Brand in der Druckerei des Neuen Deutschlands, Ostberlin
9. Juli 1976
Information Nr. 504/76 über die bisher vorliegenden Aufklärungsergebnisse im Zusammenhang mit der Verpuffung im Verdichterraum der Druckerei »Neues Deutschland«, Berlin, Franz-Mehring-Platz 1, am 29. Juni 1976
Am 29. Juni 1976, gegen 23.30 Uhr ereignete sich im Verdichterraum der Druckerei »Neues Deutschland«, Berlin, Franz-Mehring-Platz 1, eine Verpuffung im Ölabscheider mit nachfolgendem Brand. Infolge der sofort eingeleiteten Löschmaßnahmen entstand nur geringer Sachschaden; Personen wurden nicht verletzt.
Durch die Verpuffung wurde die Herstellung des Zentralorgans der SED »Neues Deutschland« nicht beeinträchtigt.
Die durch die Sicherheitsorgane und Fachexperten eingeleiteten Untersuchungen zur Aufklärung der Ursachen ergaben, dass die Verpuffung als Folge des Ausfalls eines der sechs installierten Verdichter entstand.
Die Untersuchung des betreffenden Verdichters ergab u. a., dass zum Zeitpunkt der Verpuffung eine Innentemperatur von ca. 300oC anstand und am Pleuel Verfärbungen der metallischen Teile zu erkennen waren. Nach Auffassung der Experten hat die hohe Innentemperatur des Verdichters im nachgeschalteten Ölabscheider zur Bildung eines Öl-Gas-Gemisches geführt. Weitere Feststellungen ergaben, dass die Verdichter einer Dauerbelastung unterlagen und zum Zeitpunkt der Verpuffung bereits 13 bzw. 16 Stunden, statt der zulässigen 8 Betriebsstunden, gefahren wurden.
Diese Umstände haben letztlich zur Zündung des Öl-Gas-Gemisches und damit zur Entstehung einer Verpuffung am Ölabscheider geführt. (Gegenwärtig werden noch die im Ölabscheider vorgefundenen Ölrückstände labormäßig getestet, insbesondere mit dem Ziel, den Zeitpunkt der Vergasung und die Zündtemperatur eindeutig bestimmen zu können.)
Darüber hinaus sind folgende Faktoren bedeutsam und müssen im Zusammenhang mit der Verpuffung beachtet werden:
Die im Verdichterraum installierten sechs Verdichter werden abwechselnd paarweise zur Erzeugung von Steuerluft (10 atü) eingesetzt. Die Steuerluft wird für die pneumatische Steuerung der Maschinen und Anlagen in der Druckerei benötigt. Aus den Vorschriften über das Betreiben der Verdichteranlage geht hervor, dass sich zwei Verdichter im Dauerbetrieb, zwei in Reservestellung und zwei in kurzfristiger Reparatur befinden sollen. Aufgrund der ständigen Störanfälligkeit dieser Aggregate (Hersteller Maschinenfabrik Zwickau) waren seit längerer Zeit – so auch in der Nacht vom 29. Juni zum 30. Juni 1976 – fast immer drei der sechs Aggregate funktionsuntüchtig. (Über die Ursachen der ständigen Störanfälligkeit der Verdichter können – trotz länger geführter Untersuchungen – die Fachexperten einschließlich der Konstrukteure des Herstellerwerkes noch keine verbindlichen Angaben machen.)
Wie weiter festgestellt wurde, hatte der für die Verdichteranlage verantwortliche Techniker [Name] weisungsgemäß den Verdichterraum im Rhythmus von vier Stunden zu kontrollieren, was er letztmalig an diesem Tag in der Zeit von 22.15 Uhr bis 22.30 Uhr, ohne irgendwelche Besonderheiten feststellen zu können, durchführte. Er hatte den Raum anschließend wieder ordnungsgemäß verschlossen. In diesem Zustand wurde der Raum dann auch zum Zeitpunkt der Verpuffung gegen 23.30 Uhr vorgefunden.
[Der verantwortliche Techniker] hielt sich zum genannten Zeitpunkt im Maschinenraum auf. Wenige Augenblicke vor der Verpuffung bemerkte er durch Inaugenscheinnahme der Messinstrumente einen starken Abfall der Druckluft und begab sich deshalb zum Verdichterraum. Auf dem Gang stellte er bereits eine starke Qualmentwicklung fest, die aus der Tür des Verdichterraumes drang. Nach dem Öffnen der Tür – er war während der Schicht der alleinige Inhaber des Schlüssels für den Verdichterraum – begann er sofort mit den erforderlichen Löschmaßnahmen. Er wurde dabei von dem hinzukommenden Angehörigen der Elektroabteilung [Name] unterstützt.
Ihr rechtzeitiges und umsichtiges Handeln verhinderte das Eintreten größeren Schadens und des zeitweiligen Ausfalls der gesamten Verdichteranlage.
Die Überprüfungen zu den Persönlichkeitsbildern des [verantwortlichen Technikers] und [des Angehörigen der Elektroabteilung] ergaben:
[Der verantwortliche Techniker] arbeitet seit April 1972 als Anlagenfahrer im Bereich Klima, Kälte, Be- und Entlüftung der Druckerei »Neues Deutschland«. Als gelernter Rohrleger beherrscht er die vorgenannten Anlagen und wartet diese, im 3-Schicht-System arbeitend, mit Umsicht und hoher Zuverlässigkeit.
In seinem Arbeitskollektiv zählt [der verantwortliche Techniker] zu den aktiven Brigademitgliedern, vor allem verhält er sich unduldsam gegenüber Verstößen gegen die Arbeitsdisziplin und Betriebsweisungen. Aufgrund seiner gesellschaftlichen Aktivitäten und seiner fachlichen Leistungen wurde [der verantwortliche Techniker] in die Konfliktkommission im Arbeitsbereich gewählt. Das Arbeitskollektiv, dem [der verantwortliche Techniker] angehört, wurde bereits mehrfach mit dem Titel »Kollektiv der sozialistischen Arbeit« ausgezeichnet.
Der Elektromonteur [Name] – Schaltberechtigter für Mittel- und Niederspannungsanlagen – befindet sich bereits seit Februar 1971 in der Druckerei »Neues Deutschland« und wurde aufgrund seiner Umsichtigkeit sowie gewissenhaften Leistungen zum Schaltberechtigten für Mittel- und Niederspannungsanlagen qualifiziert. Seine fachliche Eignung stellte er im Zusammenhang mit der Störung der Energieeinspeisung im Mai 1976 im Druckereigebäude des »Neuen Deutschlands« nachdrücklich unter Beweis, wo es ihm gelang, in kurzer Zeit durch die Zuschaltung einer zweiten Stromeinspeisung größere Unterbrechungen im Druckprozess zu verhindern.
Die genannten [Techniker und Elektromonteur] kommen nach bisherigen Feststellungen des MfS für ein Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Verpuffung in der Verdichterstation nicht infrage.
Das MfS setzt die Untersuchungen fort, insbesondere zur umfassenden und restlosen Aufklärung der Ursachen für die hohe Störanfälligkeit der Verdichteranlage.