Einleitung 1976
Einleitung 1976
Siegfried Suckut
Das Jahr 1976 war eines der ereignisreichsten der DDR-Geschichte, weil zu diesem Zeitpunkt die Auswirkungen der innerdeutschen Verträge wie der KSZE in vollem Umfang zu spüren waren und sich das Verhalten relevanter Teile der Gesellschaft gegenüber den Herrschenden zu verändern begann, was unter anderem die wachsende Zahl der Ausreiseanträge dokumentierte. Bei der Analyse des Gemeldeten soll insbesondere untersucht werden, inwieweit das Ministerium für Staatssicherheit erkannt hatte, dass die Folgen der innerdeutschen und europäischen Entspannungspolitik die Macht der SED im Lande untergruben und zu einer latenten Bedrohung ihrer Herrschaft führten. Der Berichterstattung an die Parteiführung über die Lage im Lande kam Mitte der siebziger Jahre, auf dem Höhepunkt der internationalen Entspannungspolitik, besondere politische Bedeutung zu.
Der Berichtsauftrag für das Jahr 1976
Ende 1975, wenige Monate nach der KSZE-Konferenz in Helsinki, plante MfS-Chef Erich Mielke auf mehr als 200 Seiten ausführlich die Aufgaben seiner Diensteinheiten in den folgenden fünf Jahren und erläuterte dabei, worauf es 1976 besonders ankomme.1 Der Entspannungsprozess, so seine Überzeugung, stärke den Sozialismus, habe aber den Klassenkampf weiter zugespitzt, da der Gegner versuche, die Ergebnisse von Helsinki zu verfälschen, indem er einseitig mahne, die Beschlüsse des »Korbes III« zu verwirklichen, die Menschenrechte zu respektieren und mehr Freizügigkeit einzuräumen. Sein Ziel sei es, die sozialistischen Staaten zu unterminieren und zu schwächen. Die Bundesrepublik, so Mielke warnend, strebe nach wie vor die »Liquidierung der DDR« an.2 Die erwartete Zuspitzung schien ihn aber nicht zu beunruhigen. Eher zufrieden als besorgt stellte er fest, die Verantwortung des MfS habe sich »weiter erhöht«.3 Eine »entscheidende Aufgabe« sei es, die Partei- und Staatsführung »objektiv« über die weiteren entspannungspolitischen Absichten des Gegners und die Auswirkungen der KSZE-Beschlüsse zu informieren.4 Das interne Auswertungs- und Informationssystem solle verbessert werden, unter anderem durch elektronische Datenverarbeitung und die Qualifizierung der Mitarbeiter. Die von den Diensteinheiten gesammelten Informationen seien möglichst lückenlos zu erfassen und zu speichern.5
Besorgt zeigte sich Mielke über die »ständig wachsende Zunahme« von Ausreiseanträgen und ordnete in diesem Zusammenhang an, die »Informationstätigkeit an die Parteiorgane über die Reaktion der Bevölkerung und die sich darin widerspiegelnde[n] Feind-›Argumente‹ weiter zu qualifizieren«.6 Für besonders gefährdet hielt er offenbar nicht näher bezeichnete »Personenkreise« in den Bereichen Kunst und Kultur, Gesundheitswesen und Kirchen sowie generell Jugendliche und Jungerwachsene.7
Die Anweisungen des Ministers verarbeitete ZAIG-Chef Irmler sogleich weisungsgemäß zu einer »Planorientierung« für die kommenden fünf Jahre, die an alle zuliefernden Diensteinheiten ging. Er übernahm lückenlos und häufig wortgleich, was Mielke, vermutlich gestützt auf einen ZAIG-Entwurf, angeordnet hatte und ließ sich den Plan von ihm bestätigen.8 Detaillierter wurde er bei den erwünschten Stimmungsberichten aus der Bevölkerung. Geachtet werden solle auf Reaktionen der DDR-Bevölkerung nach der Bundestagswahl im Herbst, auf Äußerungen zur Innen- und Außenpolitik der DDR, zur wirtschaftlichen Lage und zu den bevorstehenden »Höhepunkten«, insbesondere dem IX. Parteitag der SED.9
Hauptaufgabe der ZAIG war es, Erkenntnisse anderer zentraler MfS-Gliederungen und der Bezirksverwaltungen zu aktuellen Entwicklungen und Ereignissen im Lande auszuwerten und das Wichtigste in Berichtsform zur Weiterleitung an die politische Führung zusammenzufassen. Inhaltlich basierten die Inlandsberichte auf Erkenntnissen der operativen Diensteinheiten und der Bezirksverwaltungen, die verpflichtet waren, der ZAIG alles zuzuleiten, was die Auswerter in Berlin verlangt hatten, um die führenden Funktionäre in Partei und Staat davon in Kenntnis zu setzen. Wer in den Überlieferungen der Auswertungs- und Kontrollgruppen (AKG) wichtiger operativer Diensteinheiten, etwa den Hauptabteilungen XX und XVIII, nachsieht, wird häufig auf Vorberichte zu ZAIG-Informationen stoßen. Mitunter wurde das aus den Diensteinheiten Gemeldete sogar unverändert übernommen und zur »Information« an die Parteispitze aufgewertet.10 In Einzelfällen fanden so IM-Berichte über die Meldeinstanzen ihren Weg bis ins Politbüro der SED.11
Soweit bekannt, beschränkte sich der Staatssicherheitsdienst im Jahre 1976 darauf, eigene Erkenntnisse weiterzuleiten und widerstand der Versuchung, die anderer Dienststellen des Staatsapparates als eigene auszugeben, sich mit »fremden Federn« zu schmücken. Doch dürften manche IM die Berichte, die sie, etwa als Ingenieure, für ihre Kombinatsleitung zu erstellen hatten, in ähnlicher Form dem MfS eingereicht haben. Gerade bei den Sicherheitsbeauftragten in den Großbetrieben, die sich zugleich dem MfS verpflichtet hatten, dürfte das der Fall gewesen sein. Was die ZAIG aus der Wirtschaft berichtete, legt zumindest diesen Verdacht nahe. Da die Stasi ihre Informationen den Betriebsleitern nicht zuleitete, war die Konspiration dennoch gewahrt. Doch war in den VEB bekannt, dass die Sicherheitsbeauftragten dem MfS zur Auskunft verpflichtet waren und viele von ihnen überdies als IM in seinen Diensten standen.12
Überliefert ist, dass Mielke neben den ZAIG-»Informationen« zuweilen auch andere Berichte spontan an den SED-Generalsekretär weiterleitete.13 Dokumentiert ist aber auch ein gegenteiliges Verhalten: Als im Januar 1976 Mielke von der Hauptabteilung IX informiert wurde, dass eine lebensmüde junge Frau aus der Bundesrepublik im Bezirk Suhl unverletzt und unbemerkt die Grenze zur DDR überquert habe, in der nächsten Ortschaft medizinisch versorgt und Tage später in die Bundesrepublik zurückgeführt worden sei, ließ er nach MfS-Aktenlage keine Information an die Parteiführung formulieren.14 Vermutlich wollte er nicht bekannt machen, wie durchlässig die Grenze in West–Ost-Richtung mancherorts war. Im »Neuen Deutschland« erschien nur eine kurze Notiz über die medizinische Versorgung der Frau, aus der nicht hervorging, wie sie in die DDR gelangt war.15 Dagegen war manches, worüber er den Parteichef schriftlich unterrichtete, von eher marginaler Bedeutung.
Die Melderichtlinien sahen es ausdrücklich vor, dass die Leiter der Hauptabteilungen und Abteilungen im Ausnahmefall auch Informationen unter Umgehung des MfS-internen Dienstweges direkt an die politische Führung geben konnten,16 was aber offenbar nur sehr selten geschah. Für das Jahr 1976 ist kein Beispiel überliefert. Bekannt ist zudem, dass der Minister für Staatssicherheit durch einen direkten persönlichen Kontakt zu Honecker faktisch gegenüber allen anderen Staatsorganen privilegiert war: Nach den Politbüro-Sitzungen traf sich Mielke mit Honecker zu vertraulichen Gesprächen über die Lage in der DDR. Was jeweils besprochen wurde, ist leider nirgendwo dokumentiert. Doch gibt die von Mielke getroffene Auswahl von ZAIG-Informationen für den SED-Chef einen guten Eindruck davon, worüber er ihn unterrichten wollte und worüber nicht.
Die Berichtsserien der ZAIG 1976
»Informationen«
Auf der Basis der Ende 1975 ergangenen Instruktionen erarbeitete die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe des MfS in Berlin ihre Berichte im folgenden Jahr. Die auf vorgedruckten Formblättern weitergegebenen »Informationen« hatten 1976 einen Umfang von durchschnittlich fünf Seiten, wenn Anlagen dabei waren, auch wesentlich mehr. Täglich gab das MfS zwei bis drei solcher Meldungen heraus. Im Jahre 1976 waren es 897.
Schon die erste Durchsicht der Informationen des Untersuchungszeitraumes führt zu einem überraschenden Ergebnis: 604, zwei Drittel, stammen von der Hauptverwaltung A (HV A) und beziehen sich nicht auf die Lage in der DDR, sondern auf die in der Bundesrepublik und anderen nichtsozialistischen Staaten.17 Die vorliegende Edition beschränkt sich, entsprechend der Konzeption für die gesamte Reihe, auf die Wiedergabe der Inlandsmeldungen aus dem Jahr 1976. Die ZAIG hatte die Berichte unter Einbeziehung der von der HV A stammenden fortlaufend registriert und der HV A vorab Berichtsnummern zugeteilt. Durch die Beschränkung der Edition auf das Inland entstehen folglich nummerische Lücken.
Die MfS-internen Berichtsreihen O und K
Nach dem Wechsel an der SED-Spitze zu Beginn der siebziger Jahre ging das Ministerium für Staatssicherheit wieder dazu über, systematisch Berichte über die politischen Stimmungen und Reaktionen in der Bevölkerung zusammenzustellen. Die Beweggründe dafür sind nicht erkennbar. Möglicherweise rechnete Mielke damit, dass Honecker im Gegensatz zu Ulbricht an solchen Ausarbeitungen interessiert sei und das MfS eine Aufwertung als vom Parteichef geschätzter kontinuierlicher Informant über die politische Stimmung im Lande erfahren könnte. Vorsichtig ließ Mielke seit 1972 von der ZAIG MfS-interne »Hausmitteilungen« über die »Reaktion der Bevölkerung zu politischen und anderen Ereignissen« erarbeiten, die an ihn und die wichtigsten Offiziere gingen.18 Für das Jahr 1976 sind 16 solcher bis zum Ende der DDR angefertigter »O-Berichte« verzeichnet.19 Inhaltlich beziehen sie sich zumeist auf Entwicklungen, über die das MfS (später) auch in den »Informationen« berichtete. Dabei handelt es sich auch um Hinweise auf Reaktionen der Bevölkerung zu bestimmten Ereignissen, etwa die Ausbürgerung Biermanns. Die O-Berichte sind detaillierter und umfangreicher als die entsprechenden »Informationen« und enthalten oft mehr kritische, für die Parteiführung unerfreuliche Details. Manche sind offenbar aus diesem Grund nicht zu »Informationen« an die Parteispitze verarbeitet worden, etwa der O-Bericht 31 vom 1. November 1976 zu den Reaktionen auf personelle Veränderungen in der Staatsführung.20 Deutlich wird, dass die O-Berichte eine ganz andere Funktion hatten als die Informationen. Adressat war nicht die SED-Führung, sondern die MfS-Generalität. Sie dienten der Binneninformation des eigenen Apparates und machten mitunter vorsorglich auf potenzielle Sicherheitsrisiken und Konfliktherde aufmerksam, etwa auf Entwicklungen in Polen, die sich auf die DDR auswirken konnten.
Doch gerade diese zur internen Information abgefassten Berichte sind in ihrer Faktenaufbereitung teilweise tendenziös und vermitteln den Eindruck, dass sie auch der Feindbildvermittlung im eigenen Apparat dienten. Das zeigt sich insbesondere an den beiden Berichten über Wolf Biermann und Robert Havemann. Durch kleinteilige Manipulationen und verfälschende Akzentuierungen, die in dieser Edition nicht en détail kommentiert werden können, entstehen Zerrbilder ihrer Biographie und Persönlichkeit. So wird etwa Havemanns Mitgliedschaft im NS-Dozentenbund chronologisch vor seine Aktivitäten im Widerstand gestellt. Seine Unterstützung von Verfolgten, die schon im März 1933 begann und die sich in der Mitgliedschaft in der illegalen Gruppe »Neu Beginnen« nahtlos fortsetzte, wird ganz verschwiegen. Das geschah vermutlich absichtsvoll, denn das MfS verfügte 1976 über die entsprechenden Informationen. Darüber hinaus wurde Havemann zum Abwehrbeauftragten des Reichssicherheitshauptamtes gestempelt, obwohl er diese Funktion als Mitarbeiter des Kaiser-Wilhelm-Instituts für physikalische und Elektrochemie ausübte. Für die Binnenlogik der SED von besonderer Infamie ist die Datierung der Parteimitgliedschaft: Seit 1932 arbeitete Havemann illegal für die Komintern. Das wurde Ende der Fünfzigerjahre von der SED auch offiziell anerkannt, indem man seine Parteimitgliedschaft vom Datum seines offiziellen Eintritts 1951 auf 1932 zurückdatierte. Die ZAIG unterschlug diese Tatsache und entkleidete Havemann damit seiner Eigenschaft als Altkommunist. Sogar Banalitäten wie die Bebauung seines Anwesens in Grünheide wurden verfälschend beschrieben: Aus der zum Gartenhaus umgebauten Doppelgarage wurde »ein größeres Wohnhaus« und ein hölzerner Bungalow zu »einem weiteren Haus«.
Während die O-Berichte 1976 von Mielke nur in zwei Fällen21 an den SED-Generalsekretär weitergeleitet wurden, gingen die darauf basierenden »Informationen« häufiger an ihn und die zuständigen Politbüromitglieder. So erreichten die Erkenntnisse über erste Reaktionen auf die Biermann-Ausbürgerung als Information 796/76 schon am 17. November die Parteiführung, einen Tag bevor sie zum O-Bericht 31 verarbeitet worden waren. Der O-Bericht 29 aus dem September 1976 ging inhaltlich als Information 624/76 auch an Honecker, vermutlich weil der zur Ausreise in die Bundesrepublik entschlossene Karl-Heinz Nitschke inzwischen (am 1. September 1976) inhaftiert worden war und die intensive Berichterstattung in den Westmedien innenpolitische Auswirkungen in der DDR haben konnte.
