Brand im Werk Dessau des VEB Zellstoff- u. Papierfabriken Merseburg
25. August 1976
Information Nr. 586/76 über einen Brand im VEB Vereinigte Zellstoff- und Papierfabriken Merseburg, Werk 3 Dessau
Am 21. August 1976, gegen 12.10 Uhr brach im VEB Vereinigte Zellstoff- und Papierfabriken Merseburg, Werk 3 Dessau, ein Brand aus, durch den ein Produktionsgebäude (u. a. mit Automatenstraße, Fertigwarenlager, Lagerhalle, Rohpapierlager, Versand) von 1 500 m² Fläche völlig zerstört und ein Maschinensaal mit zwei Papiermaschinen und Altpapierlager zum Teil beschädigt wurden.
Nach vorliegenden Schätzungen beträgt der Sachschaden ca. 2,7 Mio. Mark, wobei der durch Produktionsausfall entstehende Folgeschaden nicht eingerechnet ist. Personenschaden ist nicht eingetreten.
(Der Betrieb produziert ausschließlich Toilettenpapier in einer Gesamtjahreshöhe von 10 050 t, bei einer durchschnittlichen Tagesproduktion von ca. 30 t.)
Die vom MfS in Zusammenarbeit mit der DVP eingeleiteten Untersuchungen ergaben bisher Folgendes:
Am 21. August 1976, gegen 12.10 Uhr stellte ein Betriebsangehöriger eine Rauchentwicklung vor der Verladerampe der genannten Produktionshalle, unmittelbar neben einem Lkw-Anhänger, fest. (Dieser Hänger dient zur Aufnahme von ständig anfallendem Abfallpapier und war zum Zeitpunkt des Brandes voll beladen.)
Zusätzlich lagen am Boden neben dem Hänger noch größere Mengen Abfallreste umher, die bei der Konfektionierung entstehen und mittels einer Trennschleifscheibe von einer Aluminiumhülse abgetrennt, gesammelt und der Wiederverwendung zugeführt werden. Durch Zeugenaussagen wurden einwandfrei die Papierreste am Hänger als Ausgangspunkt der Brandentstehung bezeichnet.
Wie weiter festgestellt wurde, hat der [Name], geboren am [Tag] 1955, wohnhaft Dessau, [Adresse], tätig als Maschinenführer, gegen 11.45 Uhr mit der Trennschleifmaschine an einer Aluminiumhülse gearbeitet. Um die mehrschichtigen Restlagen möglichst schnell von der Hülse zu trennen, drückte er die Maschine sehr stark gegen die Hülse, was durch Riefenbildung im Material noch nachweisbar ist. Das abgetrennte Papier brachte [der Maschinenführer] zum Hänger und legte es dort ab.
Von den Sachverständigen wird übereinstimmend angenommen, dass durch das übermäßig starke Andrücken der Maschine eine Wärmeübertragung Aluminiumhülse – Toilettenpapier mit Glimmnestbildung erfolgte, wobei durch den am Brandtag herrschenden böigen Wind das glimmende Papier zum Brand entfacht wurde. (Entsprechende Versuche hierzu werden am 23. August 1976 durchgeführt.)
Die bisherigen Ermittlungen schließen eine andere Brandursache aus.
Der [Maschinenführer], der seine Arbeit bisher zufriedenstellend ausführte, bestätigte in seiner Vernehmung, dass er bei der Handhabung der Trennschleifmaschine mit großem Kraftaufwand hantiert und dabei Riefen von ca. 2 mm Tiefe in die Aluminiumhülse eingedrückt habe, wodurch eine hohe Wärmeentwicklung ausgelöst worden sei. ([Der Maschinenführer] hat den Abschluss der Sonderschule, 7. Klasse. Er ist seit 1971 im Betrieb tätig und als Maschinenführer eingesetzt, obwohl er dazu keine berufliche Ausbildung hat.)
Begünstigend für das große Ausmaß des Brandes wirkte sich aus, dass die Feuerwehr nicht sofort alarmiert wurde. So verstrich wertvolle Zeit, weil von den Beschäftigten versucht wurde, den Brand allein zu löschen. Außerdem wäre der Brand nur auf den Hänger beschränkt geblieben, wenn er vom Schleppdach an der Verladerampe weggezogen worden wäre. Die Ausbreitung des Brandes auf die Inneneinrichtung hätte vermieden werden können, wenn man die Türen zum brennenden Hänger sofort geschlossen hätte. Der Wind hätte so keine brennenden Papierreste ins Innere blasen können.
Die Havariekommission des Betriebes hat in Abstimmung mit der VVB und den territorialen Organen Folgendes Kampfziel festgelegt:
- –
Inbetriebnahme der Papiermaschine 6 am 1. September 1976,
- –
Inbetriebnahme der Papiermaschine 5 am 1. Oktober 1976 (umfangreiche Baumaßnahmen sind zu realisieren),
- –
Vorlage einer Gesamtkonzeption bis zum 25. August 1976 über den Wiederaufbau des Werkes.
Die Untersuchungen werden fortgesetzt. In Abhängigkeit von den Ergebnissen wird über die Einleitung strafrechtlicher Konsequenzen entschieden.