Einweisungen in das Kinderheim Grünheide
13. Januar 1976
Information Nr. 37/76 über die Ursachen und Zusammenhänge der Einweisung von zwei Kindern in das staatliche Kinderheim Grünheide bei Erkner
Durch die Sicherheitsorgane der Deutschen Demokratischen Republik wurden im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen der Bürgerin der DDR, [Name der Mutter], geboren am [Tag] 1941, wohnhaft gewesen in Berlin-[Stadtteil und Adresse], zuletzt tätig gewesen als Ingenieur für [Fachrichtung] im [Betrieb], Maßnahmen zur Einweisung ihrer Kinder [Kind 1], geboren am [Tag] 1961, Schülerin, und [Kind 2], geboren am [Tag] 1962, Schüler, in die staatliche Obhut des Kinderheimes [Ort] ergriffen.1
Im Ergebnis durchgeführter Untersuchungen und Überprüfungen wurden folgende Ursachen und Zusammenhänge bekannt:
Die [Mutter] hatte im Jahre 1961 die DDR ungesetzlich verlassen und in Westberlin das Notaufnahmeverfahren durchlaufen. Nach ihrer noch 1961 erfolgten Rückkehr in die DDR verließ sie 1962 abermals ungesetzlich unsere Republik und kehrte 1964 in die DDR zurück.
Die Ehe der [Mutter], aus der die vorgenannten Kinder entstammen, wurde 1967 geschieden. Ihr damaliger Ehemann wurde nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe aus der DDR ausgewiesen und soll in Westberlin wohnhaft sein. Ihre Mutter, die jetzt 71-jährige [Name], war 1972 aus der DDR nach Westberlin verzogen. Der [Mutter] waren – trotz dieser Umstände – durch unseren Staat alle Möglichkeiten der Entwicklung und Qualifizierung eingeräumt worden. Von 1969 bis 1973 studierte die [Mutter] an der Humboldt-Universität, Institut für [Fachrichtung] und schloss dieses Studium mit der Qualifikation eines Ingenieurs für [Fachrichtung] erfolgreich ab. Seit 18. April 1973 war die [Mutter] im [Betrieb] als Technologin in der Abteilung Entwicklung und Technologie tätig.
Bereits während ihres Studiums wurden im Jahre 1971 Hinweise bekannt, dass die [Mutter] den ihr obliegenden Erziehungspflichten für die zwei Kinder nur ungenügend nachkommt. Seitens der Humboldt-Universität und unter Einschaltung des Referates Jugendhilfe wurden alle erdenklichen Maßnahmen getroffen und auch Auflagen erteilt, um die [Mutter] zu einem gesellschaftsgemäßen Verhalten und der Wahrnehmung ihrer Erziehungspflichten zu veranlassen. Auch in den folgenden Jahren änderten sich die Lebens- und Verhaltensweisen der [Mutter] nicht. Wiederholt wurden Feststellungen getroffen, dass die [Mutter] ihre Kinder vernachlässigt, tagelang unbeaufsichtigt lässt, nicht für ausreichende Ernährung sorgt sowie Sauberkeit und Ordnung in der Wohnung derart vernachlässigt, dass sie als menschenunwürdig zu bezeichnen war.
Obwohl die [Mutter] im [Betrieb] in ein mit dem Staatstitel »Kollektiv der sozialistischen Arbeit« ausgezeichnetes Kollektiv aufgenommen und ihr alle Hilfe und Unterstützung zur Bewältigung ihrer persönlichen Probleme zuteil wurde, zeigten sich keine Erfolge.
Die gestellten fachlichen Aufgaben erfüllte die [Mutter] trotz Anleitung und Kontrolle nur unzureichend. Seit dem 2. Halbjahr 1975 verletzte die [Mutter] wiederholt die Arbeitsdisziplin, erschien unpünktlich und mehrfach unbegründet nicht zur Arbeit, wofür ihr zwei Verweise erteilt worden waren.
[Anonymisierung eines Satzes zur Wahrung überwiegender schutzwürdiger Interessen gemäß StUG.] Die Gewissenlosigkeit der [Mutter] gegenüber ihren Kindern und ihre verfestigten asozialen Lebens- und Verhaltensweisen gipfelten darin, dass sich die [Mutter] durch eine kriminelle Menschenhändlerbande unter Missbrauch des Transitabkommens aus der DDR ausschleusen ließ. Über dieses von der [Mutter] begangene Verbrechen täuschte sie ihre Kinder, indem sie ihnen gewissenlos vorgab, einen Kurzbesuch bei einer [mit] ihr befreundeten Person durchzuführen.
Die Einweisung der Kinder [Kind 1 und 2] in ein staatliches Kinderheim erfolgte gemäß § 50 des Familiengesetzbuches der DDR in Verbindung mit Paragrafen 22/23 der Jugendhilfeverordnung vom 3. März 1966 als Sofortmaßnahme der zuständigen staatlichen Organe im Interesse der Sicherung der weiteren Erziehung und Entwicklung der minderjährigen Kinder.