Im Jahre 1976 begann das MfS damit, einzelne, noch in der O-Ablage geführte Berichte zu einer neuen, als K3 bezeichneten Serie auszugliedern unter dem Rubrum »Aktivitäten (feindlich-negative u. a.) auf dem Gebiet Kunst/Kultur und in anderen Bereichen«. In diesem Jahr betraf das nur zwei Berichte, doch wuchs der Umfang der Reihe in den folgenden Jahren rasch an. Sie behandelte politisch relevante Entwicklungen im kulturellen Bereich und ergänzte die bereits vorhandenen ZAIG-Reihen K1 (»Verschiedenes«) und K2 (»Verschiedenes [MfS, MdI, MfNV, GSSD«]).22 Auch die K-Berichte blieben in der Regel MfS-internes Material, primär zur Binnenkommunikation des Dienstes bestimmt, eine wesentlich andere Quellengattung als die »Informationen«.
Die K-Berichtsreihen sind im Jahr 1976 inhaltlich sehr disparat. Offenbar handelt es sich, wie bei den O-Berichten, in mehreren Fällen um Meldungen der ZAIG zuliefernder Diensteinheiten, die auch zu »Informationen« hätten verarbeitet werden können und es verschiedentlich auch wurden.
Zeitgeschichtlicher Hintergrund
Das quantitative Verhältnis von DDR-bezogenen und anderen Berichten unter den »Informationen« lässt bereits erkennen, dass aus der Sicht der Stasi die Sicherheitslage in der DDR keinen Anlass zur Sorge gab. Mielkes Warnungen vor den feindlichen Absichten der westlichen »Gegner« in seiner Zentralen Planvorgabe waren offenbar nur rhetorische Routine. »Unser Staat ist gefestigter denn je«, hatte er schon im Januar 1976 verkündet.23 »Voller Stolz« könne man sagen, die Jahre seit dem VIII. Parteitag (1971), dem Amtsantritt Honeckers, zählten »zu den erfolgreichsten unserer Geschichte«.24 Die DDR sei sicherheitspolitisch Hauptverbündete der UdSSR25 und habe ihren Platz unter den zehn führenden Industriestaaten der Welt »weiter gefestigt«.26 Er verwies später gern zusätzlich auf die Entwicklung der Multispektralkamera MKF 6 als DDR-Beitrag zur sowjetischen Weltraumforschung und vergaß auch nicht das gute Abschneiden bei der Olympiade in Montreal zu erwähnen, wo die DDR nach einem Bericht ihrer leitenden Sportfunktionäre »alle vorgesehenen leistungsfördernden medizinischen Maßnahmen […] voll durchgeführt« und in der »Nationenwertung« selbst die USA übertroffen hatte.27 Der »Imperialismus«, so Mielke zuversichtlich, habe seine »einstmals beherrschende Stellung in der Welt für immer und endgültig verloren«.28
Diese Weltsicht prägte auch die Informationspolitik des MfS. Zu berichten war überwiegend von den Problemen und Plänen westlicher Staaten, vor allem der Bundesrepublik, und den Erfolgen der eigenen Spionage, die in der Tat, mit geheimdienstlichen Maßstäben gemessen, sehr beachtlich waren und die Ergebnisse der westlichen »Kollegen« in den sozialistischen Staaten weit übertroffen haben dürften. Heute, nach der Enttarnung der wichtigsten West-Agenten der Stasi, ist schon allein aufgrund der Berichts-Überschriften in vielen Fällen zu ahnen, welch West-IM zu welcher MfS-Erkenntnis verholfen hatte. Den Genossen an der Spitze von Staat und Partei wurde so demonstriert, dass das Mielke-Ministerium auch nach der Enttarnung von Guillaume über viele gut informierte Zuträger verfügte, speziell in der Bundesrepublik, und oft von vertraulichen Interna aus der Innen- und Verteidigungspolitik Kenntnis hatte. Die MfS-Führung sah ihren Staat gegenüber der Bundesrepublik in der Offensive.
Adressaten und Informationspolitik des MfS
Für die Mitglieder der Staats- und Parteiführung gehörten die MfS-»Informationen« 1976 zu den wenigen Papieren, die der Sicherheitsdienst deutlich als Eigenbericht gekennzeichnet an sie herausgab. Da die Meldungen der SED-Bezirksvorsitzenden von Honecker nur selektiv weitergeleitet wurden, hätten die Informationen der Stasi inhaltlich eine wichtige Quelle sein können, um sich generell ein Bild von der Lage im Lande zu machen. Eine Analyse der Verteiler zeigt, dass selbst die Spitzenkader nur zurückhaltend mit solchen Informationen bedacht wurden (Tabelle 2).
Während der genaue Verteiler der nationalsozialistischen SD-Berichte nicht bekannt ist und Hitler nicht direkt informiert worden sein soll,29 ist auf den bei der BStU überlieferten Meldungen der ZAIG präzise vermerkt, wie viele Exemplare angefertigt wurden und an wen sie gingen. Oft führt Generalsekretär Honecker die Verteilerliste an. Die Zahl der Adressaten schwankte 1976 zwischen einem und neun. Bedacht wurden primär die thematisch Zuständigen in der Partei- und Staatsführung.
Die Papiere mussten von den externen Empfängern nach der Lektüre wieder an den Staatssicherheitsdienst zurückgegeben werden, was offenbar selbst von Honecker konsequent befolgt wurde.30 Auch aufgrund dieser strikten Geheimhaltungspraxis sind, soweit bekannt, unter den im Bundesarchiv aufbewahrten Akten der Parteiführung keine Exemplare aus dem Jahr 1976 überliefert. Mielke ermöglichte dieses Verfahren, den Kreis derjenigen genau zu bestimmen, die eine Information erhalten sollten und andere unter Umständen gezielt auszuschließen. Die Klassifizierung als Geheimmaterial ließ es nicht zu, dass die Adressaten den Inhalt anderen nach eigenem Gutdünken zur Kenntnis gaben. Nur der SED-Chef hätte das tun können. Unter den zahlreichen Papieren, die Honecker vor Politbüro-Sitzungen an die Teilnehmer »zur Information« weiterleitete,31 befanden sich im Jahr 1976 aber keine MfS-Berichte dieser Art.
Nur 25 der Inlandsberichte und einer der dokumentierten O- und K-Berichte gingen auch an die Verbindungsstelle des sowjetischen Komitees für Staatssicherheit in Karlshorst, die als Adressat mit »AG«, Arbeitsgruppe, verschlüsselt wurde.32 Diese Informationspraxis entsprach dem gewachsenen politischen Selbstbewusstsein der DDR. Das MfS respektierte die sowjetischen »Freunde« uneingeschränkt als Führungsmacht im sozialistischen Bündnissystem, sah sie aber nicht länger als Besatzungsmacht, der auch über die innenpolitischen Entwicklungen Bericht zu erstatten wäre. Außer den Reaktionen der DDR-Bevölkerung auf die internationale KP-Konferenz im Juni thematisierten die nach Karlshorst weitergeleiteten Inlandsberichte die Besuche von Soldaten der Westalliierten im Ostsektor Berlins, Grenzzwischenfälle und das Verhalten von Rotarmisten und ihren Angehörigen in der DDR. Von den zahlreichen Inlandsberichten zur Ausbürgerung Biermanns wurden nur zwei, über die ersten Reaktionen der DDR-Bevölkerung, auch den sowjetischen Genossen zugestellt.33 Über den später zunehmenden Protest wurden sie nicht mehr informiert.
Auffällig ist, dass mitunter parteihierarchisch nachrangige Funktionäre, etwa der ZK-Abteilungsleiter für Kirchenfragen, Willi Barth, häufig beliefert wurden, während ein Vollmitglied des Politbüros wie der frühere Sozialdemokrat Friedrich Ebert, nach dem Verteiler zu urteilen, 1976 keine der MfS-»Informationen« zu Gesicht bekam. Andere Politbüro-Kollegen bedachte Mielke nur dann und wann. Hauptgrund für diese Verteilungspraxis sind die thematischen Berichtsschwerpunkte, zu denen an vorderer Stelle etwa Entwicklungen in den christlichen Kirchen gehörten. Vermutlich spielten aber auch persönliche Erwägungen Mielkes eine Rolle. Taktisches Verhalten wurde ihm erleichtert, weil niemand in der Parteiführung erfuhr, welche Berichte das MfS insgesamt verteilt hatte und an wen sie gegangen waren. Lediglich Generalsekretär Honecker konnte den ihm zugeleiteten Informationen entnehmen, wer sie sonst noch erhalten hatte. Mielke hatte als Adressaten vor allem den SED-Chef im Auge.
Die maschinenschriftlich erstellten »Informationen« gingen als Entwurf über den Leiter der ZAIG, der den Verteilervorschlag anfügte, zunächst an den Minister, der Veränderungen, am Inhalt wie am Verteiler, vornehmen konnte und über die Weitergabe an die Parteiführung entschied.34 Leider ist an den überlieferten Endfassungen aus dem Jahr 1976 in der Regel nicht zu erkennen, ob und wo Mielke Eingriffe vorgenommen hat. Immerhin lässt sich entnehmen, dass eingereichte Entwürfe zuweilen offenbar nicht das Plazet des Ministers fanden und er sie nicht weiterleitete. Im Jahre 1976 betraf das 28 Inlandsberichte (davon drei in Kurz- und Langfassung), also etwa jeden zehnten ZAIG-Entwurf dieser Serie.35 In der thematischen Auswertung (Tabelle 1) sind auch die von Mielke nicht weitergeleiteten Berichte berücksichtigt worden, um zu dokumentieren, worüber die Parteiführung nach den Vorstellungen der ZAIG-Offiziere hätte informiert werden sollen.
Inhaltlich bezogen sich die nicht herausgegebenen auf ein breites Themenspektrum. Zwei Schwerpunkte werden deutlich: Ausreiseanträge und oppositionelle Tendenzen. Nur selten sind die Gründe für die Nichtherausgabe erkennbar, etwa, wenn vermerkt wurde, der Bericht sei in einen anderen eingeflossen.36 In drei Fällen gab Mielke Berichtsentwürfe nicht zurück. Einmal mit dem Hinweis, der Adressat sei mündlich informiert worden,37 in den anderen Fällen38 aber ohne erkennbaren Grund und vermutlich mit der Konsequenz, dass sie nicht weitergeleitet wurden. Die für Auswertung und Information zuständigen ZAIG-Mitarbeiter erfuhren das sowie den Verteiler erst nach Rücklauf des für den Bereich bestimmten Belegexemplars.39 Zwei Informationen sind laut Vermerk der ZAIG verloren gegangen.40 In zwölf Fällen wurden für die Hauptverwaltung Aufklärung reservierte Berichtsnummern nicht verwendet.
Schon aus dem Verteiler einer Nachricht kann geschlossen werden, aus welcher Diensteinheit sie stammte, denn die erhielt im Rücklauf ein Exemplar der daraus entstandenen ZAIG-Information, allerdings ohne Angabe der Adressaten in der Partei- und Staatsführung. Wenn ein Berichtsentwurf schließlich von Minister Mielke doch nicht herausgegeben wurde, erfuhr davon nur der Chef der ZAIG.41 Die Diensteinheit bestand zu diesem Zeitpunkt aus vier Arbeitsbereichen, von denen nur einer – der Bereich 1 – mit Informationsaufgaben betraut war.
Der Bereich 1 der ZAIG 197642
Zur Rezeption der MfS-Berichtsthemen in der Parteiführung
In den dürren Protokollen der Politbürositzungen wird im Jahre 1976 nicht explizit auf MfS-Informationen Bezug genommen. Das Ministerium findet man überhaupt nur erwähnt, wenn das oberste Leitungsorgan der Partei als zuständige Nomenklaturinstanz über die Beförderung von Generälen entscheiden sollte, Mielke dazu bestimmt wurde, als einer der SED-Vertreter an einer Veranstaltung teilzunehmen oder ein sicherheitssensibles Bauvorhaben direkt an der innerdeutschen Grenze geplant werden sollte.43 Mehrmals wurden Themen behandelt, über die das MfS bereits vorher einzelne Politbüromitglieder informiert hatte; doch geschah das zumeist unter anderen Aspekten, sodass unklar bleibt, ob ein MfS-Bericht auch nur vermittelt als auslösendes Moment gewirkt hat. Lediglich im Fall der Zschopau-Verschmutzung44 ist die Initialwirkung der vorherigen MfS-Information offensichtlich, im Falle der Biermann-Ausbürgerung war sie zumindest mitbestimmend.45
Dass ein direkter Zusammenhang zwischen Politbürobeschlüssen und MfS-Informationen nicht häufiger zutage tritt, ist auch darauf zurückzuführen, dass die Meldungen aus der Wirtschaft zumeist nur den dafür Verantwortlichen in der Partei- und Staatsführung zugeleitet wurden, nicht aber dem Generalsekretär, der über die Tagesordnung bestimmte und vieles gar nicht kannte, was die Staatssicherheit herausgefunden hatte. Wo Themen sowohl auf der Politbüro-Agenda als auch in den MfS-Informationen auftauchen, ist auffällig, dass die Stasi-Papiere früheren Datums sind, also nicht erst formuliert worden waren, nachdem andere Stellen bereits auf das Thema aufmerksam gemacht hatten.
Inhalt und thematische Struktur
Anders als der Sicherheitsdienst (SD) der SS, versuchte das MfS nicht, einen nach den wichtigsten Politikfeldern gegliederten Gesamteindruck von der Lage im Lande zu geben, sondern konzentrierte sich auf Informationen über einzelne Probleme und Geschehnisse, die ihr für die Staats- und Parteiführung wichtig schienen. Nur eine der Informationen des Jahres 1976 ist als umfassender Bericht über die Reaktionen der Bevölkerung bzw. einer Mehrheit unter der Bevölkerung auf ein politisches Ereignis einzustufen: Die Anlage zur Information 486/76, in der über die Resonanz berichtet wird, die die Konferenz der Kommunistischen Parteien Ende Juni 1976 in der DDR ausgelöst hatte. Doch ging diese Meldung nicht an die SED-Führung, sondern allein an das Verbindungsbüro des sowjetischen Geheimdienstes in der DDR. 16 andere geben immerhin wieder,46 wie einzelne Gruppen auf bestimmte Entscheidungen der politischen Führung reagiert hatten, etwa die S-Bahn-Beschäftigten in Westberlin auf die Ankündigung, den westlichen Teil des Schienennetzes an den Senat zu verpachten,47 Schriftsteller auf den Ausschluss Reiner Kunzes aus ihrem Verband48 oder die Anhänger und Freunde Wolf Biermanns auf dessen Ausbürgerung im November.49 Dabei hatten die Diensteinheiten des MfS eine Vielzahl von Stimmungsberichten verfasst, die zum Beispiel die Reaktionen der Bevölkerung auf die Beschlüsse des IX. Parteitages, die Selbstverbrennung von Pfarrer Brüsewitz, die Volkskammerwahlen im Oktober und die Ausbürgerung Biermanns betrafen.50 In ihrem Berichtsduktus ähneln sie denen der SED-Bezirkschefs und der Blockparteien, betonen in der Regel zunächst das für die Machtträger Erfreuliche. Sie geben ihrem Meinungsbild einen politisch optimistischen, freundlichen Grundton. Die der Stasi nehmen, der zugewiesenen Aufgabe entsprechend, stärker das Verhalten von systemkritisch eingestellten Bevölkerungsgruppen in den Blick. Sie blieben aber offenbar, wie die meisten O-Berichte,51 MfS-internes Arbeitsmaterial, weil auch die Bereitschaft der DDR-Tschekisten nur gering war, der politischen Führung Unerfreuliches zuzumuten und sie sich stärker noch als die Kader der SED und ihrer Bündnisparteien mitverantwortlich fühlten, wenn die Regierten die Regierenden kritischer sahen, als es die Partei behauptete.52
Die thematische Verteilung der ZAIG-»Informationen« aus dem Jahr 1976 ist in Tabelle 1 zusammengefasst.
