdSU vertreten waren.
Die eindeutige Einschätzung des gegenwärtigen Verhältnisses zwischen der Sowjetunion und China wird mehrfach hervorgehoben. Gleichzeitig treten dabei wiederholt Unklarheiten und Fragen auf. Auf der Grundlage der Ausführungen des Genossen Breschnew, die friedliche Koexistenz sei Grundlage für die Beziehungen UdSSR/China, treten Fragen über den Charakter der zurzeit in China herrschenden Gesellschaftsordnung in Erscheinung. Die friedliche Koexistenz fände bisher nur Anwendung zwischen Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung.
An der Verwirklichung des Vorschlages einer Weltabrüstungskonferenz und eines Weltvertrages über Gewaltverzicht wird zum Teil gezweifelt, da die Bemühungen der Sowjetunion an der Feindseligkeit der chinesischen Führung scheitern würden. Es sei heute fast leichter, mit imperialistischen Staaten mit gewissem Erfolg zu verhandeln als mit China. China müsse in zunehmendem Maße als die größte Gefahr für den Frieden angesehen werden. Die gesamte Politik der Maoisten richte sich gegen den Weltfrieden; damit werde die Gefahr eines Dritten Weltkrieges heraufbeschworen. Seit dem XXIV. Parteitag der KPdSU habe China seine antisowjetische Politik stark forciert, und selbst die Tatsache der großen territorialen Entfernung DDR – China schütze die DDR nicht, im Falle bewaffneter Auseinandersetzungen UdSSR – China an einem eventuellen Krieg gegen China teilzunehmen.
Vereinzelt treten Fragen auf, inwieweit durch die Sowjetunion und die sozialistischen Staaten wirklich alles unternommen wird, die Beziehungen zu China wieder zu verbessern. Im Interesse der Erhaltung des Friedens seien wahrscheinlich Kompromisse gegenüber China unerlässlich.
Die klare marxistisch-leninistische Haltung der KPdSU zur Politik der derzeitigen chinesischen Führer sei hervorzuheben; gleichzeitig sei jedoch die Geduld, die bis zur Nachsicht reiche, gegenüber den antisowjetischen Ausfällen dieser Clique zu bewundern. Der sachlichen und konstruktiven Friedenspolitik der KPdSU sei es zu verdanken, dass es bisher zu keinen ernsthaften Zwischenfällen gekommen sei.
Deutlich sei in Übereinstimmung mit allen Friedenskräften die Gefahr Chinas für den Weltfrieden hervorgehoben worden. China sei als Reserve des Imperialismus erkannt und müsse entsprechend eingeordnet werden.
In einigen Fällen werden von politisch interessierten Bürgern und Mitgliedern der SED Fragen nach der Haltung des werktätigen Volkes Chinas zur Politik ihrer führenden Funktionäre gestellt. Es sei denkbar, dass dieser Politik starker Widerstand entgegengesetzt wird, und eine Einschätzung und Publizierung dieses Differenzierungsprozesses sei bei der Bedeutung des Problems von großem Interesse.
Das Nichterscheinen des Generalsekretärs der Französischen Kommunistischen Partei, Marchais, sei infolge der Meinungsverschiedenheiten über die Diktatur des Proletariats bemerkenswert, wird in einer Reihe von Argumenten aus allen Bevölkerungsschichten der DDR hervorgehoben. Die Abwendung der KPF von den marxistisch-leninistischen Prinzipien der Diktatur des Proletariats habe unter den Kommunisten in den kapitalistischen Ländern große Unsicherheit ausgelöst und belaste das einheitliche Vorgehen der kommunistischen Weltbewegung.
In diesem Zusammenhang hätte man ausführlichere Kommentare zur Diktatur des Proletariats im Verlaufe des XXV. Parteitages für gerechtfertigt gehalten. Es sei erwähnenswert, dass in den Materialien des XXV. Parteitages die Formulierung »Diktatur des Proletariats« häufig nicht direkt, sondern in sogenannter Umschreibung gebraucht worden wäre. Es sei anzunehmen, dies sei mit dem Ziel erfolgt, die Diskrepanzen nicht noch stärker zu belasten.
