Brand im Betriebsteil Güstrow des VEB Bauelemente Stralsund
27. August 1976
Information Nr. 601/76 über einen Brand im VEB Bauelemente Stralsund, Betriebsteil Güstrow/Bezirk Schwerin
Am 19. August 1976, gegen 2.00 Uhr brach in einer massiven Produktionshalle des VEB Bauelemente Stralsund, Betriebsteil Güstrow/Bezirk Schwerin ein Brand aus, der das Gebäude bis auf die Grundmauern zerstörte. Der dadurch entstandene Sachschaden, insbesondere an Gebäuden und Maschinen beträgt ca. 750 000 Mark Personenschaden entstand nicht.
In der zerstörten Produktionshalle wurden sogenannte Wabenplatten für Füllmaterial von Innentüren für den Wohnungsbau der DDR hergestellt. (Der Betrieb beliefert alle Wohnungsbaukombinate der DDR mit Innentüren.)
Die zur Klärung der Brandursachen vom MfS gemeinsam mit der DVP und der Technischen Überwachung eingeleiteten Untersuchungen ergaben bisher Folgendes:
Der in der Produktionshalle untergebrachte Hartfaser- und Cojafex-Zuschnitt erfolgt auf der Basis des innerbetrieblichen Nachbaus einer holländischen Anlage, die im VEB Holzwerke Güsten/Bezirk Magdeburg aufgestellt ist. Diese sogenannte Wabenreckanlage war im Rahmen der Neuererbewegung des Betriebes entwickelt und aufgebaut worden. Für die gesamte Anlage sind keine Projektunterlagen vorhanden. Die Abnahme erfolgte durch den Technischen Leiter des Betriebes, [Name], unter dessen Leitung auch der Aufbau erfolgte. Durch [den technischen Leiter] wurde auch die Schutzgüte der Anlage abgenommen.
Die vorhandene Bedienungsvorschrift bezieht sich lediglich auf Schaltvorgänge. (In der Anlage war es in der Vergangenheit bereits zu einem Kabelbrand sowie zu einem Entstehungsbrand am Trockenkanal gekommen, die jedoch rechtzeitig festgestellt und gelöscht werden konnten.)
Während der Nachtschicht am 19. August 1976 waren in der gesamten Halle 15 Personen tätig. Sie verließen gegen 1.30 Uhr die Halle, um ihr Essen einzunehmen. Lediglich der Bandführer [Name] verließ die Halle erst 1.40 Uhr, nachdem er die Anlage noch einmal überprüft hatte.
Dieser Bandführer und eine weitere Produktionsarbeiterin waren verantwortlich für das Ausschalten der zur Wabenreckanlage gehörenden Heißlufterhitzer sowie des Hauptschalters der Anlage. Nach ihren Aussagen haben sie die Anlage stromlos gemacht.
Bis zum Ausbruch des Brandes sind die Maschinen ordnungsgemäß gelaufen. Lediglich ein Heißlufterhitzer lief erst beim Schalten der 3. Phase auf vollen Touren.
Wie die bisher noch nicht abgeschlossenen Untersuchungen zur eindeutigen Klärung der Brandursachen ergaben, befanden sich die elektrischen Anlagen an der Wabenreckanlage in einem mangelhaften Zustand. (Die mit der elektrotechnischen Wartung der Anlage betrauten Betriebselektriker bestätigen zumindest teilweise, ihren Kontrollpflichten nur ungenügend bzw. erst auf ausdrückliche Forderung des Bandführers nachgekommen zu sein.)
Darüber hinaus wurden jedoch von den Experten der Technischen Überwachung wesentliche Mängel beim Aufbau der gesamten E-Anlage festgestellt.
Während bei der als Vorbild für den Bau der Wabenreckanlage in Güstrow dienenden holländischen Maschine in Güsten die Türfüllungen mit maximaler Dampftemperatur von ca. 160 °C getrocknet werden, erfolgt dieser Vorgang in der nachgebauten Anlage in Güstrow mittels Infrarotstrahlung sowie Glühbirnen. Die mittels Infrarotstrahlung erzeugte Hitze kann – wie durch die Experten festgestellt wurde – zum Wärmestau und letztendlich zum Brand führen.
Wie Bandführer [Name] z. B. zum Ausdruck brachte, habe es in der Vergangenheit bereits mehrmals nach verschmortem Gummi gerochen, da die Gummitransportbänder der Anlage teilweise nur zwei cm von den Glühbirnen entfernt laufen.
Mehrfach brannten auch Sicherungen durch, ohne dass nach den Ursachen geforscht wurde.
Bis vor ca. 14 Tagen waren zum Trocknen der Türfüllungen 100-Watt-Glühbirnen in der Wabenreckanlage installiert, die dann jedoch ohne entsprechende Begründung gegen 200-Watt-Glühbirnen ausgetauscht wurden.
Zum Bandführer [Name] ist zu bemerken, dass dieser am 28. Juli 1976 von der Betriebsleitung einen schriftlichen Verweis erhielt, weil er die Heizung dieser Anlage nicht abschaltete. Dadurch kam es zu einem Wärmestau und erhöhter Brandgefahr. Der [Bandführer] hat die beiden genannten Brände entdeckt und rechtzeitig gelöscht. [Der Bandführer] ist seit Dezember 1975 im Betrieb tätig und leistet eine durchschnittliche Arbeit. (Gesellschaftlich tritt er nicht in Erscheinung.)
Infolge der starken Zerstörung des Ereignisortes können gegenwärtig noch keine abschließenden Aussagen getroffen werden. Eine vorsätzliche Handlung wird jedoch nach übereinstimmenden Auffassungen der an der Untersuchung beteiligten Experten ausgeschlossen.
Die weiteren Untersuchungen konzentrieren sich in erster Linie auf die Herausarbeitung von Pflichtverletzungen beim Nachbau der im VEB Holzwerke Güsten vorhandenen Anlage sowie auf eventuelle elektrische Ursachen.
In Abhängigkeit vom Ergebnis dieser Untersuchungen wird über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens entschieden.
Seitens der VVB Bauelemente und Faserbaustoffe wurden in der Zwischenzeit Maßnahmen zur schnellen Aufnahme der Produktion bzw. zur Umverlagerung von Produktionskapazitäten eingeleitet.
Die Teilproduktion von Türen soll am 30. August 1976 wieder anlaufen, sodass ab 1. September 1976 wieder Türen ausgeliefert werden. (Bis zu diesem Zeitpunkt kommt es zu einem Produktionsausfall von ca. 5 880 Türen und ca. 15 000 Türflügeln.)
Der tägliche Bedarf an zugeschnittenen Hartfaserplatten wird durch zeitweilige Verlagerung der Produktion in andere Betriebe gedeckt.