Auffällig ist das Fehlen analytischer Verdichtung und zusammenfassender Auswertung für längere Zeitabschnitte. Halbjahresberichte zur Lage in der DDR etwa sucht man unter den ZAIG-Informationen vergeblich.53 Das MfS berichtete bevorzugt zu Entwicklungen, die über die Westmedien der Parteiführung wie der Bevölkerung bekannt waren oder bekannt werden konnten. Dazu gehörten Grenzzwischenfälle, oppositionelles Verhalten Einzelner, der Vorwurf der Zwangsadoption von Kindern Ausgereister und Geflohener, politisch motivierte Selbstmorde sowie Betriebsunfälle (»Havarien«) und deren Ursachen. Die Auswahl der Themen und die Art der Berichterstattung lässt häufig ein taktisches Darstellungskalkül des MfS erkennen. Die Reaktion des Generalsekretärs wurde offenbar bereits gedanklich antizipiert und mit der Absicht berichtet, möglicher Kritik an den Sicherheitsorganen durch die Art der Information entgegenzuwirken. Mielke warb um die Wertschätzung des SED-Generalsekretärs.
So reichte das MfS, nachdem der italienische Lastwagenfahrer und KPI-Anhänger Corghi in der Nacht vom 4. auf den 5. August 1976 von DDR-Grenzposten am Kontrollpunkt Hirschberg erschossen worden war, der Parteiführung einen Bericht unter der ganz undramatisch klingenden Überschrift ein: »Information über eine unter Anwendung der Schusswaffe am 5. August 1976 erfolgte Festnahme eines Grenzverletzers an der Staatsgrenze zur BRD« und erwähnte erst an nachgeordneter Stelle, dass Corghi an den Folgen seiner Schussverletzungen verstorben sei. Auch Nebensächlichkeiten, die entlastend wirken könnten, wurden ausführlich erwähnt, so, dass Corghi sich »teilweise in gebückter Haltung« dem Kontrollpunkt genähert, Nebel die Sicht beeinträchtigt und er, zum Erheben der Hände aufgefordert, nur eine gehoben habe (in der anderen hatte er seine Fahrzeugpapiere). Die ersten beiden der fünf Schüsse seien zudem zur Warnung abgegeben worden.54
Dieser Zwischenfall erregte großes Aufsehen, auch in Italien, und war der letzte in einer Kette von Fällen, in denen die »DDR-Grenzorgane« im Jahre 1976 rücksichtslos von der Waffe Gebrauch machten.55 Eine Rüge Honeckers ist nicht überliefert, doch scheint er für ein weniger martialisches Grenzregime gesorgt zu haben, denn schon einen Tag später berichtete das MfS über einen Westdeutschen, der sich bereits 100 Meter auf DDR-Gebiet befunden habe. Er sei »ohne Anwendung der Schusswaffe«, wie betont wurde, festgenommen und »nach eindringlicher Belehrung in die BRD zurückgeführt«56 worden. Ein weiterer Bericht über umsichtiges Verhalten der Grenzposten trägt den handschriftlichen Vermerk, der Minister habe ihn mit »Gen[ossen] Honecker pers[önlich] ausgewertet«.57 Einer der ganz wenigen Fälle, in denen erkennbar wird, was Mielke im Gespräch mit dem SED-Chef beraten hat.
Themenfelder
Die Ausbürgerung Biermanns und ihre Folgen
Eher noch unzufriedener als mit dem zeitweiligen Grenzregime dürfte der Generalsekretär später mit der Rolle des MfS bei der Ausbürgerung Wolf Biermanns gewesen sein. »Im Nachhinein möchte ich sagen, hätte man vielleicht eine andere Entscheidung treffen können«, räumte er in einem Interview nach dem Ende der DDR ein.58 Schon allein die große Zahl der MfS-Berichte dazu macht deutlich, dass diese Aktion die politische Geheimpolizei mehr beschäftigte als alle anderen Ereignisse dieses Jahres. Allein in 16 »Informationen« berichtete die ZAIG über Wolf Biermann, sein Konzert in Köln und die Folgen der Ausbürgerung.59 Auch mehrere der MfS-internen O- und K-Berichte befassten sich mit dem aufmüpfigen Liedermacher und der Resonanz seiner Kritik an den politischen Verhältnissen im Staate.60 Manche der für die Parteileitung bestimmten Informationen waren rasch von den Entwicklungen überholt und wurden schon vor der Herausgabe mit anderen zusammengefasst. Die Mehrheit der herausgegebenen Informationen adressierte das MfS auch an Honecker: Das Vorgehen gegen Biermann war Chefsache.
Zwei Tage nach Biermanns Auftritt in Köln und einen Tag vor der Beratung des Politbüros darüber gab das MfS am 15. November eine Information über Reaktionen auf den kurz zuvor erfolgten Ausschluss Reiner Kunzes aus dem DDR-Schriftstellerverband an die Partei- und Staatsführung.61 Erste Adressaten waren, neben Honecker, die Politbüromitglieder Hager und Lamberz. Der Tenor des Berichts musste auf die politisch Verantwortlichen beruhigend wirken. Der Ausschluss sei »vom überwiegenden Teil der Schriftsteller der DDR akzeptiert« worden. Als »progressiv und parteiverbunden« Einzuschätzende begrüßten und unterstützten sogar den Beschluss und verbänden damit die Hoffnung, »dass diesem Schritt weitere staatliche Maßnahmen gegen Kunze und ähnliche feindlich eingestellte Kulturschaffende folgen werden«. Herbert Otto, der Potsdamer Bezirksvorsitzende des Schriftstellerverbandes, habe explizit gefordert, »jetzt müsse aber in der DDR das Problem Biermann gleichfalls gelöst werden; es dürfe auf keinen Fall wegen Kunze in den Hintergrund treten«. Nur einige, für ihr »negatives Auftreten« bereits Bekannte, seien nicht einverstanden gewesen.
Ebenfalls mit Datum vom 15. November und mit gleichem Verteiler gab das MfS eine erste, 82 Seiten umfassende Information über Biermanns Kölner Auftritt heraus, die auf dem Mitschnitt der Rundfunkübertragung durch WDR II basierte und auch die Liedtexte wiedergab. Laut handschriftlichem Vermerk wurde sie Honecker, Hager und Lamberz am 16. November, vermutlich kurz vor der Politbürositzung, durch den Minister persönlich ausgehändigt.62
»Vor jedem Liedvortrag«, so die MfS-Information ergänzend, habe Biermann »hetzerische und die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung verleumdende« Einführungen gegeben, unter anderem »diskriminierte er in übelster Weise das Ministerium für Staatssicherheit«. Aus dem viereinhalbstündigen Konzert vor 6 000 bis 7 000 Zuhörern habe der WDR in seinem II. Rundfunkprogramm von 19.05 bis 21.00 Uhr übertragen, ein Sender, der in der DDR nicht zu empfangen war.
Die Tagesordnung der Politbürositzung am 16. November war kurzfristig von 13 auf 17 Punkte erweitert worden. Hinzugefügt hatte Honecker unter anderem als Punkt 4 die »Aberkennung der Staatsbürgerschaft für Wolf Biermann«.63 Berichterstatter war allein der SED-Generalsekretär. Der Beschluss dazu lautete knapp: »Wolf Biermann wird die Staatsbürgerschaft der DDR aberkannt. Die Pressemitteilung wird bestätigt. Die Veröffentlichung erfolgt am 16. November 1976, abends.« Weitere Informationen zum Verlauf der Sitzung wurden, wie üblich, im Protokoll nicht gegeben. Mit einer Dauer von 10.00 bis 14.00 Uhr war dies ein ungewöhnlich langes Zusammentreffen der Parteispitze. Gleichwohl hatte sie sich auch an diesem Tag nicht mehr als durchschnittlich 14 Minuten für die Erörterung der einzelnen Tagesordnungspunkte genommen. Von einer Diskussion wird man folglich kaum sprechen können. Nach dem Ende der SED-Herrschaft konnte sich Honecker an diese denkwürdige Sitzung nicht mehr erinnern. Er glaubte, es habe überhaupt keinen Politbürobeschluss zur Ausbürgerung Wolf Biermanns gegeben und hatte offenbar verdrängt, dass er federführend daran beteiligt war.64
Mielke zeigte sich mit dem Ausbürgerungsbeschluss sehr zufrieden. Was das MfS schon seit Längerem angestrebt und wohl auch mit der Akzentuierung seiner Berichterstattung an die Parteispitze bezweckt hatte, war eingetreten.65 Auf einer Weiterbildungsveranstaltung der Zentralen Partei-Kontrollkommission der SED am Tag darauf kündigte er mit triumphierendem Unterton die Fortsetzung dieser Politik an: »Mit gleicher Konsequenz werden wir gegen alle vorgehen, die glauben, ungestraft mit feindlich negativen Aktivitäten gegen uns wirksam werden zu können, die unter dem Eindruck der Entspannung Morgenluft wittern und frech zu werden versuchen.«66 Die Mielke-typische Rhetorik.
Er unterschätzte krass die zu erwartenden innen- wie außenpolitischen Konsequenzen dieser Brachialpolitik. Das MfS reagierte politisch noch unsensibler als der Mann an der Parteispitze, den weitsichtigere Beratung vielleicht davon hätte abbringen können, eine für die SED folgenschwere Entscheidung zu fällen, deren Tragweite in Zeiten der Entspannungspolitik er ebenso verkannte wie seine unbekümmert zu repressiven Methoden neigenden Tschekisten.
Zwei Tage nach der Politbürositzung trat etwas ein, womit offenbar weder Mielke noch Honecker gerechnet hatte: Der WDR sendete am 19. November eine ungekürzte Aufzeichnung des Biermann-Konzerts bis weit nach Mitternacht im Ersten Programm der ARD. Das aber war fast überall in der DDR zu empfangen. Der Sender hatte auch eine Fernsehaufzeichnung des Konzerts angefertigt, aber zunächst nur auszugsweise in seinem Dritten Programm regional gesendet. Provozierend musste für die SED-Führung die Begründung für die nachträgliche Ausstrahlung klingen: Es gehe darum, »Bürgern der DDR die Möglichkeit zu geben, sich davon zu überzeugen, dass sie von ihrer Regierung belogen worden seien«.67 Das sei politische Einmischung und eigentlich ein Grund, das Büro der ARD in der DDR »sofort zu schließen«, befand ein dem Politbüro vorliegendes Gutachten ohne Verfasserangabe, eine solche Reaktion könne aber die Regierungsbildung in Bonn und die Fortsetzung der Entspannungspolitik erschweren und sollte deswegen unterbleiben.68
Gerade die authentische Information durch die nachträgliche ARD-Übertragung gab für viele in der DDR den Ausschlag, die Ausbürgerung zu verurteilen. Die Stasi hatte Mühe, die Vielzahl der offenen und heimlichen Protestaktionen und Solidaritätsbekundungen zu erfassen.69 Die Lage war ähnlich gespannt wie nach dem Einmarsch in die ČSSR 1968. Nachdenklich musste es die SED-Führung machen, dass sich viele Systemloyale und selbst Parteimitglieder dem Protest angeschlossen, ihn in Einzelfällen initiiert hatten. Selbst die großen westeuropäischen Kommunistischen Parteien hatten sich von dieser Entscheidung der politisch Verantwortlichen in der DDR distanziert, die unwillkürlich an NS-Praktiken erinnerte, wie auch Honecker bewusst sein musste.
Durch fortgesetzten Einsatz ihrer machtpolitischen Mittel, insbesondere mithilfe ihrer Geheimpolizei, hatte es die SED-Führung bis dahin geschafft, Biermann zu einem in der DDR-Bevölkerung wenig bekannten Sänger werden zu lassen, der mit der Ausbürgerung, so ihr Kalkül, vollends in Vergessenheit geraten sollte.
Die von Mielke und Honecker nicht erwartete Reaktion des WDR aber hatte eindrucksvoll die gesellschaftliche Relevanz einer SED-unabhängigen Gegenöffentlichkeit gezeigt. Biermann wurde gleichsam über Nacht zum bekanntesten Liedermacher in der DDR. Die SED hatte ihm mit dem Ausbürgerungsbeschluss ungewollt eine so große Öffentlichkeit verschafft, wie er sie vorher nie gehabt hatte: Der politischen Führung waren drastisch die Grenzen ihrer vermeintlich totalen Herrschaft gezeigt worden.
Der Einfluss der Westmedien
Welch großen Einfluss die Westmedien auf die Gesellschaft in der DDR hatten, war bereits im Mai 1976 im Zusammenhang mit einer anderen wichtigen Entscheidung dieses Jahres augenfällig geworden. Schon vor dem IX. Parteitag hatten West-Korrespondenten mit ihren Berichten Erwartungen in der DDR-Bevölkerung bestärkt, er werde auch sozialpolitische Verbesserungen bringen und unter anderem die Erhöhung der zumeist sehr niedrigen Renten beschließen.70 Als dies nicht geschah, blieben sie am Thema und regten so eine kritische Diskussion innerhalb der Bevölkerung an, deren Breite und Intensität auch den Stimmungsberichten der Partei und des MfS zu entnehmen ist. Unter dem Druck der Erwartungen nahm die politische Führung die Peinlichkeit in Kauf und fasste wenige Tage nach Beendigung des Parteitages doch noch einen Beschluss zur Sozialpolitik, der die erhofften Verbesserungen brachte und aus der Sicht der Betroffenen vermutlich wichtiger war als alles, was vorher auf dem Parteitreffen im gerade fertiggestellten Palast der Republik beschlossen worden war. Sehr zum Ärger des MfS behaupteten die Korrespondenten Tautz-Wiessner (ZDF) und Loewe (ARD), mit ihren Berichten das nachträgliche Einlenken der SED bewirkt zu haben,71 doch hatte diese Behauptung durchaus einen realen Kern.