Für viele politisch interessierte Bürger und Mitglieder der SED habe die Haltung der Führung der KPdSU eine Überraschung bedeutet, da die FKP bisher als konsequente marxistisch-leninistische Partei eingeschätzt worden wäre. Es sei bisher für uns ungenügend motiviert, warum die FKP ihren eigenen Weg zum Sozialismus gehen wolle. Nach jetziger Kenntnis sei die FKP auf dem Wege, sich vom Marxismus-Leninismus abzukehren.
Es sei ein Widerspruch, dass die FKP die allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten des Sozialismus anerkenne, aber die bewährte Politik der Diktatur des Proletariats ablehne. Es sei von Interesse, welche Ursachen und Besonderheiten für diese Haltung ausschlaggebend seien. Gleichzeitig spiele für die Beurteilung der Haltung der Führung der FKP eine Rolle, inwieweit es sich lediglich um theoretische Erwägungen führender Funktionäre der FKP handele oder die gesamte Partei dahinterstehe. Es liege nicht im Interesse der sozialistischen Staatengemeinschaft, wenn sich das Verhältnis zur FKP, das sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt habe, verschärfen würde. Dies bedeute letztlich eine Schwächung der Einheit und Geschlossenheit der kommunistischen Weltbewegung.
Meinungsäußerungen mit negativ-feindlicher Aussage treten nur vereinzelt in Erscheinung und erlangen keine Massenwirksamkeit. Teilweise sind sogenannte politische Witze im Umlauf, die sich in ihren Pointen gegen den XXV. Parteitag und die UdSSR richten. Negativ-feindliche Aussagen spiegelt häufig die in westlichen Massenmedien betriebene Hetze gegen die UdSSR wider. Die Diskussionen beinhalten besonders folgende Tendenzen:
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Die Sowjetunion solle ihre Probleme selbstständig lösen; von ihr könne man nichts lernen, und der Sozialismus werde durch ihr Vorbild auch nicht attraktiver.
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Der Parteitag diene dem Ziel, den Kommunismus über die ganze Welt zu verbreiten; aber die Sowjetunion habe mit ihren »Machtansprüchen« keinen Erfolg.
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Der Parteitag zeige, dass die KPdSU nicht mehr in der Lage ist, das sozialistische Lager zusammenzuhalten; es bröckele an allen Enden.
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Die KPdSU würde in den veröffentlichten Reden »Zweckoptimismus« verbreiten, um die Massen »bei der Stange zu halten«; aber es sei offensichtlich, dass sie in Vielem keine Fortschritte erzielen würde und der Lebensstandard in großen Teilen der Sowjetunion unter dem Durchschnitt liege.
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Die UdSSR liege in der landwirtschaftlichen Entwicklung am Boden; das sei kein Vorbild für uns, zumal im ehemaligen Ostpreußen größere Landstriche nicht bearbeitet würden.
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Die in den Referaten angesprochenen Meinungsverschiedenheiten zwischen den kommunistischen Parteien ließen auf ernstere Schwierigkeiten innerhalb der sozialistischen Staatengemeinschaft schließen. Es sei zu erkennen, dass nicht mehr alle Parteiführungen die »Anweisungen Moskaus« befolgen, dass sie die Führungsrolle der KPdSU verneinen.
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Das Fehlen des Generalsekretärs der KPF sei Beweis für eine »Opposition gegenüber der KPdSU«.
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Die PVAP habe mit ihrem Parteitag vor dem der KPdSU eine eigenständige Politik bewiesen und sich damit von der »Vormachtstellung Moskaus« losgesagt.
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Die SED bekomme auf dem XXV. Parteitag »ihre Linie«; die Führungsspitze der SED sei fast als einzige Partei noch »moskauhörig«. Die Sowjetunion nutze das wirtschaftlich aus und hole aus der DDR für geringe Gegenleistungen ökonomische Werte zur Aufbesserung der kritikwürdigen Lage in der Sowjetunion.
Anlage [zum Bericht O/23 vom 22. März 1976]
[Stimmung in der BRD]
[Nicht in Edition aufgenommen, da identisch mit Anlage von Bericht O/22]