Westliche Medienberichte über die DDR wurden von der ZAIG systematisch ausgewertet. Viele ihrer Informationen an die Parteiführung bezogen sich auf Meldungen der Westpresse, etwa zu Fällen angeblicher Zwangsadoption, und setzten die politisch Verantwortlichen davon in Kenntnis, was die Überprüfung der behaupteten Sachverhalte ergeben hatte.72 Welche Resonanz politische Entscheidungen in den Westmedien auslösen könnten, wurde vorrangig von der politischen Führung mitbedacht, denn die elektronischen Westmedien wurden in der DDR bis in führende SED-Kreise intensiv rezipiert. So erhielt im September eine Familie umgehend ihren Ausreiseantrag genehmigt, weil Westverwandte schriftlich damit gedroht hatten, im Falle einer Ablehnung vor der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn eine Mauer mit Stacheldraht zu errichten,73 was naturgemäß über die elektronischen Medien in der DDR bekannt und breit diskutiert worden wäre.
Über den Tod eines Betrunkenen, der mit brennender Zigarette eingeschlafen war, informierte das MfS Ende September sogleich Erich Honecker, denn wenige Wochen nach dem Tod von Oskar Brüsewitz hätte das Gerücht aufkommen können, es gebe einen weiteren Fall von Selbstverbrennung in der DDR.74
Unter den Nachrichtensendungen hatte die ARD-Tagesschau, was die Mediennutzung durch die DDR-Bevölkerung betraf, geradezu ein Monopol. Printmedien wurden bei den peniblen Grenzkontrollen zwar systematisch konfisziert, doch konnte selbst was morgens in der »Bild«-Zeitung stand noch am selben Tag über Rundfunk und Fernsehen DDR-weit bekannt werden. Gerade die innerdeutschen Vereinbarungen zur Arbeit von Journalisten hatten die Funktion der Westmedien als Gegenöffentlichkeit zum SED-kontrollierten Verlautbarungsjournalismus wesentlich aufgewertet. Was im Lande geschah, darüber informierten oft nur die West-Korrespondenten.75 Zudem waren sie eine beliebte Anlaufstelle für Oppositionelle, die Manuskripte unkontrolliert über die Grenze schaffen wollten oder für zur Ausreise Entschlossene, die Beratung und den Schutz der Westmedien suchten. Aus der Sicht der Stasi ein stetes Ärgernis und eine Art legaler Agententätigkeit, die sie von ihrer Abteilung für Spionageabwehr überwachen ließ, aber ein wichtiger Teil der innerdeutschen und KSZE-Vereinbarungen, die die DDR mit unterzeichnet hatte.
Empört stellte das MfS Anfang 1977 fest, dass der »Spiegel«-Korrespondent Schwarz faktisch als »Briefträger« zwischen Wolf Biermann und seiner noch in der DDR lebenden Ehefrau fungiert hatte. Trotz einer Ermahnung durch das Außenministerium, sich zukünftig an die Rechtsordnung der DDR zu halten, habe er Frau Biermann mittlerweile weitere 15 Mal getroffen, im November einen Artikel über eine angebliche Zwangsadoption in der DDR und im Januar 1977 über das »Abhör- und Bespitzelungssystem« der Stasi geschrieben.76 Nach dem Urteil des MfS offenbar mehr Gründe als genug, um nach seinem Vorgänger auch ihn auszuweisen, wenn die Stasi auch diese Forderung, dem Stil der Berichte entsprechend, nicht explizit erhob. Doch Mielke leitete den Informationsentwurf erst gar nicht weiter. In Anbetracht der gerade überstandenen Proteste gegen die Ausbürgerung Biermanns und den Rauswurf des ARD-Korrespondenten Loewe wäre die politische Führung kaum bereit gewesen, sich erneut massiver Kritik auszusetzen und die arg strapazierten Beziehungen zur Bundesrepublik einer weiteren Belastungsprobe zu unterziehen.
Berichte aus der Wirtschaft
Politisch eher unproblematisch waren dagegen, wohl auch aus der Sicht des Ministers, die Informationen zur Lage in einzelnen Betrieben und Wirtschaftszweigen. Mit seinen zahlreichen Berichten über »Havarien« in den VEB und Leitungsdefizite im Staats- und Wirtschaftsapparat konnte sich das MfS gegenüber der Staats- und Parteiführung positiv profilieren als gut informiertes und rasch handelndes Ermittlungsorgan, das kurzfristig die Ursachen von Betriebsunfällen herausfand, aber auch Interna kannte und wusste, wo Leitungsschwächen lagen.
Gab es irgendwo einen Großbrand in einem VEB, wartete Mielke umgehend mit einer Meldung auf, die die Schuldigen namentlich benannte. Zumeist ermittelte das MfS als Ursache menschliches Versagen, was für die politische Führung eher beruhigend klingen musste, weil diese Fehlerquelle letztlich systemunabhängig und nicht völlig zu eliminieren war.
Ähnlich einer Aufsichtsbehörde über den gesamten Staats- und Wirtschaftsapparat versah die Stasi unter anderem den politisch nachrangigen Minister für Verkehr mit dem wiederholten Monitum,77 der Einsatz der Güterwagen bei der Deutschen Reichsbahn sei unzulänglich geplant, sehr oft komme es zu Fehlleitungen leerer wie beladener Waggons. Was in den fünfziger Jahren in seltenen Fällen Folge von gezielten Sabotageakten der von den westlichen Sektoren Berlins aus operierenden »Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit« gewesen sein soll, war Mitte der siebziger offenbar ein alltägliches Problem und Konsequenz von Schlamperei und Gleichgültigkeit. Das MfS tadelte, von den »verantwortlichen Leitungskräften bis zum Ministerium für Verkehrswesen« werde dieses Problem »unterschätzt«, schilderte das Ergebnis eigener Ursachenforschung auf verschiedenen Bahnhöfen und machte Lösungsvorschläge.78 Der Parteiführung, Adressaten des Papiers waren die Politbüromitglieder Krolikowski und Mittag, empfahl das MfS, die Leitung des Ministeriums anzuweisen, sich in Zukunft mehr um dieses Problem zu kümmern. Das war im Grunde bereits durch die Stasi selbst geschehen, denn sie setzte den Verkehrsminister Arndt gleich mit auf den Verteiler.79
Der wiederum reagierte taktisch geschickt und bot an, das Problem gemeinsam mit dem MfS anzugehen. Eine erneute Stasi-Überprüfung sieben Monate später ergab, dass sich nicht viel gebessert hatte. Der Schlendrian bei der Waggonverteilung grassierte nach wie vor und führte zu erheblichen volkswirtschaftlichen Schäden:80 ein Kampf gegen Windmühlenflügel.
Zu ähnlich negativen Untersuchungsergebnissen kam das MfS auch in anderen Bereichen der Volkswirtschaft.81 Im Chemischen Kombinat Bitterfeld, so die drastische Schilderung der DDR-Tschekisten, herrschten »unzumutbare Arbeitsbedingungen«, die »Gefahren für Leben und Gesundheit« der 3 000 Beschäftigten mit sich brächten.82 Entstanden war dieser Bericht im Nachgang zu einer Politbürositzung, in der die Modernisierung des Kombinats beschlossen worden war. Anscheinend hatte Mielke die ZAIG veranlasst, in einer MfS-Analyse zusammenzufassen, wie prekär der technische Zustand der Anlagen wirklich war, um den für die Wirtschaft verantwortlichen Politbüro-Kollegen deutlich zu machen, welche Dimension ihr Parteiauftrag habe.83
Günstiger kam der Minister des Innern davon, der aber zur Kenntnis nehmen musste, dass das MfS über die Situation in der Deutschen Volkspolizei bestens informiert war. Negativ vermerkte die Stasi vor allem die Zahl der Eigentumsdelikte von Angehörigen der VP und die selbst auf den Leitungsebenen verbreitete Tendenz, private West-Kontakte zu verheimlichen.84 Fast nie musste sich der Verteidigungsminister mit kritischen MfS-Berichten befassen, obwohl die NVA mit inoffiziellen Mitarbeitern des MfS stark durchsetzt war. Offenbar hatte die für die Armee zuständige Hauptverwaltung I kaum geeignete Informationen an die ZAIG weitergeleitet.
In ihren Berichten schreckten die MfS-Offiziere nicht davor zurück, die verantwortlichen Leitungsmitglieder in den VEB und im Staatsapparat namentlich zu benennen und aufzulisten, wer in Partei und Staat welche Aufgabe bei der Mängelbeseitigung übernehmen sollte.85 Solche »Lösungsvorschläge« kamen im Ton verschiedentlich wie Anweisungen daher und schränkten den Entscheidungsspielraum der fachlich Verantwortlichen deutlich ein.
Auffällig ist die häufige Thematisierung von Problemen des Umweltschutzes in den Berichten. Einer der wichtigsten informierte die Parteispitze über einen Extremfall von Gewässerverschmutzung. Nach einem Unfall im VEB Motorradwerk waren große Mengen Kupfer-Zyanid in die Zschopau geflossen, sodass in diesem Abschnitt das Wasser selbst als Brauchwasser nicht mehr verwendet werden konnte. In Karl-Marx-Stadt war die Trinkwasserversorgung beeinträchtigt; zum Teil mussten Wasserwagen eingesetzt werden.86 Das war wohl selbst dem SED-Generalsekretär nicht bekannt. Er setzte den Zwischenfall auf die Tagesordnung der tags darauf stattfindenden Politbüro-Sitzung und bestellte den Minister für Umweltschutz gleich hinzu.87 Andere Berichte machten auf das »Problem der Gülleaufbereitung« in der Viehwirtschaft aufmerksam, das in der DDR noch nicht gelöst sei,88 wiesen auf die Grundwasserverschmutzung durch Braunkohlenasche89 und auf andere Sicherheitsprobleme in den Tagebauen90 hin.
Im Atomkraftwerk »Bruno Leuschner«, Greifswald, registrierte das MfS allein vom 1. Januar bis zum 31. Juli 1976 192 »betriebsgefährdende Vorkommnisse«. Dabei hatte die Schicht A des Kraftwerks von offiziellen Inspektoren – unter anderem für Sicherheit – gerade die Note 1 bekommen.91 Offenbar waren die Mängel nur der Stasi bekannt, die sich in diesem wie anderen Fällen wahrscheinlich auf die Informationen ihrer IM vor Ort stützte. Sie werden sich häufig hinter den anonymen »Fachexperten« verborgen haben, auf die sich das MfS in der Regel in solchen Berichten pauschal berief.
In einem anderen Fall betätigte sich die politische Geheimpolizei gleichsam als rettende Betriebs-Feuerwehr und bewahrte die DDR vor außenpolitischen Peinlichkeiten. Das Politbüro hatte im Februar 1976 beschlossen, dem Wunsch Vietnams zu entsprechen und kurzfristig dessen neue Währung zu drucken und 480 Millionen Münzen zu prägen.92 Ein »Neuerervorschlag« zur Rationalisierung des Arbeitsvorganges an aus der Bundesrepublik importierten Prägeautomaten erwies sich als kontraproduktiv. Die in Eigenregie umgebauten Maschinen fielen aus, die Erledigung des Auftrages schien »zeitweise ernsthaft gefährdet«.93 Das MfS analysierte die Ursachen, konstatierte, wie so oft, »Mängel in der Führungs- und Leitungstätigkeit«, in diesem Fall im Zuständigkeitsbereich des Ministers der Finanzen, und sorgte letztlich selbst für Abhilfe durch die »Bereitstellung von Arbeitskräften aus dem Kaderbestand des MfS, Maschinen- und Ersatzteilbeschaffung«.
Hilfsleistungen wie diese entsprachen durchaus dem praktizierten Selbstverständnis des MfS als Staatsorgan, das für alles zuständig sei, was für das Funktionieren des Staates wichtig schien. Zudem hatten solche Berichte wohl auch den Zweck, den Genossen an der Spitze von Staat und Partei deutlich zu machen, dass die Stasi auch in der Wirtschaft ein wichtiger Systemstabilisator sei. Zu überprüfen wäre, ob in Anbetracht des berichteten vielfältigen wirtschaftlichen Engagements des MfS die These aufrechtzuhalten ist, die Funktionsmängel der DDR-Wirtschaft seien von »Mielkes Stasibürokratie noch potenziert«94 worden. Dazu müssten freilich der längerfristige ökonomische Nutzen der MfS-Berichterstattung an Beispielen analysiert und die ökonomischen Folgen anderer geheimpolizeilicher Einflüsse auf die VEB, etwa der Geheimhaltungsmanie und der Reisebeschränkungen, mit berücksichtigt werden.
Unter dem Eindruck der vielen »Havarien« mit großen volkswirtschaftlichen Folgeschäden betätigte sich das MfS in Einzelfällen als vorausschauend-präventiv denkender Wirtschaftsplaner und machte Anfang 1976 den zuständigen ZK-Sekretär Günter Mittag darauf aufmerksam, dass das Petrolchemische Kombinat Schwedt nur über eine »einseitige Einspeisung für Elektroenergie«95 verfüge. Bereits eine »einfache Störung« dieser Verbindung könne »zum totalen Ausfall« des Betriebes führen.96 Das MfS empfahl dringend, für eine zweite Zuleitung zu sorgen. Ob der relativ beratungsresistente Wirtschaftsverantwortliche den Hinweis befolgte, ist nicht bekannt.97 Überliefert ist jedoch seine spätere Kritik am Staatssicherheitsdienst, der habe sich »zu einer Art parallelen Organisation zu allen Vorgängen im Staate« entwickelt.98 Gut möglich, dass er dabei auch an die Schwedter Initiative des MfS gedacht hat.
Hätte die Stasi versucht, aufgrund ihrer vielen Informationen aus den Betrieben der DDR eine zusammenfassende Analyse der grundlegenden Missstände in diesem Bereich vorzulegen, ihr Urteil hätte vermutlich ähnlich lauten müssen wie das von Rudolf Bahro, der in diesen Monaten im stillen Kämmerlein damit befasst war, seine eigenen Erfahrungen zusammenzufassen und später von »organisierter Verantwortungslosigkeit« sprach. Doch so weit ging Mielkes Kritikbereitschaft nicht.
Problembereich Gesundheitswesen
In einem Fall machten die MfS-Berichterstatter 1976 den Versuch vertiefender Ursachenforschung und erarbeiteten Anfang August den mit 85 Seiten (inkl. Anlagen) umfangreichsten Bericht dieses Jahres. Informiert werden sollte über »Erkenntnisse zur Situation im Bereich Medizin der DDR – Staatliches Gesundheitswesen, Hoch- und Fachschulwesen, Pharmazie und Medizintechnik«.99 Ziel war es, die Ursachen dafür herauszufinden und dann zu beseitigen, dass sich gerade viele der hier Beschäftigten mit der Unterstützung von Fluchthelfern in die Bundesrepublik ausschleusen ließen und auch die Zahl der Ausreiseanträge aus diesem Umfeld stark angestiegen war. Das MfS hatte für die Zeit vom 1. Januar 1974 bis zum 31. Juli 1976 404 gelungene Fluchtversuche von Angehörigen medizinischer Berufe registriert, 418 war im selben Zeitraum die Ausreise in die Bundesrepublik genehmigt worden.100
Befragt wurde eine nicht genannte Zahl noch vor dem Verlassen der DDR Festgenommener. Ergänzend verarbeitete die Stasi eigene Erkenntnisse zu den Arbeitsbedingungen im medizinischen Bereich. Indirekt bestätigten die MfS-Befunde, was viele der zum Verlassen der DDR Entschlossenen vortrugen.
Unzumutbar für Patienten wie Beschäftigte war offenbar allein schon der bauliche Zustand vieler Hospitäler in der DDR. Im Bezirkskrankenhaus Görlitz sollte schon seit Längerem die nicht mehr voll funktionstüchtige Heizung erneuert werden, da aufgrund der niedrigen Zimmertemperaturen gerade bei frisch Operierten Komplikationsgefahren bestanden. Wegen »fehlender Baukapazitäten« sei nun das Vorhaben »wieder fallengelassen« worden.101 Im Krankenhaus Lübben sickerten »Fäkalienreste durch undichte Wände von Behandlungsräumen«, und in der Universitätsklinik Jena brächen in einigen Gebäuden die Fußböden ein.102 Offenbar nicht nur für die im Bericht explizit genannte Medizinische Akademie Magdeburg galt: »Der bauliche Verfall verläuft schneller als die eingeleiteten Werterhaltungsmaßnahmen.«103
Fehlender Wohnraum habe dazu geführt, dass neu geschaffene Arztstellen oft nicht besetzt werden konnten. In der Magdeburger Akademie wohnten 60 Krankenschwestern in Klinikräumen.104 Gerade den Stasi-Offizieren, die zu den Spitzenverdienern unter den »Werktätigen« der DDR zählten, fiel zudem auf, wie gering die Einkommen der Mediziner waren. Das mittlere medizinische Personal verdiene nicht mehr als eine Reinigungskraft, und ein Oberarzt in der Chirurgie eines Bezirkskrankenhauses erhalte »das gleiche Gehalt wie ein Klempner einer PGH«.105 Die von den Krankenhäusern bezogenen westlichen Fachzeitschriften aber waren voll mit Stellenanzeigen, die über die – aus DDR-Sicht – geradezu traumhaften Verdienstmöglichkeiten in der Bundesrepublik informierten.
Gemessen an den vorhandenen Problemen waren die von den Offizieren entwickelten Lösungsansätze nicht gerade vielversprechend. Das MfS wollte selbst zur Verbesserung der Personallage beitragen, geeignete Nachwuchskader für leitende Positionen rechtzeitig »aufklären« und die Kontrolle des Gesundheitswesens durch den vermehrten Einsatz von IM, insbesondere in Schlüsselpositionen, erhöhen.106
Erstaunlicherweise wurde die umfangreiche Information zur Lage im medizinischen Bereich vom MfS nicht herausgegeben.107 Als Adressaten hatte die ZAIG Kurt Hager, Gesundheitsminister Ludwig Mecklinger und den Leiter der Abteilung Gesundheitspolitik im ZK, Werner Hering, vorgesehen.108 Der Bedeutung des Papiers entsprechend, hätte Mielke zumindest noch Honecker und Stoph als Vorsitzenden des Ministerrates auf den Verteiler setzen müssen.
Über seine Gründe, die Analyse nicht weiterzuleiten, kann nur spekuliert werden. Vielleicht hatte er verinnerlicht, dass der Honecker-Vorgänger Ulbricht schon mit den ersten Stasi-Berichten dieser Art seine Probleme gehabt und 1956/57 kritisiert hatte, sie stellten eine Form der »legalen Verbreitung feindlicher Hetze« dar.109 Fast 20 Jahre später wollte sich der gerade zum Vollmitglied des Politbüros beförderte Staatssicherheitsminister wahrscheinlich nicht das Wohlwollen des neuen Parteichefs verderben, dessen Bereitschaft, Kritisches zur Lage im Lande zur Kenntnis zu nehmen nach dem späteren Urteil mancher seiner Politbüro-Kollegen noch geringer war als die Ulbrichts.110
Nach dem Sturz zu seiner Rezeption der Stasi-Berichte befragt, fällte Honecker bezeichnenderweise ein ähnliches Urteil wie seinerzeit Ulbricht und behauptete, sie nicht ernst genommen zu haben, weil sie zu sehr wie die westlichen Medienberichte über die DDR geklungen hätten.111 Insbesondere den Vorwurf, in der DDR habe »Misswirtschaft« geherrscht, wies er rückblickend entschieden zurück.112 Mielke, der ein feines Gespür dafür hatte, was der jeweilige starke Mann der Partei von seinen Tschekisten erwartete, was in dessen DDR-Bild passte und was ihm nicht zu vermitteln war, wird das vermutlich bedacht haben.
Tabuthemen Flucht und Ausreise
Heikel war an dem Bericht wohl weniger, dass das von seinen Mitarbeitern Zusammengetragene zu sehr die Klagen der Unzufriedenen zu bestätigen schien, die einen Ausreiseantrag eingereicht hatten. Problematisch waren wohl vor allem die relativ detaillierten Angaben zu den Motiven der bei Fluchtversuchen Festgenommenen sowie Zahlen zu den ausgereisten und geflohenen Ärzten. Für die Stasi wie die SED-Spitze war das eines der größten Probleme dieser Monate, das gern verdrängt wurde. Honecker hatte es bis dahin vermieden, das Thema Ausreiseanträge auf die allein von ihm bestimmte Agenda des Politbüros zu setzen. Das sollte sich auch bis zum Jahresende nicht ändern: Von den 719 Tagesordnungspunkten der Politbürositzungen des Jahres 1976 betraf keiner diese Problematik.113 Lediglich in dem einen oder anderen Monatsbericht eines 1. SED-Bezirkssekretärs an Honecker, die der Generalsekretär selektiv unter den Politbüromitgliedern in Umlauf gab, tauchte sie auf.114 Selbst Mitte der achtziger Jahre noch soll er sich dagegen gewandt haben, Statistiken über die Ausreisenden zu führen, denn in früheren Zeiten seien viel mehr DDR-Bürger in den Westen gegangen.115
Hätte Honecker den Bericht 572/76 erhalten, er wäre nicht nur über die katastrophale Lage im DDR-Gesundheitswesen informiert worden, er hätte auch erfahren, dass die Festgenommenen sich selbstbewusst und offen DDR-kritisch äußerten. Bei der Mehrzahl habe sich die Ablehnung der DDR »überwiegend erst während des Studiums« herausgebildet116 – das musste zu denken geben. In die SED, so die provokante Antwort der Festgenommenen, träten »nur Karrieristen« und die »fachlich schwächsten Mediziner« ein. Die Inhaftierung sahen sie gelassen als »sicheren Umweg« in die Bundesrepublik an und erwarteten ihren Freikauf. Die »eigentliche ›Menschenhändlerin‹« sei die DDR. Um ihr Ansehen im Kollegenkreis machten sie sich auch nach dem gescheiterten Fluchtversuch keine Sorgen: Die würden Verständnis zeigen. Die ZAIG hatte schon zu Beginn des Jahres den Versuch unternommen, allgemein über die Ausreiseanträge und die ihnen zugrunde liegenden Motive zu informieren. Zunächst im Bericht 77/76 vom 28. Januar, der an Honecker, Axen, Lamberz und Außenminister Fischer gehen sollte, aber laut handschriftlichem Eintrag nicht herausgegeben wurde, da das Thema erneut und noch umfassender behandelt werden sollte.117 Mitte Februar lag auch die erweiterte Fassung als Information 104/76 im Entwurf vor. Doch die MfS-Spitze entschied wiederum, sie nicht weiterzuleiten.118 Mit der Vorbereitung der Information 572/76 machte die ZAIG in diesem Jahr folglich bereits den dritten vergeblichen Versuch, das Thema an die politische Führung heranzutragen. Die ZAIG-Führung bewies damit eine nicht gerade MfS-typische Hartnäckigkeit ihr gegenüber.
Mit ihren ersten Berichtsentwürfen hatte die ZAIG offenbar auf eine neue Informationspraxis des Westfernsehens reagieren wollen.119 In der von Gerhard Löwenthal moderierten Sendereihe »ZDF-Magazin« war um die Jahreswende 1975/76 erstmals unter dem Rubrum »Hilferufe von drüben« von DDR-Bürgern berichtet worden, die einen Antrag auf Entlassung aus der DDR-Staatsbürgerschaft und Ausreise in die Bundesrepublik gestellt hatten. Löwenthal hatte Namen und Wohnort von Antragstellern genannt und angekündigt, deren Schicksal zu verfolgen. Zudem hatte er über die Rechtsgrundlagen informiert, auf die sich zur Ausreise Entschlossene berufen konnten, und Empfehlungen zum taktischen Verhalten gegeben. Der ZDF-Moderator hatte sich als scharfer Kritiker der sozialliberalen Deutschlandpolitik profiliert, bewies aber ein feines Gespür dafür, welche neuen Handlungsspielräume die Entspannungspolitik Oppositionellen in der DDR eröffnete und half dabei, sie zu nutzen. Für das MfS stellte die ZDF-Sendereihe einen Extremfall von »Einmischung« in DDR-Angelegenheiten dar mit womöglich weitreichenden innenpolitischen Konsequenzen.
Seit der KSZE-Konferenz war nach Erkenntnissen der politischen Geheimpolizei die Zahl dieser Anträge sprunghaft angestiegen. Insgesamt waren im Jahre 1975 20 270 eingereicht worden gegenüber 7 314 im Jahr zuvor.120 Die Stasi hatte schroff reagiert und bisher nur etwa jeden dritten genehmigen lassen.121 Doch schreckte das die Ausreisewilligen offenbar nicht ab. Die Zahl der Antragsteller zeigte weiter steigende Tendenz, und sie traten, wie den MfS-Offizieren aufgefallen war, selbstbewusst (»provokatorisch«) gegenüber den Behörden auf und forderten »zügige und positive« Bearbeitung, sonst würden sie westdeutsche Massenmedien und internationale Organisationen einschalten.122
Die am 21. Januar 1976 im ZDF-Magazin namentlich genannten 65 Personen hatte das MfS sogleich überprüft und überrascht festgestellt, dass es sich um »hochqualifizierte Kräfte« handelte: Ärzte, Ingenieure, Facharbeiter.123 Das Durchschnittsalter habe nur 30 Jahre betragen; die meisten waren folglich in der DDR aufgewachsen.124 Ungläubig nahm die ZAIG die genannte Hauptbegründung der Ausreisewilligen zur Kenntnis, dass sie »angeblich mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in der DDR nicht einverstanden seien«, denn es hätten sich Personen darunter befunden, die »über Jahre hinweg« eine positive Einstellung zur sozialistischen Ordnung gehabt, zum Teil »aktive gesellschaftliche Arbeit« geleistet oder »zumindest eine loyale Haltung« gezeigt hätten. Nun aber äußerten sie sich mündlich und schriftlich entschieden negativ und bemängelten unter anderem, dass Nichtmitglieder der SED »keine Perspektive« hätten und insbesondere die »Meinungs- und persönliche Freiheit« eingeschränkt sei. Spätere umfangreiche Untersuchungen des MfS zur sozialen Zusammensetzung und Motivation der Antragsteller bestätigten diese ersten ZAIG-Befunde vom Jahresanfang.125
Das Verhalten der Ausreisewilligen machte den Beginn eines gesellschaftlichen Wandels in der DDR sichtbar, der die Partei und ihren Sicherheitsapparat vor schwierige, neue Aufgaben stellte. Ermutigt vor allem durch die Beschlüsse der KSZE wagten es DDR-Bürger zunehmend, die für das Funktionieren des Staates essenzielle »Als-ob-Konvention«126 zwischen Partei und Gesellschaft offen aufzukündigen, jenen ungeschriebenen Sozialvertrag, wonach die Bevölkerung so tat, als sei sie mit der Politik der SED einverstanden und die Parteiführung, als würde sie das glauben.
Mielke schien die politisch-gesellschaftliche Brisanz der Ausreisebewegung durchaus erkannt zu haben und warnte vor dem Zentralen Parteiaktiv des Ministeriums: »Die Entwicklung der politisch-operativen Lage auf diesem Gebiet« sei »außerordentlich ernst« und erfordere »allerhöchste Anstrengungen«.127 Die Zahl der Anträge, so fürchtete er zutreffend, werde noch ansteigen.128 Das MfS werde zukünftig eine fortzuschreibende Statistik über den Stand der Ausreiseanträge und das »illegale« Verlassen der DDR führen.129 Die Ursachen der Entwicklung sah er, wie fast immer in solchen Fällen, nicht im Lande selbst, sondern in einer vom »Gegner« organisierten »Hetz- und Verleumdungskampagne«130 und in fehlender Kenntnis der Rechtslage: »Entsprechend der Menschenrechtskonvention der UNO hat jeder Staat das Recht, die Bedingungen für die Ausreise seiner Bürger innerstaatlich zu regeln und entsprechende Rechtsvorschriften zum Schutz der Sicherheit und öffentlichen Ordnung zu erlassen. Daran halten wir uns. Über die Ausreise […] entscheiden wir allein.«131 Dass plumpe »Klarstellungen« wie diese geeignet waren, die Sachbearbeiter in den Innenverwaltungen sicherer im Umgang mit den juristisch argumentierenden Antragstellern zu machen, ist unwahrscheinlich.
Mielke setzte nach wie vor auf die uneingeschränkte Macht seiner Partei und den vorbeugend wirksamen Einsatz von IM. Anfang September teilte er Honecker zufrieden mit, die durch das ZDF-Magazin bekannt gewordene, von Karl-Heinz Nitschke, einem Arzt, organisierte Gruppe Riesaer Antragsteller, die eine »Petition zur Erlangung der vollen Menschenrechte« unterzeichnet hatte, sei durch die SED und »Maßnahmen« des MfS »weiter isoliert« worden und habe »keine Möglichkeiten zur Konzentration und Entfaltung weiterer feindlich-negativer Aktivitäten«.132 Angehörige der »medizinischen Intelligenz« der Stadt hätten »zum Ausdruck gebracht, dass die Inhaftierung Nitschkes notwendig und gerechtfertigt« gewesen sei.
Diese kaum verhüllte Ermunterung zu hartem politisch-strafrechtlichen Vorgehen zeigte aber letztlich nicht die gewünschte Wirkung bei Honecker. Obwohl der Prozess gegen Nitschke schon genau vorbereitet, das Strafmaß vorab auf acht bis zehn Jahre festgelegt und selbst die ADN-Meldung zur Verurteilung formuliert worden war, fand das Verfahren aufgrund »zentraler Entscheidung« nicht statt.133 Nitschke wurde am 28. August 1977 in die Bundesrepublik abgeschoben. Die starke Beachtung, die sein Fall über die Westmedien in der Bundesrepublik wie der DDR gefunden hatte, begrenzte den Handlungsspielraum der theoretisch unumschränkt Herrschenden und bewahrte ihn vor langjährigem Freiheitsentzug.
Die Kirchen
Als einzige Organisationen in der DDR, die nicht unter der Kontrolle der SED standen, waren die christlichen Kirchen und ihre aktiven Mitglieder stets ein bevorzugtes Objekt geheimpolizeilicher Überwachung. Der Anteil der auf sie bezogenen ZAIG-Berichte war mit 31 entsprechend hoch, was auch darauf zurückzuführen war, dass es dem MfS gelungen war, in den Kirchen zahlreiche IM zu werben und es über dichte Informationen zur Lage in den Kirchen verfügte.134 Jeden vierten der ZAIG-Berichte zu den Kirchen hatte Mielke für so wichtig gehalten, dass er ihn an Honecker weiterleitete. Die meisten stammten aus der zweiten Jahreshälfte, als nach der Selbstverbrennung des Pfarrers Oskar Brüsewitz das Verhältnis von Staat und Kirche in der DDR zu einem auch in der Bundesrepublik und im westlichen Ausland viel diskutierten Thema geworden war. Mit dem Freitod des Seelsorgers aus der Kirchenprovinz Sachsen und den innerkirchlichen Reaktionen darauf befassten sich gleich zwölf Informationen.135 Unter Einsatz ihrer machtpolitischen Mittel gelang es der SED, eine Protesterklärung der Kirchenleitung gegen diffamierende Zeitungskommentare zu Brüsewitz und seinem Freitod zu unterdrücken: Die Erklärung wurde in den DDR-Zeitungen nicht abgedruckt. Seinen öffentlichen Protest gegen die Benachteiligung von Christen in der DDR und speziell die ideologische Indoktrination der Jugend aber machte sich die Kirchenleitung nicht zu eigen. Sie glaubte, mit einer unspektakulären, auf Verständigung setzenden Politik mehr für die evangelischen Christen in der DDR erreichen zu können.136 Zu dieser moderaten Reaktion trug möglicherweise auch das Wirken von Stasi-IM in den Kirchen bei. SED und MfS gelang es, die innerstaatlichen Auswirkungen des »Fanals von Zeitz« eng zu begrenzen; das wird auch an Zahl und Inhalt der MfS-Meldungen erkennbar. Als die Evangelischen Kirchen Ende Dezember ihr traditionelles Wort zum Jahreswechsel formulierten, ohne die Selbstverbrennung zu erwähnen,137 konnten die politisch Verantwortlichen davon ausgehen, dass das Thema keine innenpolitische Brisanz mehr besaß.
Von besonderem Interesse waren für sie die zahlreichen Auslandskontakte der Kirchen und das DDR-Bild, das sie bei solchen Gelegenheiten vermittelten.138 Durch die Integration der Katholischen Kirche der DDR in die vom Vatikan geführte Weltkirche war von zentraler politischer Bedeutung, was jeweils in Rom entschieden wurde. Im Jahre 1976 konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der SED-Kirchenpolitiker auf die Frage, ob die Katholische Kirche der DDR die Entwicklung in den evangelischen Bruderkirchen nachvollziehen und sich organisatorisch verselbstständigen würde. Mit der Umdefinition der »Berliner Ordinarienkonferenz« in eine selbstständige Bischofskonferenz für die DDR im Herbst des Jahres war ein seit Langem von der SED gewünschter Schritt vollzogen und vom Vatikan bestätigt worden.139
Wie bei allen Volkskammerwahlen registrierte das MfS auch 1976 genau das Wahlverhalten der kirchlichen Amtsträger und musste jeweils zur Kenntnis nehmen, dass deren Bereitschaft sehr unterschiedlich und insgesamt nicht groß war, sich mit der Wahlbeteiligung und offener Stimmabgabe formal zu Staat und Politik in der DDR zu bekennen.140 Die Wahlabstinenz war nach den MfS-Erkenntnissen aus dem Bezirk Rostock zu urteilen bei den katholischen Pfarrern deutlich höher als bei ihren evangelischen Kollegen.141
Als späterer Kristallisationspunkt für oppositionelles Verhalten ist die Evangelische Kirche erst andeutungsweise erkennbar. Dokumentiert wird der mutige Protest vieler Pfarrer gegen die Ausbürgerung Biermanns, obwohl der bekennender Atheist war.142 Die Kirchenleitungen hatten sich nicht geäußert. Und berichtet wird auch über die penible kirchliche Analyse der vorab veröffentlichten Dokumente zum SED-Parteitag, die in der DDR kaum irgendwo so sorgfältig studiert worden waren wie in der Evangelischen Kirche.143
Oppositionelle Tendenzen
Die 1976 vom MfS gemeldeten oppositionellen Tendenzen beziehen sich vor allem auf Einzelpersonen. Noch sah die politische Geheimpolizei keine Tendenzen zu organisationsähnlicher Gruppenbildung und wertete die Berichte einzelner West-Korrespondenten, die Ansätze zur Formierung einer DDR-internen politischen Opposition zu erkennen glaubten, als vom Westen gesteuerten Versuch, entsprechende Aktivitäten herbeizureden.144 Eine positive Resonanz solcher vermeintlich aus der Bundesrepublik inspirierter Initiativen erwartete der Staatssicherheitsdienst lediglich bei den auf 4 000 Personen geschätzten früheren Sozialdemokraten im Ostteil Berlins, doch stünden die »unter entsprechender Kontrolle des MfS«.145 Ein gutes Gespür für das, was sich im Lande entwickelte, hatte die Staatssicherheit nicht. Sie pflegte die Feindbilder der Fünfzigerjahre. Zudem vertraute die MfS-Führung offensichtlich auf die Wirksamkeit einer gerade von ihr beschlossenen neuen Taktik zur Bekämpfung oppositioneller Tendenzen unter den Bedingungen der internationalen Entspannungspolitik und setzte auf vorbeugende »politisch-operative Maßnahmen«, insbesondere durch den Einsatz von IM und deren »zersetzenden« Einfluss unter Regimekritikern.146
Ihr stereotypes Deutungsmuster, die Ursachen für Kritik an der Politik der SED im Westen zu suchen, traf durchaus zu für die einfallsreichen und hartnäckigen Aktivitäten maoistischer Gruppen,147 bedingt auch für die Arbeitsgemeinschaft »Bekenntnis und Bekennen« in der Evangelischen Kirche, die offenbar logistische Unterstützung von jenseits der Grenze bekam,148 die Beschreibung der Verhältnisse im Lande wie sie Reiner Kunze und Wolf Biermann gegeben hatten, ließ sich aber so nicht abtun.
Aus der kulturellen Szene vor allem meldeten die geheimen Observateure DDR-kritische, aufmüpfige Tendenzen, die aber, nach den Stasi-Befunden, noch auf wenige Personen beschränkt waren. Selten formierten sich kleinere temporäre Gruppen, etwa um gezielt die staatliche Zensur zu umgehen149 oder gegen die Biermann-Ausbürgerung zu protestieren.150 Völlig unverständlich scheint es für Mielke und seine Offiziere gewesen zu sein, dass ein systempositiver Schriftsteller wie Stephan Hermlin nach MfS-Erkenntnissen Verständnis für den Ausschluss Kunzes aus dem Schriftstellerverband gezeigt,151 sich aber kurz darauf an die Spitze des Protestes gegen die Biermann-Ausbürgerung gesetzt hatte. Das erregte große öffentliche Aufmerksamkeit, über die Westmedien auch in der DDR, war politisch aber als Aktion von Systemloyalen einzustufen, die lediglich vorsichtig um die Überprüfung des Ausweisungsbeschlusses baten. Selbst Biermann hatte in Köln keinen Zweifel daran gelassen, dass er sich als Kommunist verstand und die DDR für den »besseren« deutschen Staat hielt, den er nicht verlassen wolle – ganz im Gegensatz zu den Ausreiseantragstellern, die mit dem System endgültig gebrochen hatten. Die Stasi zeigte kein Gespür für diesen wesentlichen Unterschied und registrierte oppositionelle Tendenzen vor allem unter den bekannten Künstlern und Schriftstellern.
Berichtenswert erschien ihnen, was Ulrich Plenzdorf bei Lesungen über die Zustände im Lande sagte,152 dass die Renft-Combo sich immer noch nicht mit der staatlich verfügten Auflösung abgefunden hatte,153 wie selbstbewusst Siegmar Faust die Ausreiseerlaubnis forderte154 und wie geschickt Rolf Schneider gerade auf Westreisen seine Statements zu aktuellen politischen Entwicklungen in der DDR formulierte, sodass ihm politisch nichts anzukreiden war.155
Die vielen spontanen Protestaktionen gegen die Biermann-Ausbürgerung ließen ahnen, wie stark systemkritisches Denken über den Kreis der »Kulturschaffenden« hinaus in der DDR verbreitet war. Die meisten Urheber, so scheint es, konnte das MfS nicht ermitteln. Ausführlich dokumentiert findet man in den ZAIG-Informationen lediglich den spontanen Protest eines Produktionsarbeiters aus Quedlinburg, der im August, zwei Tage nach der Selbstverbrennung von Brüsewitz, zahlreiche »Hetzschriften« mit Anklagen wie »Die Menschenrechte werden in der DDR in den Dreck gezogen«156 in der Stadt abgelegt hatte.
Robert Havemann wird in den Berichten an die Parteiführung nur im Zusammenhang mit dem Ausschluss Kunzes und der Ausbürgerung Biermanns häufig erwähnt, direkt auf ihn bezogen ist aber nur eine Information, in der empfohlen wird, Havemann eine geplante Urlaubsreise nach Polen zu verweigern. Honecker entschied offenbar, sie zu genehmigen.157
Innerdeutsche Beziehungen
Die Berichte aus dem Jahr 1976 lassen deutlich erkennen, welche Probleme der Staatssicherheitsdienst mit dem Grundwiderspruch der SED-Deutschlandpolitik hatte, einerseits die Beziehungen zur Bundesrepublik durch eine Vielzahl von Verträgen als Sonderverhältnis auszugestalten, andererseits mit der Zwei-Nationen-Theorie und der Abgrenzungspolitik die Distanz zu betonen und noch vergrößern zu wollen. Die Stasi hatte große Mühe, die innenpolitischen Folgen dieses Widerspruchs einzudämmen, verhielt sich aber in bekannter Manier absolut parteiloyal und vermied jeden Anflug von Kritik. Schon allein die Berichte 691/76, 830/76 und 878/76 verdeutlichen, welche Sicherheitsprobleme die Abmachungen zur Arbeit von Westjournalisten im Lande heraufbeschworen. Vergleichsweise selten wird dagegen die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in der DDR erwähnt.158
Spontane Kontakte zwischen Menschen beider Staaten waren aus der Sicht der Stasi gefährlich und alarmierten die MfS-Offiziere. Die Verabredung Berliner Montagearbeiter aus dem Westteil der Stadt zu einem Fußballspiel mit ihren Kollegen aus einem DDR-Betrieb wertete der Staatssicherheitsdienst als Politikum und setzte Honecker davon in Kenntnis.159 Private Besuchsreisen westdeutscher Politiker in die DDR versetzten die örtlichen MfS-Gliederungen regelmäßig in Aufregung.160 Unkontrollierte Kontakte zur Bevölkerung wollte die politische Geheimpolizei möglichst unauffällig verhindern. Oft fanden Ausreisewillige dennoch Möglichkeiten, den prominenten Gästen Zettel zuzustecken und auf sich aufmerksam zu machen. Verbieten konnten die Sicherheitsoffiziere solche Besuche nicht, denn die DDR hatte sie in den innerdeutschen Verträgen zugestanden.
Die Grunderneuerung der Transitautobahn nach Westberlin wurde zu einer logistischen Herausforderung besonderer Art, weil Verkehrsumleitungen durch die Dörfer auf jeden Fall vermieden werden sollten:161 Zu groß wäre die Gefahr gewesen, dass Fluchtwillige die unübersichtliche Verkehrslage hätten nutzen und unbemerkt in einen West-Pkw einsteigen können.
Reise- und Transitverkehr
Von den 293 Inlands-»Informationen« war die größte Gruppe eher buchhalterischer Art und listete auf, wie viele DDR-Besucher und Transitreisende es in der jeweils zurückliegenden Woche gegeben und welche Deviseneinnahmen die DDR dadurch gehabt hatte. Da die Passkontrolle Sache der Staatssicherheit war,162 hatte sie auch die sensible Aufgabe der Rechnungsführung über die pauschal von der Bundesregierung entgoltenen Transitgebühren für die Nutzung der Verbindungswege zwischen Westberlin und der Bundesrepublik sowie die Einnahmen aus dem Reiseverkehr in die DDR übernommen. Diese weithin standardisierten Berichte gingen zumeist nur an das Ministerium der Finanzen. Wichtig waren sie unter anderem, weil auch von westlicher Seite die Transitreisenden gezählt wurden. Nach oben abweichende DDR-Statistiken waren erklärungsbedürftig und nährten den Verdacht, die devisenknappe DDR übertreibe bewusst. Ein Vergleich der hier vom MfS festgehaltenen mit den in Bonn eingereichten Zahlen könnte nachträglich für Klarheit sorgen.
Die Fehlperzeption der Entspannungspolitik
Dass das ins Riesenhafte gewachsene Ministerium für Staatssicherheit der DDR es nicht vermocht hat, den Verfall und späteren Verlust der Macht in den achtziger Jahren zu verhindern, gehört zu den überraschenden Wendungen der DDR-Geschichte, ist aber für das letzte Jahr ihrer Existenz inzwischen umfassend analysiert und beantwortet.163
Die MfS-Informationen aus dem Jahr 1976 lassen erkennen, wie die Staatssicherheit auf die Anfänge einer außenpolitischen Entwicklung reagierte, die schon bald innenpolitische Wirkungen zeitigte und später maßgeblich dazu beitrug, dass der sozialistische deutsche Teilstaat unter dem Druck der Protest- und Ausreisebewegung friedlich in sich zusammenbrach: die innerdeutsche und europäische Entspannungspolitik. Sie bewirkte, dass die Mauer, ohne die das Regime nicht existenzfähig war, im übertragenen Sinne einem Erosionsprozess ausgesetzt war, der sie und die SED-Herrschaft im Herbst 1989 schließlich völlig zum Verschwinden brachte.
Dabei hatte das MfS die Auswirkungen des in Helsinki Beschlossenen auf die DDR aufmerksam registriert und schon im August 1975 in einer umfangreichen Analyse die für die DDR-Staatssicherheit wichtigen Reaktionen auf die Konferenzbeschlüsse im In- und Ausland zusammengefasst.164 Darin hielt die Stasi an der parteioffiziellen Wertung der Konferenz als außenpolitischem Erfolg der Sowjetunion und ihrer Verbündeten fest und referierte stolz den in der Bevölkerung weitverbreiteten Eindruck, die DDR sei in Helsinki »als gleichberechtigter international anerkannter Staat […] überzeugend sichtbar geworden«.165 Honeckers Rede dort werde »von vielen Bürgern als konstruktiv und richtungsweisend« gewürdigt. Registriert hatte die Geheimpolizei aber auch, dass die SPD-Führung in Bonn glaubte, »den Zielen ihrer Ostpolitik einen großen Schritt nähergekommen zu sein« und Teile der DDR-Bevölkerung auf die Helsinki-Beschlüsse ganz eigenwillig reagierten: Gestiegen war die Zahl der Ausreise-Antragsteller.166 Manche legten ihren Antrag zusammen mit der Ausgabe des »Neuen Deutschlands« vor, in der die Schlussakte veröffentlicht worden war und belehrten die bearbeitenden Volkspolizisten, dass sie »nicht mehr ablehnungsberechtigt« seien. Ähnlich zuversichtlich Gestimmte wollten nun westliche Zeitungen lesen oder glaubten, das Fünfziger-Jahre-Thema »Wiedervereinigung« sei nach Helsinki »wieder aktuell geworden«167. Pessimisten dagegen sahen in der KSZE nur ein »politisches Spektakel«. Am Regime in der DDR werde sich nichts ändern, denn sonst würden »viele DDR-Bürger flüchtig wie vor dem Mauerbau«.168 Offen blieb die Frage, ob die Ignoranz des Beschlossenen für die SED-Führung noch eine praktikable Handlungsoption war.
Gerade die nach der KSZE einsetzende Ausreisebewegung war ein Warnsignal, auf das das MfS als Seismograph für drohenden Machtverlust deutlich hätte reagieren müssen, nachdem es bereits durch die innerdeutschen Verträge, insbesondere das Transitabkommen, wesentlich erleichtert worden war, die DDR, trotz der Mauer, »illegal«, ohne Billigung der Behörden, zu verlassen. Allein in den Jahren 1974/75 schafften das nach MfS-Ermittlungen 3 998 Personen.169 Viele flohen mit Unterstützung von Fluchthilfeorganisationen, zahlreiche auf dem MfS gänzlich unbekannte Art und Weise.170 Eine Warnung der Tschekisten an die Parteiführung vor der Fortsetzung dieser Politik erging, soweit bekannt, dennoch nicht. Das MfS wagte es nicht einmal, die politische und gesellschaftliche Tragweite der Ausreisebewegung in aller Deutlichkeit zu schildern. Seine Führung übernahm vielmehr die offizielle, propagandistisch verklärte Sicht, wonach die Entspannung eine von den sozialistischen Staaten durchgesetzte Politik der Stärke sei. Sie bilde »dank des wachsenden Einflusses der sozialistischen Staatengemeinschaft unter Führung der Sowjetunion« die »Haupttendenz der internationalen Entwicklung«. Der »Imperialismus« sei zur »Anpassung«, zur friedlichen Koexistenz »gezwungen«, so Mielkes Standardargumentation vor seinen Offizieren,171 die exakt die Überzeugung des SED-Chefs wiedergab. Denn der hatte Anfang 1976 den Politbüromitgliedern die Übersetzung einer sowjetischen Analyse zur Entspannungspolitik zukommen lassen und die aus seiner Sicht wichtigsten Sätze mit dicken Unterstreichungen hervorgehoben wie: »Unser Klassengegner ist dadurch beunruhigt, dass sich unter [den] Bedingungen der Entspannung tiefgreifende sozial-politische Veränderungen in der kapitalistischen Welt beschleunigt haben«.172 Die »Bourgeoisie« sei »besonders durch eine mächtige Entwicklung des realen Sozialismus erschrocken«.173
Für solche wirklichkeitsfernen Interpretationen schien immerhin zu sprechen, dass diese Politik im Westen höchst umstritten war und manche Analysen nicht gerade SED-naher Beobachter ganz ähnlich klangen. Gern zitierte Mielke den CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß mit seinem Verdikt, wenn der Westen die Entspannungspolitik fortsetze, habe er den Dritten Weltkrieg bereits verloren, bevor er begonnen habe.174
Ähnlich hatte sich der sowjetische Regimekritiker Solschenizyn in einer BBC-Sendung geäußert, über die das ZDF berichtet hatte.175 Und selbst im parteipolitisch unverdächtigen »Deutschland Archiv« kam eine kulturwissenschaftliche Analyse zu dem Ergebnis, »die ›Aufweichung‹ des Westens durch und für die sowjetische Politik« habe »einen Stand erreicht, der für Moskau ermutigend und für die von seiner Herrschaft freien Völker und Staaten erschreckend« sei. Im Verhältnis dazu falle die »umgekehrte ›Aufweichung‹ […] kaum ins Gewicht, was zunächst eine direkte Folge der systembedingten Einseitigkeit der ›Entspannung‹« sei.176
Die Hauptprotagonisten der neuen Deutschland- und Entspannungspolitik in Bonn dagegen äußerten sich eher zurückhaltend als euphorisch wie Chefunterhändler Egon Bahr, der erwartete, es werde zukünftig schlechte Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten geben, nachdem es bisher gar keine gegeben habe. Selbst Mitte der achtziger Jahre war er sicher, eine Wiedervereinigung selbst nicht mehr zu erleben.177
Unter diesen Umständen fiel es Mielke offenbar nicht schwer, trotz der sich abzeichnenden Probleme mit den zur Ausreise Entschlossenen am ehernen Grundsatz des MfS festzuhalten, dass die Politik der Parteiführung ohne Abstriche zu übernehmen und zu unterstützen sei. Die Meldungen, die an Honecker gingen, sollten affirmativen Charakter haben und den Generalsekretär darin bestärken, dass seine Politik richtig sei. Mielke machte, nach den MfS-Informationen zu urteilen, keinen Versuch, Honecker zu beraten, ihm vielleicht Kurskorrekturen nahezulegen, denn Beratung hätte die Bereitschaft vorausgesetzt, sich ein Stück weit vom Vorhandenen, von der Politik des SED-Generalsekretärs, zu distanzieren und nach (noch) »Besserem« zu suchen. Das wäre nach diesem Selbstverständnis schon als Mangel an Loyalität zu werten gewesen. Dass die Macht im Staate gefährdet sei, hätte das MfS nur konstatiert, wenn die SED-Führung dies als Ergebnis einer eigenen Lageanalyse verkündet hätte.
Resümee
- 1.
Mit ihren Berichten an die Partei- und Staatsführung wurde die Stasi zu einer wichtigen Chronistin der DDR. Ihre Informationen aus dem Jahr 1976 zeigen sie als über die Vorgänge im Lande gut informierte, gegenüber dem nachgeordneten Staatsapparat bisweilen schulmeisterlich auftretende Beobachterin all dessen, was den Erhalt der SED-Herrschaft hätte bedrohen oder auch nur erschweren können. Die Auswahl der Themen und die Art der Berichterstattung geben Aufschluss über das Selbstverständnis des Sicherheitsdienstes, aber auch über die alltäglichen Probleme, mit denen die Machtträger konfrontiert waren. Augenfällig ist, dass Mielke sein Ministerium als ein Staatsorgan besonderer Art betrachtete, das auch Kontrollfunktionen gegenüber den anderen Gliederungen des Ministerrates wahrzunehmen habe. Was zu Beginn der sechziger Jahre noch auf die Kritik der Parteiführung gestoßen war, prägte nach wie vor das Selbstverständnis der DDR-Tschekisten als vermeintlich mit Sonderrechten ausgestattete Kontrollbeauftragte der Partei. Ein Anspruch, der Mielke nicht gerade zu einem beliebten Kollegen im Staatsapparat werden ließ. Die MfS-Offiziere sahen sich als Elite innerhalb einer Elite und ließen das spüren. Sie waren in der Tat die verlässlichsten Beschützer der Partei, genauer: der SED-Führung, deren oberstem Leitungszirkel, dem Politbüro, der Minister für Staatssicherheit seit 1971 als Kandidat und ab Mai 1976 als Vollmitglied angehörte.
- 2.
Die Stasi geriet dabei in einen Interessenkonflikt, der ihre Berichtspolitik spürbar beeinflusste. Die Selbstverpflichtung zu äußerster Parteitreue verlangte von ihren Offizieren auch, die ideologischen und propagandistischen Vorgaben der Parteiführung konsequent zu beachten und argumentativ zu unterstützen. Die MfS-Berichte zur Lage im Lande durften folglich nicht als Dementi des vom Generalsekretär Behaupteten erscheinen, der aber äußerte sich öffentlich stets zuversichtlich, wenn nicht gar begeistert. Die ZAIG-Informationen wurden so zugleich zu interessegeleiteten Wortmeldungen, zu Dokumenten der Selbstdarstellung des MfS, insbesondere gegenüber Honecker.
- 3.
Auf das Wohlwollen des Generalsekretärs war Mielke in besonderem Maße angewiesen, weil seine politische Biographie nicht so lupenrein war, wie bei einem Amtsträger in seiner Stellung zu erwarten. Während des Krieges hatte er eben nicht »an der Seite der Sowjetunion« gekämpft, wie es MfS-intern dargestellt wurde,178 sich vielmehr unter anderem in Belgien und Frankreich aufgehalten und in der Organisation Todt Unterschlupf gesucht.179 Diese blinden Flecke in seiner Biografie dürften den Ausschlag dafür gegeben haben, dass ihn die Besatzungsmacht nicht schon Anfang der fünfziger Jahre an die Spitze des MfS aufrücken ließ. Das erreichte er erst 1957 dank der Unterstützung Walter Ulbrichts.
Mielkes vorsichtige Verteilungspolitik macht deutlich, dass er sich nicht so sicher war, von Honecker als Repräsentant seines wichtigsten Herrschaftsinstruments anerkannt und geschätzt zu werden, ließen sich doch viele der MfS-Befunde auch so interpretieren, dass es dem »Schild und Schwert« der Partei nicht gelungen war, negative Einflüsse des »Klassenfeindes« schon vorbeugend zu bekämpfen und von der DDR fernzuhalten. Einen erheblichen Teil ihres Wissens gab die Staatssicherheit wohl aus diesem Grund nicht an Honecker weiter: Der Überbringer schlechter Nachrichten musste den Zorn des Herrschers fürchten. - 4.
Trotz ihres großen Informationsvorsprunges gegenüber den meisten anderen Vertretern von Partei und Staat nutzte die Staatssicherheit ihr Wissen gegenüber der SED-Führung nur zurückhaltend, zuweilen gar nicht. Die Stasi agierte in wichtigen Entscheidungssituationen nicht machtsensibler und politisch weitsichtiger als der SED-Generalsekretär und profilierte sich in den Berichten ihm gegenüber nicht als unbequeme Mahnerin. Mielkes Kollegen im Politbüro verhielten sich offenbar nicht anders. Das Wunschbild von der Lage in der DDR wurde als Realität gehandelt. Eine Ignoranz, die den Keim des Untergangs sprießen ließ.
- 5.
Gäbe es die MfS-Akten nicht, der allein auf Zeitzeugenberichte, das wissenschaftlich und parteioffiziell Veröffentlichte und in den Akten von Staat und Partei Überlieferte angewiesene Historiker hätte erheblich größere Probleme, sich ein wirklichkeitsnahes Bild von der DDR zu machen und würde über manche Vorgänge fast nichts erfahren. Das gilt etwa für die Umstände, die 1976 zum Tod des Italieners Corghi am Kontrollpunkt Hirschberg führten oder die Gründe, die DDR-Behörden veranlasst hatten, Eltern das Sorgerecht gegenüber ihren Kindern zu entziehen, den im Westen viel diskutierten »Zwangsadoptionen«. Zuweilen ist das von der Staatssicherheit Weitergeleitete aber auch von nur marginaler Bedeutung und auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar, warum Erich Mielke und seine Auswertungsoffiziere die Information für wichtig hielten. Es ist thematisch die spezifische Auswahl gegenüber der Bevölkerung misstrauischer Sicherheitsverantwortlicher. Sie ist mitunter von bürokratischem Schematismus geprägt. Aufgrund des breiten Themenspektrums, das die Informationen abdecken, können sie als Quelle für die verschiedensten Projekte genutzt werden. Am aufschlussreichsten dürften sie für Fragen der Herrschafts- und Wirtschaftsgeschichte sein.
- 6.
Mielke wie Honecker erkannten nicht, dass unter dem Vorzeichen innerdeutscher und europäischer Entspannung auch innenpolitisch ein neuer Politikstil notwendig war. Zu verändern begann sich das Verhalten vieler DDR-Bürger, gerade unter den Jüngeren, gegenüber dem absoluten Machtanspruch der SED. Gewachsen waren die materiellen Erwartungen an den Staat wie das Bedürfnis politisch mitzubestimmen, aber auch die Bereitschaft zu offenem Protest. Mit den geschlossenen Verträgen hatte die DDR die Verbindlichkeit westlicher kultureller Werte wie Meinungsfreiheit, Freizügigkeit und von der Politik zu respektierender, übergeordneter Menschenrechte anerkannt und sich innenpolitisch unter Handlungszwang gesetzt. Mit der ungekürzten Veröffentlichung der Helsinki-Beschlüsse im »Neuen Deutschland« war in wichtigen Punkten faktisch eine auch innenpolitisch verbindliche Verhaltensrichtlinie für den DDR-Staatsapparat verkündet worden, deren Beachtung von den Bürgern wie den mit eigenen Korrespondenten im Lande vertretenen Westmedien kontrolliert und angemahnt wurde. Die zahlreichen Berichtsverweise auf die Westmedien zeigen, wie stark die Parteiführung die politische Wirksamkeit dieser Gegenöffentlichkeit respektieren musste. In den edierten MfS-Papieren kaum mehr zu spüren ist die offiziell immer noch gültige, im neuen Parteiprogramm bekräftigte Ideologie, wonach die SED dabei sei, die Gesellschaft zum Kommunismus zu führen. Nach ihrem Selbstverständnis besaß sie damit die stärkste Legitimation, über die eine Partei überhaupt verfügen konnte. Demokratie und Menschenrechte würden im Kommunismus in idealer Weise und dauerhaft verwirklicht sein. Die reale Entwicklung in der DDR aber war so weit hinter den kommunistischen Idealen zurückgeblieben, dass der ideologische Anspruch schon lange nicht mehr glaubwürdig war und kaum Folgebereitschaft und politische Integrationswirkung mehr erzeugte.
Redaktionelle Anmerkungen zum vorliegenden Band
Wo gemäß Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) Anonymisierungen erforderlich waren, wurde versucht, den wissenschaftlich relevanten Inhalt des Gemeldeten soweit wie möglich zu erhalten. Bei einzelnen Berichten über Fälle behaupteter Zwangsadoption wären selbst weitreichende Formen der Anonymisierung und Pseudonymisierung nicht ausreichend gewesen, um dem vom Gesetz geforderten Schutz von Persönlichkeitsrechten zu entsprechen. Hier musste sich die Edition mitunter passagenweise darauf beschränken, regestenartig den Inhalt der Berichte zu charakterisieren. Für eine möglichst realitätsnahe Beurteilung dieser Fälle ist es gleichwohl unerlässlich, auch die MfS-Darstellungen zu berücksichtigen. Sie sind gemäß StUG nur für wenige Gruppen von Wissenschaftlern unanonymisiert einsehbar. Veröffentlicht werden dürften sie nur mit schriftlicher Einwilligung der Betroffenen. Deren Adressen ausfindig zu machen, ist aber in den publizistisch weniger beachteten Fällen kaum möglich, die Zustimmung aufgrund der sehr ins Private hineinreichenden Schilderungen zudem unwahrscheinlich. Aus guten rechtlichen Gründen muss sich die Edition in diesen Fällen auf eine zuweilen bruchstückhafte Wiedergabe beschränken.
Entsprechend § 32a StUG waren über 100 Personen der Zeitgeschichte vorab darüber zu informieren, welche Angaben zu ihnen in den Berichten enthalten sind und veröffentlicht werden sollen. In diesen Fällen, und wenn nach § 32 StUG bei Betroffenen um eine schriftliche Einwilligungserklärung für die Publikation nachgesucht werden musste, hat der Herausgeber dieses Bandes zugleich darum gebeten, Anmerkungen oder Ergänzungen zum Berichteten zu machen. Soweit solche Anmerkungen erfolgten, wurden diese in den Fußnoten verarbeitet.
Nur in wenigen Fällen mussten Angaben zu Personen anonymisiert werden, weil es nicht gelungen war, deren Adressen ausfindig zu machen, sodass erforderliche Einwilligungserklärungen nicht beschafft werden konnten. Von den Angeschriebenen gaben bis auf zwei alle die erbetene Einwilligung.
Personen der Zeitgeschichte, die nach § 32a StUG vorab darüber in Kenntnis zu setzen sind, welche in den Akten überlieferten Informationen über sie veröffentlicht werden sollen, müssen auf solche Mitteilungen nicht reagieren. Viele taten es dennoch und begrüßten das Editionsvorhaben der Behörde ausdrücklich. In Einzelfällen übten sie aber auch Kritik daran und fühlten sich durch die Publikation in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt: »Die Behauptungen der Quellen zu drucken, ist unseriös, und, wenn nicht die Quelle und ihre Motive offenliegen, verwerflich«, so ein Schriftsteller, der im Zusammenhang mit den Diskussionen um die Ausbürgerung Wolf Biermanns in den ZAIG-Berichten erwähnt wurde, in einem Brief. Solche und ähnliche Bedenken konnten durch das Erläutern der Rechtslage aber soweit gemildert werden, dass gerichtliche Entscheidungen nicht erforderlich waren. Zudem wurden Betroffene in diesen Fällen auf die Möglichkeit verwiesen, in Anlehnung an § 4, Abs. II StUG Richtigstellungen von nach ihrer Überzeugung falsch wiedergegebenen Sachverhalten zu formulieren, die der Akte beigefügt und – zeitlich unbeschränkt – jedem zukünftigen Benutzer mit vorgelegt würden. Doch hat letztlich niemand von diesem Angebot Gebrauch gemacht.
Dank
Mit dem Erarbeiten einer umfangreichen Edition wie dieser ist ein sehr hohes Maß an redaktioneller und Schreibarbeit verbunden, Tätigkeiten die zeitraubend, oft redundant und mühselig, selten geistig anregend und motivierend sind. Mein Dank gilt in erster Linie den Kolleginnen und Kollegen in der Behörde der Bundesbeauftragten, die die Texte abgeschrieben und kollationiert, die Adressen von zu benachrichtigenden Personen ermittelt, Akten beschafft, Register entworfen und den Editionskorpus nach den Vorgaben der Reihenherausgeberin wie des Verlages bis zur Druckreife bearbeitet haben. Er gilt Marina Donner, Peter Donner, Martin Erdmann, Brigitte Fiebelkorn, Doris Gorsler, Cornelia Grunert, Petra Hein, Thomas Heyden, Christiane Neumicke, Sylvia Peters, Beate Prinz, Anita Rothe und Ines Splettstoesser. Danken möchte ich zudem denen, die mit mir immer wieder über konzeptionelle Fragen und darüber diskutiert haben, wie eine zeitgemäße, benutzerfreundliche Publikationsform gefunden werden kann: Christian Adam, Roger Engelmann, Jens Gieseke, Jörg Hallepape, Frank Joestel und Daniela Münkel. Roger Engelmann danke ich darüber hinaus, dass er stets Zeit fand, mit mir über rechtliche Fragen der Veröffentlichung zu beraten und Frank Joestel, dass er kreativ und geduldig seine EDV-Spezialkenntnisse einbrachte, ohne die das Projekt in der vorliegenden Form nicht zu verwirklichen gewesen wäre. Bernd Florath half mir bei der Bewertung der Berichte zu DDR-Oppositionellen, die Kirchenhistoriker Horst Dähn und Harald Schultze bei der Klärung von Fragen aus ihrem Forschungsbereich; auch das sei an dieser Stelle dankend vermerkt.
- Berlin, im August 2009
Siegfried Suckut
Anhang
Tabelle 1: Thematische Verteilung der ZAIG-»Informationen« aus dem Jahr 1976180Themenfeld | Anzahl und Nummern der Berichte | Davon an Honecker |
---|---|---|
Reiseverkehr in die DDR und Transitverkehr von und nach Westberlin | 77 | |
Wirtschaft und Verkehr (außer Transit), Gesundheitswesen | 39 | |
(davon Brände, »Havarien«, Unfälle) | (22) | |
Flucht, Fluchthilfe, Grenzprobleme | 37 | 27 |
Kirchen und Christen in der DDR | 31 | |
Oppositionelle Tendenzen | 14 | |
(davon im kulturellen Bereich) | ||
Innerdeutsche Beziehungen (einschließlich West-Korrespondenten in Ostberlin) | 20 | |
Reaktionen der DDR-Bevölkerung, Stimmungsberichte | 15 | |
Westberlin (einschließlich westliche Besatzungstruppen) | 14 | 1 |
Einzelvorkommnisse mit großer Beachtung in der Bevölkerung | 16 | |
(davon Selbstverbrennung Brüsewitz) | ||
Ausreise | ||
Behauptete Zwangsadoption oder Zwangspsychiatrisierung | 1 | |
Außenpolitik | 0 | |
NVA/Volkspolizei | 2 | |
Sonstiges (unter anderem Reiseverkehr mit sozialistischen Staaten, westliche Militärmissionen, Rote Armee) | 1 | |
Summe | 292 | 84 |
Adressaten der »Informationen« | Nr. der »Informationen« | Anzahl |
---|---|---|
Arndt, Otto [Minister für Verkehrswesen, SED] | 11 | |
Axen, Hermann [Mitglied des SED-Politbüros] | 14 | |
Barth, Willi [Leiter Abt. Kirchenfragen des ZK der SED] | 102, 221, 248, 249, 262, 352, 359, 374, 423, 465, 479, 488, 502, 503, 578, 579, 583, 588, 603, 610, 623, 626, 629, 641, 657a, 674, 679, 718, 723, 738, 749, 754, 776, 790, 829, 836, 860, 896 | 38 |
Bettin, Karl [Minister für Leichtindustrie, SED] | 1 | |
Bochmann, Manfred [Minister für Geologie, SED] | 1 | |
Böhm, Siegfried [Minister der Finanzen, SED] | 1 | |
Dickel, Friedrich [Minister des Innern, SED] | 12, 52, 80, 131, 197, 277, 302, 326, 422, 435, 530, 659, 794, 892 | 14 |
Donda, Arno [Leiter der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik, SED] | 6 | |
Ewald, Manfred [Präsident des DTSB, SED] | 2 | |
Fischer, Oskar [Minister für Auswärtige Angelegenheiten, SED] | 36, 50, 53, 55, 135, 235, 372, 374, 448, 452, 464, 466, 485, 489, 506, 519, 520, 524, 527, 578, 584, 609, 622, 627, 628, 704, 736, 738, 751, 793, 797, 814, 830, 863, 879, 890, 895 | 37 |
Grüneberg, Gerhard [Mitglied des SED-Politbüros] | 5 | |
Hager, Kurt [Mitglied des SED-Politbüros] | 49, 79, 351, 557, 622, 658, 765, 789, 791, 796, 798, 810, 817, 828, 831 | 15 |
Hellmann, Rudolf [ Leiter Abt. Körperkultur und Sport des ZK der SED] | 2 | |
Herrmann, Joachim [Mitglied des SED-Politbüros] | 2 | |
Hoffmann, Hans-Joachim [Minister für Kultur, SED] | 6 | |
Hoffmann, Heinz [Mitglied des SED-Politbüros] | 9 | |
Honecker, Erich [SED-Generalsekretär] | 12, 37, 49, 50, 53, 80, 135, 184, 196, 234, 235, 247, 250, 263, 276, 277, 302, 328, 350, 351, 408, 409, 422, 435, 448, 464, 466, 531, 532, 556, 557, 558, 573, 576, 579, 580, 581, 582, 583, 584, 586, 589, 601, 603, 604, 605, 609, 610, 624, 628, 629, 646, 657b, 659, 672, 673, 674, 675, 678, 679, 692, 704, 719, 738, 749, 752, 753, 754, 765, 789, 791, 796, 797, 798, 810, 817, 828, 830, 832, 833, 836, 837, 858a, 895, 897, 909, 911, O-34 | 88 |
Junker, Wolfgang [Minister für Bauwesen, SED] | 2 | |
Kessler, Heinz [Stv. Minister für Nationale Verteidigung, SED] | 2 | |
KGB Berlin-Karlshorst (»AG«) (Komitee für Staatssicherheit der Sowjetunion) | 53, 120, 184, 234, 250, 328, 372, 448, 452, 466, 478, 480, 481, 486, 490, 503, 519, 573, 584, 751, 793, 796, 798, 875, 879, 890 | 26 |
König, Hertha [Ministerium der Finanzen, SED] | 13, 38, 54, 76, 91, 118, 134, 147, 173, 195, 198, 222, 236, 261, 291, 304, 315, 339, 370, 386, 397, 420, 436, 449, 463, 482, 501, 507, 525, 543, 555, 561, 577, 587, 606, 625, 643, 660, 677, 693, 705, 720, 737, 750, 777, 792, 812, 835, 861, 877, 894, 910 | 52 |
Krolikowski, Herbert [Stv. Minister für Auswärtige Angelegenheiten, SED] | 80, 119, 234, 263, 276, 290, 556, 559, 573, 578, 659, 692, 813 | 13 |
Krolikowski, Werner [Mitglied des SED-Politbüros] | 24, 78, 103, 158, 169, 170, 184, 196, 264, 350, 353, 375, 480, 585, 586, 589, 600, 601, 642, 644, 645, 661, 672, 676, 680, 706, 721, 753 | 28 |
Kuhrig, Heinz [Minister für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft, SED] | 2 | |
Lamberz, Werner [Mitglied des SED-Politbüros] | 12, 36, 49, 50, 53, 79, 504, 520, 579, 583, 603, 610, 622, 623, 627, 629, 640, 657b, 691, 692, 765, 778, 789, 791, 796, 797, 798, 810, 817, 828, 829, 830, 831, 898 | 34 |
Markowski, Paul [Leiter Abt. Internationale Verbindungen des ZK der SED] | 1 | |
Mitdank, Joachim [Leiter Abteilung Westberlin im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, SED] | 2 | |
Mittag, Günter [Mitglied des SED-Politbüros] | 24, 36, 103, 158, 169, 170, 172, 184, 196, 264, 350, 351, 353, 371, 375, 450, 480, 557, 585, 586, 589, 600, 601, 607, 642, 644, 645, 661, 672, 676, 680, 706, 707, 721, 753, 813 | 36 |
Naumann, Konrad [Mitglied des SED-Politbüros] | 9 | |
Neumann, Alfred [Mitglied des SED-Politbüros] | 4 | |
Renckwitz, Fritz [Stv. Leiter Abt. Sicherheitsfragen des ZK der SED] | 4 | |
Schalck-Golodkowski, Alexander [Staatssekretär für Außenhandel, SED] | 1 | |
Scheibe, Herbert [Leiter Abt. Sicherheit des ZK der SED] | 7 | |
Schürer, Gerhard [Kandidat des SED-Politbüros] | 3 | |
Siebold, Klaus [Minister für Kohle und Energie, SED] | 4 | |
Sindermann, Horst [Mitglied des SED-Politbüros] | 78, 80, 103, 119, 158, 169, 196, 264, 351, 353, 522, 610, 623, 629, 657b, 672 | 16 |
Singhuber, Kurt [Minister für Erzbergbau, Metallurgie und Kali, SED] | 2 | |
Sölle, Horst [Minister für Außenhandel und Innerdeutschen Handel, SED] | 1 | |
Steger, Otfried [Minister für Elektrotechnik und Elektronik, SED] | 1 | |
Stoph, Willi [Mitglied des SED-Politbüros] | 8 | |
Streit, Josef [Generalstaatsanwalt der DDR, SED] | 1 | |
Verner, Paul [Mitglied des SED-Politbüros] | 50, 102, 135, 234, 235, 248, 262, 275, 290, 374, 502, 505, 506, 519, 520, 522, 524, 526, 528, 531, 532, 556, 578, 588, 610, 623, 629, 657a, 674, 679, 718, 738, 749, 754, 790, 797, 829, 836, 858b, 859, 860, 898 | 42 |
Verner, Waldemar [Stv. Minister für Nationale Verteidigung der DDR und Chef der politischen HV der NVA] | 1 | |
Wyschofsky, Günther [Leiter Abt. Grundstoffindustrie des ZK der SED] | 3 |